Jahrbuch für Europäische Überseegeschichte, 3, 2003, p.195f.

Engelbert Kaempfer: Werke. Kritische Ausgabe in Einzelbänden



Uta Lindgren (Bayreuth)

  Die ersten drei Bände der kritischen Werkausgabe von Engelbert Kaempfer (1651-1716) sind Ursache zu freudiger Überraschung und zu großem Staunen über das, was ein Reisender über das für Ausländer verbotene und verschlossene Japan zu sagen wußte. Die nach Japan kommenden Händler, Europäer wie Chinesen, hatten bei Nagasaki Enklaven zugewiesen bekommen und wurden streng kontrolliert und überwacht. Engelbert Kaempfer aus Lemgo war aber kein Händler, sondern Arzt und auch in der Mathematik und Astronomie nicht ohne Kenntnisse. Er war nach dem Studium als Sekretär des schwedischen Gesandten Ludovico Fabricio nach Persien gereist und verspürte nach Ende der Mission so wenig Lust, ins kriegsverwüstete Deutschland zurückzukehren, daß er lieber die Gefahren einer Reise in den extremen Osten auf sich nahm. Der Titel des Buches “Heutiges Japan” stammt von Kaempfer, meint also das von ihm erlebte Japan. Die vorliegende kritische Edition geht auf Kaempfers Manuskript zurück. Bislang waren nur eine stark bearbeitete Übersetzung ins Englische, und darauf basierende weitere Übersetzungen im Umlauf, die nach Kaempfers Tod entstanden waren. Neu vorgestellt werden jetzt vor allem die zahlreichen Skizzen, auch geographischen Inhalts, die z.T. so blaß sind, daß sie erst mit Kunstgriffen der modernen Fotografie betrachtet werden können. Interessant ist zu erfahren, wie Kaempfers Nachlaß in den Besitz von Hans Sloane und in die Bibliothek des British Museum (jetzt British Library) gelangte: Es gab im 18. Jahrhundert Agenten, die Europa auf der Suche nach interessanten Büchern und Manuskripten durchstreiften. Diese Wendung des Schicksals hätte man Kaempfer zu Lebzeiten gegönnt, wo er sich - vergeblich – bei den Holländern um Unterstützung bei der Herausgabe seiner Reiseaufzeichnungen bemüht hatte.

  Kaempfers Erkenntnisse über Japan gehen inhaltlich weit über das hinaus, was bis dahin über das Land bekannt war. Und es ist spannend zu lesen. Der Bericht beginnt mit einem blutigen Thronwechsel in Siam und der von mehreren Stürmen begleiteten Seefahrt nach Japan. Umberto Ecos Stürme sind harmlos im Vergleich zu diesen Schilderungen, bei denen man den Hantierungen der Mannschaft folgen zu können glaubt. In Japan erhält Kaempfer einen Diener (und Aufpasser) zugeteilt, dem er die holländische Sprache sowie westliche Medizin und Arzneikunde beibringt und der ihm seinerseits über die japanische Geschichte, Kultur und Gegenwart informiert und ihm Karten, Abbildungen und Bücher besorgt. Außerdem hatte Kaempfer auf zwei großen [- 196 -] Reisen innerhalb Japans Gelegenheit zum persönlichen Eindruck. Es wundert nicht, daß Peter Kapitza die Herausgeber und Bearbeiter besonders ermutigt hat, denn er ist ja nicht nur Verleger sondern der beste Kenner der europäischen Japanvorstellungen. Jene haben allerdings auch immense Arbeit investiert. Der kritische Apparat ist genauso umfangreich wie der Textband. Man hätte sich etwas mehr Informationen zu den Kartenskizzen gewünscht, die wissenschafts- und entdeckungshistorisch aufgrund sind. Davon abgesehen läßt der Apparat aber wenige Wünsche offen.

Hatte man schon im Japanbuch rührende und sehr treffende Bemerkungen über Kaempfers persönliche Begegnungen mit Japanern lesen können, so tritt der Mensch Kaempfer aus seinen Briefen besonders deutlich hervor. Gewiß stehen wissenschaftliche Themen – das hohe Bildungsniveau Kaempfers beeindruckt immer wieder – im Vordergrund, aber wir werden auch Zeugen davon, in welcher Art Kaempfer mit seinen Zeitgenossen umging. Wir glauben heute, für so viel freundliche Höflichkeit keine Zeit zu haben, aber der Genuß der Lektüre dieser Briefe zeigt doch, daß sie nicht wirklich überflüssig sind. Auf der sachlichen Ebene erfahren wir, mit wem er Umgang pflegte, was für Pläne er hatte, und lesen manche lässige Erläuterung. Die Briefe, die die ganze Reisezeit und einige Jahre nach Kaempfers Rückkehr umspannen, sind eine sehr lesenwerte Ergänzung, die im übrigen auch Appetit machen auf die noch ausstehenden Bände, vor allem die biologischen Beobachtungen.

  Die Herausgabe der Werke Kaempfers bringt ein wichtiges Kapitel europäischer Kulturgeschichte zu Tage. Sie ist außerdem unentbehrlich für die außereuropäische Geschichte, die Entdeckungsgeschichte und die Geschichte der Naturwissenschaften.

 

TOPTOP
inserted by FC2 system