Wolfgang Michel
Die in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts durch europäische Chirurgen der Handelsstation Dejima (Nagasaki) an japanische Schüler verliehenen Ausbildungszeugnisse spiegeln die medizinischen und sozialen Rezeptionsprozesse der frühen Rotschopfchirurgie (kômôryûgeka 紅毛流外科) wider. Die vorliegende Arbeit verfolgt das Aufkommen dieser Zeugnisse, deren Charakteristika und Bedeutung. Ausserdem wird das Leben von Ôtaguro Gentan beschrieben, des Empfängers des einzigen Zeugnisses, dessen Hintergrund bislang ungeklärt war. Chirurgie-Unterricht auf Dejima und die Bescheinigung des ErfolgesDie Begegnung der Japaner mit der Chirurgie der Rotschöpfe (kômôjin 紅毛人) genannten Bediensteten der niederländischen Ostindischen Kompanie reicht bis in die Zeit der Handelsniederlassung Hirado (1609-1641) zurück, als europäische Schiffschirurgen während der Wartezeit ihrer Schiffe gelegentlich auch japanische Patienten behandelten.[1] Nach Verlegung Niederlassung auf die kleine Insel Dejima in Nagasaki stationierte die Kompanie dort einen Faktorei-Chirurgen, der gewöhnlich alle zwei bis drei Jahren ausgetauscht wurde. Wenn der Leiter (opperhoofd) der Faktorei im Frühjahr nach Edo aufbrach, gehörte dieser Oberchirurg zu den zwei bis drei auserwählten Europäern, die ihn begleiten durften. Der mehrwöchige Aufenthalt in der Hofstadt brachte mehr Begegnungen als bisher zwischen den Kompaniechirurgen und hochrangigen Personen sowie deren Leibärzten, was die Bedingungen des euro-japanischen medizinischen Austausches merklich verbesserte. Gelegentliche Bestellungen von Arzneimitteln und Fragen hierzu während der vierziger Jahre jenes Jahrhunderts signalisieren ein gewisses Interesse an westlicher Chirurgie.[2] Es wäre vermessen, dies auf eine Überlegenheit westlicher Medizin über die des Ostens zurückzuführen. Wahrscheinlicher ist, dass sich einige Salben und Pflaster der Chirurgen als nützlich erwiesen und von dankbaren Patienten gerne genutzt wurden. Der mit insgesamt zehn Monaten exzeptionell lange Edo-Aufenthalt des Leipziger Chirurgen Caspar Schamberger löste dann im Jahre 1650 einen qualitativen Sprung aus. Schambergers Mentor am Hofe des Shôgun, der Reichskommissar Inoue Masashige, Bewahrer von Chikugo (井上筑後守政重) , vermittelte hochgestellte Patienten. Erfolgreiche Therapien und die soziale Stellung der Patienten lösten ein nachhaltiges Interesse in einflussreichen Kreisen aus und leiteten die Geburt der Chirurgie im Stile der Rotschöpfe (kômôryû geka 紅毛流外科) ein, des Keims der Hollandstudien (rangaku 蘭学 ) im folgenden Jahrhundert.[3] Noch bevor Schamberger im Herbst 1651 Japan verliess, verzeichnen die Niederländer einen Aufschwung in den Bestellungen westlicher Medikamente, Arzneimittel, Bücher und Geräte. Immer häufiger berichten in den folgenden Dekaden die Leiter der Handelsniederlassung über die Bitten hoher Herren um einen Besuch der Faktorei-Chirurgen. Auch wurden die Nachfolger Schambergers bei allen Gelegenheiten von Japanern besucht, die Fragen hatten oder gar eine Ausbildung in westlicher Chirurgie anstrebten. Die Prozedur zum Beginn einer längeren Ausbildung auf Dejima war stets gleich. Zunächst sandte der japanische Gouverneur der direkt durch die Zentralregierung verwalteten Stadt Nagasaki eine formelle Bitte an den Leiter der niederländischen Faktorei. Da derlei Gefälligkeiten das Geschäftsklima verbesserten, erklärte sich dieser einverstanden, liess den Chirurgen rufen und ordnete in Anwesenheit der Dolmetscher und des künftigen Schülers die gewünschte Unterweisung an. Das erste Beispiel hierfür stammt vom Sommer 1652. "Op heeden soo quamen alle de tolken neffens den burgermeester des Eijlants uijt den naem vanden Gouverneur Joffijesamma een versoeck doen dat seker Japander door onsen chirurgijn in die conste wat mocht onder wesen werden. en groote courtoijse soude sijn E: daer aen geschieden, ende alsoo sulcx wel gaerne hadde geexcuseert, soo hebbe echter 't selve ingewillicht ende weijgerungh evenwel sijn voort ganck soude nemen, waer over sijn E: ons naderhant liet bedancken."[4] Fünf Jahre darauf kam zum Ende der Instruktionen eine neuartige Bitte. Über Monate hinweg hatte auf Anordnung des Reichskommissars Inoue der Konfuzianer und Arzt Mukai Genshô (向井元升) den Breslauer Chirurgen Hans Hancke zu allerlei Krankheiten und deren Therapien befragt. Am 14. Januar 1657 verlangte nun der Gouverneur von Nagasaki, dass der Faktoreileiter Zacharias Wagener und Hancke den von Mukai aufgestellten Bericht unterschreiben sollen: "sondagh kort naar ons gehouden middaghs mael sont den Gouverneur alle onse tolcken met seker japanse doctoor (hier vooren meermaels geciteert bij mijn, en verthoonden twee boecken in houden: beijde de geneeskonste op de Europise-wijs, die hij door ordre van den Commissaris 'tSickingodonne [= Inoue] van onsen opperchirurgijn redelijck wel scheen gevat ende met hulp onser tolcken overgeset te hebben, oversulcx begeerden uijt den naem van gem: Gouverneur dat deselve mede naar Jedo nemen en die aan voorn: Commissaris overleveren zoude, edoch mosten alvooren van voorsz: onse heelmeester onderteijckent, ende insgelijcx met mijn hant teijckeningh bevesticht worden, dat al wat hij d'voorsz: [= voorschreven] doctoor dienaangaende uijt diversche auteuren onderwesen en geleert hadde, alles, oprechtelijck en naar zijn beste kennis gedaen was, ende alhoewel ick zulcx voor mijn altoos een vreemde ende ongerijmde verclaringh achte, die dierhalven oock gaern afgebeden hadde, soo heefft e 't echter weijnigh mogen helpen, maar de begeerte hierin des voorsz: Gouverneurs moeten voldoen."[5] Trotz der aus seiner Sicht ungereimt anmutenden Bitte, tat Wagener, was ihm angetragen worden war. Dies ist das erste Beispiel für eine Bescheinigung durch den Chirurgen der Handelsstation, dass seine Instruktionen durch den Partner hinreichend verstanden wurden. Besagter Bericht wurde nach Edo geschickt, fiel aber vermutlich jener Feuerkatastrophe zum Opfer, die im selben Frühjahr grosse Teile der Stadt und des Schlosses zerstörte. Die einzige derzeit bekannte Kopie geht vermutlich auf die laut Wageners Tagebuch in Nagasaki verbliebene Version zurück. Sie wird in der Bibliothek der Medizinischen Fakultät der Kyushu-Universität aufbewahrt und zeigt am Schluss ein mit den Angaben des Faktoreitagebuchs übereinstimmendes Datum sowie die Namen von Wagener und Hancke in Katakana-Silbenschrift (Abb. 1) .[6] Abb.1 Beglaubigung der durch Mukai Genshô angefertigten Schrift durch den Faktoreileier Zacharias Wagener und den Chirurgen Hans Hancke (Sammlung der Medizinischen Bibliothek der Kyushu Universität, Fukuoka)
Chirurgische Instruktionen und die Erteilung von ZeugnissenIm November 1656 begann auf Verlangen des nagasaki-Gouverneurs die chirurgische Ausbildung von Hatano Gentô (波多野玄洞) . Im Tagebuch von Dejima heisst es, er sei ein Onkel von Suetsugu Heizô (末次平蔵) . Dies war Suetsugu Shigetomo (末次茂朝 , 1647- nach 1670) , der in der vierten Generation seiner Familie als Landvogt vierundfünfzig Aussenbezirke von Nagasaki und zehn Dörfer des Umlandes kontrollierte und zugleich im Handel so stark engagiert war, dass ihn auch der Gouverneur der Stadt Nagasaki nicht zu ignorieren wagte: "zont den gouverneur Joffiesamma [= Yohyôe sama] met onse tolcken en twee opperbongioisen zeeckeren Japansen doctoor genaempt Fantano gento zijnde oom van desen rentmeester Pheso [= Heizô] en 't verleden Jare mede hier geweest omme nu ander mael en noch nader door onsen Chirurgijn wegens de geneeskonst onderricht te mogen worden, versouckende dier halven tot die eijnde hierdan somtijts op 't Eijlant en bij den Chirurgijn inde winckel vrijen toeganck hebben mocht 't welck hem gaerne toegestont, en dat den Chirurgijn hem t' allen tijden behoorlijck zoude onderrichten met welck bescheijt weder gesamentlijck vertrocken en naar den gouverneur keerden."[7] Hatanos Ausbildung zog sich in die Länge. Als Wagener im Herbst 1657 nach Batavia aufbrach, bat er seinen nachfolger Joan Boucheljon, er möge Hatano "freien Zugang zum Chirurgenzimmer" gewähren. Boucheljon ordnete an, dass der Chirurg Steven de la Tombe zu jeder gewünschten Zeit Unterricht geben solle.[8] Im Juli 1658 heisst es dann, Gentô werde seit fünf, sechs Monaten täglich unterrichtet.[9] Da er bald nach Edo gehen wolle, bitte er um eine Bescheinigung, um zu beweisen, dass er durch einen holländischen Chirurgen ausgebildet worden war. Aus Respekt vor Suetsugu und auch, weil der Nagasaki-Gouverneur von dieser Ausbildung wusste, wies Boucheljon seinen Chirurgen an, ein Zeugnis auszustellen: "Comt meermaels gementioneerden Fantano gento, Phesoos oom die zedert 5: a 6: maenden herwaerts door onsen Chirurgijn op zijne vragen wegens de geneesconste dagelijcx onderwricht geworden is, met den tolck Scheseijmon [= Ishibashi Jozaemon, 石橋助左衛門], ons daer voor bedancken; zeijde dat nu in corten nae Jedo zoude vertrecken, en versocht voor 'tlaest eenige regulen hollants geschrift* warmede hij aldaaer bij voor val zoude connen bethoonen dat door een Hollantzen Chirurgijn onderwesen was, 't welcke hem ten respecte van Pheso, oock de wijl dit onderwijs met voorweten der gouverneurs is geschiet, dan ter hand stelden; waermede zigh met gemelten tolck weder vertrock. Dies war das erste holländische Testimonium dieser Art, doch leider ist dessen Verbleib nicht bekannt. In den folgenden siebenundzwanzig Jahren finden wir in den Tagebüchern der Faktorei hier und dort Hinweise auf längere Instruktionen, die bisweilen durch ein Zeugnis des Faktoreichirurgen bescheinigt wurden. Wie oft das genau geschah, ist nicht erfassbar. Manchmal findet man über Jahre hinweg keinerlei Hinweis, was aber auch am Desinteresse des Faktoreileiters liegen kann. Das älteste heute erhaltene Zeugnis erwarb der Arzt Handa Rian alias Arashiyama Hoan (半田李庵,嵐山甫安,1632-1693) aus dem Lehen Hirado. Im September 1661 bat der dortige Fürst Matsura Shigenobu (松浦鎮信) den Nagasaki-Gouverneur Kurokawa darum, Arashiyama auf Dejima unterweisen zu lassen.[11] Dem Haus Matsura fühlte sich die Kompanie im Gedenken an die gute alte Zeit ihrer Faktorei in Hirado verbunden. Auch Matsura Shigenobu fand es 1652 anlässlich eines Besuches sehr bedauerlich, dass die Niederländer nunmehr eingesperrt leben müssten.[12] Sein Arzt Arashiyama wurde zunächst von Hermann Katz unter die Fittiche genommen und durfte 1662 sogar mit Katz an der Reise zum Hofe teilnehmen.[13] Im November finden wir zwei neue Chirurgen auf Dejima, Abraham van Kerpen als Unter- und Daniel Busch als Oberchirurg,[14] von denen sich letzterer um ihn zu kümmern scheint. Im folgenden Jahr taucht in den Kompaniepapieren neben Busch ein Hermann Visscher auf,[15] der Japan im Herbst 1664 verliess. Nach rund dreijähriger Ausbildung setzten am 21. Januar 1665 der Faktoreileiter Jacob Gruijs, dessen Stellvertreter Nicolaes de Roij sowie der Chirurg Daniel Busch ihre Unterschrift unter Arashiyamas Abschlusszeugnis, das heute im Touristenmuseum Hirado liegt: "Wij ondergeschreven getuijgen ende attesteren voor de waerheijt, dat den Japander
genaemt Choan, dienaer van de Heer van Firando, eende geruijmen tijt bij de
hollandse Chirurgijns heeft geleert, ende in de ars van de Chirurgie (voor soo
veel ons bekent is) volkomen is onderwesen, so dat hij de kraghten van de
hollandse medicamenten redelijk wel is bewust, daer van hij ons volkomen
blijken heeft laten sien, ende dien volgende den selven voor een goet genees mr
[= meester]verklaren. Katz soll, als er Japan verliess, vom Hause Matsura dreissig Schuit Silber erhalten haben, Busch anfangs zehn, vor seiner Rückreise nochmals zehn, dazu Geschenke, und Hermann Visscher[17] ebenfalls zehn Schuit.[18] Dies unterstreicht das persönliche Engagement des Fürsten. Arashiyama verfasste 1683 eine "Sammlung von Behandlungsrezepten der Barbarenländer" (Bankoku chihô ruiju, 蕃国治方類聚) , in der er die Chirurgen Katz und Busch nennt, aber auch Materialien aus den fünfziger Jahren verwertete, die der Konfuzianische Gelehrte Mukai Genshô aufgrund der Instruktionen Hans Jurian Hanckes und Jan Stipels zusammengetragen hatte.[19] Im Jahre 1666 brachte man einen jungen Arzt des Fürsten der Provinz Chikuzen zum Chirurgen, der die Behandlung von Wunden lernen sollte. Dies sei, so der Faktoreileiter in seinem Tagebuch, nunmehr der dritte, den der Chirurg Hendrik Obé unterrichten müsse.[20] Unter den Herren, die Interesse an der Chirurgie der Europäer zeigten, fällt weiter der Reichsrat Inaba Masanori (稲葉正則) aus der Domäne Odawara auf. Sein Leibarzt erscheint im niederländischen Tagebuch als "Zouwan". Dies war Yoshinaga Shôan (吉永升庵) , der sich, wie einige erhaltene Handschriften belegen, intensiv mit europäischer Chirurgie beschäftigte,[21] so sehr, dass ihm die Niederländer den Namen Jan Schram verliehen.[22] Als er sich aus nicht bekanntem Grund entleibte, legte Inaba, dem letzten Willen Yoshinagas folgend, im Mai 1666 dem in Edo weilenden Faktoreileiter Gruijs den erst zwölfjährigen Sohn ans Herz. Dieser solle in der Faktorei zehn Jahre lang in westlicher Chirurgie unterwiesen werden.[23] Den Namen des jungen Mann findet man Handschriften des Vaters: Yoshinaga Shôetsu (吉永升雲) . Nur wenige Tage nach der Ankündigung brach er mit dem japanischen Stadtteilvorsteher von Dejima nach Nagasaki auf. Gruijs hoffte, dass der Jüngling künftig ein "gutes Instrument der Kompanie" werden könne.[24] Ein Jahr darauf stellte Inabas Arzt "Sodits", gemeint ist Egawa Shôtetsu (江川升徹) , in der Herberge der Niederländer in Edo einen jungen Kollegen vor. Dieser werde, so erklärte er, bei erster Gelegenheit nach Nagasaki reisen, auf dass man ihn dort um so besser instruieren könne. Da die Kompanie grossen Wert auf die Gunst Inabas legte, reagierte man auch dieses Mal positiv.[25] Einen Intensivkurs in westlicher Chirurgie absolvierte weiter ein Arzt des Landesherren von Chikugo auf Kyushu. Er schloss seine am 26. November 1667 begonnene Ausbildung bereits am 17. Dezember mit einer Öldestillation ab und erhoffte sich ein Zeugnis.[26] Möglicherweise musste er darauf lange warten, falls er identisch sein sollte mit jenem Arzt aus Chikugo, dem der Chirurg Willem Hoffman Ende 1673 ein Zertifikat ausstellte.[27] Zwischen dem 17. und 21. Dezember 1667 erschien ein Arzt des Reichsrates Kuze Hiroyuki, Bewahrer von Yamato (久世大和守広之, 1609-1679) , um sich in der Heilkunst unterweisen zu lassen. Angesichts des Ranges von Kuze empfahl der Faktoreileiter dem Chirurgen, Fleiss und Können walten zu lassen.[28] Dieser Schüler war, wie sich erst jüngst herausstellte,[29] Ôtaguro Gentan (太田黒玄淡) aus dem Fürstentum Kurume, der weiter unten eingehen vorgestellt wird. Am 21. Januar 1668 stellte der Chirurg Arnout Dircksz. für Seo Shôtaku (瀬尾昌宅 , auch 昌琢 , 1643-1717) [30] ein Zeugnis aus, das heute in der Kyôto-Universität liegt. Constantin Ransts Tagebuch vermerkt hierzu nichts. "SenowoSiotack
Japanse Doctor, sich ontrend de 3 maanden, by my ondergesz: opper=chijrurgijn
des comtoirs Nagasacky in de Chijrugia hebbende laten onderweijsen, ende
daarvan, als mede van zyn bevorderingh in de selve konst, eenigh testimonium
begerende, verlene het zijn E. na waarheijt als volght. Dem niederländischen Text haben sieben der besten Dolmetscher jener Jahre (Namura Hachizaemon, Nishi Kichibei, Kafuku Kichizaemon, Motoki Shôdayu, Tominaga Ichirôbei, Tateishi Tahyôe, Narabayashi Shin'emon) eine mit Namenssiegel versehene erklärende Übersetzung beigefügt. Sie ist auf den sechsten Tag des zwölften Monats im siebten Jahr der Regierungsdevise Kanbun datiert, also auf den 19. Januar westlicher Zeitrechnung. Entweder liess sich Dirckz. mit seiner Unterschrift Zeit, oder aber die Dolmetscher setzten ihren Text schon zuvor auf. Ihrer Darstellung zufolge hatte sich Seo niederländische Pflaster, Heilöle und andere geheime Heilmittel und Heilverfahren angeeignet (Abb. 2) .
阿蘭陀文字之和 瀬尾昌宅老 Abb. 2 Japanisches Testimonium im Anhang des Zeugnisses für Seo Shôtaku Den offiziellen Charakter dieses Testimoniums verstärken die hierauf folgende dreizeilige Bestätigung sowie die Signatur durch drei Beamte des Nagasaki-Gouvernements Watanabe Kin'emon (渡辺金右衛門) , Nakamura Kyûemon (中村久右衛門) und Yanaka Tomodayu (矢中友太夫) . 右之通以検使被遂御啓教所紛無之候拙者共不及加判儀候得共達而御所望二付 渡辺金右衛門 (花押) Abb. 3 Bestätigung des Zeugnisses durch Beamte des Nagasaki-Gouvernements Im Juni 1668 erwähnt der Faktoreileiter Ranst erneut "Japanse Doctoiren" vom Herren von Mino, vom Ohm des Heizô und des Herren von Hakata, die sich instruieren liessen.[32] Mitte November 1669 Jahres erschienen auf Dejima zwei Ärzte der Herren von "Mino und Facane", wahrscheinlich zwei der im Juni genannten Personen.[33] Als der Faktoreileiter im folgenden Frühjahr nach Edo zog, musste dort der ihn begleitende Chirurg Moyses Maroon drei Ärzte des Reichsrates Inaba unterrichten.[34] 1672 unterwies der Apotheker Frans Braun "die japanischen Doktoren und Chirurgen" in der Kunst des Destillierens von Nelken- und Terpenthinöl.[35] Im April 1673 erwähnt der Faktoreileiter drei Ärzte, die in seiner Herberge in Edo erschienen waren und nach drei mit Fragen und Antworten verbrachten Stunden sich weiterhin täglich unterweisen lassen wollten.[36] Gegen Ende jenes Jahres liess der nagasaki-Gouverneur einen Arzt des Fürsten von Chikugo in der Chirurgie und dem Destillieren von Ölen ausbilden. Nach drei Wochen täglicher Unterweisung erhielt der Schüler ein Zeugnis des Oberchirurgen Willem Hoffman. Dieser "promotie brieff", mit dem er "seine Gelehrtheit seinem Herren und anderen Japanern" zu belegen dachte, gilt heute leider als verschollen.[37] Zwei Monate darauf meldet sich der nächste Schüler, ebenfalls aus Chikugo, der, offenbar von seinem Kollegen angeregt, ebenfalls im Schnellkurs einen "Promotionsbrief" zu erlangen trachtet.[38] Mit dem Herbst trafen zwei weitere Aspiranten ein, die auf die Zeit nach der Abfahrt der Schiffe vertröstet wurden.[39] Um diese Zeit war der junge Dr. Willem ten Rhijne aus den Niederlanden eingetroffen, dessen Ankunft die Dolmetscher jedoch partout nicht dem Gouverneur mitteilen mochten.[40] Vieles lief aus Sicht der Europäer bezüglich dieses zusätzlich zum Faktoreichirurgen nach Japan entsandten Arztes nicht erwartungsgemäss. Doch setzte der alte Gross-Reichsrat Ii Naozumi, Bewahrer von Kamo (井伊掃部頭直澄) , 1674 immerhin einen Leibarzt auf den Weg nach Nagasaki, wo er bei Willem ten Rhijne lernen sollte.[41]Danach lassen sich für geraume Zeit keine Hinweise für die Verleihung von Zugnissen finden, wobei es offen bleibt, ob dies die Folge einer Materiallücke, mangelnden Interesses der Faktoreileiter oder aber hier tatsächlich keine auf ein solches Zertifikat ausgerichtete Ausbildung stattfand. Nach rund einem Jahrzehnt erhielt der dem Fürsten Kuroda dienende Arzt aus Fukuoka, Hara Sanshin (原三信, ?- 1711) , ein etwas knapp gehaltenes Zertifikat: "Ich ondergesz: Meester Albert Croon bekenne Fara Samcin [= Hara Sanshin] discipel inde churighijs cunst geinstitueert te hebben soo veel mijn bekent, en hebbe zijt: seege hij Fara Samcin met nauwe opmerkingh wel begrepen. Octobr 18en Ao 1685 Albert Croon"[42] Der von den Dolmetschern beigefügte japanischen Anhang ist auf den neunten Tag des achten Monats datiert, der dem 26. September westlicher Zeitrechnung entspricht. Hier findet sich ein Hinweis, dass Hara im Wesentlichen bei "Meester Hendrik Obé" gelernt hatte (Abb. 4) .
Abb. 4 Japanisches Testimonium im Anhang des Zeugnisses für Hara Sanshin Croon war erst im Sommer 1684 nach Japan gekommen, so dass er nur wenige Monate Gelegenheit hatte, die Arbeit seines Vorgängers fortzusetzen. Hara Sanshin ist der letzte japanische Arzt des 17. Jahrhunderts, von dem wir wissen, dass er ein Zeugnis des Faktoreichirurgen erhalten hatte. Es scheint, als ob nunmehr die Bescheinigung eines japanischen Lehrers genügte, um jungen Schülern eine Karriere zu ermöglichen. Allerdings wüsste man gerne, warum z.B. Narabayashi Chinzan oder Motoki Shôdayu Ryôi, die beide nicht weniger qualifiziert und medizinisch engagiert waren wie Nishi Genpo, kein Zeugnis erhielten oder verlangten. Hatten sie, deren Name unter den überlieferten Exemplaren steht, derlei Bescheinigungen nicht nötig, oder liess es ihr Stolz und ihre Stellung innerhalb der Dolmetscherschaft nicht zu, dass sie sich noch einmal in den Status eines Schülers begaben? Ausbildungsinhalte und Bewertung durch EuropäerIn den Tagebüchern der Faktoreileiter wurden die oben umrissenen Vorgänge bisweilen kritisch beurteilt. Den schärfsten Kommentar hinterliess Johannes Camphuijs am 16. Februar 1674: "den gouverneur sent ons weder een doctor om alhier in d'chirurgie onderwesen te worden, so dat onsen chirurgijn soo doend' wel haest do syn werck sall krygen, om Esels te promoveeren synd' nae't seggen den tolcken, desen doctor med' een dienaer van d' heer van Sikingo, gelijcq d' andere, die onlangs met een groot promotie brieff van hier gescheijden sijnde, apparent desen mede gaend' gemaeckt heeft om insgelijcx sulcken schoonen geleerden hollantse brieff te bekomen."[43] An der unziemlichen Eile stiessen sich auch andere Faktoreileiter. So schreibt der Faktoreileiter Gabriel Happart schon 1654 folgendes: "Op den avont wiert onsen Chirurgijn ontboden ten huise van 's keijsers opper medecijn Zoijits-donno [Sôetsu, 長 宗悦] aldaer wegens veelderleij sieckten der selver genesingen, en toestel van medicamenten ondervraaeght, en voorts met spijs en dranck eerl[ijck] getracteert 'tschijnt dese heijdenen noch altoos poogende van ons te leeren och lacen meijnen dat de Europase heel const soo inder haest mit een weinigh tsamen sprekens tusschen haer on een Chirurgijn, ende dat noch extempora en ongepramediteert voorvallende grondelijck te begrijpen sij."[44] Die Zweifel waren nicht ganz unberechtigt, denn in Europa fiel kein Meister vom Himmel, wie z.B. die Liste der Prüfungspunkte der Leipziger Chirurgengilde vom 27. November 1627 zeigt.[45] Gewöhnlich dauerte dort eine Ausbildung drei Jahre, beim Sohn eines Meisters immerhin zwei Jahre. Danach wurde eine Wanderschaft verlangt, bevor man sich um die Beförderung zum Meister bewerben durfte.[46]Auch das für die Einstellungsprüfung der Ostindischen Kompanie durch Cornelis Herls verfasste "Examen der Chyrurgie" mit allein 235 Seiten zur Chirurgie und zahlreichen Abschnitte zu Krankheiten und Therapie belegt, dass berufsbewusste Chirurgen Einiges vorweisen konnten.[47] In Japan kämpften Lehrer und Schüler überdies mit sprachlichen Schwierigkeiten. Wenn Mukai Genshô Mitte der fünfziger Jahre die Niederlassung aufsuchte, um an seinem Bericht über medizinische Therapieverfahren zu feilen, mussten sich zum Missfallen des Faktoreileiters jedesmal sämtliche Holländisch-Dolmetscher versammeln. "Zijn ander mael met uijtleggen wegen 't prepareren der medicijnen voor Sickingodonne [Chikugo-dono = Inoue Masashige Chikugo-no-kami] met voorschreven doctoor ginsjo en al de tolcken besigh geweest."[48] Und auch Engelbert Kaempfer erteilte, als er 1690 nach Japan kam, seinem Assistenten Imamura Gen'emon erst einmal intensiven Holländisch-Unterricht.[49] Die Kritik an der Kürze der Ausbildung war daher berechtigt. Aber auch wenn der japanische Adept längere Zeit nach Dejima kam, fragt man sich, wie erfolgreich der Unterricht verlief. Wie verstanden und übersetzten die Dolmetscher z.B. die in Europa fundamentale Humoralpathologie? Wie verständlich wurden Termini, die keinerlei Beziehungen zur Ostasiatischen Medizin zeigten?[50] Es ist kein Zufall, dass man unter den japanischen Handschriften des 17. Jh. nur einen einzigen kurzen Text zur Humoralpathologie findet.[51] Welcher Art das erworbene Wissen war, zeigt das oben erwähnte Zeugnis von Jacob Gruijs, Nicolaas de Roij und dem Chirurgen Daniel Busch aus dem Jahr 1668. Dem holländischen Text ist eine von sieben Holländisch-Dolmetscher und Bada Kurôzaemon (馬田九朗左衛門) , dem Vorsteher des Stadtteils Dejima, unterschriebene Übersetzung angehängt. Ausserdem finden wir hier unter dem Titel "Grosse Lehre der Rotbärte" eine Auflistung der Lehrinhalte (vgl. auch Abb. 5) : Anwendung, Wirkung und Herstellung von Pflastern, [n.e., n.e. n.e.], Sirup, geheime Verfahren der Dekoktion und Herstellung von Arzneimitteln, Theriak, Mithridat, [n.e.], Sublimat, Ruptorium, Destillation von Aqua Vitae Matthioli, Brandtwein, Abbildungen von Destilliergeräten, Anwendung, Wirkung und Herstellung von Kräuterdekokten, Instrumente, Instruktion in Anatomia, Heilkräuter, [n.e.], Wirkung und Herstellung holländischer Medikamente, [japanische] Substitute hierfür, Behandlung von Geschwulsten mit reinigenden Medikamenten, innerliche Mittel bei besagten Geschwulsten sowie Lungen- und Darmgeschwulsten, Punktur, Nervensystem[52], Ablassen schlechten Blutes an Venen, Verkrampfungen der Arm-, Bein- und Rückenmuskulatur, Behandlung von Beulen, Fleischwucherungen und Blutgeschwüren, Entfernen von Eisenkugeln aus Körper und Knochen, japanische Namen für wichtige Dinge der Barbarenländer, Jahreszeiten zur Herstellung von Heilmitteln aus Lebewesen und unbelebten Stoffen, Pflanzen im Wechsel der Jahreszeiten. Auf den ersten Blick erkennt man kaum Unterschiede zur Ausbildung europäischer Gildechirurgen, wenngleich sich das Eine und Andere im japanischen Gewand zeigt. Busch allerdings beurteilte in dem von ihm auf niederländische geschriebenen Text den Erfolg seiner Bemühungen vorsichtig und bescheinigt lediglich, dass Hôan in der Wirkung von holländischen Arzneimitteln bewandert sei, so weit ihm bekannt sei ("voor soo veel ons bekent is") . Von Knochenbrüchen, Luxationen, dem Starstich, Amputationen ist keine Rede. Im Vergleich zu den anderen überlieferten Zeugnissen ist das im selben Jahr 1668 durch den Faktoreileiter Constantin Ranst, den Chirurgen Arnout Dircksz. und Daniel van Vliet unterschriebene Zeugnis für den Dolmetscher Nishi Kichibei / Kichibyôe (西吉兵衛 alias Genpo) aussergewöhnlich lang und voller Lob: "Constantin
Ranst, geboortig van Amsterdam, opperhooft wegens de Vereenigde Nederlantse
geoctroijeerde Oostindische Compagnie in 't Keiserrijcq van Japan. Salut doen to weten alsoo den oppertaelman Niis Kitsibeoye lange jaren soo bij d'Hollanderen als Portugese padres [53] het excerseren der chirurgie bijgewoont hem darinne doorgaens met goede opmerckinge g'evertueert heeft, soo dat den selven niet alleen rijckelijck behoorde te passeeren de kennisse van alle andere Japanse doctooren, nemaer g'achtet to werden voor een Eropeaens chirurgijn, daer bij geconsidereert desselfs opinie en genegensheijt desrakende - hebbe wij den selven Kitzibeoye garene willen estimeren, houden ende promoverende voor den oppersten van alle Japanse doctoiren, die oijt en oijt immers soo veel t'onser kennisse rijckt, voor desen van d'Hollanderen in deser wijse tot doctoir gemaeckt ende verheven sijn geworden ende dat omme noch veele en b'sondere reedenen ter contemplatie streckende derhalve alle de Japanse op dese maniere gepromoveerde doctoiren den meergenoemden Kitzibeyoe daer voorn hebben te achten, erkennen aen te nemen ende doorgaens de preferance of voorsittinge in t'uijtten van sijn advijs to geven daert behoort. Wahrscheinlich beeinflussten die langjährigen, von vielen Faktoreileitern geschätzten Dienste als Dolmetscher das schmeichelhafte Urteil, doch hatte Nishi Umgang mit allen niederländischen Chirurgen der fünfziger und sechziger Jahre und besass, angefangen mit den Lehren Caspar Schambergers, zahlreiche, von ihm und seinen Kollegen verfasste Aufzeichnungen. Da er überdies im Portugiesischen bestens bewandert war, dürfte sein Verständnis in vielen Angelegenheiten tiefer gewesen sein als das seiner Dolmetscherkollegen. Interessanterweise erschienen am folgenden Tag sämtliche Dolmetscher beim Faktoreileiter, um einige Anweisungen des Nagasaki-Gouverneurs mitzuteilen. Dieser habe den Befehl gegeben, dass die japanischen Doktoren nur mit einer Erlaubnis des Gouverneurs die Gunst geniessen, auf die Insel Dejima zu kommen, um durch den holländischen Chirurgen in der Heilkunst unterwiesen zu werden. Man solle auch während der Edo-Reise des Faktoreileiters, derweil nun ein (zweiter) Chirurg auf Dejima verbleibe, diesen anweisen, gegebenenfalls bereitzustehen. Das mochte Ranst denn doch nicht zulassen, da man keinem Unterchirurgen solche Unterweisungen zutrauen könne. "ten anderen datw' voornemens waren onse jedose reise op 28 deser te beginnen, ten ware de Gouverneur Sinsabrodo [Jinzaburô dono = Matsudaira Jinzaburô, 松平甚三郎隆見] eerder of later te vertrecken dienstiger oordeelde, gevende met eene last aen genoemde taellieden, vermits de japanse doctoiren met licentie vande Gouvernrs ende dat alleen hare begunstigde op't eijlant comen om door den Hollantschen Chirurgijn in de heel const onderwesen te werden, ende dat by mancquement van een ervaren Chirurgijn geduerende d'absentie van't oppferhooft, de zelve naest eenige jaren in middens alhier niet zyn g'instueert gewerden, nu, de weile een goet heelmeester op het Eijlant verbleef aen des Gouverneurs Secretaris te presenteren, ingevalle, het sijns heren begeerten was, van eenige doctoiren staende die tijt onderwesen te hebben, den verblijvende meeester gelasten soude zijn best daer toe aen te spannen."[56] Zum Zeugnis von Ôtaguro GentanHeute sind nur fünf Zeugnisse aus jener Zeit erhalten. Unter deren Empfängern - Arashiyama Hoan, Nishi Genpo, Hara Sanshin, Seo Shôtaku, Ôtaguro Gentan (太田黒玄淡) - sind vier bekannt, doch gab es bislang so gut wie keinerlei Informationen über Ôtaguro. Das Zeugnis selbst hatte der Besitzer, Sugita Yoshikazu, bereits 1976 vorgestellt.[57] Der holländische Text ist ohne Datum und ähnlich kurz wie die Zeugnisse für Arashiyama und Hara: "Dewijl Otangouro Siouan, sich eenige tijdt Wie bei den anderen Zeugnissen wurde eine Beglaubigung durch die Holländisch-Dolmetscher beigefügt (Abb.6) .
Abb. 6 Japanisches Testimonium im Anhang des Zeugnisses für Ôtaguro Gentan Dieser japanische Text ist jenem, dem Anfang desselben Jahres für Seo Shôtaku ausgestellten Zeugnisses begefügten Text erstaunlich ähnlich. Möglicherweise war dies eine Art Standardform für solche Zeugnisse. Als Datum ist der neunte Monat des achten Jahres der Regierungsdevise Kanbun angegeben. Der erste Tag jenes Monats fällt im westlichen Kalender auf den 6. Oktober. Wiederum nennen die Dolmetscher Pflaster und Heilöle und schreiben mehr über den Inhalt der Ausbildung als der europäische Chirurg. Doch da die Spitze der Dolmetscher-Zunft mit ihrem Namen und ihrem Siegel für den Inhalt einsteht, dürften ihre Angaben die Ausbildung korrekt umreissen. Die Wahrscheinlichkeit, dass Ôtaguro aus Kyushu stammte, war gross. Untersuchungen in der Präfektur Fukuoka erbrachten, dass in der Region Kurume eine Familie dieses Namens existierte. Der von Koga Yukio 1975 edierten "Genealogie alter Familien in der Domäne des Fürstenhauses Kurume" zufolge gab es eine Familie Ôtaguro im Dorf Nakaorichi (中折地) der Provinz Chikugo. Heute ist der Ort in der Stadt Chikugo aufgegangen. Dort lebte seinerzeit in der 17. Generation seiner Familie der Dorfvorsteher Ôtaguro Kozaemon (太田黒小左衛門 ) . Dieser hatte in der Tat einen Sohn namens Gentan, der, so heisst es überdies, als Arzt nach Awa ging.[58] Das Fürstentum Awa liegt auf der Insel Shikoku. Glücklicherweise bewahrt die Bibliothek der Tokushima Universität eine Handschrift zur Entstehung und Genealogie der Gefolgsleute des Hauses Awa auf. Dort findet man Gentan als Begründer der Familie Mizoguchi. Der Text nennt wie die Schrift aus Kurume die Herkunft als zweiter Sohn des Ôtaguro Kozaemon, der dem Fürsten Arima Yoritoshi (有馬頼利) gedient habe.[59] Ôtaguro Gentan, der später seinen Namen in Mizogami (溝上) geändert habe, sei nach Edo gegangen. Dort wurde er von dem Reichsrat Kuze Hiroyuki, Bewahrer von Yamato (久世大和守広行) beschäftigt. Mit einer Empfehlung dieses einflussreichen Mannes begab er sich nach Nagasaki, um die niederländische Chirurgie zu lernen. Dies geschah wahrscheinlich gegen zwischen dem 17. und 21. Dezember 1667. Denn der Faktoreileiter Daniel Six vermerkte unter diesem zusammenfassenden Datum in seinem Tagebuch: "Verschijnt neffens de Tolken, een Japanse Doctoor van den Rijcxraet Koesenojamattosa [= Kuze Yamato-sama] omme door onse Chirurgien in de heelconst onderwesen te werden, daer toe w'gaerne ten respecte van genoemde Rijcxraet voorn:e Chirurgien toe recommandeerden sijn vleijt en vermogen te doen."[60] Der genannte Chirurg war Arnout Dircksz., der seit im Sommer 1666 auf Dejima lebte.[61] Wenige Wochen später erhielt Nishi Genpo das weiter oben beschriebene Zeugnis. Ôtaguro war in jener Zeit nicht der einzige, der bei Dirksz. lernte. Im Juni erwähnt der Faktoreileiter Ärzte des Reichsrates Inaba und des Herren von Hakata sowie den weiter oben bereits erwähnten Onkel des Landvogtes Suetsugu Heizô.[62] Ôtaguros Ausbildung endete im Oktober mit der Ausstellung des Zeugnisses. Dircksz., der schon geraume Zeit an einer Krankheit litt, verstarb nicht lange danach am 8. Januar 1669 und wurde auf dem Friedhof der Niederländer am Inasa-Berg begraben.[63] Der oben genannten japanischen Quelle zufolge zog Ôtaguro dann nach Edo und wurde durch den Fürsten von Awa, Hachisuga Tsunamichi (蜂須賀阿波守綱) mit einer Entlohnung im Umfang von zwanzig Personen[64] und zusätzlichen fünfzig Stück Silber für Arzneimittel als Arzt eingestellt. Wahrscheinlich änderte er in diesen Jahren seinen Familiennamen in Mizogami um. Ôtaguro / Mizogami diente dem Fürsten zunächst in Edo, wo sich die Landesherren in jedem zweiten Jahr aufhalten mussten und deshalb eine grossräumige Residenz unterhielten. Zu einem nicht genannten Zeitpunkt siedelte er mit seiner Familie in die Domäne Awa über. Im siebten Monat des sechsten Jahres der Devise Enpô, nach westlicher Rechnung 1678, starb Tsunamichi. Drei Jahre später erhöht dessen Sohn die Entlohnung. 1691 erhielt Mizogami Gentan sogar ein wenig Land, was für Gefolgsleute seiner Rangstufe aussergewöhnlich war. Dass er im folgenden Jahr, eigens versehen mit Silbergeld für die Reise, das persönliche Schiff des Fürsten benutzen durfte, um für medizinische Studien nach Nagasaki zu segeln, unterstreicht das Ansehen, dass dieser Arzt in Awa genoss. Doch bald wurde er krank. Möglicherweise ahnte er seinen Tod, den auf dem Rückweg besuchte der die Heimat Chikugo. Mizogami starb am dreizehnten Tag des zehnten Monats im vierten Jahr der Regierungsdevise Genroku (29. November 1692) . Fürs Erste kümmerte sich der Leiter des fürstlichen Haushaltes Hasegawa Sadanaga (長谷川貞長) um die Regelung der Hinterlassenschaft. Zwei Monate später folgte der älteste Sohn Genkyû Hideharu (玄球秀春) dem Vater im Amt. Die Nachfahren dienten bis zur Auflösung der Provinz Awa im 19. Jahrhundert dem Fürstenhaus. Bis auf den heutigen Tag ist die ärztliche Tradition der Familie ungebrochen. Zur historischen Bedeutung der ZeugnisseDie durch die Faktoreichirurgen verliehenen Zeugnisse indizieren ein bestimmtes Stadium in der Rezeption westlicher Medizin. Sie zeigen zum einen, dass man die Kenntnisse europäischer Chirurgen aktiv übernehmen wollte und dies sozial bereits geschätzt wurde. Das auf Dejima erworbene Zeugnis förderte die Karriere nicht nur von Ôtaguro. Hara Sanshin etablierte als Arzt des Fürstenhauses Kuroda eine bis heute andauernde Ärztedynastie. Nishi Genpo wurde 1673 als Portugiesisch-Dolmetscher und Arzt nach Edo berufen. Seo Shôtaku gelangte ebenfalls an einen Hofrang. Arashiyama diente dem Fürsten von Hirado. Von ihm heisst es, er habe 1687 die erste Hasenschartenoperation der japanischen Geschichte ausgeführt. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts scheint diese Phase der Rezeption westlicher Medizin abgeschlossen. Das Zeugnis eines ausländischen Chirurgen war offenbar nicht mehr vonnöten; die japanischen Ärzte verliehen nunmehr aus eigener Autorität ihren Schülern ähnliche Zertifikate. Einige der Zeugnisse aus Dejima umreissen Lehrinhalte. Auch wenn diese Angaben nur in dem von japanischen Dolmetschern aufgesetzten Anhang stehen und möglicherweise übertrieben wurden, zeigen sie, was man damals für wert hielt, vermittelt zu werden. Dies setzt eine gewisse Einsicht in die Vor- und Nachteile der eigenen und der fremden Medizin aus. Die Aufzählung im Zeugnis für Arashiyama umfasst Vieles von dem, was auch westliche Chirurgengilden verlangten. Wenn andererseits Nishi ausdrücklich als einem europäischen Chirurgen ebenbürtig ("g'achtet to werden voor een Eropeaens chirurgijn") gelobt wird, lässt dies zugleich Grundbedingungen für eine erfolgreiche Ausbildung erkennen. Die sprachliche Barriere musste so niedrig sein, dass man direkt mit dem Faktoreichirurgen kommunizieren konnte. Zugleich brauchte man viel Zeit, denn die Instruktionen wurden gewiss nicht täglich gegeben. Überdies fand man wohl selten eine genügende Auswahl von Patienten, an denen man die Therapien demonstrieren und üben konnte. Insofern verdienen auch die frühen Zeugnisse, welche Japaner wie Nishi Genpo ihren Schülern ausstellten, eine genauere Untersuchung, weil man hier verfolgen kann, inwieweit das neue Wissen in die japanischen Tradtionen einfloss. 17世紀の出島蘭館医が交付した阿蘭陀外科免許状についてKeywords 外科免許状、紅毛流外科、西玄甫、嵐山甫安、原三信、瀬尾昌宅、太田黒玄淡、溝上玄淡 いわゆるカスパル流外科の誕生後、1650年代から約30年間オランダ東インド会社の外科医が日本人「弟子」に外科免許状を交付していた時期がある。このような免許状は蘭方医としての経歴上、有用なものとされていたようであり、初期紅毛流外科の医学的・社会的受容を示す重要な史料である。本稿ではオランダ東インド会社の新しい史料に基づいてその免許状交付に至る歴史的展開を追究した上で、現存の免許状及び出島商館の阿蘭陀通詞が付録として作成した和文を比較・分析している。また、現存する五通のうち、これまでその背景が明らかにされていなかった一通の免許状の取得者太田黒玄淡の生涯を解明する。
[1] Dagregister Batavia, 28.4.1637 (H. T. Colenbrander: Dagh-Register gehouden uit Casteel Batavia. 's-Gravehage 1896 ff.) . NFJ 482, S.459f. (Brief von Neijenroode an Janszoon, Hirado, den 24.4.1631) .
[2] W. Michel: Von Leipzig nach Japan - Der Chirurg und Handelsmann Caspar Schamberger (1623-1706) . Iudicium, München, 1999, S.166ff.
[3] W. Michel: On the Reception of Western Medicine in Seventeenth Century Japan. In: Yoshida Tadashi / Fukase Yasuaki (ed.) , Higashi to nishi no iryôbunka. Kyôto: Shibunkaku, 2001, S.412-426 (吉田忠、瀬泰旦編『東と西の医療文化』思文閣出版) .
[ 4] Nationaal Archief (NA) , Het Archief van Nederlandse Factorij in Japan (NFJ) 65 (Dagregister Dejima) : 14.7.1652.
[ 5] NA, NFJ 70 (Dagregister Dejima) : 14.1.1657.
[ 6] W.
Michel: Kyushudaigaku-zô no Oranda-den gekaruihô to Mukai Genshô ni tsuite. Bulletin of the Graduate School of Social and Cultural Studies , Kyushu University, No.2, S.75-79,1996. (「九州大学蔵の『阿蘭陀伝外科類方』(『阿蘭陀外科正伝』)と向井元升について」『比較社会文化研究科紀要』) .
[ 7] NA, NFJ 70 (Dagregister Dejima) : 6.11.1656
[ 8] NA, NFJ 71 (Dagregister Dejima) : 14.11.1657
[ 9] NA, NFJ 71 (Dagregister Dejima) : 24.4.1658, 27.4.1658, 17.6.1658
[10] NA, NFJ 71 (Dagregister Dejima) : 10.7.1658
[11] Nichiran-gakkai
(ed.) : Yôgakushi jiten. Yûshôdô, Tôkyô
1984, S.38 (日蘭学会編『洋学史事典』雄松堂) .
[12] NA, NFJ 65 (Dagregister Dejima) : 6.5.1652
[13] Koga Jûjirô: Nagasaki
Yôgakushi. Vol. II, Nagasaki bunkensha, Nagasaki 1967, S.173-176 (古賀十二郎『長崎洋学史』下巻、長崎文献社) .
[14] NA, NFJ 76 (Dagregister Dejima) : 6.11.1662
[15] NA, NFJ 76 (Dagregister Dejima) : 21.10.1663
[16] Heute aufbewahrt durch Hirado Kankô shiryôkan, Hirado (平戸観光資料館) .
[17] Koga (1967, Vol.II, S.176) , zitiert am Rande eine Meinung, dass der dritte
Niederländer, bei dem Arashiyama lernte, Daniel Palm hiess, wofür sich keinerlei Beleg ermitteln liess.
[18] Koga
(1967) , Vol.II, S.175
[19] Der
Text ist überliefert als Teil von des Manuskriptes Zensei ishitsuwa (繕生室医話) , Fujikawa Collection, Kyôto
University Library.
[20] NA, NFJ 80 (Dagregister Dejima) : 10.-14.11.1666
[21] Oranda geka (阿蘭陀外科) , Oranda geka seiden (阿蘭陀外科正伝) , Oranda geka meikan bassui (阿蘭陀外科明鑑抜萃) , Tôha denki yôsatsu nukigaki (当派伝記要撮抜書) . Alle Texte finden sich in der Bibliothek der Kyôto-Universität.
[22] NA, NFJ 79 (Dagregister Dejima) : 8.1.1666
[23] NA, NFJ 79 (Dagregister Dejima) : 6.5.1666
[24] NA, NFJ 79 (Dagregister Dejima) : 9.5.1666
[25] NA, NFJ 80 (Dagregister Dejima) : 5.4.1667
[26] NA, NFJ 81 (Dagregister Dejima) : 17.12.1667
[27] NA, NFJ 87 (Dagregister Dejima) : 17.12.1673
[28] NA, NFJ 81 Dagregister Dejima 17., 18., 19., 20., 21.12.1667
[29] W. Michel / Y. Sugitatsu: Ôtaguro Gentan no Oranda-geka menkyojô to sono haikei nitsuite. Journal of the Japan Society of Medical History, Vol. 49, No.3, 2003, pp.455-477 (ミヒェル・ヴォルフガング、杉立義一「太田黒玄淡の阿蘭陀外科免許状とその背景について」『日本医史学雑誌』) 。
[30] Koga Jûjirô: Nagasaki Yôgakushi. Nagasaki bunkensha, nagasaki 1967, Vol.II, S.179ff. (古賀十二郎『長崎洋学史』下巻、長崎文献社) .
[31] Die beiden Majuskeln A und D sind offensichtlich die Initialen von Arnold Dirckzs.
[32] NA, NFJ 81 (Dagregister Dejima) : 25.6.1668
[33] NA, NFJ 83 (Dagregister Dejima) : 15.11.1669
[34] NA, NFJ 83 (Dagregister Dejima) : 14.4.1670
[35] NA, NFJ 85 (Dagregister Dejima) : 25.5.1672; 30.5.1672
[36] NA, NFJ 86 (Dagregister Dejima) : 22.4.1673, 23.4.1673
[37] NA, NFJ 87 (Dagregister Dejima) : 26.11.1673, 17.12.1673
[38] NA, NFJ 87 (Dagregister Dejima) : 16.2.1674
[39] NA, NFJ 87 (Dagregister Dejima) : 25.9.1674
[40] NA, NFJ 87 (Dagregister Dejima) : 4.10.1674
[41] NA, NFJ 87 (Dagregister Dejima) : 27.4.1674
[42] Dieses Zeugnis ist im Besitz der Familie Hara, Fukuoka. Siehe auch Hara Sanshin (ed.) : Nihon de hajimete honyaku shita kaibôsho. Rokudai Hara Sanshin ranpô-i 300nen kinen shôgakkai, Fukuoka 1995 (原三信編『日本で初めて翻訳した解剖書』六代原三信蘭方医三百年記念奨学会) .
[43] NA, NFJ 87 (Dagregister Dejima) : 16.2.1674
[44] NA, NFJ 67 (Dagregister Dejima) : 14.2.1654
[45] Stadtarchiv Leipzig, I. Sektion, Tit. LXIV 29, fol. 6b–10
[46] W. Michel: Von Leipzig nach Japan, S.14ff.
[47] Examen der Chyrvrgie, By een vergadert Door Mr. Cornelis Herls zal: in sijn leven Chijrurgijn der vermaerde Coopstadt Middelburgh in Zeelandt. Seer nut ende dienstelijck alle jonge Chijrurgijns ende insoderheijt die haer begeven na Oost ofte West-Indien. Den derden Druck, van veele fauten ghesuijvert. t' Amsterdam [...] 1645.
Dieses äusserst beliebte Handbuch in Frage- und Antworform wurde später auch ins Deutsche übersetzt: Examen Chirurgiae Oder der Wund-Artzney In Frag und Antwort zusammen getragen Durch M. Cornelium Herls. Nürnberg 1676.
[48] NA, NFJ 69 (Dagregister Dejima ) :27.5.1656
[49] Engelbert Kaempfer: Heutiges Japan. Herausgegeben von Wolfgang Michel und Barend J. Terwiel. Iudicium Verlag: München, 2001, Band 1, S.6f.
[50] W.
Michel: Kasuparu Shamuberugeru to Kasuparu-ryû geka (I) . Journal of the Japan Society of Medical History , Vol.24, No.3 (1996) , S.54-59 (カスパル・シャムベルゲルとカスパル流外科 (I) ,『日本医史学雑誌』)
[51] eq o(sdo 3(髟) ,sdo -3(赤) ) 鬚大方
[52] Im Text heisst es keiraku 経絡, eigentlich die Bezeichnung der Trakte und Kanäle für Akupunktur / Moxa. Da die Beschreibung von Adern linguistische keine Schwierigkeiten
bereiten dürfte, sind entweder Nerven oder Sehnen gemeint, für die es im Japanischen noch keinen etablierten Begriff gab.
[53] Gemeint
ist wahrscheinlich Christovão Ferreira, ein Jesuit, der vom Christentum
abfiel und als Sawano Chûan (沢野忠庵,1580-1650) dem Reichskommissar Inoue beim Verhör von gefangenen
Missionaren sowie bei der Rezeption westlichen Wissens, besonders im
astronomischen und medizinischen Bereich, dienlich war.
[54] Siegel, Stempel, von malay. tjap .
[55] Dieser Text steht ohne Angabe der Quelle in Koga Jûjirô: Seiyô ijutsu denrai-shi, 1972, S.69 (古賀十二郎の『西洋医術伝来史』形成社) . Vermutlich befindet sich das Zeugnis im Besitz der Familie Nishi.
[56] NA, NFJ 81, (Dagregister Dejima) : 17., 18., 19., 20., 21.2.1668
[57] Sugitatsu, Yoshikazu 太田黒玄淡の和蘭医術免許状」Rangaku shiryô kenkyûkai, dai 18kai taikai shôroku , Nagasaki 1976 (『蘭学資料研究会、第18回大会抄録』) .Siehe weiter auch W. Michel / Y. Sugitatsu: Ôtaguro Gentan no Oranda-geka menkyojô to sono haikei ni tsuite. Journal of the Japan Society of Medical History , Vol.49, Nr.3, 2003, S.455-477 (W・ミヒデル、杉立義一「太田黒玄蜘の阿蘭陀覚科免許状とその背景について」『日本医史学使誌』)
[58] Koga Yukio: Kurume-han kyûke yuishogaki, Kurume, 1976, S.51 (古賀幸雄編『久留米藩旧家由緒書』久留米郷土研究会) .
[59] Awa-hanshi no seiritsusho narabini keizu (阿波藩士之成立書并系図) . Unveröffentlichtes Manuskript, Bibliothek der Universität Tokushima.
[60] NA, NFJ 81 (Dagregister Dejima) : 17-21.12.1667
[61] NA, NFJ 82 (Dagregister Dejima) : 7.-8.1669, 9.1.1669. Angesichts der variationsreichen Schreibungen (Arnout Dirkse, Arnout Dirks, Aernoudt Dirksen) im Tagebuch der Faktorei ist eine Vereinheitlichung auf Arnout Dircksz[oon] vertretbar. Vgl. hierzu Wolfgang Michel: 17seikino Hirado- Dejima-rankan no iyakukankeisha ni tsuite. Journal of the Japan Society of
Medical History , Vol. 41,No. 3 (1995) , S. 85-102 (「17世紀の平戸・出島蘭館の医薬関係者について」『日本日本医史学雑誌』) .
[62] NA, NFJ 81 (Dagregister Dejima) :22.-25.6.1668
[63] NA, NFJ 82 (Dagregister Dejima) : 7.-8.1669, 9.1.1669
[64] Im japanischen Original:弐拾人御扶持方.
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