JAPANINFO, Ulm 8.12.1996


Wolfgang Michel

SEI - KAN - GYO


SEI - KAN - GYO - Politik, Verwaltung und Unternehmen, die drei Säulen Japans bieten dieser Tage kein gutes Bild. Wer als vergeßlicher oder vergebender Wähler den Liberaldemokraten wieder zur Alleinherrschaft verholfen hatte, wurde allzu schnell erneut von Zweifeln an der Klugheit seiner Entscheidung gepackt. Vollmundige Versprechungen und demonstrative Entschlossenheit der Kandidaten im Wahlkampf. Doch nun, da es an die Umsetzung der angekündigten Reformen geht, häufen sich die Bedenken und Stolpersteine. Wie gut, daß wenigstens die Verwaltung funktioniert. Getragen von Absolventen der Elite-Universitäten, die zufrieden mit einem vergleichsweisen bescheidenen Gehalt und engen, aber billigen Dienstwohnungen mit selbstlosem Eifer auch dann für unser Wohl sorgen, wenn die Nation schläft oder in die Neujahrsferien geht. Gewiß, da gab es das Problem der nach der Pensionierung auf lukrative Posten in die Privatwirtschaft wechselnden Ministerialbeamten, zuweilen auch den einen oder anderen Skandal. Aber waren das nicht Petitessen angesichts der Vorgänge in politschen Kreisen? Nun ist es leider vorbei mit dem Schönreden, Wegsehen, den Selbsttäuschungen. Der hohle Mammon der Seifenblasen-Jahre hat Staat und Gesellschaft viel stärker beschädigt, als die Wirtschaftsdaten das erkennen lassen. Wie ist es möglich, daß ein Mann wie Okamitsu, das “Ass”, die “Hoffnung” des Gesundheitsministeriums, bis zum Staatssekretär aufsteigt, obwohl dessen aufwendiger Lebensstil mit gesundem Menschenverstand nicht mehr erklärbar war. Im ganzen Land rückt man inzwischen der Verwaltung auf den Pelz, Tag für Tag werden der Filz und die Geldströme zwischen Politik, Verwaltung und Wirtschaft deutlicher. Wem darf man eigentlich noch Glauben schenken? Den spendensammelnden Politikern, die sich jetzt nur allzu gerne in die Front der Kritiker einreihen, steht es allerdings schlecht zu Gesicht, der Verwaltung die Krawatte zurechtzurücken. Der mit Pomp verkündete “Goldene Plan” für die Alten, die Anhebung der Konsumsteuer zum Ausbau der Wohlfahrt - inzwischen wirkt das nur noch wie ein Bereicherungsprogramm einiger weniger auf Kosten der Allgemeinheit. Anlaß genug zum Weinen, doch bleibt angesichts der aufgestauten Finanz- und anderer Strukturprobleme dazu gar keine Zeit.


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