JAPANINFO 17, December 1995, p. 3

Wolfgang Michel

Kloß im Hals


Noch sind es einige Wochen bis zum Neujahrsfest, doch wahrscheinlich wird es so, wie es sich der Karikaturist der Yomiuri Shinbun jüngst ausmalte (Abb.1). Clinton erscheint als Gast bei Murayama, der diesen Tag natürlich auf traditionelle Weise begeht. Im Hintergrund eine Hängerolle aus dem Pinsel des Hausherren, auf der wir die Zeichen "Okinawa-Problem" erkennen. Der strümpfige Gast, die Schuhe wurden nach Landesart am Eingang zurückgelassen, trägt eine Art Verdienstorden mit der Aufschrift Bosnien, hat wohl einen freudigeren Partner erwartet. Murayama am Tisch aber macht einen wenig glücklichen Eindruck. Vor sich den gewürzten Neujahrssake, diverse kleine kalte Häppchen, dazu eine heiße Suppe mit einer Art Reisknödel. Doch die rechte Neujahrsstimmung mag nicht aufkommen. Der (tatsächlich stets vorsichtig in kleinen Bissen zu essende) pappige Reisknödel, das "Stützpunktproblem", droht ihm im Halse stecken zu bleiben.

Die durch die Vergewaltigung einer Zwölfjährigen durch drei amerikanische Soldaten ausgelösten Eruptionen in Okinawa wären einem Oppositionsführer Murayama wohl nicht ungelegen gewesen. Doch in der Verantwortung stehend tut man sich da schwerer. Ein nüchterner Blick ins asiatische Umfeld macht sofort klar, warum die Präsenz amerikanischer Truppen auch für Japan von vitaler Bedeutung ist. Eine Reduktion oder gar die Aufkündigung des japanisch-amerikanischen Beistandspaktes hätte wohl üble Folgen. Andererseits hat sich unter der Bevölkerung Okinawas, wo die Mehrzahl der amerikanischen Kontingente stationiert ist, viel Zündstoff angesammelt. Auch sind innerjapanische Reibungen nicht zu übersehen. Okinawa liegt weitab von Tokyo, besonders geachtet bzw. beachtet wurden die Bewohner der Inseln weiter draußen ohnehin nie. Zudem möchte kaum eine Gemeinde eine amerikanische Garnison im Umland haben. Eine gerechtere Verteilung der Lasten, die wohl dringend ansteht, stoßt deshalb auf nicht geringen Widerstand anderer Präfekturen, Gemeinden usw. Der Präfekt Ota der Präfektur Okinawa (Abb.2, links), der die Chance richtig erkannte und die Lasten Okinawas erstmals dem ganzen Land vor Augen führen konnte, scheint entschlossen, seine Unterschrift unter die Zwangsnutzungserlasse für die Stützpunktgrundstücke auch weiterhin zu verweigen. So muß Murayama, dessen Partei ja sogar Mühe hat, sich mit der Existenz der japanischen Selbstverteidigungsstreitkräfte abzufinden, wahrscheinlich diese Unterschrift selbst leisten - etwas, was er sich wohl in seinen wildesten Träumen nicht hätte vorstellen können. Doch noch sucht er nach einem Ausweg aus dem Labyrinth.


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