JAPANINFO, Ulm 1.4.1998

Wolfgang Michel

Spesen-Könige

Aus der japanischen Politik ist man ja seit den Zeiten des Lockheed-Skandals an einiges gewöhnt. Richtig aufregen über korrupte Politiker mag sich wohl kaum jemand mehr. Zum Glück, so die beruhigende Feststellung bei neuen Enthüllungen, zum Glück haben wir ja tüchtige Elitebürokraten, die ihrer Zeit voraus und stets aufs Gemeinwohl bedacht die Geschicke des Landes steuern. Doch leider war auch das eine Illusion. Nach dem Finanzministerium hat es nun gar die japanische Staatsbank (Nippon Ginko) erwischt, eine Institution im alten Sinne des Wortes. Das Muster ist bekannt und wird nur geringfügig variiert: gemeinsames Dinieren in den Edelrestaurants der Luxusklasse, Golfspielen, diverse Zuwendungen fördern Freundschaft, Vertrauen und den Fluß von Informationen. So etwas ist im Geschäftsleben nichts Besonderes und zählt ja auch im Ausland mittlerweile zum Gemeinwissen über japanische Eigenheiten. Nachdem man aber dank der mutigen Tokioter Staatsanwaltschaft ziemlich konkret weiß, was da so alles passierte, ist die Stimmung umgeschlagen. Ausgerechnet jetzt - vor der Reform und Öffnung des Finanzwesens und angesichts der Turbulenzen im Inland und asiatischen Ausland - muß man feststellen, daß sogar die mächtige Elitebürokratie miserabel auf die Forderungen der Zukunft vorbereitet ist. Ein Big Bang ohne Transparenz verheißt nichts Gutes. Selbst im parlamentarischen Untersuchungsausschuß haben die angehörten Elitebamten große Mühe, die Probleme bei dieser Art von Umgang mit der Wirtschafts- und Finanzwelt zu erkennen. “Settai”, die Annahme von ‘Bewirtungen’ auf Firmenspesen war so selbstverständlich, daß es ihnen offenbar nie in den Sinn kam, die Rechnung einmal selbst zu begleichen. Wenn unter den Beamten des Finanzministeriums besonders eifrige Kollegen als settai-ô ( = Bewirtungskönig, in Anspielung auf zettai-ô = absoluter Herrscher) bezeichnet wurden, so zeigt dies doch, daß Macht honoriert und genutzt wurde.

Es wäre müßig, die Tokioter Staatsanwaltschaft zu fragen, warum sie nicht früher zugegriffen hat. Sie operiert ja nicht im Vakuum frei von allen politisch-gesellschaftlichen Einflüssen. Ihr Verdienst liegt aber darin, daß sie die Zeichen der Zeit und die Chance der Lage erkennt. Ihrer Arbeit, die heute mehr denn je dem Interesse des Landes dient, ist jeder Erfolg zu wünschen. Und den regionalen Staatsanwaltschaften mehr Mut.



Staatsbank und Bank torkeln aus dem Luxusrestaurant in Richtung Taxi. Die Zuschauer auf der Tribüne buhen.

TOPTOP
inserted by FC2 system