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Herbert de Jager (geb. 1634 in Zwammerdam; gest. 6. Januar 1694 in Batavia) war ein studierter Orientalist, der als herausragender Kenner zahlreicher asiatischer Sprachen der niederländischen Ostindien-Kompanie diente und durch Briefe, Berichte und Materialsendungen einen großen Einfluss auf die zeitgenössische Erforschung Asiens ausübte. LebenHerbert de Jager wurde als Sohn eines Bauern in Zwammerdam, in der Nähe von Leiden geboren. [1] Bei seiner Karriere spielte der Amsterdamer Bürgermeister und Gelehrte Nicolaes Witsen (1641-1717) als Förderer eine wichtige Rolle. De Jager studierte auf Kosten der niederländischen Ostindien-Kompanie seit 1656 zunächst Theologie, wandte sich dann aber der Mathematik und den orientalischen Sprachen zu. Sein akadamischer Lehrer an der Universität Leiden war der berühmte Orientalist und Mathematiker Jacob van Goo (Jacobus Golius, 1596-1667). Ein formeller Studienabschluss war ihm offenbar nicht möglich.
1662 wurde er nach Ostindien geschickt, im Rang eines Unterkaufmanns, was die Erwartungen, die man hegte, unterstreicht. Die Kompanie versorgte ihn zudem mit Büchern und Instrumenten und befreite ihn von der für Unterkaufleute eigentlich obligatorischen Aufstellung eines Bürgen. Eine an den Generalgouverneur und Rat von Indien in Batavia aufgesetzte Empfehlung attestiert ihm neben den sprachlich-mathematischen Fähigkeiten gute Kenntnisse in Botanik, Astronomie und Festungsbau („Fortificatien“). Nach seiner Ankunft in Batavia setzte man ihn zunächst als ersten Mann im Sekretariat ein. Das Malaische war wohl die erste der vielen Sprachen, die er sich vor Ort aneignete. Im September 1665 wurde er dann zur Niederlassung in der persischen Hafenstadt Gamron (Bandar-Abbas) geschickt, wo er im Februar des folgenden Jahres eintraf. Hier und am Hofe der Safawiden-Herrscher in Isfahan machte er sich bis 1670 um die Interessen der Niederländer verdient und betrieb das Studium der persischen Sprache. Es folgten zehn Jahre an der damals unter niederländischer Kontrolle stehenden Koromandelküste im Südosten der indischen Halbinsel. Besonders der Herrscher des Sultanats Golkonda war von seinen Persischkenntnissen überaus angetan. In dieser Zeit studierte er neben Sanskrit und Tamil die dravidische Sprache Telugu. Bei der Beförderung zum Kaufmann im Oktober 1673 betonte man nicht nur seine wertvollen Dienste als Sprachmittler, sondern befand auch, er sei ein guter Ingenieur. Solche Talente waren selten. Als seine Vorgesetzten in Indien ihm 1674 die Aufsicht über die Münzerei in Pulicat (Pazhaverkadu) übertragen wollten, war man in Batavia wenig begeistert, und meinte, seine Fähigkeiten könne man in Ceylon sicher besser nutzen.
1680 wurde de Jager nach Batavia versetzt, doch schon im folgenden Jahr ging er wieder nach Persien. 1684 traf der Lemgoer Arzt und Forschungsreisende Engelbert Kaempfer als Mitglied einer schwedischen Gesandtschaft in Isfahan ein. De Jager war vom Forschungseifer und Wissensdurst Kaempfers sehr beeindruckt und unterstützte diesen bei der Erkundung Persien. Briefe in Kaempfers Nachlass illustrieren die Intensität des Austausches und die freundschaftliche Beziehung der beiden. 1687 wurde de Jager nach Batavia zurückgerufen. Kaempfer, der sich von der Gesandtschaft getrennt hatte und schließlich bei der Ostindien-Kompanie als Arzt untergekommen war, traf nach einem Jahr in Indien 1689 ebenfalls in Batavia ein. De Jager und einige einflussreiche Persönlichkeiten regten ihn zur Erforschung Japans an, da schon seit Jahrzehnten keine aktuelle Publikation mehr erschienen war. Ein von de Jager verfasstes Memorandum diente Kaempfer dann in Japan als Leitfaden seiner zweijährigen Erkundungen. Viel Energie steckte de Jager auch in die Erkundung der Pflanzenwelt Ostindiens. Über seine Beobachtungen tauschte er sich mit Witsen und Kaempfer, mit dem aus Hanau stammenden VOC-Gelehrten Georg Eberhard Rumpf [2] und dem Danziger Kaufmann und Botaniker Jakob Breyne (1637-1697) [3] intensiv aus. Auch zu dem Arzt Andreas Cleyer (1634-1698), der als Betreiber der batavischen Apotheken die asiatische Flora nach nutzbaren Heilpflanzen absuchte und während zweier Aufenthalte in Japan botanische Materialien sammelte, hielt de Jager enge Beziehungen. [4] Einen Eindruck von der Weite des Bildungshorizontes und seinen Sprachkenntnissen vermittelt die im Januar 1681 für Cleyer verfasste illustrierte Abhandlung „De Sementina“, die von Zitaten in arabischer Schrift strotzt und Informationen aus Ost und West verknüpft. Der Umfang seiner Briefe ist erdrückend, auch im Vergleich zu anderen Gelehrtenbriefen seiner Zeit. Ein Schreiben an Rumpf vom 20. Mai 1683 nimmt im Folioformat gedruckt noch immer mehr als acht Seiten ein. [5] Ein zweites, knapp sieben Wochen später wiederum an Rumpf aufgesetzes Schreiben kommt auf neun Druckseiten, liegt aber immer unter den mehr als 14 Seiten eines Briefes vom Februar 1989. Doch das war nur die Spitze des Eisbergs. Eine 1695 in Amsterdam angekommene, später verschollene Kiste mit Nachlassmaterialien war mit "beschrijvingen van planten" gefüllt. Leider überdauerte nur ein Bruchteil davon die Zeiten. Der immense Fleiß ging zu Lasten der Geselligkeit. Kaempfer berichtete 1689 aus Batavia, dass sich „Herr de Jager‟„in der ihm eigenen arbeitsamen Einsamkeit bei bester Gesundheit und ungestört‟befinde. [6] Auf materiellen Gewinn legte er wenig Wert. Der Mäzen Witsen, den de Jager über viele Jahre hinweg mit Berichten, Zeichnungen, Samen und Pflanzen versorgt hatte, schrieb 1713, de Jagers Gelehrtheit sei der Grund, dass er arm in Batavia gestorben sei. [7] Genaueres über die Umstände seines Ablebens ist nicht bekannt. Es scheint, dass er in den letzten Jahren ein wenig wunderlich geworden war. Eine ausführliche Abhandlung über die Gewinnung des Farbstoffes Indigo und eine weitere über Akazien und das Arzneimittel Catechu erschienen zu Lebzeiten in den Ephemeriden der Leopoldina. [8] Witsen schreibt
1713, de Jager habe einen Schatz gelehrter Aufzeichnungen hinterlassen, die
jedoch alle verwarlost seien und schier niemandes Neugier weckten. [9]
Dem Gießener Professor Michael Bernhard
Valentini zufolge brachte Johann Gottfried Vitus „einen ziemlichen
Convolut von Holländischen MSS. aus des Herrn Herbertie de Jagers
Verlassenschaft“ [10]
aus Ostindien nach Worms, wo er sich als „Materialist und Handels-Mann‟etablierte [11].
Vitus gab das eine und andere „gegen Geld und gute Worte‟an Valentini
weiter, der 1704 einige Schreiben publizierte. [12] WerkeDe Herbae, Indigo dictae, satione, cultur, & extractione
coloris Indigo dicti, circa Tsinsiam, in regionibus Orientalibus. In:
Miscellanea curiosa sive ephemeridum medico-physicarum Germanicarum Academiae Caesareo-Leopoldinae Naturae
Curiosorum, Decuria 2. Annus 2 (1683), S. 5-7. Michael Bernhard Valentini: Oost-Indianische Send-Schreiben, Von Allerhand raren Gewächsen, Bäumen, Jubelen, Auch andern Zu der Natur-Kündigung und Artzney-Kunst gehörigen Raritäten. Franckfurt am Mayn: Zunner, 1714 (Sendschreiben von Herbert de Jager an Eberhard Rumpf) Literatur
Anmerkungen
[1] Die bislang ausführlichste Biographie ist
noch immer die von Leupe (1862/69).
[2] Siehe Valentini (1714), S. 5ff.
[3] Siehe Breynes Werk Prodromi fasciculi rariorum
plantarum (1739), S. 7
[4] D. Haberland (2001), S. 265-274, 341-350, 185-188
[5] Valentini (1714), S. 5-13
[6] Haberland (2001), S. 319
[7] Nicolaes Witsen an Gijsbert Cuper, 9.April
1713. Wiedergegeben in J.F. Gebhard: Het Leven van Mr. Nicolaas Cornelisz.
Witsen. Utrecht, 1881-1882, Band 2, S. 361
[8] Die zugrunde liegenden niederländischen
Manuskripte von der Hand de Jagers werden in der Staatsbibliothek zu Berlin
gehütet.
[9] Brief von Nicolaes Witsen an Gisbert /Gijsbert Cuper vom 9.April 1713. Wiedergegeben in Gebhard (1881-82), Band 2, S. 361.
[10] Valentini (1704), Einleitung (unpaginiert).
[11] Lutherischen Kirchenbüchern in Worms zufolge war Vitus der Sohn des
Pfarrers Johann Friedrich Vitus von Fränkisch Crumbach. Er lebte in Worms
als "Spezereihändler und Beisasse" und heiratete am
6.Juli 1699 Maria Agnes Meckel, Witwe des Spezereihändlers Friedrich
Meckel. Eigentlich sollte er damit gute Grundlagen für einen erfolgreichen
weiteren Lebensweg geschaffen haben. Doch zeigen zahlreiche Gerichtsakten der Jahre 1699 bis 1704, dass er seine
Mühe mit der Wiedereingliederung in die bürgerliche Gesellschaft
hatte. 1704 wurde ihm gar das Bürgerrecht aufgekündigt. (Mitteilung
von Martin Geyer, Stadtarchiv Worms).
[12] Die Manuskripte liegen heute in der
Universitätsbibliothek Gießen. Valentinis Publikation erlebte 1714
eine zweite Auflage.
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