Dohm, Christian Wilhelm (ed.) Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Meyer, Lemgo 1777-79.

Internet-Edition by Wolfgang Michel, © Fukuoka, Japan March1998

    

Zweites Kapitel.
Der jetzige Zustand des siamischen Hofes.


Beschreibung der Hauptstadt und königlichen Residenz Judja.

Ehe ich in der Erzählung meiner Reise nach Japan weiter fortfahre, wil ich vorher mit wenigen Worten beschreiben, in welchem Zustande ich den Hof und das Reich von Siam gefunden habe. Die ausführlichere Abhandlung hievon behalt ich einem andern Orte vor .
Das Königreich Siam ist das mächtigste, und der dortige Hof der prächtigste unter allen schwarzen Nationen in ganz Asien. Der jetzige Tsjaufa oder König, der Petratja heist, bemächtigte sich, bei Absterben seines Vorfahren, des Pro Narees Naraye Pintsjau des Scepters, da er vorher alle diejenigen, welche ein näheres Recht zur Thronfolge hatten, mit vielem Blutvergießen aus dem Wege räumte. Die Macht zu diesem Unternehmen konte ihm nicht fehlen, da ihn der vorige König bei einer langwierigen und für unheilbar erkanten Krankheit zu seinem Feldobristen ernant, und die ganze Regierung des Landes bis zu seiner Genesung ihm anvertrauet hatte. Die entdekte Verschwörung des Staatsministers Constantin Faulcon gegen die nächsten Kronerben gab ihm [p.25] einen sehr passenden Vorwand zur Ausführung seiner Absichten. Diese Begebenheit, so wie die Geschichte des Verschwörers, sind merkwürdig genug, um hier in der Kürze nicht ohne Vergnügen des Lesers erzählt zu werden.
Geschichte des Constantin Phaulcon.

Constantin Faulcon (oder wie er sich selbst zu unterzeichnen pflegte, Phaulcon) war ein Grieche von Geburt, ein Man von großem Verstande, sehr schönen Aeußerm, und einer vorzüglich angenehmen Beredsamkeit. Er hatte keine gelehrte Erziehung genossen, sondern seine jüngern Jahre meistens auf der See unter verschiednen Nationen (besonders aber unter Engländern) zugebracht, deren Sprachen er daher auch sehr gut wuste. Als englischer Schifsquartiermeister kam er zuerst nach Siam, und bei Hofe in Dienst. Es wurden ihm anfangs geringe, dann höhere Geschäfte anvertrauet; er führte sie mit so vieler Geschiklichkeit aus, und bewies überal einen so hellen und geschwinden Verstand, daß er binnen neun Jahren sich das gröste Vertrauen und Ansehn erwarb. Es wurde ihm die Direktion der Finanzen des Reichs und der königlichen Oekonomie übergeben; in allen, auch den schwierigsten Berathschlagungen, gab sein Urtheil allemal den Ausschlag; jeder bewarb sich um seine Gunst.
Dieses Glük suchte Faulcon durch Verbindung mit irgend einer ausländischen Nation fester zu gründen und noch zu erweitern; vielleicht (vermuthet man) hielt er es auch nicht unmöglich, die königliche Würde selbst zu erhalten. Zu diesen seinen Absichten, glaubte er, schicke sich keine Nation besser, als die französische. Er brachte daher dem König die Meinung bei, daß er durch Hülfe dieser Nation seine Unterthanen würde klug, und sein Reich blühend und mächtig machen können; eine siamische Gesandschaft nach Frankreich solte die Verbindung anfangen; diese wurde durch eine doppelte französische erwidert; und Jesuiten, Künstler und Soldaten fanden sich in Menge ein. Um die französischen Besitzungen zu sichern, übergab Faulcon dem General de Fargues (der mit einigen hundert Soldaten herübergekommen war) eine am großen Flus Meinam sechs Meilen vom Seehafen gelegne Festung Bankok, die man als den Schlüssel des Reichs ansehn kan. De Fargues legte von seinen herübergebrachten und zum Theil auch hier angeworbnen Truppen eine gute Besatzung hinein, und suchte den Ort auch durch neu angelegte Werke noch fester zu machen. Da sich der Minister auf diese Art hinlänglich gesichert glaubte; so legte er ohne weitern Aufschub mit dem französischen General und einigen Mandarinen (denen er völlig trauen zu können glaubte) eine Verschwörung an. Der Hauptzwek derselben war, daß der Monpi Totso, (des Königs angenommener Sohn und zugleich auch desselben Schwiegersohn,) der völlig eine Creatur des Faulcon und der Franzosen war, nach des Königs Tode (der wegen der zunehmenden Wassersucht nicht mehr [p.27] weit entfernt seyn konte,) den Thron besteigen, vorher aber alle ihm entgegenstehende Prätendenten, nemlich zwei königliche Brüder, den Petratja nebst seinen Söhnen und Anhängern aus dem Wege räumen solte. Des Monpi Vater und Verwandten hielten zu dieser Absicht schon 14000 Man hin und wieder im Lande bereit. Um sie desto sicherer auszuführen, reisete Faulcon insgeheim zum kranken König, (der sich damals nicht in seiner Residenz Judja, sondern 15 Meilen weiter nordwärts, in der Stadt Livo aufhielt) und überredte ihn, daß er zu mehrerer Sicherheit seiner Person und des ganzen Hofes den französischen General mit einem Theil der Besatzung möchte zu sich kommen lassen. Der König bewilligte alles, und de Fargues war schon auf dem Marsch, als plözlich die ganze Verschwörung durch den Sohn des Petratja sebst entdekt wurde. Dieser Prinz befand sich von ohngefehr mit zwei königlichen Conkubinen in einem Zimmer, welches dicht an dasjenige sties, wo die Verschworne ihre blutige Berathschlagungen hielten. Bloße Neugierde trieb ihn an auf die Gespräche zu lauschen, so entdekte er das Geheimnis und säumte nicht, es seinem Vater, so wie dieser dem König, mitzutheilen. Petratja lies sogleich den Monpi, den Faulcon, die verschwornen Mandarins und auch den Capitain von der königlichen Guarde nach Hofe kommen, und sie, obgleich wider des Königs Willen, an Kopf, Händen und Füßen schließen. Faulcon hatte sich schon einige Zeit vom Hofe entfernt gehalten, und nahm, als er jezt so plözlich dahin eingeladen wurde, von seiner Familie sehr schwermüthig Abschied, der ihr Unglük auch schon bald hernach dadurch angezeigt wurde, als der silberne Sessel, in dem sich der Minister gemeiniglich tragen lies, leer wieder zurükgeschikt wurde. Petratja lies auch nicht lange hernach die sämtlichen Hausgenossen des Faulcon nach Hofe kommen, und sie gleichfals in Fesseln legen. Dies alles geschahe am 19ten Mai 1689. Zween Tage hernach lies Petratja dem Monpi, wider Willen des Königs, den Kopf abschlagen, und warf ihn dem gefesselten Faulcon mit den Worten: "Da siehe deinen König", zu den Füßen. Dem unglüklichen kranken König gieng der frühzeitige gewaltsame Tod seines ihm sehr werthen Monpi ungemein zu Herzen, und er befahl, daß der Körper des Enthaupteten keinem fernern Spot ausgesezt, sondern auf eine anständige Art begraben werden solte, welches dann auch geschahe. Des Monpi Vater hielt sich damals auf seinen Gütern zwischen Judja und Livo auf; Petratja bemächtigte sich seiner mit List, und zerstreuete alle seine Anhänger.
Noch vierzehn Tage nach des Monpi Tode quälte man den Faulcon auf mannigfache Art, und lies ihn fast vor Hunger sterben. Ganz abgemattet wurde er endlich eines Tages nach Sonnenuntergang auf einem schlechten Tragsessel (da man ihm vorher die Bande abgenommen hatte) fortgebracht, zuerst nach seinem Hause. Er solte hier nur alle seine herliche Einrichtungen zerstört, und seine Gemahlin gefesselt im Stalle liegen sehen; diese wolte ihn keines Abschiednehmens würdigen, sondern spie ihn mit Verachtung an, und [p. 28] erlaubte ihm auch nicht, den noch einzig übergebliebnen Sohn von vier Jahren zu küssen. Der zweite Sohn war vor wenig Tagen gestorben und lag noch unbegraben da.
Von diesem traurigen Ort brachte man nun den unglüklichen Faulcon außer der Stadt an den ordentlichen Gerichtplaz, wo man ihm, ob er sich gleich sträubte, den Kopf abhieb, und den Leichnam in zwei Stücken zertrente. Man bedekte diese zwar mit ein wenig Erde, aber die Hunde wühlten sie noch dieselbe Nacht wieder auf, und verzehrten den ganzen Körper bis auf die Knochen. Sein Wappen, das aus zwei silbernen Kreuzen bestand; eine mit Gold beschlagne Reliquie, die ihm der Pabst geschenkt hatte, und welche er an der Brust zu tragen pflegte; den Ritterorden von St. Michael, womit ihn der allerchristlichste König beehrt hatte, diese Kostbarkeiten übergab der unglükliche Man einem neben ihm stehenden Mandarin, und ersuchte ihn sie seinem Sohn einzuhändigen. Diesem kan aber wenig damit gedient seyn, da seine Mutter jezt mit ihm vor den Thüren des Brod betteln mus, und Niemand es wagt, für diese Elenden ein Fürwort einzulegen.
Geschichte der Franzosen.

De Faugues, der von allem diesen nichts wuste, kam indes nach dem an ihm ergangnen Aufgebot mit wenigen Truppen bei Hofe an, wo er aber alles ganz anders fand, als er es erwartet hatte. Er wurde zwar dem äußern Ansehn nach sehr gut empfangen, und im Namen des Königs mit einer goldnen Pisangsdose beschenkt, allein er muste auch seine zwei Söhne und zwölf Franzosen als Geisseln hinterlassen, und dann sogleich wieder nach Bankok zurükgehn, mit dem Versprechen, diese Festung wieder in siamische Hände zu überliefern. Es war aber nicht sein Wille, dies Versprechen zu erfüllen. Er lies die Schiffer, die ihn den Flus heruntergebracht hatten, ins Gefängnis werfen; von seiner Festung auf die Siamer und ihre vorbeisegelnde Schiffe mit Kanonen feuern, und bemühte sich auf alle Weise, als ihr Feind zu handeln. Als ein Paar seiner Soldaten, die sua dem Lande gebürtig waren, sich weigerten seinen Befehlen zu gehorchen, lies er sie sogleich im Angesicht der Siamer auf den Mauern der Festung aufhängen.
Durch dies Verfahren würde sich gewis der französische General eine blutige Rache bereitet haben, wenn er sich nicht bald besser besonnen und sein Betragen geändert hätte. Schon fingen die Siamer an, einige Schanzen an dem Flus hinunter aufzuwerfen, um dadurch dem de Fargues die Flucht abzuschneiden; als dieser einen andern Ton annahm, seine vorige Handlungen zu entschuldigen bat, und alle Schuld blos auf seine Leute schob, die ihm nicht hätten gehorchen wollen. Er hielt zugleich um ein Schif an, mit dem er nach Europa abreisen wolte. Der holländische Resident that ihm hierin die besten Dienste; er stelte nemlich dem Hofe vor, man würde sich nicht rühmlicher rächen können, [p.29] als wenn man mit einer grosmüthigen Sanftmuth dem General verziehe, und ihm mit seinen Leuten abzuziehn erlaubte, welches dann auch bewilligt wurde.
Folgende merkwürdige kleine Begebenheit verdient hiebei noch Erwähnung. Die vierzehn französischen Geisseln zu Livo hatten Mittel gefunden zu entwischen; man sezte ihnen aber zu Pferde nach und holte sie wieder ein. Der Landessitte gemäs legte man ihnen, als man sie zurükbrachte, Stricke um den Hals. Dies erschrekte einen dieser Franzosen, der ein Ingenieur war, dermaßen, daß er sogleich auf der Stelle tod blieb.
Es waren um diese Zeit zwei königliche Schiffe mit Franzosen besezt auf dem Meer, welche den Kapern aufpassen solten, und deren Zurükkunft man gerade jezt erwartete. Dieser wünschte die siamische Regierung sich zu bemächtigen, ehe sie von dem Bruch zwischen beiden Nationen Nachricht hätten. Dies gelang ihnen auch nach ihrem Wunsch. De Fargues hatte in der Nacht eine Schaluppe ausgeschikt, welche jenen Schiffen die Neuigkeit überbringen solte. Diese griffen die Siamer noch im Flusse (aber an einem Ort, wo sie die französischen Kanonen nicht mehr erreichen konten) an, eroberten und verbranten sie, obgleich die französische Manschaft sich ganz verzweifelt wehrte.
Alle andre Franzosen, die sich damals in Siam befanden, musten die verrätherischen Absichten des Faulcon und die unbesonnene Aufführung ihres Generals sehr hart mit einem langwierigen und äußerst unangenehmen Gefängnis büßen. Auch der Metropolitanbischof, Louis, der sich in diesem ansehnlichen Charakter hier schon verschiedne Jahre aufgehalten hatte, war unter dieser Zahl begriffen. Sein Pallast vor der Stadt wurde geplündert, und er selbst nebst den übrigen Vätern von der Geselschaft Jesu, (deren, denk ich, sieben oder acht waren) wurden in den Hof der königlichen Pakhäuser in Verhaft gebracht. Ich habe daselbst den Herrn Metropolitan mit seiner ehrwürdigen Geselschaft noch in kleinen schlechten Häusern von Schilf und Bambusrohr gefunden und mich mit ihm unterhalten. Sie ertrugen ihr Leiden sehr gelassen, und man mus besonders gestehn, daß der Bischof ein vortreflicher, gelehrter und gottesfürchtiger Man war. Er besas besonders eine ausnehmend gründliche Kentnis der siamischen Religion, und der Sprache ihrer heiligen Bücher. Er hatte auch durch seine christlichen Lehren und sein Betragen, wie ein andrer Paulus, seine heidnische Wächter so eingenommen, daß sie ihn als einen heiligen Man Gottes verehrten. Drei andre Jesuiten, die sich zu Livo, dicht an dem Tempel Wath Niak Pranj Waan niedergelassen hatten, unter dem Vorwande, daß sie die Pali (die Sprache der siamischen heiligen Bücher) von den Priestern erlernen wolten, verschwanden plözlich, und man konte gar nicht erfahren, wo sie geblieben wären? Diese Jesuiten hatten ganz das Aeußere der siamischen Priester angenommen. Sie schoren sich den Kopf, kleideten sich und lebten völlig wie jene. -- Mitten in diesen Unruhen lies Petratja die Holländer seiner Gewogenheit und seines Schutzes versichern; sie bitten, [p.30] daß sie ganz unbekümmert seyn möchten. Zugleich schikte er Befehl nach Bankok, daß dort alle unsre Schiffe und Fahrzeuge ganz unaufgehalten hin und her passiren solten.
Petratja's Glük; Tod des alten Königs.

Petratja bemächtigte sich bald hernach auch der beiden Brüder des Königs unter dem Vorwande, daß sie in Faulcons Verschwörung interessirt gewesen wären. Er lies sie außer der Stadt in einen nahe gelegnen Tempel bringen, und daselbst mit Prügeln von Sandelholz zu Tode schlagen. Eine Todesart, die man bei dergleichen Personen aus Achtung für das königliche Blut zu erwählen pflegt. Und so hatte also der alte König den Schmerz, jezt seine Brüder auf eben die Art sterben zu sehen, wie er ehmals den 9ten Oktob. 1656 seinen Oheim Pracitama Ratia hatte ums Leben bringen lassen, der seinem Vater auf dem Throne gefolgt war, und damals schon in den dritten Monat regiert hatte. Der Schmerz des Königs muste noch dadurch vermehrt werden, daß er den Petratja beständig als seinen vertrautesten Freund angesehn hatte, der seiner Schwester Sohn war, dessen Töchter und Schwester der König zu Conkubinen gebraucht hatte, und der überdem noch beständig einen Abscheu vor der schweren Bürde einer Krone bezeugt hatte. Nie hätte also der König solche grausame Absichten bei ihm vermuthet, und seine Handlungen waren ihm ganz unerwartet. Dieser Schmerz endigte auch schon zwei Tage hernach sein Leben, im 55ten Jahre seines Alters, und 32ten seiner friedlichen Regierung. Er starb den 11ten Jul. 1689, oder nach dem Soncarad (der siamischen Zeitrechnung) im Jahr 2232.
Siamische Thronfolge.

So kam Petratja zur königlichen Regierung und dadurch zu dem Titel eines Königs von Siam, Tanassarien, Sucketa und Poiselucke; auch eines Schuzherrn von Cambodia, Jehoor, Pattany und Queda.
Uralte siamische Grundgesetze wollen, daß nach Absterben des Königs dessen Bruder, und nach dessen Tode, oder wenn kein Bruder vorhanden, der älteste Sohn zur Regierung kommen solle. Diese Verordnung ist aber so oft übertreten, und das Recht der Thronfolge dadurch dermaßen verwirret, daß jezt nach dem Tode eines Königs allemal derjenige für den nächsten Erben sich aufwirft, der unter allen königlichen Verwandten der mächtigste ist. Sehr selten kömt daher der wahre, rechtmäßige Thronfolger zur Regierung, oder er kan sich wenigstens nicht dabei erhalten.
Aufruhr der Macassarn.

Diese Ungewisheit der Succession giebt zuweilen auch ganz Fremden, und Leuten, die nicht das mindeste Recht für sich haben, den Gedanken ein, nach der Krone zu streben. [p.31] Ich wil davon nur ein Paar der neuesten Beispiele angeben. Vor einigen Jahren hatte sich ein Prinz aus der königlichen Familie von Macassar mit einigen seiner Landesleute nach Siam geflüchtet, wo ihnen der König dicht neben dem Camp der Malayen einen Plaz zur Wohnung anwies, und ihnen eigenthümlich einräumte. Dieser Prinz faßte nach einiger Zeit den Entschlus mit Hülfe der benachbarten Malayen, seiner mohammedanischen Religionsverwandten, die Hauptstadt zu überfallen, und sich auf den Thron zu schwingen. Allein dieser Anschlag wurde zu früh verrathen, und nun der Prinz, weil er zu stolz war, nach Hofe zu kommen und Abbitte zu thun, mit seinem ganzen Anhange bis auf seinen Sohn von acht Jahren ausgerottet. Ein harter Kampf gieng vorher, in welchem sich die Macassarier verzweifelt wehrten, und noch viele Siamer neben sich tödteten. Die Malayen bequemten sich zur Abbitte, und wurden von dem zu leutseligen König ohne alle Strafe begnadigt. Dies geschahe 1637.
Noch ein andrer Aufruhr eines Priesters.

Im leztern Jahre (1689) wagte ein Pfaffer aus Peju, der den siamischen Hof sehr gut kante, und ehmals zu Judja in Verhaft gesessen hatte, einen ähnlichen Anschlag. Er gab sich auf dem platten Lande für des ohnlängst verstorbnen Königs ältesten (von Petratja erschlagnen) Bruder und also rechtmäßigen Reichserben aus. Er war so [p.32] glüklich, in kurzer Zeit auf 10,000 Man (aber meistens nur vom unbewehrten Pöbel) zusammenzubringen; und als er erfuhr, der Kronprinz würde sich an einem gewissen Orte mit seinem Hofstaat einfinden, um sich zu divertiren, verbarg er sich in der Gegend im Walde, wo er glaubte, sie recht vortheilhaft überfallen zu können. Denn, dacht er, sogleich in der ersten Verwirrung in die Stadt zu dringen, und den König mit seiner Familie aus dem Wege zu räumen. Allein die Sache nahm einen andern Ausgang; der Prinz erfuhr die Gegenwart und Absicht der Verschwornen, lies ihnen sein Silbergeräthe zur Beute, und flüchtete mit Schrecken in die Stadt zum Könige. Dieser brachte sogleich 12,000 Man zusammen und schikte sie dem ungeordneten Hausen, der schon auf die Stadt zueilte, entgegen. Dieser unvermuthete Zustand brachte ihm ein solches Schrecken bei, daß er sogleich voller Verwirrung und Eil sich mit der Flucht rettete. Daher wurden auch nur hundert von diesen Feinden getödtet, und drei hundert gefangen genommen, denen der Sieger die Fussohlen verbrennen lies, und sie dadurch außer Stand sezte, zu entwischen. Einige Tage hernach fand man auch den aufrührischen Pfaffen unter einem Baume im Walde schlafen, wo er nur einen Knaben bei sich hatte. Er wurde daher mit leichter Mühe nach der Stadt gebracht, und daselbst mit Hals und Brust an einen Pfahl geschlossen. Nachdem er verschiedne Tage hier zum öffentlichen Schauspiel gestanden hatte, wurde ihm, da er noch lebte, der Bauch aufgeschnitten, und die Hunde herzugelassen, um die Gedärme herauszureißen und zu verschlingen.
Königlicher Hofstaat.

Der königliche Hof bestand damals, als ich mich dort aufhielt, besonders aus folgenden vornehmen Staatsministern:
1) Peja Surusak, der auch Peja Wanj=a und Fai Wanj hies, welchem der König das Reichsoberfiskalamt, und z. B. alle Confiskationssachen, alle Criminalgerichtsbarkeit, als den herbesten Theil der königlichen Macht, überlassen hatte. Einige sagen, er habe dies gethan, um diesen Herrn verhaft zu machen; andre, um ihm die Thronfolge zu sichern.
2) Peja Prah' Klam (die Fremden pflegen gemeiniglich Berclam zu sagen) der Reichskanzler und Direktor aller auswärtigen Geschäfte. Er war ein sehr wohlgebildeter, ansehnlicher Man, dessen gleichen ich unter dieser schwarzen Art Menschen, (die alle sehr klein sind, und wie halbe Meerkatzen aussehn,) nicht mehr gefunden habe. Er bewies auch einen sehr geschwinden Verstand und eine lebhafte Munterkeit in allen seinen Handlungen. Er war vor wenigen Jahren als Gesandter in Frankreich gewesen, und wuste uns von der Verfassung dieses Landes, den Gegenden, Festungen u. s. w. die er gesehen hatte, viel zu erzählen. Auch sein Audienzsaal war mit den Portraiten der königlich [p.33] französischen Familie und europäischen Landcharten reichlich behangen. Die übrige Auszierung aber machten blos Staub und Spinwebe.
3) Peja Wan, auch Tsjan Peja Taraman genant. Oberkammerherr, der die Aufsicht über die königlichen Gemächer und Palläste hat.
4) Peja Jummeraad, ein gelehrter Sineser; Reichsdrost und Oberrichter.
5) Peja Polethe. Reichsrentmeister, hat die Aufsicht über alle liegende Güter, Ländereien u. s. w. und deren jährlichen Ertrag.
6) Peja Tsakrii, Oberstalmeister, hat die Aufsicht über Elephanten und Pferde, auch die Besorgung des zum Aufzuge nöthigen Zeugs.
7) Peja Klahom, Oberhofmeister, hat die Aufsicht über alle königliche Bediente, Lustschiffe und Hofmeublen.

Diese sind die grösten Mandarins vom ersten Range und Oberbediente des Staats, welche auch den großen Reichsrath ausmachen. Das Wort Mandarin ist ein ausländisches sinesisches Wort, dessen sich besonders nur die Fremden bedienen. In Siam wird es gemeiniglich durch Tsiankrue oder Tsiantsjam ausgedrükt . Nach diesen folgen nun die Räthe und Hofbediente von geringerm Range, deren Zahl nicht bestimt ist. Unter ihnen sind besonders folgende merkwürdig:
Peja Tarreman, der Oberste der Malayen; Overa Tsijat, Oberster der sogenanten Mohren oder Mohammedaner; auch Sjabender oder Oberzoleinnehmer bei allen einkommenden Waaren. Oja Pipat, ein Unterberklam und ehmaliger Hausgenosse Faulcons, bei dem er sich in der Kunst, die Ausländer zu betrügen, sehr festgesezt hatte; Oja Tewigata, Stalmeister der Elephanten, er war ein Mohammedaner aus Hindostan und ein recht wackerer Man; Oja Tainam, Capitain von der Hofmiliz; Oja de Tsju, Capitain von der Landmacht.
Die Siamer haben gar keine erbliche Familiennamen, sondern sie erhalten blos von andern, besonders von ihren Obern ihre Namen. Die großen Herren nennet man allemal nach ihrer Bedienung; und so sind alle vorher angeführte Namen blos Benennungen von der Würde, die diese Männer bekleiden. Die Hoftitel stehen in folgendem Range: 1) Peja und Oja ist ein Prinz. 2) Opera, deren etwa vierzig oder auch mehr bei Hofe und im Land seyn mögen, sind ohngefehr das, was bei uns Baronen . Oluang [p.34] oder Luang sind bloße Edelleute. Diesen Titel pflegt der König auch seinen Dolmetschern zu geben. 4) Okuun, Leute von hoher Familie. 5) Omuun, vornehme Unterbediente. 6) Majulaks, Pagen und junge Edelleute. [p.35]
Name, Lage und Eintheilung von Siam.

Das siamische Reich wird von den eingebornen Muan Thai, d.i. das Land Thai , und in ihren Büchern allemal mit dem Lobspruche: Krom the Pramma Haa Ikon, (d.i. circuitus visitationis Deorum; ein Umkreis des Besuchs der Götter) genant. Die Malayen und Peguer nennen es Tzjam, wovon dann der Europäer Siam entstanden ist. Ohngefehr in der Mitte oder gerade da, wo die Hauptstadt steht, hat es vierzehn Grad achtzehn Min. Nord. Br. und nach gemeinen Landcharten hundert und acht und dreißig, nach den neulichen Beobachtungen der Jesuiten aber hundert und zwanzig Gr. der Länge. Seine Gränzen sind gegen Osten die Königreiche Tunkin, Cosjinsina und Cambodia; gegen Süden das Meer und die Länder Malacca, wovon Ligoor, Tanasseri und andere kleine Herrschaften der König von Siam besizt; gegen Westen das Königreich Pegu und gegen Norden Laos. Dies Land ist in Verhältnis seiner Größe sehr wenig bevölkert, und meistens nur an den hohen Ufern der Flüsse mit Menschen besezt. Die vielen Felle von Hirschen und wilden Büffeln, welche jährlich mit Schiffen von hier weggeführt werden, sind Beweise von den großen Wäldern und Wildnissen im Lande. Man mus sogar auf diese Thiere nur in den nahen Gegenden Jagd machen, und kan sie wegen der vielen Tiger und der Moräste nicht bis in die Tiefe der Wälder verfolgen.
Das Reich ist in zwölf große Provinzen vertheilt, deren jede von einem Oja oder Prinzen nebst verschiedenen ihm untergeordneten Operas und andern Unterbedienten regiert wird. Am Hofe ist nun auch für jede Provinz ein Oja bestimt, der die Regierung des dortigen Stathalters beobachten mus.
Der leztverstorbene König fügte den alten Reichsprovinzen noch eine dreizehnte bei, Tsjanimai, welche er dem Reiche Laos abnahm; er würde wahrscheinlich von dieser Seite sein Reich noch mehr vergrößert haben, wenn nicht der breite und damals übergetretene Flus seinen Eroberungen ein Ziel gesezt hätte. Es wurde auch diese neue Provinz nur wenige Jahre hernach dem siamischen König wieder abgenommen, und hatte man also durch einen so weiten und kostbarn gestiftet, wodurch ihre bisherige Handlung unterbrochen und meistens den Cambodiern zugewandt wurde.
Beschreibung von Laos.

Laos oder Lauland ist unter uns so wenig bekant, weil es ganz von andern [p.36] asiatischen Staaten umgeben ist, daß es dem Leser nicht unlieb seyn wird, wenn ich hier einige Nachrichten, die ich von diesem Lande habe erfahren können, mittheile. Es liegt mit Tunkin unter gleicher Nord.Br.; ist ein großes, mächtiges Land; durch Wälder und Einöden von den benachbarten Staaten abgesondert. Die Reise von Judja dorthin fordert einen Monat Zeit; wegen der hohen Berge ist sie zu Lande, und wegen der vielen Klippen und Felsen auf dem Flusse sehr beschwerlich. Man hatte daher die Prauen oder Fahrzeuge so erbauet, daß sie zusammengenommen und auf die Höhen gebracht werden konten, um auf diese Art die Wasserreise fortzusetzen.
Das Land ist sehr fruchtbar, meistens ein fetter Klei, und des Sommers so hart und fest, daß man darauf den Reis aus den Hülsen zu stoßen pflegt, wozu man sonst einen hölzernen Kum gebraucht. Laos bringt in Ueberflus den herlichsten Reis hervor, und liefert an Cambodia den besten Benzoin und Gummi Lakka, obgleich beides auch Produkte dieses Landes sind. Ueberdem giebt es noch den edelsten Muskus, auch einige edle Steine, unter denen Rubinen und auch Perlen sind, welche die Siamer Muk nennen. Dies ist nur deswegen wunderbar, weil ich gar nicht habe erfahren können, daß hier im Lande ein Salzsee sey.
Die Religion kömt mit der von Siam meistens überein, auch die Sprache und Schrift sind wenig verschieden, nur können die Einwohner von Laos kein L oder R aussprechen. Sie schreiben auf Blätter wie Peguer und Malabaren. Auch die Siamer pflegen ihre heilige Bücher darauf zu schreiben; bürgerliche Sachen aber auf ein grobes Papier mit irdenen Schreibstiften. Die von Laos rühmen sich, daß die Siamer von ihnen schreiben und die Sprache ihrer heiligen Bücher gelernt hätten.
Der Gestalt nach sind sie den Sinesern sehr ähnlich; doch sind sie gelber und schmäler, überhaupt aber eine weit schönere Nation als die siamische. Ihre Ohren sind lang, wie bei den Peguern und andern Bewohnern dieser Küste; die Männer haben keine Zierrathen drin; die Frauen aber, so lange sie nicht getrauet sind, güldne Pfropfen. Die Weiber lassen ihre Beine von unten bis über die Waden mit schwarzem Laubwerk (wie die siamischen Braspindaten) umwinden, zum Zeichen der Religion und Mänlichkeit.
Es läuft ein Arm vom Ganges durch das Land, der sich hernach in dem Flus Cambodia verliert, und diesen schifbar macht. Daher pflegen die Cambodier jährlich mit ihren Prauen hier ihren Handel zu führen. Die vornehmsten Städte sind Landjam und Tsjamaja. Das Land sol ehemals dem König von Siam einen jährlichen Tribut bezahlt haben. -- Doch um uns nicht zu weit von unserm eigentlichen Gegenstande zu entfernen, kehren wir zu der Hauptstadt und königlichen Residenz Judja oder Juthia wieder [p.37] zurük, welche in andern Reisebeschreibungen vielleicht durch einen Drukfehler den falschen Namen India bekommen hat .
Bescheibung von Judja.

Diese Stadt stand ehemals an dem westlichen Ufer des großen Flusses Menam, von da sie mit einer Insel in diesem Flusse an ihre jetzige Stelle versezt wurde. Diese Insel hat ohngefehr die Figur eines platten Fußes, dessen Ferse nach Westen gekehrt ist, und im Umfange zwei deutsche Meilen .Die Gegend umher ist, so weit man absehen kan, eben, und das Land niedrig und plat. Es ist mit vielen Wassergängen aus dem großen Flusse durchschnitten, und dadurch in viele Inseln und Kämpe zertheilt, so daß man hier ohne Kahn nirgends weit fortkommen kan. Sie ist mit einer Mauer von Baksteinen umgeben, welche an der Süd= und Nordseite vier und ein halb Klafter hoch, schön und oben bedekt ist, an den übrigen aber ganz niedrig und verfallen war. Diese Mauer ist durch viele kleine Pforten durchgebrochen, durch die man an den Flus gelangen kan, und inwendig mit einem hie un da anliegenden Walle oder Erdhaufen, auf welches man Geschüz pflanzen kan, versehen. Nach der Seite hin, wo der Strom hinabfliest, hat sie noch verschiedene kleine Bolwerke und ein großes, welche mit Geschüz besezt waren, um feindliche Schiffe abzuhalten. Wider das Anspülen des Wassers ist sie mit einem schmalen Erdufer umgeben, auf welchem hin und wieder kleine Wohnhütten gebauet sind. Verschiedene breite Graben sind aus dem Strome gerade durch die Stadt gezogen nach Osten, Westen, Norden und Süden, so daß man allenthalben in die Stadt hineinschiffen, und an den vornehmsten Häusern und Höfen anlegen kan, weil von diesen wieder viele kleinere Canäle in jene Graben abgeleitet sind. Die Gassen in der Stadt sind gleichfals ganz gerade angelegt; die meisten sind ziemlich breit, manche aber auch sehr enge und alle ausnehmend kothig und schmutzig. Verschiedene werden bei hohem Wasser allemal überschwemt.
Die Stadt ist nach ihrer Größe nicht volkreich, und in einigen Theilen sehr wenig bewohnt; in dem westlichen nemlich wegen der Entfernung, im südlichen wegen des morastigen Grundes, worüber man sich durch überliegende Bretter und schlurdige Brücken forthelfen mus. In diesen Theilen der Stadt findet man hinter den Gassen leere Plätze und große Gärten, in denen man aber die Natur allein Gärtner seyn läst. Allenthalben ist die Erde mit Gras, Büschen und Bäumen ins wilde bewachsen. In die beste [p.38] Gasse kömt sogleich beim Eintrit in die Stadt, sie krümt sich gerade nach der Richtung der Stadtmauern westwärts. Man sieht in derselben die Häuser des ehemaligen englischen, holländischen und französischen Residentens und auch des Faulcons. Die mitlere Gasse, welche nordwärts und gerade nach dem königlichen Pallast läuft, ist am meisten bewohnt, und m it Künstlern, Handwerkern, Krämern und Boutiquen stark besezt. In diesen beiden Gassen sieht man über hundert sehr kleine Häuser der Sineser, Hindostaner und der sogenanten Mohren. Sie sind alle von Steinen, aber ganz auf einerlei Art gebauet, acht Schrit lang, vier Schrit breit; haben zwei Stokwerk, aber nicht mehr als drittehalb Klafter Höhe. Sie sind mit platten Dachsteinen gedekt, und mit unförmlich breiten Thüren versehn.
Die übrigen Gassen sind sehr wenig bewohnt, und die gemeinen Bürgerhäuser gar schlechte Hütten von Brettern und Bambusrohr (ein holer Rieb, zwei bis drei Span dik) erbauet, und mit Gabbe Gabbe, (einem wilden in Sümpfen wachsenden Palmstrauch) bedekt. Die Mandarine (Räthe und Hofleute) wohnen in Höfen und sehr schlechten Pallästen, deren Boden kothig, die Zimmer schlurdig, und die Gebäude selbst zwar von Kalch und Steinen, aber doch sehr einfältig sind. Die Boutiquen in der Stadt sind niedrig und schlecht, doch gerade und nach der Richtung der Gasse ziemlich abgemessen. Wegen der vielen Wassergraben findet man der Brücken eine große Menge. Die, welche über Hauptgraben gehen, sind von Stein erbauet, mit Brustmauern versehen und sehr schmal, (weil man hier gar keine Karren oder Wagen hat) in der Mitte hoch und achzig Schrit lang. Die Brücken über die kleinern Canäle sind von schlechter Bauart und meist hölzern. Man sehe hievon die beigefügte Figur.
Königliche Palläste.

Es befinden sich in der Stadt drei königliche Palläste. Der neue Pallast, welchen der vorige König nordwärts, etwa in der Mitte der Stadt, angelegt hat, schliest einen großen viereckigen Plaz ein, hat verschiedene Abtheilung und mehrere Gebäude, welche nach sinesischer Bauart mit vielfachen und zum Theil verguldeten Dächern und Altären ausgeschmükt sind. In= und außerhalb den Mauern findet man lange Ställe, in denen einige hundert Elephanten in langen Reihen aufgepuzt neben einander stehen.
Nach den französischen Troublen (wie man es hier zu nennen pflegte) darf man nur durch einen Weg, und nicht anders als zu Fus in den Pallast gehen. Dieser Weg ist gemeiniglich so kothig, daß man bis über die Waden einsinkt, wenn man nicht auf den übergelegten Brettern sich im Gleichgewicht zu erhalten weis. Ein gemeiner Mandarin darf, wenn er in den Pallast geht, nicht mehr als einen Bedienten bei sich haben, und der Strom, welcher an der Schlosseite vorbeifliest, darf nicht befahren werden. An allen [p.39] Thoren und Zugängen schwärmen viele nakte Kerls umher, welche auf ihrer kastanienbraunen Haut mit schwarzen, würfelweise eingeäzten Figuren gemalt sind. (Gerade wie man am H. Grabe zu Jerusalem die Bilder einätzet) einige nur an den Armen, andere über den ganzen Leib, bis auf die, nach der Manier alle Siamer, mit einem Tuch bewundenen Lenden. Man nent sie portugiesisch bras pintades. Aus diesen Leuten besteht die königliche Guarde oder Thorwache, und zum Theil geben sie auch Ruderknechte ab. Stat des scharfen Gewehrs ist jeder von ihnen mit einem guten dicken Knittel versehn. Diese Kerls schweifen auch hin und wieder in und außer der Stadt als Müssiggänger herum.
Das zweite Schlos wird gemeiniglich der vorhere Pallast genant. Er liegt am nordöstlichen Ende und gleichsam auf einem Absatze von der Stadt; er schliest auch einen viereckigen Plaz, aber doch von weit kleinerm Umfange, als der erste Pallast, ein. Er war ehmals die Residenz der König, und wird jezt (1690) von einem königlichen Prinzen, der etwa zwanzig Jahr alt ist, bewohnt.
Der dritte oder sogenante hinterste Pallast ist noch kleiner; er liegt an der westlichen, meist unbewohnten Seite der Stadt, und wird jezt auch von einem Prinzen aus königlichem Geblüt bewohnt, welcher des Königs Leibelephanten führt. Er sizt dabei nicht, wie sonst gewöhnlich, auf dem Halse, sondern liegt hinter dem Könige auf den Lenden des Thiers, und regiert es dann durch verschiedne Zeichen, zu denen er abgerichtet ist. Wegen dieses Bewohners nante man dies Gebäude auch den Pallast des königlichen Elephantenbereiters.
Tempel.

Nach den königlichen Pallästen verdienen nun auch noch einige Kirchen und Schulgebäude bemerkt zu werden. Es giebt derselben eine große Menge, und wie das ganze Land mit Pfaffen und Mönchen ganz angefült ist; so sieht man auch in dieser Stadt an allen Orten Tempel, deren Höfe zierlich mit den Gassen in gleicher Ordnung stehn, und mit verguldeten Piramiden oder Säulen von verschiedener Form besezt sind. Sie sind nicht so gros wie unsre Kirchen, aber an äußerer Schönheit gehen sie ihnen weit vor. Diese Schönheit besteht besonders in vielfach gebogenen künstlichen Dächern, in verguldeten Giebeln, hervorstehenden Säulen, Treppen und andern Zierrathen. Das innere ist mit vielen Bildern geschmükt, die aus Gyps, Harz, Oel und Haar theils in Lebensgröße, theils auch in mehr als Lebensgröße verfertigt sind, und deren mit schwarzem Firnis überzogene Fläche verguldet ist. Sie sind auf erhabenen Boden am Altar und an der Mauer herum in verschiedenen Reihen gestelt, haben die Beine über einander geschlagen, und sind übrigens ganz nakt bis auf die mit einem dunkelgelben Schüuztuche bewundene Schaam. Ueber [p.40] die linke Schulter hängt ihnen bis zum Nabel hinunter ein eng zusammengefaltenes Tuch von eben dieser Farbe. Die Ohrläplein sind mit einem Ris durchlöchert, und so lang, daß sie bis auf die Schulter reichen. Das Haupthaar ist kraus, und die Scheitel hinauf zweimal über einander gebunden. Doch kan man nicht recht erkennen, ob es nicht vielmehr eine Mütze oder Zierrath seyn sol? Die rechte Hand liegt auf dem rechten Knie, die linke ruht im Schooße. Den mitlern und Oberplaz nimt in dieser Lage ein Götze von übermenschlicher Größe ein, mit einem überhangenden Himmel oder Krone, welcher den ersten Lehrer oder Stifter ihrer Religion vorstelt. Sie nennen ihn Prah, d. i. den Heiligen, oder Prah Pudi Djan, d. i. den Heiligen von hoher Abkunft; oder auch mit einem besondern Namen Sammona Khodum, oder wie es die Peguer aussprechen, Sammona Khutama, d. i. einen Menschen ohne Affekten. Die Sineser und Japaner nennen ihn Sjaka oder Saka; die Zingalesen Budhum oder Budha. Dieser Prah findet sich in einigen Tempeln in ganz abentheurlicher Größe. Außer der Stadt in einem pegusischen Tempel (Tsjan pnun tsim in peguscher Sprache genant) sizt einer stark verguldet auf einem erhabenen Boden, der hundert und zwanzig Fus in der Länge hat. Die japanische Hauptstadt Miako wird uns künftig noch mit einem andern bekant machen, welcher diesem an Größe und Schönheit nicht nachgiebt. Die erwähnte Lage des Götzen ist gerade diejenige, in welcher er und nach seinem Muster auch seine Anhänger sich allemal zu stellen pflegten, wenn sie götlichen Dingen nachgrübelten, oder sich im Enthusiasmus befanden. Auch noch jezt müssen die Priester von dieser Religionsparthei täglich einige Stunden in dieser Stellung niedersitzen, wenn sie nach ihren Regeln im Enthusiasmus, im Nachsinnen und Andacht sich üben. Sie gehen auch beständig in der Kleidung der Götzen einher, nur haben sie den Kopf ganz glat geschoren. Das Gesicht schützen sie durch einen runden Sonnenwedel von Palmholz oder Blättern vor der Hitze.
Neben den Tempeln wohnen dann die Mönche in sehr schlechten Klosterhäusern, und haben zur Seite ein öffentliches PrahKhdi oder Lehr= und Predigthaus. Es ist gemeiniglich ein hölzernes Gebäude von mitlerer Größe, den Tempeln nicht unähnlich, an den Dachränden verguldet, mit Treppen von wenigen Stuffen; und mit vielen hölzernen Schauben stat der Fenster, um bei öffentlicher Versamlung in der Lehrstunden die kühle Luft durchzulassen. Inwendig halten zwei Reihen Pfeiler den Söller; und der Raum ist in verschiedene Klassen und Bände abgetheilt. In der Mitte steht ein künstlich geschnizter und verguldeter Lehrstuhl, einige Stuffen über den Boden erhaben, und von eben der Form, wie in unsern Kirchen. Auf diesem Stuhle pflegt in gewissen Stunden sich ein altet Pfaf einzufinden, und seinen Zuhörern (welche meistens aus Studenten oder jungen [p.41] Mönchen bestehen) aus breiten Palmblättern, auf welchen schwarze Schrift eingegraben ist, heilige Worte langsam und vernehmlich vorzulesen. Die Zuhörer schlagen bei einigen Worten und Namen die Hände über der Stirne zusammen, bezeugen aber übrigens wenig Andacht und Aufmerksamkeit; denn ich beobachtete, daß einige Pinang schnitten, andere etwas zu Pulver stoßten, oder in einem Gefäße Quecksilber mit dem milchigten Saft der Pflanzen zerrieben, oder mit anderm Zeitvertreib ihre Hände beschäftigten. Bei dem Lehrstuhl und noch an andern Orten sieht man auch den Götzen Amida in einer Tarateblume (Faba Aegyptiaca, oder Nymphaea magna incarnata) aufrecht stehen. Man hält ihn für einen Vorsprecher verstobener Selen. Er ist an verschiedenen Orten mit papiernen Blumen, Fähnlein, Sacristeihäusern, papiernen Kronen, und allerhand andern an Bambusstangen befestigten verguldeten Zierrathen behangen, deren sie sich bei Begräbnisprocessionen bedienen. Vor dem Lehrstuhl habe ich gemeiniglich bei ihrer Versamlung eine Maschine von Bambusrohr stehn sehn, die in Form eines Tisches schlecht zusammengeheftet, mit einem Tuche bedeckt und mit gelben Tüchern (welche die Priester zu Kleidern und zu Bedeckung ihrer Lenden gebrauchen) behangen und zum Schmuck mit Blumen besteckt war. Auf diese Maschine waren verschiedene Schüsseln mit Reis, Pisang, Pinang, trockenen Fischen, Limonen, Manger tanjer, und andern Landesfrüchten gestelt, welche, wie man mir sagte, dem Kloster geopfert und verehrt waren. Mir begegnete einmal, wie ich eben hineingieng, eine solche Maschine auf der Treppe, welche man, da die Versamlung geendiget war, wieder zurükbringen wolte, und gerade, wie sie neben mir war, zerbrach sie, durch das starke Andringen der Leute und die Unvorsichtigkeit der Träger, daß auch alle Schüsseln und Speisen auf die Erde fielen. Ich suchte mich nur bald zu entfernen, damit der Pöbel nicht mir die Schuld dieses Unglüks beimessen möchte.
Schwimmende Dörfer.

Außerhalb der Stadt liegen auch viele Dörfer und Vorstädte, von denen einige aus Wohnschiffen bestehen, deren jedes mit zwei, drei und mehr Familien besetzt ist, die in diesen Behältnissen oft ihren Ort verwechseln, und an alle Orte, besonders bei hohem Wasser, herumfahren und ihre Waaren verkaufen. Die gemeinen feststehenden Dörfer sind meist von Bambusried, Brettern und schlechtem Zeuge erbauet. Einige stehn längst dem Ufer auf klafterhohen Stelzen, damit das Wasser, welches immer einige Monate das Land ganz überschwemmet, unterweg fließen kan. Jedes Haus hat daher eine Treppe, deren man sich in der trockenen Jahrszeit bedienet, und einen Kahn, mit dem man bei hohem Wasser ausfährt.
Andre Dörfer stehn auf höherm Boden und haben keine Treppen und Kähne, weil sie der Ueberschwemmung nicht unterworfen sind. An diesen erhabnern Orten findet man [p.42] auch Klöster, Tempel, Brandplätze wo die Leichen eingeäschert werden, und Höfe, wo die Knochen und die Asche verbranter, vornehmer Leichen unter kostbaren Piramiden eingesenkt werden. In einiger Entfernung von der Stadt nach Süden haben die Holländer am Ufer des abschießenden Stroms ihre Lage= und Pakhäuser auf einem trockenen Boden prächtig und bequem angelegt. Weiter hin an eben diesem Flus befinden sich noch die Colonien oder Dörfer der Japaner (welche die besten Soldaten der vorigen Könige waren) der Peguer und Maleien. Auf der andern Seite des Flusses liegt ein Dorf von Portugiesen, die mit schwarzen Weibern gezeugt sind, und denn eine Europäische Dominicanerkirche St. Domingo mit drei portugiesischen Mönchen. Hinter derselben liegt noch eine kleine Augustinerkirche, deren zwei Patres mit jenen in einem Schilfhause ganz friedlich leben. Unweit davon und noch in eben demselben Campe liegt auch noch eine Jesuiterkirche, welche nach ihrer Hauptkirche in Goa die St. Pauluskirche heist, die Herrn Jesuiten lieben den Apostel Paulus und nennen sich nach ihm durch ganz Asien lieben Pauliner als Jesuiten. Ihr Collegium bestand damals aus zwei europäischen Mönchen und drei schwarzen Brüdern, die aus Siam gebürtig waren. Der Metropolitan hatte an der Südwestseite der Stadt am gegenüberliegenden Ufer des Flusses, wo aus derselben der Arm Klam Nanja ausgeht, einen Pallast von Steinen und auch eine ansehnliche Kirche erbauen lassen, welche aber damals ledig standen, weil jener Bischof sich im Gefängnis befand. Unsre Geistliche in Siam haben mich versichert, daß in der Gegend von Judja allein drei tausend und sechs hundert Christen über sieben Jahre wären, die alle zur heil. Communion gelassen würden.
Die Piramide Pkahthon.

Ich wil nun noch in der Kürze zwei merkwürdige Orte beschreiben, deren einer eine halbe Meile außer der Stadt gegen Nordwesten in einem Camp liegt, wohin man nur zu Wasser kommen kan. Er schliest die berühmte Piramide Pkahthon oder Pukathon ein, welche die Siamer zum Gedächtnis eines großen Sieges über den König von Pegu und dessen mächtiges Kriegsheer hier (auf dem Schlachtfelde) erbauet haben. Dieser Sieg war desto merkwürdiger, weil sich die Siamer dadurch von der peguschen Herschaft losrissen und wieder in ihre alte Freiheit sezten. Diese Piramide ist ein prächtiges, etwa vierzig oder mehr Klafter hohes massives Gebäude mit einem viereckigten Hofe, der mit einer zierlichen niedrigen Mauer umgeben ist. Sie besteht eigentlich aus einem doppelten übereinanderstehenden Gebäude. Das unterste hat einen viereckigten Boden, und jede Seite desselben hundert und funfzehn Schritte; es reicht etwa zwölf und mehr Klafter in die Höhe. Es hat auch an allen vier Seiten drei nach einander auf etliche Schritte hervorstehende, und bis zu dem Obergebäude aufgeführte Fächer oder Aufsätze, wodurch es die Quadratfigur [p.43] einigermaßen zu einer vielförmigen abändert. Dieses untere Gebäude enthält vier übereinander stehende und stets engere Lagen, jede mit einem Gange, der das ganze Gebäude umgiebt; neben welchen dann auch noch einige kleinere Absätze zu größerm Schmuk und Kunst befindlich sind. Diese Lagen sind allenthalben mit hervorragenden großen Leisten, und die Gänge (außer dem untersten) mit Brustmauern und deren Ecken mit zierlichen Säulen besezt. Der mitlere Aufsaz nach jeder Seite zeigt das Hauptgebäude und endigt sich in einem ansehnlichen ausgebildeten platten Giebel, und hat in der Mitte die Treppe. Diese hat vier und siebenzig Stuffen, jede neun Zol hoch und vier Schritte lang, bis man an das Obergebäude kömt. Dieses (welches auch das zweite Gebäude heist) ruht auf einem viereckigten, an jeder Seite sechs und dreißig Schrit langen und fünf Schrit breiten Boden, dessen Mitte zur Zierde ein wenig hervorsteht, der auch mit Brustmauern, an jeder Ecke aber, so wie an den Seiten des Auftrits mit niedrigen Säulen besezt ist. Von hier kan man nicht weiter hinaufsteigen.
Die Basis dieses Gebäudes hat acht Seiten, und jede Seite eilf Schritte. Die Bauart kömt mit der des untern Gebäudes bis auf einige Faden Höhe überein. Auf diesem steht nun ein zierlicher, vielförmiger, und in der Mitte mit kurzen Pfeilern durchbrochener Thurm, der alsdenn kugelweise (nemlich mit dreißig je kleiner und kleinern Kugeln) schmaler auf, und zulezt mit einer ziemlich langen und so schmalen Spitze in die Höhe steigt, daß man sich sehr wundern mus, wie sie schon so viele Jahre durch den Sturmwinden hat widerstehn können. Die neben dieser Piramida stehende Tempel und Talapoins=Collegia sind mit besondern Mauern von gebaknen Steinen zierlich umgeben. Diese Tempel sind sehr artig gebauet und haben allenthalben Pfeiler, die das Dach tragen. Sie sind in der Mitte mit einem vierfachen, und an beiden Seiten mit auf einander folgendem zwei= und dreifachen Dache zur Pracht bedekt und vielfältig geziert, wie das die im Lande übliche Architektur fordert. Beigefügter Abris giebt von allem den deutlichsten Begrif.
Verschiedene Gebäude.

Der andere Ort besteht in zweien unweit der Stadt nach Süden dicht neben einander liegenden Kirchhöfen, deren jeder mit Tempeln, Klöstern, Kapellen und verschiedenen Säulen oder Piramiden besezt ist. Ein Wassergrabe trent sie von einander, und jeder Kirchhof ist mit einer besondern Mauer zierlich umgeben. Um uns mit der Beschreibung nicht zu lange zu verweilen, habe ich hier den Grundris nebst einigen der vornehmsten Theile ins Große abgebildet. Auf dem ersten Hofe finden wir den sogenanten Berklamstempel, gezeichnet mit A. Er ist eben derselbe, von dem der ganze Ort den Namen und einen besondern Ruhm erhalten hat. Er ist nicht nur überhaupt sehr schön gebauet, sondern die [p.45] Eingangsthüre ist besonders ein recht bewundernswürdiges Kunststük, das geschnizte Bilder und Laubwerk vorstelt. Die Bauart ist der, des Tempels bei der Piramide Pkahthon ähnlich, und sind beide hier in einem Abrisse vorgestelt. Zur Pracht ist die Mitte des Tempels mit vier gebogenen Dächern übereinander bedekt, von denen das unterste an jeder Seite des Tempels wie ein Flügel hervorsteht, und auf acht Pfeilern ruht. Wegen Mangel der Fenster ist der innere Raum hier, wie fast in allen Tempeln, ziemlich dunkel, indem das Licht nur zur Thür und einigen Mauerlöchern hineindringt. Der Vorsaal ist erhaben, seine vielfache Dächer ruhn auf acht in zwei Reihen stehenden Pfeilern mit verguldeten Kapitälen. Die äußersten Pfeiler werden durch ein rothgefärbtes Gitter mit einander vereinigt, um die Vorderseite des Tempels oder vielmehr dessen kostbare Thüren zu beschützen. Man siehet dieser Thüren drei Paar nebeneinander, deren jedes Paar aus zwei Brettern besteht, welche mit vielen durcheinander geflochtenen und mit Laub und Blumen gezierten Ranken sehr fein und künstlich ausgearbeitet sind. Man findet immer drei Lagen von diesen Zierrathen übereiander, und hin und wieder ragen auch noch kleine Bildnisse von heidnischen Götzen in mannichfacher Gestalt und Stellung hervor. Einige haben vier Arme und Hände, und in denselben vielerlei Gewehr und Werkzeuge; alle sehr proportionirt ausgearbeitet und mit Gold und Farben geschmükt.
Neben diesem Tempel steht ein kleines offenes Häuslein, von mir mit a bezeichnet, mit einer in der Mitte hangenden Glocke, welche zwei Ellen lang ist. Sie wird Morgens und Abends mit einem Hammer angeschlagen, um den Mönchen ein Zeichen zu geben, daß sie Gebet halten sollen, welches sie mit einer bebenden Choralstimme thun, gerade wie unsre Mönche den Psalter singen.
B ist ein dem vorigen gleichförmiger Tempel, doch hat er weniger Schmuk. Im Vorhause desselben sieht man zwei offene Kammern mit Stukaturarbeit und verguldeten kleinen Götzen geziert. Das Estrich war ganz mit breiten Palmblättern von ihrer Pali, d. i. Bibel, bedekt. Denn sie pflegen dieselbe, wenn sie zerrissen und unbrauchbar geworden ist, hier als am heiligen Orte auf diese Art niederzulegen. Es befremdete mich hier besonders, daß ich noch nirgends, weder bei Brahmanen noch bei Sinesen in den Tempeln einige Thiere und monstöse Götzen, sondern keine andere als menschliche Gestalten, stehend oder sitzend angetroffen hatte. Doch aber sahe ich wol bei den Thüren, Eingängen und Piramiden dergleichen Thiere. So befanden sich besonders in den Vorhöfen dieser beiden Tempel viele abscheuliche Gestalten und Nebengötzen mit Teufelsgesichtern.
C ist eine Thurm hohe, von oben bis über die Hälfte verguldete Piramide; sie stehet auf steinernem hohen Grunde mit einer Allee ins Vierek umgeben. Die Spitze umfaßt eine umgekehrte und weit abstehende verguldete Krone, mit abhangenden verguldeten Glöklein, welche vom Winde bewegt und geläutet werden. [p.45]
D ist ein hölzernes Häuslein, worin ein bunter und gar schwerer Tragstuhl bewahrt wird.
E eine gewölbe Capelle mit einem dem Bachus ähnlichen dicken Götzen, der bei den Brahmanen Viccaswara heist. Er war stark verguldet, hatte übermenschliche Größe, war mit seinem lächelnden Gesicht nach dem zulezt benanten Tempel gerichtet, und oben und unter mit kleinen Götterchens umgeben, wie man im Abris sehen kan. Vor ihm stand ein Gitter, auf welchem ich noch die Spuren abgebranter Wachslichter erkante.
F ein gleichförmiges Gewölbe, stellet in der Mitte seiner innern Wände eine in Stein eingegrabene und verguldete Figur vor, gleichsam eines Fußes mit vier Zehen, die drei Spannen lang und anderthalb breit sind, woraus sie ein großes Heiligthum machen. Unter derselben ruhten verschiedene kleine Götzen.
Die alhier befindliche Piramiden sind gewissen Götzen erbauet und gewidmet, führen auch derselben Namen, und haben gemeiniglich ein Behältnis, wohin die Andächtigen zum Behuf der Priester ihre Opfer niederzulegen pflegen.
Der zweite Tempelhof war innerhalb seiner Mauern mit Gewächs und Blumentöpfen besezt. Es befanden sich auch in demselben verschiedene Toopoobäume, die man in Indien Rawasith und Bipel nent. Sie sind Milch= oder Feigenbäume von der Größe der Buchen, mit weiten Aesten, glatten grauen Rinden, runden, lang zugespizten Blättern, und einer runden, unschmakhaften Frucht, die nur den Fledermäusen zur Speise dient. Er wird bei allen indischen Nationen für heilig und ihren Göttern angenehm gehalten. Denn auch der heilige Sommona Khodum pflegte beständig seinen Siz unter diesem Baume zu nehmen. Man pflanzt ihn daher gerne, wenn es Clima und Boden erlaubt, bei den Tempeln. Eben eine solche Heiligkeit hat auch noch ein anderer milchtragender Feigenbaum, der durch seine von den Aesten abhangende Wurzeln, wenn sie Erde fassen, neue Stämme sezt, und sich dadurch in die Weite ausbreitet. Seine Blätter sind dem Lauro-Ceraso gleichförmig, doch weit größer. Er trägt aber, wie jener, eine den Fledermäusen angenehme Frucht. Die Zingalesen oder Ceylaner nennen ihn auch Budhumgas, d. i. Budhumsbaum. Er ist aber mühsam zu ziehen, und kan bei den Tempeln, weil er sich so weit verbreitet, nicht gut gepflanzt werden.
Dieser andere Hof umfaste auch noch zwei ansehnliche Tempel, von denen der erste an jeder vordern Thüre mit zwei wilden Männern, die Teufelsköpfe hatten, die hintere Thür aber mit zwei in Lebensgröße abgebildeten Portugiesen besezt war. In diesem Tempel wird jährlich ein großes Fest gehalten. Es befanden sich aber außerdem noch auf diesem Hofe einige Capellen mit Götzen, auch verschiedene schöne, zum Theil gang verguldete Piramiden, von denen einige mit monströsen Figuren besezt waren. Es würde zu weitläuftig werden, alle diese Sachen hier noch genauer zu beschreiben; ich wil aber doch, um die [p.46] Mannigfaltigkeit in der Bauart zu beweisen, hier von noch mehrern Tempeln und Höfen die Abbildung beifügen, und damit diese Materie beschließen.
Ich mus aber doch noch eines seltsamen Baums erwähnen, den man auf dem Wege aus der Stadt nach den Tempeln am Ufer findet, wenn man über den Dam geht, durch den der Süderarm des großen Flusses neulich geschlossen wurde. Dieser Baum hat die Größe eines Apfelbaums, schmale Blätter, weite lange Aeste, an deren äußersten und dünnen Zweigen Vogelnester hiengen, welche von dünnem Grase und Zeuge sehr sinreich geflochten waren, in der Gestalt eines Beutels mit engem langen Halse. Die Oefnung war nach Nordwesten gerichtet, damit die Südwinde und Regen nicht eindringen konten. Ich habe auf einem Baume über fünfe dieser Nester gezählt, und sie auf keinem andern Baum wieder angetroffen. Die Vögel waren dunkelgelblich; sie glichen einigermaßen den Canarienvögeln, und der Stimme nach der Sperlingen, deren es hier im Lande auch eine große Menge giebt. Noch bemerkte ich an dem Baume die Sonderbarkeit, daß er allenthalben viele monströse Ansätze oder ausgewachsene Knobben von verschiedener Gestalt hatte, deren sich die Einwohner als einer Arznei bei gewissen Krankheiten zu bedienen pflegen.
Religion der Siamer.

Die Religion der Siamer ist die Lehre der Brahmanen, welche schon seit vielen Jahrhunderten unter allen Nationen vom Flus Indus bis an die äußersten östlichen Gränzen sich verbreitet hat, außer daß am Hofe des Grosmoguls und in dessen großen Städten, auf Sumatra, Java, Celebes und andern Inseln der Gegend die Religion Mohammeds sich eingedrungen und den Vorzug angemaßt hat. Ob nun gleich diese algemeine heidnische Religion (zu der die nun bald verloschene Lehre der Son= und Feueranbetenden Perser und Chaldäer nicht gehört) nur einen und denselben Ursprung hat, so ist sie doch nach den Sprachen, Sitten und Auslegungen verschiedener Völker in verschiedene Secten und Meinungen getheilt.
Den ersten Lehrer ihrer Religion stellen die Siamer in ihren Tempeln als einen sitzenden krausköpfigen Mohren vor, von ungeheurer Größe, aus Ehrerbietung verguldet, an jeder Seite mit einem seiner vornehmsten Gehülsen, und vor und neben sich mit seinen übrigen Aposteln und Jüngern umgeben, die leztern haben alle gleiche Farbe und Stellung. In ihm, glauben sie, nach der Lehre der Brahmanen, habe die Gotheit gewohnt, und dieses mit seinen Lehren, Leben und Offenbarungen bewiesen. Wistnu (durch welchen sie die Gotheit verstehen) sagen sie, hattte schon in vielen hundert tausend Jahren achtmal in angenommener fleischlicher Gestalt die Welt besucht, und erschien endlich zum neuntenmal in der Person dieses Caffern. Sie nennen ihn daher Prah pudi tsjau, d. i. der Heilige von hohem Stamme, -- Sammanu Khutama, d. i. den Menschen ohne Affekten, [p.47] -- Prah bin tsjau, d. i. der Heilige, welcher ist der Herr, oder auch nur schlechtweg Prah, der Herr, auch Budha oder (wie sie das Wort mit hottentottischer Kerle und in einer Silbe auszusprechen pflegen) P'húthàh. Die Singalesen nennen ihn Budhum, die Sineser und Japaner Sacka oder Sjacka, auch wol nur Fotoye, d. i. der Götze, und mit einem Ehrennamen Si Tsun, d. i. der große Heilige.
Ich finde von der Geburt und dem Vaterlande dieses Religionsstifters bei den verschiedenen Nationen keine übereinstimmende Nachrichten. Die Siamer nennen sein Vaterland Lanka, d. i. Ceylon (Selan). Von da, sagen sie, sey ihre Lehre zuerst zu ihnen herübergebracht, und dann noch weiter durch die umliegende Länder bis Sina und Japan ausgebreitet worden. Auf den hohen Bergspitzen der Insel Ceylon, welche die Europäer Pico d'Adam nennen, behaupten sie, wären noch jezt die Fusstapfen ihres dort hervorgesprossenen und zuvor geübten Religionswesens anzutreffen. Daher sie auch diesen bei ihen sehr heilig gehaltenen Berg in ihren kosmographischen Tabellen als den Mittelpunkt der Welt vorstellen .
Aber die Singalesen selbst widersprechen dieser ihrem Lande so rühmlichen Meinung. Sie nennen das Geburtsland des Heiligen Macca Desja, und verstehen darunter das [p.48] Reich Siam, wie sie dann auch der Siamer Pali oder Bibel, (welche die Peguer Maccatappasa nennen) in derer Khom oder Khomuttenschrift sich bedienen, und bekennen, daß sie diese von den Siamern bekommen haben.
Die Sineser und Japaner geben für das Vaterland dieses Heiligen und seiner Offenbarung das Land Magatta an, welches sie Tensik Magatta Kokf, d. i. das himmelländische Magatta aussprechen. Sie verstehen darunter das feste Land von Indien, und darunter also auch Pegu und Siam, und glauben, daß der Siacka der Sohn eines Königs dieser Lande gewesen sey. So schieben diese Nationen immer eine der andern die Geburt ihres Lehrers zu, wahrscheinlich weil ein fremder Prophet immer am meisten geschäzt wird.
Die gelehrten Brahmanen und Benjanen glauben diese Widersprüche am besten zu vereinigen, wenn sie behaupten, Budha habe weder Vater noch Mutter gehabt, und gestehen, daß sie von seinem Vaterlande und Geburt nichts wissen. Sie malen ihn in der Gestalt eines Mannes mit vier Armen, und erzählen keine andere Wunder oder Legenden von ihm, als einen Beweis seiner ausnehmenden Frömmigkeit, daß er nemlich 26430 Jahre in einer Tarateblume sitzend den höchsten Gott lobe, nachdem er schon vor 21639 Jahren (von diesem Jahre 1690 christlicher Zeitrechnung angerechnet) sich der Welt zuerst geoffenbaret und gezeigt habe. Die Siamer und andere orientalische Nationen wissen dagegen von der Geburt, dem Leben, Lehren und Wundern dieses Prah oder Siacka ganze Bücher vorzuzeigen.
Diese so verschiedenen und mit einander streitenden Berichte, welche ich in den angezeigten Ländern gefunden habe, weis ich nicht besser zu vereinigen, als wenn ich folgende Meinung annehme: Die Siamer und entferntere Ostvölker haben einen jüngern Lehrer mit dem Budha verwechselt, wie in der griechischen und aegyptischen Geschichte dergleichen Verwirrung der Götter und ihrer Namen sehr gewöhnlich ist. Der Prah oder Siacka wäre also nicht der vorherbenante Budha, noch vielweniger der Ram oder Rama, wie Kircher in seiner Sina illustrata meint, da dieser leztere viele hundert tausend Jahre vorher gelebt hat. Er ist vielmehr wahrscheinlich ein jüngerer Verführer, der etwa fünf hundert Jahre vor Christi Geburt zuerst in der Welt erschienen ist. Alle Umstände beweisen auch, daß er kein Asiate oder Indianer, sondern ein memphitischer, vermuthlich vornehmer Priester und Mohre gewesen sey, welcher nebst seiner Clerisey verjagt wurde, und alsdann den ägyptischen Götzendienst nach Indien überbrachte und daselbst fortpflanzte. Ich habe für diese Hypothese folgende Beweise:
Erstlich die Aehnlichkeit dieser asiatischen Religion mit der alten aegyptischen in den wichtigsten Theilen. So stelten die Aegypter ihre Götter in der Gestalt mancherlei Thiere und menschlicher Misgeburten vor, und eben so auch diese Nationen, obgleich ihre Nachbarn, [p.49] die Chaldäer, Perser u. s. w. die Himmelslichter, besonders die Sonne und dessen Bild, das Feuer, götlich verehrten. Es ist sehr wahrscheinlich, daß die Indianer eben dieser Religion beipflichteten, bis die jetzige bei ihnen aufkam. Denn da man nicht wol glauben kan, daß diese kluge Völker ohne alle Religion, wie die Hottentotten, solten gelebt haben; so ist es wol sehr wahrscheinlich, daß sie die Sonne und übrigen Gestirne götlich verehrt haben, weil diese die äußern Sinne am stärksten rühren, und den natürlichen Menschenverstand zur Bewunderung ihrer unbegreiflichen Eigenschaften reizen. Man bemerkt auch sogar noch heutiges Tages Spuren dieser alten chaldäischen Religion, der Verehrung nemlich der Sonne und Sterne, die zwar von ihren Priestern nicht gelehrt, aber doch als ein guter Nebenglaube geduldet wird; gerade so, wie noch wol in christlichen Staaten alte heidnische Gebräuche, z. B. die Feier des Bachus, nachgeblieben sind.
Unter die wichtigsten Lehren der aegyptischen Religion gehört nun ohne Zweifel die von der Versetzung der Sele nach dem Tode in einen andern Leib; und dann die Verehrung der Kühe, besonders der H. Kuh zu Memphis, (bei ihnen Apis oder Serapis genant) welche götlich verehrt und von den Pfaffen bedient wurde. Diese beide Lehren sind den asiatischen Heiden, sonderlich denen an der Westseite des Ganges, so heilig, daß man nicht das geringste und schädlichste Ungeziefer, weil man es von einer menschlichen Sele bewohnt glaubt, zu tödten wagt. Die Kühe aber (deren Selen durch viele Wanderungen schon vergöttert sind) werden bei ihnen mit großer Ehrerbietung gehandhabet und bedienet. Ihr zu Asche gebranter Koth wird als eine Salbe gebraucht, und ihr Urin als Weihwasser. Ihrer ausgebildeten Figur ist bei den vornehmsten Tempeln eine Capelle gewidmet, in der sie täglich mit frischen Blumen und wohlriechendem Oel begossen und verehrt wird. Man hat hiebei bemerkt, je näher diese Nationen nach Aegypten wohnen, desto größern Eifer beweisen sie in diesen beiden Stücken; je weiter davon, desto mehr lassen sie darin nach, so daß auch sogar die Pfaffen in Siam und andern entfernten Landen Kühefleisch essen, wenn sie nur die Ermordung dieser Thiere nicht verursachet, und nicht ihre Einwilligung dazu gegeben haben.
Eben so wird auch die Wanderung der Selen hier nicht so heilig geglaubt, wie in Hindostan unter den Benganen, und es kostet an der Ostseite des Ganges jeder Floh oder Mücke das Leben, wenn sie den Einwohnern die bloße Haut angreift. Man trift aber in dieser asiatischen Religion nicht nur die großen, sondern auch die kleinern oder sogenanten Drekgötter der Aegypter an, wiewol unter andern Namen und fabelhaften Umständen, die man aber sehr leicht unter einander übereinstimmend zeigen kan.
Zweitens ist zu bemerken, daß von drei und zwanzig Jahrhunderten, oder nach der genauesten Rechnung im Jahr 536 vor Christi Geburt, der persische Tyran Cambyses die aegyptische Religion zerstört, ihren Apim, (das Palladium ihrer Lehre) erwürgt [p.50] und die Pfaffen getödtet habe. Da nun die Siamer ihre Soncarad oder geistliche Jahrrechnung von dem Tode ihres großen Heiligen anheben, und in diesem 1690sten Jahre Christi ihr 2234stes schreiben; so fält es in die Augen, daß dies ohngefehr auf jene Zeit hinausgehe, und die Vermuthung wird also wahrscheinlich, daß damals ein vornehmer memphitischer Priester (den man Budha Sacka, d.i. den großen Heiligen nante) nach Indien geflüchtet sey, und daselbst seiner Lehre so viel Beifal erworben habe, daß sie sich bis in den entferntesten Osten ausgebreitet hat.
Drittens bezeugen auch die Caffernhaare des Heiligen, daß er kein Indianer, sondern ein Afrikaner aus einem heißen Himmelsstrich gewesen sey. Denn unter dem indianischen Himmel bekommen die schwarzen Einwohner keine krause Wolle, sondern lange oder auch etwas gekrülte schwarze Haare. Und obgleich die Siamer ihre Haare bis auf eines Fingers Länge abzuschneiden pflegen, so kan man doch aus dem wie Schweinsborsten aufwärts stehendem Rest noch erkennen, daß sie nicht wolligt und kraus sind. Hieraus folgt also auch, daß der Budha kein Siamer, sondern ein Afrikaner sey.
Charakter der Siamer. Ihre Geistliche.

Die Siamer sind von Natur ein frommes, einfältiges Volk, und besonders führen auch ihre Geistliche ein strenges, sitsames Leben, weil sie in Unterdrückung und Ertödtung ihrer Leidenschaften, nach der Lehre und dem Muster ihres Meisters in dieser Welt, eine dem Himmel wohlgefällige Volkommenheit und die ewige Belohnung suchen. Alle Geistliche sind unbeweibt, wohnen neben den Tempeln in Pfar= oder Klosterhäusern, gehen nakt, außer daß sie die Lenden mit einer dunkelgelben Schürze bewunden haben. Auch hängt ihnen von der linken Schulter ein schmal gefaltnes Tuch herab, dessen Ende mit der Lendenschürze befestigt ist, welches Tuch sie bei schlimmen Wetter über die Schulter und den ganzen Oberleib auszubreiten pflegen. Ihr Kopf ist unbedekt und glat geschoren, und in der Hand halten sie einen Wedel von Palmblättern oder hölzernen Spänen.
Diese Geistliche haben verschiedene Würden und Rangordnungen unter sich. Denn sie bestehen:
Erstlich aus Jüngern, die sich Dsjauneen, d.i. Fratres, geistliche Studenten nennen, wenn diese das zwanzigste Jahr erreicht haben und in einem sehr scharfen Examen tüchtig befunden sind, werden sie bei einem großen Feste zu Dsjaukus oder Patern erhoben. Die Peguer nennen sie Talapoi; ein Name, der bei den Ausländern zuerst bekant geworden ist. Daher nennen diese ohne Unterschied alle Priester und Geistliche der symbolischen Religion in Pegu, Siam, Cambodia, Parma, Laos, Tunkin und Cosochintsina, Talapoyers. [p.51]
Zweitens Dsjauku, gemeine Pfaffen oder Patres, welche ein oder mehr Klosterhäuser bei gewissen Tempeln in Geselschaft bewohnen, und in denselben über sich haben
Drittens einen Prior, welchen sie Luang Wad, das Tempelhaupt, oder Sompan, den Edlen, nennen.
Viertens diese Klöster stehen in einer jeden Provinz unter einem Prah Khru, als Bischof oder Metropolitan. Ueber welchen und die ganze Clerisei des Reichs nun noch die Aufsicht führt
Fünftens der Prah Sankara als General und Erzbischof. Er wohnt in der königlichen Haupt= und Residenzstadt Judja, und hat ein so großes Ansehen, daß sich auch der König vor ihm bücket.
Der geistliche Stand ist hier nicht, wie bei den Brahmanen, an ein besonderes Geschlecht gebunden; sondern es kan jeder ein Mönch werden, wer da wil und dazu gelangen kan. Sogar einem Eheman ist es nicht verwehrt, seine Frau zu verlassen und ins Kloster zu ziehen. Es giebt hier auch Nanktsji oder Baginen, welche nicht gelbe, sondern weiße Tücher tragen. Sie haben ehemals mit den Pfaffen neben den Tempeln gewohnt. Nachdem es sich aber eine halbe Meile oberhalb Judja in einem Dorfe, wo die Geistlichen von beidem Geschlechte durcheinander wohnten, ereignete, daß diese Nonnen eine nach der andern beschwängert wurden; so hat man sie nachher von den Tempeln in ihre eigne Häuser verwiesen, um daselbst ihre Keuschheit sicherer zu bewahren. Der Tempel des erwähnten Orts heist noch jezt Wad Nanktsji, d.i. Nonnentempel. Aber hievon an einem andern Orte ein mehrers.
(Die geistlichen Personen können als Geistliche wegen Missethaten nicht gestraft werden. Es wird also vorher allemal die geistliche Kleidung ausgezogen, und dann werden sie wie Weltliche gestraft: doch verfährt man immer mit ihnen, ihres ehmaligen geistlichen Standes wegen, etwas gelinder. Sie werden sehr oft wegen Capitalverbrechen, auf königlichen Befehl nur auf eine unbewohnte Insel, Coccatsjan verbant, wohin der König auch zuweilen seine Mandarins, wenn sie in Ungnade gefallen sind, zu relegiren pflegt .
Siamische Zeitrechnung.

Die Soncarad oder Zeitrechnung der Siamer fängt mit dem Tode ihres großen Abgotts Sammona Kuthama, oder Prah, oder Budha an, von welchem sie im Jahr 1690, da ich in Siam war, 2234 Jahr zählten. Sie haben, wie die Sineser Cyclos von sechzig Jahren, obgleich nur zwölf Jahre eigentlich Namen haben, welche fünfmal [p.52] wiederholt, den ganzen Cyclum von sechzig Jahren ausmachen. Die Namen dieser zwölf Jahre, wie mir in Siam berichtet ist, sind folgende:
1) Pije Tsoelat, das Mäusejahr.
2) Pije Tsaloe, oder Tsju, oder Tsjalou, das Kühejahr.
3) Pije Kaen, das Tigerjahr.
4) Pije To oder Tao, das Hasenjahr.
5) Pije Marong oder Marono, das große Schlangenjahr.
6) Pije Maceng oder Masceng, das kleine Schlangenjahr.
7) Pije Mamia, das Pferdejahr.
8) Pije Mame oder Mamij, das Böckejahr.
9) Pije Wok, sonst Woak oder Wook, das Affenjahr.
10) Pije Uka, das Hünerjahr.
11) Pije Tso, Tsjoo oder Tgjo, das Hundejahr.
12) Pije Koen, das Schweinejahr.

Pije heist überhaupt das Jahr. Jedes siamische Jahr ist in zwölf Mondmonate abgetheilt, deren einige neun und zwanzig, andere dreißig Tage haben. Jedes dritte Jahr besteht aus dreizehn Monaten, weil alsdann einer zweimal gezählt wird. Ein Monat heist in siamischer Sprache
Duan. Die Namen der zwölf Monate sind folgende:
Duan Aey, der erste Monat von neun und Zwanzig Tagen.
Duan Gi oder Dzi, der zweite Monat von dreißig Tagen.
Duan Saem, der dritte Monat von neun und zwanzig Tagen.
Duan Sie, der vierte Monat von dreißig Tagen.
Duan Ha, der fünfte Monat von neun und zwanzig Tagen.
Duan Hook, der sechste Monat von dreißig Tagen.
Duan Tset oder Tsjiet, der siebende Monat von neun und zwanzig Tagen.
Duan Pet oder Pyt, der achte Monat von dreißig Tagen.
Diese achte Monat wird alle drei Jahr zweimal gezählt.
Duan Cau oder Kaau, der neunte Monat von neun und zwanzig Tagen.
Duan Sieb oder Sib, der zehnte Monat von dreißig Tagen.
Duan Sieb Eet, der eilfte Monat von neun und zwanzig Tagen.
Song Sieb Duan, der zwölfte Monat von dreißig Tagen.

Dies sind die zwölf Monate des siamischen Jahrs, welche nur nach der Zahl ihrer Ordnung gezählt werden. Denn Aey ist eins, Gie zwei, Sieb zehn. Sieb eet eilf u. s. w. Und so besteht das ganze Jahr aus drei hundert vier und funfzig, und jedes dritte Jahr aus drei hundert vier und achtzig Tagen. Die Tage des Neumonds werden gezählt von dem Neumond bis zu dem Volmond, funfzehn Tage. Den ersten Tag nach [p.53] dem Volmond zählen sie wiederum, und so fort bis zu dem Neumond. Dies ist die Ursache, daß einige ihrer Monate dreißig, andere nur neun und zwanzig Tage haben.
Die siamische Woche besteht aus dieben Tagen, deren Namen sind:
Dies solis -- Wan atit, der Sonnentag.
Dies lunae -- Wan Tsan, des Mondestag.
Dies martis -- Wan Ang Kaen, der Tag des Werks oder Arbeitens.
Dies mercurii -- Wan Poeth, der Tag der Zusammenkunft.
Dies jovis -- Wan Prahat, der Handtag.
Dies veneris -- Wan Soek, der Ruhetag.
Dies saturni -- Wan Sauw, der Tag des Anziehens oder Anholens, weil er eine neue Woche an sich zieht .

Die Siamer pflegen gemeiniglich den ersten und funfzehnten Tag eines jeden Monats, als den Anfang des Neu= und Volmonds zu feiern. Einige gehn auch zur Pagode den lezten Tag des Viertesscheins. Dieser Festtag kömt einigermaßen mit unserm Sontag überein. Sie haben überdem noch einige jährliche hohe Festtage, als einen am Anfange des neuen Jahrs, Sonkraan genant. Einer, der Kitimbak oder Ktimbak genant wird, heist so viel als Procession, an welchem (wie man mich berichtet hat) der König in einer siamischen von Menschen gezogenen Carosse nach Napathat, einem berühmten Tempel geht, daselbst sein Opfer zu verrichten. Ktinam wird das Fest genant, da der König einmal im Jahre zu Wasser mit einem ausnehmend prächtigen Gefolge nach dem kostbaren Tempel Banihim fährt, daselbst zu opfern, und wie man glaubt, das Wasser zu schneiden. Zwei andere der jährlichen hohen Feste der Siamer werden genant Sahutsjoan, d.i. Feste der Elephantenwaschung, an welchen, wie man sagt, diesen Thieren die Köpfe gewaschen werden. Der Anfang aller Feste heist bei den Siamern Kauposa, der Beschlus derselben Opposa . [p.54]



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