Wolfgang Michel: Curt Adolf Netto (1847-1909)-- Ein Deutscher im Japan der Meiji-Ära. In: Nishinihon Nichi-Doku Kyôkai NENPÔ 8 (Jahresbericht Nr. 8, Japanisch-Deutsche Gesellschaft Westjapan), Fukuoka 1984, pp. 13-21.

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Wolfgang Michel

Curt Adolf Netto (1847-1909)-- Ein Deutscher im Japan der Meiji-Ära --


Im Scherz gaben wir uns zu Hause oft als 'steinreich' aus, denn Mineralien aus allen Himmelsrichtungen zieren die Räume, selbst der Keller ist bis unter die Decke vollgestopft mit Gefundenem und Ertauschtem. In eine solche Umgebung hineingeboren, konnte ich schon als 'Ersteberzel' die geologischen Formationen besser unterscheiden als die Automarken in der Nachbarschaft. Am Wochenende radelten wir mit Vater zur Schatzsuche in die Steinbrüche der Region. Einmal im Monat trafen sich die 'Steinfreunde' in der 'Metallgesellschaft', einer großen Firma Frankfurts. Dort gab es kleine Vorträge, dort wurde gefachsimpelt, getauscht. Erst spät begriff ich, in was für eine Schule ich da gehen durfte.

Inzwischen lebe ich in Japan, einem mit Fossilien nur mäßig gesegnetem Land. Da das Suchen selbst sehr schwierig geworden ist und der Beruf wenig Muse gewährt, muß ich dem Betrachten der vom Vater übernommenen Stücke und der Lektüre japanischer Fachbücher vorlieb nehmen. Wie erstaunt war ich jedoch, als ich eines Tages auf den Namen Curt Netto stieß, eines Deutschen, der sich in der Meiji-Zeit um das Berg- und Hüttenwesen Japans verdient gemacht, mehr noch, der just in jener Metallgesellschaft AG gewirkt hatte, deren mineralogische Abteilung unser monatlicher Treffpunkt war. Von Herrn Höppner, einem engagierten Sammlerfreund meines Vaters, wußte ich, daß Netto auch als Zeichner und Aquarellist Beachtung verdiente und daß einige Werke verkauft worden waren. Dann kam Dr. Eberhard Friese aus Deutschland zu Besuch, der mit Curt Nettos Sohn, Willibald Netto, bekannt war und in einem Ausstellungskatalog 1980 ausführlich Nettos Wirken in Japan und Deutschland vorgestellt hatte. Unsere beiderseitige Überraschung und Freude war groß, daß wir so unvermittelt einen Gesprächspartner trafen, der sich der Person Nettos ähnlich verbunden fühlte.

 

Eine knappe Biographie

In der "Geschichte der Stahltechnik Japans" von Ken'ichi lida[1] heißt es auf S.133ff.:

"Mindestens vier ausländische Techniker sind es, die einen großen Beitrag zur Ausbildung einer neuzeitlichen Bergbauindustrie sowie der Bergbau- und Hüttentechnik geleistet haben:
B.S. Lyman (1835 - 1920),[2] Pionier der Geologie und Bergbauindustrie und 'Vater' des Bergbaus in Hokkaido; F.Coignet ( 1835 - 1902 ),[3] der mit der Modernisierung des Silberbergwerks Amano[4] in der Präfektur Hyogo die erste technische Reform im japanischen Bergbau einleitete; J.Milne (1830 - 1913)[5], der 19 Jahre lang in Japan lebte, in der "Industriehochschule" und der "Kaiserlichen Universität", heute Universität Tôkyô, lehrte, sich darüber hinaus als Seismologe weltweit einen Namen machte; C. Netto ( 1847 - 1909 ) der auf Einladung des "Ministeriums für Industrie"[6] zunächst als Metallurge im Silberbergwerk Kosaka[7] tätig war, danach in der naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Tôkyô den Kurs für Bergbau- und Hüttenkunde übernahm. Alle vier kamen von weither aus den USA, aus Frankreich, England und Deutschland nach Japan, schlossen die Menschen und Landschaften Japans in ihr Herz und zogen zahlreiche Schüler heran. Unter ihnen ist besonders erwähnenswert Curt Netto, der die führenden Metallurgen und Stahltechniker der Meiji-Zeit ausgebildet hatte."

Der noch heute so Gepriesene stammte aus Freiberg in Sachsen, seinerzeit noch Königreich. Wie so viele in dieser Region arbeitete der Vater im Bergbau als Berginspektor, später als Obereinfahrer. Nach dem Besuch der Volksschule in Freiberg und der Bürgerschule mit Progymnasium in Schneeberg, ging er ab 1860 aufs Gymnasium in Freiberg, das er im Alter 16 Jahren als Sekundaner verließ. Im Frühjahr 1864 nahm er sein Studium an der schon damals berühmten Freiberger Bergakdemie auf, zwei Jahre später erhielt er ein Stipendium, im Februar 1869 bestand er das Abschlußexamen. Nach dem einjährigen freiwilligen Militärdienst wurde er im März 1870 als Reserveleutnant entlassen, um nur allzu schnell wieder zu den Fahnen zu eilen. Der Deutsch-Französische Krieg brachte Verwundungen, aber auch ein Eisernes Kreuz II. Klasse. Nach Kriegsende 1871 finden wir ihn in leitender Stellung als Chemiker einer Schmelzfarbenfabrik.

Wie oben schon beschrieben, kam er dann auf Einladug des japanischen Industrieministeriums im November 1873, dem 6. Jahr der Ära Meiji, nach Japan. Bis zu seiner Arbeitsstelle in Kosaka, Präfektur Akita, brauchte er viele Wochen. An seinem ersten Weihnachtsfest im Fernen Osten wird er sich wohl ein wenig verlassen gefühlt haben.

Abbildung 1

Das Bergwerk von Kosaka gehörte ursprünglich dem Daimyô von Nanbu.[8] 1861 wurde dort Silber gefunden, und man hatte den japanischen Fachmann Ôshima Takatô[9] mit der Erschließung dieses Vorkommens beauftragt. Als eine japanische Gesandtschaft mit wichtigen Vertretern der neuen Regierung unter der Leitung des Fürsten Iwakura Tomomi[10] im Jahre 1871 Europa und Amerika zu Studienzwecken bereiste, war auch Oshima mit von der Partie. Die Kontakte mit Netto kamen wahrscheinlich anläßlich des Besuches dieser Gruppe in Freiberg zustande.

Ôshima hatte in Kosaka einen englischen Silberofen eingerichtet und eine kostspielige Trockenmethode angewandt. Netto ersetzte dieses Verfahren durch die Feuchtmethode aus Mansfeld und ließ einen entsprechenden Ofen bauen. Mit den aus Deutschland bestellten Maschinen kam 1875 auch der Maschineningenieur C. Hagmaier, der in den "Mittheilungen der Deutschen Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens" über seine "Reise nach Kosaka und Aufenthalt daselbst" berichtet. Im Oktober 1877 wurde die Anlage als technisch modernes Bergwerk an die ehemaligen Besitzer zurückgeben. Aus finanziellen Gründen ging sie jedoch später an die Firmengruppe Fujita[11] über, aus der nach nach und nach einer der größten Metallkonzerne Japans wurde. Heute ist die Grube stillgelegt, in der Nähe jedoch arbeitet ein neues Kupferbergwerk. In Nettos Musestunden enstanden zahlreiche Skizzen und Aquarelle, aus denen Naturliebe und Sympathie für die Menschen im rauhen Norden Japans sprechen.

Abbildung 2

Nach der Reprivatisierung des Silberbergwerks in Kosaka wurde Netto ab Oktober 1877 an die Universität Tôkyô versetzt. Netto scheint sich allgemeiner Beliebtheit zu erfreuen. Erwin Bälz[12], der sich als Mediziner in Japan großes Ansehen erwerben sollte, schreibt in einem der ersten Briefe nach seiner Ankunft in Japan:

"Auch lernte ich verschiedene nette Landsleute kennen, so einen Lehrer Mayet[13], noch jung und den Kopf voll von Ideen und allerlei volkswirtschaftlichen Reformsystemen, ferner Netto und Naumann, beide frisch, natürlich und sehr fähig." (26.6.1876, p.23)

Und auf der Seite 49, wo er den Geologen Edmund Naumann[14] erwähnt, lesen wir:

"Er gehört mit Netto und Bair[15] zu meinem engsten Freundeskreise."

Eine recht ansehnliche Kolonie war da zusammengekommen: Kaufleute, Techniker, Wissenschaftler, die rasch merkten, daß es nicht nur für die Japaner, sondern auch für sie selbst geistig etwas zu gewinnen gab diesem Kontakt so verschiedener Kulturen. 1873 gründeten sie die bereits erwähnte "Deutsche Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Asiens" (O.A.G.), die auch heute noch traditions- und erfolgreich für den Austausch unserer Kulturen wirkt. In deren "Mittheilungen" von 1879 finden wir einen Beitrag Nettos "Über Japanisches Berg- und Hüttenwesen», den die Universität Tôkyô 1879/80 in englischer Übertragung ("On Mines and Mining in Japan") publiziert. 1880 erscheint zudem auch eine japanische Ausgabe.[16] Nicht wenige unter seinen Schülern sollten später führende Positionen erringen.

Hauptsächlich zwei unter ihnen, Watanabe Wataru[17] und Noro Kageyoshi[18], verfertigten eine japanische Übersetzung seiner Vorlesungsskripten unter dem Titel "Nesshi yakingaku"[19] an, die "Metallurgie des Herrn Ne[tto]". Als dieses, für lange Zeit eines der wichtigsten metallurgischen Lehrbücher, im Jahre 1887 erschien, weilte Netto allerdings nicht mehr in Japan. Fünfmal war sein Anstellungsvertrag als Dozent verlängert worden. Dann nahm er ein Jahr Urlaub, den er zur Hälfte in Deutschland, zur Hälfte in Amerika und Mexiko verbrachte. Von September 1883 bis Ende November 1885 lehrte er weiter an der Tôkyô-Universität. Im Juni seines letzten Japan-Jahres war ihm eine Audienz beim Meiji-Tennô und der "Orden der aufgehenden Sonne" vierter Klasse vergönnt.

Anfang 1886 verließ er schließlich Japan. In Kanton stellte sich heraus, daß die chinesische Bank, auf die er seine sicher beträchtlichen Ersparnisse überwiesen hatte, zusamgengebrochen war. Über Hongkong, Siam, Burma, Indien, Ägypten, Korfu ging es weiter nach Roigno (Rovini), wo er sich mit Georg von Hütterott[20] traf, der sich auch einige Zeit in Japan aufgehalten hatte. In Paris besuchte er dann den oben von Bälz erwähnten Martin Michael Bair. Dessen Schwager, Samuel Bing[21], war ebenfalls einmal in Japan gewesen und an japanischen Holzschnitten überaus interessiert. Wahrscheinlich hatte Bing auch von Netto solche Holzschnitte übernommen, denn dieser brauchte nach dem Schock in Kanton nichts dringender denn Geld. Bing eröffnete 1886 in Paris eine Japan-Kunsthandlung, in der sich viele Impressionisten trafen. Auch Van Gogh lieh sich bei Bing solche Farbholzschnitte aus, um sie im Cafe Tambourin auszustellen. Vielleicht auch den einen oder anderen aus Nettos Sammlung?

In den folgenden drei Jahren befaßt sich Curt Netto dann mit der Herstellung von technisch reinem Aluminium bei der Firma Krupp. Zwar gelang ihm dabei eine mehrfach patentierte Pionierleistung, doch erwies sich das kurz darauf in der Schweiz entwickelte schmelzelekrolytische Verfahren als preisgünstiger, so daß alle Mühe vergeblich war. 1881 hatte Wilhem Merton[22] in Frankfurt die "Metallgesellschaft" gegründet, in deren Aufsichtsrat er 1883 Prof. Clemens Winkler (1838 - 1904 ) berief. Winkler, der Entdecker des Germaniums und eine der überragenden Gestalten der Freiberger Bergakademie, kannte Netto seit dessen Studienzeit. [S.16]

Als ein "Technische Abteilung" eingerichtet wurde, empfahl er 1889 Netto als Leiter. Die nächsten Jahre sind ausgefüllt mit Reisen bis in die USA, wovon zahlreiche Skizzen und Aquarelle zeugen. 1897 wurde dann die "Metallurgische Gesellschaft" gegründet, deren Vorstand Netto zusammen mit dem Chemiker R. de Neufville übernimmt. Von Netto stammt auch aus dieser Zeit die einprägsame Kurzform "LURGI", die noch heute als weithin bekannter Sammelbegriff für eine Reihe von Gesellschaften verwendet wird. Zwei Jahre danach heiratete er schließlich. Aus dieser späten Ehe gingen zwei Töchter und ein Sohn hervor. 1902 trat er, inzwischen gesundheitlich etwas angegriffen, in den Aufsichtsrat der Metallurgischen Gesellschaft über. Die Reisen wurden nach und nach kürzer, seit etwa 1906 unterzog er sich des öfteren Kuren in Bad Nauheim, einem Solbad nördlich von Frankfurt. Im Februar 1909 erlag er einem Herzschlag.

Als humorvoller und brillianter Unterhalter schien er sich zeit seines Lebens großer Beliebtheit und vieler Kontakte zu erfreuen. Leider kam Netto nicht mehr dazu, eine begonnene Autobiographie auszuarbeiten. Auch sind die meisten seiner Briefe im Zweiten Weltkrieg verloren gegangen. Aus diesem bunten Leben zwischen naturwissenschaftlich-technischer Forschung einerseits, der Malerei, dem Sport und der Musik andererseits berichten glücklicherweise noch eine stattliche Zahl geretteter Aquarelle und Skizzen. Zwei Ausstellungen mit seinen Bildern wurden in Tôkyô zum hundertsten Jahrestag seiner Ankuft in Japan sowie dem 25jährigen Jubliäum der japanischen Stahlvereinigung "Tekko Renmei" veranstaltet. 1974 erschienen 56 Reproduktionen in dem japanischen Buch "Morgendämmerug der Meij-Zeit -- aus dem Skizzenbuch von Curt Netto".[23] In diesem von Kajima Ume verlegten Werk finden wir auch eine Reihe fachlicher Würdigungen von Werk und Person. In der Bundesrepublik zeigte man erstmals 1974 einige der Originale in einer kleinen Ausstellung in Düsseldorf. "Aquarelle und Zeichnungen aus Japan 1873 - 1889" präsentierten die Deutsch-Japanischen Gesellschaften von Düsseldorf und Köln zusammen mit dem Japanischen Kulturinstitut in Köln 1980 in den Räumen des Institutes.[24] Ein Jahr später veranstalteten die Museumsgesellschaft Kronberg und die Metallgesellschaft AG. Frankfurt am Main 1981 eine Austellung unter dem Titel "Die glücklichen Augen - Der Zeichner und Aquarellist Curt Netto"[25]. Auch im Rahmen der japanischen Woche in Düsseldorf 1983 zeigte die Deutsch-Japanische Gesellschaft am Niederrhein e.V. Nettos "Aquarelle und Zeichnungen eines Japanreisenden 1873 - 1885". Inzwischen droht der Nachlaß durch den Verkauf in alle Winde verstreut zu werden.

 

Nachrichten "Aus dem Lande der aufgehenden Sonne und der untergehenden Romantic "

Wer zwölf Jahre in Japan lebte, kehrt nicht schweigend zurück. Und so hatte auch Netto in Deutschland versucht, seinen Landsleuten dieses im Umbruch begriffene Land des Fernen Ostens und einige nicht so nette Seiten des Westens näherzubringen. In Basil Hall[26] Chamberlains berühmten "Things Japanese"[27] lesen wir auf Seite 69:

"What has struck us as the liveliest and best of all popular books on Japan is in German.[S.17] We mean Netto's Papierschmetterlinge aus Japan, with its delightful illustrations and its epigrammatic text. With more serious work too, the Germans are naturally to the front. [...] The Mittheilungen of the German Asiatic Society (Deutsche Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Asiens) are a mine of imformation, on matters seientific, legal etc., etc."

Mit "Papierschmetterlingen" sind die zarten Schöpfungen der japanischen Papierfaltkunst gemeint, in der es die Deutschen leider nur bis zum Schiffchen, Hütchen und Papierflugzeug gebracht haben. Doch beschränkt sich Netto keineswegs nur auf diese reizvolle Tradition Japans. Schon im Vorwort dieses Buches vennittelt er mit wenigen Strichen die Atmosphäre der frühen Umbruchsjahre:

"Das war noch die gute alte Zeit Nipons, da fehlte es nicht an interessanten Abenteuern, an Mord und Todschlag und Aufregungen aller Art, da wimmelte das Leben und Treiben auch der oberen Classen noch von malerisch originellen Scenen. Sie ist seit reichlich anderthalb Jahrzehnten in die Brüche gegangen.
Jetzt trägt sich fast jeder leidlich anständige Japaner bereits europäisch, selbst seine Frau und Tochter beginnen den molligen seidenen Gürtel mit dem steifen Corset zu vertauschen, die Männer lassen Schnurrbart und Scheitel, die Frauen die Augenbrauen wachsen, die Männer tragen gewichste Stiefel, die Frauen ungewichste Zähne, das Schwerdt ist dem Regenschirm gewichen und das kostbare Brocatgewand der goldüberladenen Hofuniform oder dem charakterlosen Schwalbenschwanz; kurz, das Leben der höheren Classen bietet von Jahr zu Jahr zu Jahr weniger Contraste mit europäischen Sitten und somit auch weniger Stoff zu Bildern.
Das gewöhnliche Volk lässt sich nicht so schnell in neue Bahnen drängen; spült auch jedes Jahr ein Stück von den alten Bräuchen hinweg, so bleibt doch immer noch genug des Interessanten für den Reisenden übrig."

Das spürbare Bedauern über den schwindenden exotischen Reiz kennzeichnet Netto ganz als Kind seiner Epoche, die den Geheimnissen ferner Länder nachjagte, nachdem es in der alten Welt keine Rätsel mehr zu lösen gab. Dennoch ließ er sich dadurch nicht den Blick auf die Eigenarten seiner weltreisenden Zeitgenossen verstellen, die er in einer auch von Camberlain ausführlich zitierten Typologisierung aufs Korn nimmt (op. cit. S.213ff.):

"1. Globe-trotter communis. Sun-helmet, blue glasses, scant luggage, celluloid collars. His object is a maximum of travelling combined with a minimum of expense. He presents himself to you with some suspicious introduction or other, accepts with illdissembled glee your lukewarm invitation to him to stay, generally appears too late at meals, makes daily enquiries concerning jinrikisha fares, frequently invokes your help as interpreter to smooth over money difficulties between himself and the jinrikisha-men, offers honest curiodealers who have the entre to your house one-tenth of the price they ask, and loves to occupy your time, not indeed by gaining information from you about Japan (all that sort of thing he knows already much more thoroughly than you do), but by giving you infonnation about India, China, and America, places with which you are possibly as familiar as he. When the time of his departure approaches, you must provide him with introductions even for places which he has no present intention of visiting, but which he might visit. You will be kind enough, too, to have his purchases here packed up,- but, mind, very carefully. You will also see after freight and insurance, and despatch the boxes to the address in Europe which he leaves with you. Furthermore, you will no doubt not mind purchasing and seeing to the packing of a few sundries which he himself had no time to look after.
2. Globe-trotter scientificus. Spectacles, microscope, a few dozen note-books, alcohol, arsenical acid, seines, butterfly-nets, other nets. He travels for speeial scientific purposes, mostly natural-historical (if zoologica, then woe betide you!). You have to escort him on all sorts of visits to Japanes officials, in order to procure admittance for him to collections, museums, and libraries. You have to invite him to meet Japanese savants of varius degrees, and to serve as interpreter on each such occasion. You have to institute researches concerning ancient Chinese books, to discover and engage the services of translators, draughtsmen, flayers and stuffers of specimens. Your spare room gradually develops into a museum of natural history, a fact which you can smell at the very threshold. In this case, too, the packing, passing through the custom-house, and despatching of the collections falls to your lot; and happy are you if the objects arrive at home in a good state of preservation, and you have not to learn later on that such and such an oversight in packing has caused 'irreparable' losses. Certain it is that, for years after, you will be reminded from time to time of your inquisitive guest by letters wherin he requests you to give him the details of some scientific speciality whose domain is disagreeably distant from your own, or to procure for him some creature or other which is said to have been observed in Japan at some former period
3. Globe-trotter elegans. Is provided with good introductions from his government, generally stops at a legation, is interested in shooting, and allows the various charms of the country to induce him to prolong his stay.
4. Globe-trotter independens. Travels in a steam-yacht, generally accompanied by his familiy. Chief goal of his journey: an audience of the Mikado.
5. Globe-trotter princeps. Princes or other dignitaries recognisable by their numerous suite, and who undertake the round journey (mostly of a man-of-war) for either political reasons or for purposes of self-instruction. This species is useful to the foreign residents, in so far as the receptions and fetes given in their honour create an agreeable diversion ...
We might complete our collection by the description of a few other species, e.g. the Globetrotter desperatus, who expends his uttermost farthing on a ticket to Japan with the hope of making a fortune there, but who, finding no situation, has at last to be carted home by some cheap opportunity at the expense of his fellow-countrymen. Furthermore might be noticed the Globetrotter dolosus, who travels under some high-sounding name and with a doubtful banking account, merely in order to put as great a distance as possible betwixt himself and the home police. Likewise the Globe-trotter locustus, the species that travels in swarms, perpetually dragged around the universe by Cook and the likes of Gook.... Last, but not least, just a word for the Globetrotter amabilis, [S.20] a species which is fortunately not wanting and which is always welcome. I mean the old friends and the new, whose memory lives fresh in the minds of our small community, connected as it is with the recolletion of happy hours spent together. Their own hearts will tell them that not they, but others, are pointed at in the foregoing-perhaps partly too harsh - description."

Unter den hinterlassenen Skizzen befindet sich übrigens auch der Vorentwurf eines Umschlages für die Noten der japanischen Nationalhymne "Kimigayo", deren Melodie erst 1880 von dem deutschen Militärmusiker Franz Eckert[28] im Auftrag des Marineministeriums komponiert worden war. Die Verse selbst sind sehr alt und im Deutschen nur unvollständig wiederzugeben:

Möge des Tennos Geschlecht
tausend und abertausend Jahre blühen,
bis ein kleiner Stein zum Fels wird
und Moos ihn bedecket.

Man hatte jedoch keine Melodie und brauchte dringend einen von Militärkapellen spielbaren Tonsatz, der auch der westlichen Welt ins Ohr ging. So kam es zu dieser kleinen, heute fast vergessenen deutsch-japanischen Episode.

Abbildung 3

Die Erstaufführung fand im Kaiserpalast zum Geburtstag des Meiji-Tennos am 3. November statt, wobei man auch die Noten überreichte. Auf dem Entwurf Nettos erkennt man zwei durch ein Strohseil verbundene 'Ehegatten-Felsen', die ich gerne als die von Futamiga'ura bei Fukuoka identifizieren würde, gäbe es nicht noch andere berühmte. Davor die Symbole für Langlebigkeit, den Kranich und die Schildkröte, sowie das ebenfalls aus China übernommene Glückszeichen, das man in Japan 'kotobuki' nennt.

Im Verlag F.A. Brockhaus erschien 1901 ein weiteres Buch, das wiederum vor den Augen des gestrengen B. H. Chamberlain Gnade fand:

Japanischer Humor, by C. Netto and C. Wagener gives the explanation of great numbers [S.21] of art-motives, chiefly comic, with delightful illustrations." (S. 55)

Der Ansicht waren offensichtlich viele andere Leser auch, denn schon ein Jahr darauf erlebte dieses Werk die zweite Auflage. Das Material hatte Netto zusammen mit seinem Freund Gottfried Wagner[29] gesammelt. Erst vor wenigen Jahren erschien sogar eine japanische Übersetzung[30].

Auch hier sind viele Momente des Volkslebens liebevoll eingefangen. Und wer wie ich in einer kleinen japanischen Millionenstadt abseits der Metropolen lebt, erkennt noch heute einige davon wieder. So die folgende Straßenszene, die man für kleinere Nebenstraßen Fukuokas im Jahre 1984 nur geringfügig umzuschreiben hätte:

"Der Haupttummelplatz der Kleinen aber ist die Straße [...] Völlig unbekümmert um den Verkehr gehen sie ihren Spielen nach. Wissen sie doch, dass der Fußgänger, der Jinrikisha-Kuli[31] mit seinem Fahrzeug, der Lastträger mit seiner schweren Bürde einen kleinen Umweg nicht scheut, um den Kreisel nicht zu zertreten, die Federbälle beim Hango-ita-Spiel[32] nicht im Flug zu stören, oder die Drachenleine nicht in Unordnung zu bringen kann, sehen sie den in schnellem Laufe herankommenden Pferden entgegen, ohne sich in ihrem Spiele stören zu lassen. Sie sind gewohnt, daß man sie mit Respekt behandelt ..."

Respekt, Rücksicht und Verständnis - diese Haltung ist es, welche die Beschäftigung mit den Werken und dem Wirken Curt Nettos zu einer bildenden Erfahrung werden läßt.

Anmerkungen

[1]   Ken'ichi lida: Nihon Tekkô-gijutsu-shi. Tôkyô 1979 (”ั“cŒซˆ๊w“๚–{“S|‹ZpŽjx)
[2]   Benjamin Smith Lyman: Studium an der Havard University, dann Auslandsstudium in Frankreich und Deutschland. Lyman wurde 1872 nach Japan eingeladen und war hauptsächlich mit der Suche nach Kohle und Öl befaßt. Die unter seiner Leitung erstellten geologischen Karten zählten zu den wichtigsten Materialien bei der Erschließung Hokkaidos. Auch nach seiner Rückkehr nach Amerika blieb Lyman, der seinen Namen gerne sinojanisch als —ˆ™ึ (raiman) schrieb, Japan verbunden.
[3]   Francisque Coignet (1835-1902): nach seinem Studium an der Bergbauschule arbeitete und reiste er in Frankreich, Algerien, Spanien, Madagaskar, Kalifornien und Mexiko. Auf der Weltausstellung in Paris 1867 wurde er von Abgesandten des Satsuma-Clans nach Japan eingeladen. Die neue Meiji-Regierung wiederholte diese Einladung 1868. Coignet war vorwiegend mit dem Auf- und Ausbau der Amano-Mine befaßt und lebte über 10 Jahre in Japan. Die dort eingesetzten Maschinen kamen zum Teil Frankreich, wurden zum Teil jedoch auch schon in den Yokosuga-Stahlwerken selbst angefertigt. Er holte 24 französische Techniker nach und richtete eine Bergbauschule ein. Schließlich beauftragte ihn das Ministerium für Industrie mit der Untersuchung aller japanischen Bergwerke, die er 1876 mit einem Memorandum abschloß.
[4]   Amano: ถ–์
[5]   John Milne (1850-1913): englischer Seismologe aus Liverpool. Milne wurde 1876 nach Japan eingeladen, wo er vorwiegend Geologie und Bergbau lehrte. 1880 gründete er zusammen mit anderen ausländischen Gelehrten die 'Japanische Gesellschaft für Erdbebenkunde'. 1894 kehrte er mit seiner japanischen Frau zurück.
[6]   Kôbushô: H•”ศ
[7]   Kosaka: ฌโ
[8]   Nanbu: “์•”
[9]   Ôshima Takatô (1826 - 190): ‘ๅ“‡‚”C
[10]   Iwakura Tomomi (1825 - 1873): Šโ‘q‹๏Ž‹
[11]   Fujita-gumi: “ก“c‘g
[12]   Erwin Bälz ( 1849 - 1912). Siehe Toku Bälz ( Hrsg.): Erwin Bälz. Das Leben eines deutschen Arztes im erwachenden Japan, Tagebücher, Briefe, Berichte. Stuttgart 1931.
[13]   Paul Mayet: seit 1877 an der Medizinischen Hochschule Tôkyô, denn der medizinischen Fakultät der Universität Tôkyô als Dozent für Deutsch, Latein, Mathematik tätig; verließ Japan 1894.
[14]   Edmund Nauman: seit 1875 Dozent für Geologie danach Tôkyô-Universität. 1879 Leiter der geologischen Untersuchungs-Abteilung. Kehrte nach 12 Jahren Japan zurück und wirktean der Universität München. In der Allgemeinen Zeitung vom 29.6.1886 beschrieb er dann ziemlich ausführlich "Land und Volk der Japaner". Der recht herablassende Unterton und der Vorwurf der "kritiklosen Nachahmung" und "Oberflächlickeit der Erneuerung" Japans muß den seinerzeit bei Prof. Pettenkofer studierenden Dr. Nintarô Mori, besser bekannt als Ôgai Mori, bis aufs Blut gereizt haben. Drei Monate lang feilte er an einer Replik, die er durch eine Empfehlung Pettenkofers am 10. und 11. Januar 1887 in derselben Zeitung veröffentlichen konnte. Naumann kehrte in seiner ersten Erwiderung noch die Autorität des Experten gegenüber dem ihm unbekannten japanischen Arzt hervor, zog sich dann aber im Laufe des weiteren Disputes langsam zurück. Die dabei aufgeworfenen Fragen und Positionen sind heute noch aktuell. Ausführlich behandelte Dr. M. Fujii in jüngster Zeit diese Nauman-Ôgai-Debatte in einer lesenswerten Schrift der Japanisch-Deutschen Gesellschaft e.V. Tôkyô (1982): "Die Wahrheit über Japan. Dritte Ergänzung."
[15]   Martin Michael Bair: Großkaufmann, Konsul, Führer der deutschen Konsul, Führer der deutschen Kolonie um die Zeit von 1880.
[16]   Nihon kôzan-hen: “๚–{zŽR•า
[17]   Watanabe Wataru (1857 - 1919): “n•ำ“n
[18]   Noro Kageyoshi (–์˜C‰e‹`) lebte von 1854 bis 1923. Er wurde später der erste japanische Professor für Metallurgie an der Universität Tôkyô und hatte großen Anteil am Aufbau der Yahata-Stahlwerke in Nordkyûshû.
[19]   Nesshi Yakingaku:wŸธŽ–่‹เŠwx
[20]   Johann Georg von Hütterott (1852 - 1910), Großindustrieller, auf dessen Werften in Triest vorwiegend stattliche Schlachtschiffe für eine stattliche Reihe von Ländern gebaut wurden.
[21]   Samuel Bing gründete aufgrund seiner Studien in Japan auch die Kopenhagener Porzellanmanufaktur, die den Niedergang der europäischen Porzellantechnik im 19. Jahrhundert bremste und zahlreiche neue Impulse gab.
[22]   Wilhelm Merton (1848 - 1916) war Unternehmer und Sozialpolitiker aus Frankfurt. Er gründete 1881 die Metallgesellschaft, war Mitbegründer der Handelshochschule und späteren Universität Frankfurt. Einen großen Teil seiner Einkünfte verwendete er für soziale Zwecke. Um das 1890 gegründete 'Institut für Gemeinwohl' gruppierten sich nach und nach die 'Gesellschaft für Wohlfahrtseinrichtungen', die 'Zentrale für private Fürsorge', das 'Soziale Museum', das 'Institut für Gewerbehygiene' und die 'Blätter für soziale Praxis', später 'Soziale Praxis'.
[23]   Nihon Tekkô Renmei: “๚–{“S|˜A–ฟ
[24]   Ume Kajima: Meiji no yoake. Tôkyô 1974 (Žญ“‡”~w–พŽก‚ฬ–้–พ‚ฏx).
[25]   Aquarelle und Zeichnungen aus Japan 1873-1889. Ausstellungskatalog.
[26]   Die glücklichen Augen - Der Zeichner und Aquarellist Curt Netto.
[27]   Basil Hall Chamberlain: Things Japanese. Tôkyô 1902. Wenig bekannt ist es, daß zehn Jahre später auch eine deutsche Ausgabe gedruckt wurde: Allerlei Japanisches. Notizen über verschiedene japanische Gegenstände für Reisende und andere von Basil Hall Chamberlain. Hans Bondy Verlag, Berlin 1912.
[28]   Franz von Eckert (1852 - 1916) kam 1879 nach Japan, um die Militärmusiker zu unterweisen. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland wurde er von Korea eingeladen, wo er verstarb.
[29]   Gottfried Wagner (1831 - 1892): lebte seit 1868, also dem ersten Jahr der Meiji-Ära, bis zu seinem Tode in Japan und lehrte als Professor für Chemie in Tôkyô, später an der Kunst- und Gewerbeschule in Kyôto.
[30]   Takayama Yôkichi: Nihon no huumoa. Tôkyô 1971 (‚ŽR—m‹g–๓w“๚–{‚ฬƒ†[ƒ‚ƒAx).
[31]   Jinrikisha-Kuli: Die Jinrikisha (l—อŽิ), eine japanische Erfindung der Meiji-Zeit, ist heute als 'Rikscha' eingedeutscht. Auch den Kuli, eigentlich ein Wort aus dem Hindi, findet man in allen gängigen deutschen Wörterbüchern.
[32]   Hago-ita (‰HŽq”ย) ist die japanische Version des Federballspiels, bei der allerdings eine Art Brettschläger - 'ita' bedeutet 'Brett' - verwandt wird.

 

 

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