Jahresbericht 24. Nishinihon Nichidoku kyokai, Fukuoka, Mai 2000.

Herr Enatsu


Herr Enatsu Tokuji ist von uns gegangen. Die jüngeren unter den Mitgliedern der Gesellschaft kennen ihn vielleicht nicht so gut, weil sein Lebensschwerpunkt während der letzten Jahre wegen einer langwierigen Rehabilitationstherapie in Yufuin lag. Doch zumindest zu den Weihnachtsfeiern nahm er den beschwerlichen Weg nach Fukuoka auf sich - wegen der Knie-Operationen am Stock, doch ungebeugt und überaus munter.

Herr Enatsu zählte zu den älteren Mitgliedern unserer Gesellschaft im doppelten Sinne. Ich selbst lernte ihn vor etwa zwei Jahrzehnten kennen, als er einer Deutschgruppe beitrat, die seinerzeit einmal in der Woche im Büro der Japanisch-Deutschen Gesellschaft zusammenkam. Beim anschließenden Kaffeeplausch wurde dann die eine oder andere Episode aus seinem Leben zum Besten gegeben, obwohl er gewöhnlich lieber über seine Steckenpferde zu berichten pflegte.

Schon damals war er aus dem Berufsleben ausgeschieden, wirkte aber noch als Berater eines Firmenpräsidenten. In seiner Jugend war er Berufssoldat. Doch das konnte sich wohl niemand vorstellen, denn es war nicht nur von der Statur und Körpersprache her rein gar nichts Militärisches an ihm, auch im Denken war Herr Enatsu außerordentlich liberal, weltoffen, jugendlich. In seiner Abteilung wurden militärische Schriften aus Deutschland ins Japanische übersetzt. Herr Enatsu sagte, er habe eigentlich nur seinen Stempel auf die von fähigeren Untergebenen angefertigten Übersetzungen gedrückt. Doch das war sicher untertrieben. Er sprach ein sehr schönes Deutsch. Und er schrieb es auch: in Sütterlin-Schrift mit sauber unterschiedenem stimmhaftem und stimmlosem "s". Sein Interesse an Deutschland stammte wohl aus diesen Jahren, aber es war ihm und seiner Frau erst spät vergönnt, nach Europa zu reisen. Meine Eltern hatten beide mehrere Male in Frankfurt begrüßen dürfen. Sie stammten aus der gleichen Generation, mein Vater war eine Woche älter als Herr Enatsu. Sie dachten und lebten sehr ähnlich und verstanden sich daher bestens.

Der Abschied aus der Armee 1945 fiel Herrn Enatsu offenbar sehr leicht. Er nahm nun ein Studium an der Juristischen Fakultät der Kyushu-Universität auf. Dies sei die schönste Zeit seines Lebens gewesen, betonte er bei mehreren Gelegenheiten. Eine neue Welt habe sich aufgetan, das Lernen und freie Denken sei ihm eine Freude gewesen.

Neues reizte ihn bis ins hohe Alter. Als wir ihn kennenlernten, erwarb er gerade eine Lizenz für Amateurfunker und knüpfte Verbindungen in ferne Länder an. Sogar in seinem Volkswagen, den er mit Niedrigstgeschwindigkeiten durch Fukuoka bewegte, war ein Gerät untergebracht. Zur zweiten Leidenschaft wurde ihm das Fotografieren. Er selbst erklärte, er würde die Kamera nur hinhalten, den Rest erledige die Technik. Doch hatte er für diese "Hinhalten" einen Preis erhalten, und in seinen Fotos war viel von Herrn Enatsu: sein ästhetischer Blick, die Liebe zur Natur und zu Menschen.

Wir werden Herrn Enatsu nicht vergessen.

 

 

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