JAPANINFO Nr. 6, 3.5.1993, S. 6.
Wolfgang Michel

Service Station und Marktöffnungswein


Nur mit erheblichem Bauchgrimmen und aus der Besorgnis, sich im Lager der westlichen Freunde zu isolieren, hat Japan eine größere Hilfe für Rußland versprochen. Eigentlich sollten Politik und Wirtschaft im Falle dieses Nachbarn untrennbar miteinander verbunden sein. Das heißt, solange jene vier Inselchen bei Hokkaido, die "nördlichen Territorien", nicht zurückgegeben werden, wollte man auch wirtschaftlich keinen Finger rühren. Doch wieder einmal löste Druck von außen (gaiatsu) eine überraschende Wende aus. Nein, am oben genannten Grundsatz habe sich nichts geändert, heißt es nun unter ein wenig Stottern und Zähneknirschen. Aber man strebe jetzt ein "Gleichgewicht auf höherem Niveau" an, womit die Balance zwischen politischem, sprich territorialem Fortschritt und wirtschaftlicher Hilfe gemeint ist. Was heißen soll, daß nun ein Gegenzug Jelzins erwartet wird. Ein wenig unruhig bestätigt Tankwart Miyazawa die Wünsche des Kunden: "Betrag anschreiben,Tank voll." - "Geht in Ordnung." Doch der Wagen scheint einen erheblichen Verbrauch zu haben (Abb. 1).

Immer wieder werden sie gefordert: japanisch-amerikanische Beziehungen von gleich zu gleich, "unter Erwachsenen". Was immer japanische Medienkommentatoren damit meinen, so richtig zurecht kam Miyazawa mit dieser Rollenerwartung bei seinem Antrittsbesuch in Amerika dann doch nicht. In der Sache konnte man wenig Neues bieten. So schenkte der Gastgeber denn kräftig "Marktöffnungswein" ein (Abb. 2). Mit derart konkreten Vorschlägen Clintons zur Festsetzung von japanischen Importzielen für bestimmte Bereiche, in denen amerikanische Produkte konkurrenfähig seien (nach dem Modell des Halbleiterabkommens), hatte niemand im japanischen Außenministerium gerechnet. Außer den üblichen allgemeinen Absichtserklärungen und dem Hinweis auf sein Programm zur Ankurbelung der Binnenkonjunktur vermochte Miyazawa wenig zu bieten. Man könnte ja nicht in die Privatwirtschaft eingreifen, schallte es aus dem Lande der Wadministrativen Leitung" (gyôseishidô). Auch bei der angekündigten gemeinsamen Kommission liegen noch Welten zwischen den diesbezüglichen Erklärungen beider Seiten.

Natürlich machen die Offenheit, das Engagement und die Zielstrebigkeit Clintons auf viele Japaner prinzipiell einen guten Eindruck, pflegen sich die einheimischen Politiker doch hinter Wortnebel zu verstecken, um dann in Hinterzimmern heimliche Absprachen zu treffen. Aber zugleich wirkt eine solche Direktheit auch irgendwie unhöflich und zuweilen gar verletzend, wenn man dem anderen nicht die Möglichkeit läßt, sein "Gesicht" zu wahren. Die gemeinsame Pressekonferenz des jugendlich dynamischen Clinton neben dem um viele Jahrzehnte älteren, körperlich kleineren Miyazawa - der eine detailliert, konkret und die Differenzen nicht verbergend, der andere weitgehend allgemein-zuversichtlich - bot japanischen Zuschauern gewiß wenig Genuß und Befriedigung. So dürfte man es auch stimmungsmäßig als "nice shot" (Abb. 3) empfunden haben, daß Miyazawa auf die Forderungen seines Spielpartners Clinton letztlich negativ reagierte. Allerdings weiß wohl jeder in Japan, daß es so wie bisher gewiß nicht weitergehen kann.



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