Dohm, Christian Wilhelm (ed.) Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Meyer, Lemgo 1777-79.

Internet-Edition by Wolfgang Michel, © Fukuoka, Japan March1998

    

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Drittes Kapitel.
Abreise des Verfassers von Judja. -- Beschreibung des siamischen Hauptflusses Menam. -- Fernere Reise zur See. -- Ankunft in Japan.


Reise von Judja bis zum Seehafen.

Den 4ten Jul. gegen Abend stieg ich mit dem Schiffer und andern Gefährten in ein Boot, um den Flus Meinam hinunter nach dem Schiffe, welches zwei Tagereisen von hier, und eine Meile von der Mündung des Flusses vor Anker lag, abzufahren. Nachdem wir eine Meile zurükgelegt hatten, kamen wir an den berühmten Tempel Banjhiin, welchen die Ausländer die güldene Pagode nennen, wohin der König jährlich mit einem prächtigen Gefolge hinüberzufahren pflegt, und bei einer Opferung an die Pfaffen seine Andacht hält. Der gemeine Man nent diese Handlung Ktinam, d.i. Wasserschneidung, aus der irrigen Meinung, der König thue mit dem Messer einen Schnit in den Flus, und mache ihn dadurch sinken. Es kan auch seyn, daß man ehemals diese Ceremonie beobachtet hat; jezt aber geht hier, außer der ansehnlichen Wasserprocession, nichts denkwürdiges vor.
Den 5ten Jul. hatten wir wegen widrigen Wetters eine sehr langsame Farth, aber ich bekam dadurch Gelegenheit oft ans Land zu gehen, und micht mit Aufzeichnung der daselbst befindlichen Kräuter zu belustigen.
Den 6ten Jul., da wir die ganze Nacht wegen verhinderter Farth sehr wenig fortkamen, waren wir erst des Morgens früh vor Bankok. Die alte, auf einer Insel gelegene Festung fanden wir im guten Stande; aber die neue von den Franzosen am östlichen Ufer angelegte Schanze war ganz demolirt. Noch vor Abends erreichten wir das am Flusse eine Meile von der See liegende holländische Wohn= und Pakhaus Amsterdam genant. Es ist nach Landesart auf Pfählen von Bambus erbauet. Die angekauften Hirsch= und Büffelfelle werden auf dem Speicher, das rothe Färbeholz Faang, oder wie man es in Japan nent, Tsjan pan, auf offenem Platze aufbewahrt, bis die Schiffe diese Waaren abholen, und den grösten Theil jährlich nach Japan bringen. Man holt das Färbeholz aus dem Lande Coy oder Kui, welches auch dem König von Siam gehört, bisweilen auch von Bambilisoi am kambodischen Ufer. Der Commandant dieses Orts, Core, war ein Corporal und ein geborner Schwede. Ich fand ihn sehr betrübt über den Tod seiner verlornen Katze Suri, welche er in dem Bauche einer getödteten Schlange wiedergefunden hatte. Er klagte auch, daß ihm eben dieser Feind sehr viel Schaden unter seinen Hühnern gethan habe, da er sich immer in den Winkeln des Hauses verstekt habe. Ich mus bei dieser Gelegenheit noch eines andern Räubers gedenken, welche sich bei meinem Aufenthalt des Nachts unter diesem Hause eingefunden hatte, in welchem sieben von unserer Geselschaft schliefen. Es war ein Tiger, welcher den Zipfel einer Weste erwischte, der durch die Ritze des von gespaltenem Bambus gemachten Estrichs abhieng, und ihn ziemlich behende an sich zog. Der Schreiber, dem die Weste gehörte, vermuthete einen Dieb, rief die Schlafenden zu Hülfe, und suchte seinen Zipfel wieder loszureißen. Der Tiger wolte aber seine Beute nicht fahren lassen; und so hielt und zog einer gegen den andern, bis Core, der solcher Diebe schon gewohnt war, durch einen Schus den Tiger in die Flucht brachte.
Beschreibung des siamischen Hauptflusses Menam.

Menam oder Meinam heist in siamischer Sprache eine Mutter der Feuchtigkeiten, und hat dieser Strom seinen Namen von dem Ueberflus seines Wassers, welches dem ganzen Lande Nahrung giebt. Er ist sehr tief, schnelfließend, breiter als die Elbe, auch der einzige im ganzen Lande, außer daß er sich einige Meilen unterhalb Judja in einige Aeste vertheilt. Die Einwohner geben von seinem Ursprung andere Nachrichten, als unsere Landcharten. Sie leiten ihn eben so wie den bengalischen Ganges, von dem hohen Waldgebürge Imaas ab. Er vertheile sich auf demselben, behaupten sie, in verschiedne Aerme, welche durch Cambodia, Siam und Pegu ins Meer fallen. Und diese Ströme sollen sowol unter sich, als auch mit dem Ganges durch verschiedene Sprossen verknüpft seyn. Einige wollen sie sogar für Aeste und Abflüsse dieses großen Stroms halten, daß man also, wenn man Lust hätte die große Mühe zu übernehmen, und durch Wälder und Wildnisse Fahrten zu suchen und zu öfnen, mit kleinen Fahrzeugen von Siam nach Bengalen kommen könte. Ich gebe diese Sage für keine Wahrheit aus , aber wol dasienige, was ich von der Beschaffenheit des Flusses von Judja bis zur See sagen werde, welche ich auf dieser Reise selbst zu beobachten Zeit und Gelegenheit gehabt habe. Ich lege daher auch dem Liebhaber zu seinem Vergnügen den Abris davon hier vor. Man findet darauf des Flusses natürlich Lauf und alle Krümmen, welche durch Hülfe eines großen Compasses abgemessen sind, die Vertheilungen und deren Ab= und Zuflüsse, die Lage der Ufer, die anliegenden Wälder, Dörfer, Tempel, und die neulich wider die vernichtete Flucht des französischen Generals mit seinen Truppen aufgeworfene Schanzen.
Ich finde von diesem Flusse nun noch folgende besondere Umstände zu bemerken:
Erstlich, daß er, wie der Nil in Aegypten, obgleich zu einer gerade entgegengesezten Zeit, seine Ufer übersteige, das Land überschwemme, und durch diese Bewässerung fruchtbar mache. Mit dem Monat September, oder noch etwas früher, (wenn die Sonne den Tropicum Cancri besucht, und den Schnee auf den hohen Nordgebirgen zum Schmelzen gebracht hat,) nimt diese Ueberschwemmung ihren Anfang. Die alsdann eintretende Regenzeit trägt hierzu nicht wenig bei; diese findet man allenthalben zwischen den beiden Tropicis, wenn die Sonne den Zenith der Einwohner berührt. Im Monat December nimt das Wasser almählig wieder ab, und bezieht wieder die vorige Ufer seines Stroms.
Zweitens, wenn man das Grundwasser des ganzen Landes -- es sey an welcher Stelle und zu welcher Zeit es wolle -- aufgräbt; so findet man allemal in einer Fläche oder Horizonthal Linie mit dem Strom. Und doch kömt es immer eher hervor, und überschwemt das flache Land, ehe der Strom so hoch wächst, daß er über seine Ufer trit.
Drittens, das Grundwasser ist an allen Orten im Lande salpetrisch, nicht salzig, und daher nicht trinkbar. Der Flus aber hat beständig ein gesundes, süßes und trinkbares (wiewol trübes) Wasser.
Viertens. Obgleich alles Wasser nach dem Meere, als einem von Natur niedrigen Orte abläuft, so findet man doch die Ueberschwemmung nicht sowol in denen am Meere gelegenen Ländern, als oben und in der Mitte des Reichs.
Fünftens, das Wasser, welches die besamete Felder überschwemt, befördert den Wachsthum des Reißes so ungemein, daß der Halm beständig mit dem Wasser zunimt, und die Aehren sich über die Fläche erheben. Wenn sie reif sind, schneiden sie die Schnitter ab, und erndten sie mit Kähnen ein. Das Stroh, welches oft von unglaublicher Länge ist, überlassen sie dem Wasser.
Sechstens. Wenn das Wasser abfält und vom platten Lande sich wieder in seine Ufer begiebt, pflegt man ein häufiges Sterben unter Menschen und Vieh zu befürchten. Um dieses zu verhüten, wird mit dem Anfang der Nordjahrszeit (so nent man die Zeit, da die Nordwinde die Gewässer hinuntertreiben und den Abflus befördern,) durch das ganze Reich ein Fest gefeiert, um die verzehrenden Geister, welche nach abgelaufenem Wasser zurükbleiben, auszusöhnen. Die Feier besteht darin, daß man bei großen Tempeln, am königlichen Hofe und in den Häusern der Vornehmen papierne Leuchten brennen, und die Pfaffen in den Klöstern gewisse Gebete absingen läst. Die Europäer haben die Bemerkung gemacht, daß, wenn das Wasser langsam fortgeht, und der Abflus nicht durch strenge Nordwinde, welche um diese Zeit gewaltig zu wehen pflegen, fortgeholfen und beschleunigt wird, daß alsdann der Schlam auf dem Lande liegen bleibe, und durch seinen Gestank das Sterben verursache.
Die Ufer dieses Flusses sind niedrig und gröstentheils morastig; jedoch von der Hauptstadt Judja bis Bankok (welches etwa den dritten Theil des Wegs zum Meere ausmacht) ziemlich bewohnt. Man sieht zuweilen bewohnte Dörfer auf Pfählen stehn, deren Häuser wie Ziegenhütten von schlechter Materie zusammengeflochten sind. Bisweilen bemerkt man auch schöne Tempel und Wohnungen der Pfaffen, und eine Menge frucht= und unfruchtbarer Bäume. Von Bankok aber bis zum Hafen ist alles mit Wildnissen und morastigen Wäldern besezt; auch aller Orten Bambus und Gabbe Gabbe (eine Staude mit Palmsträuchen) zu finden, welche beide Gewächse den Einwohnern die Materie reichen, aus der sie auf dem Lande ihre Mauern, Dächer und Häuser flechten.
Dreierlei Thiere geben den Reisenden auf diesem Flusse einen unterhaltenden Anblik, besonders auf dem Wege von Bankok bis zum Meere. Sie erscheinen aber gemeiniglich erst gegen Abend. Erstlich findet er eine unglaubliche Menge Affen, schwärzliche, sehr große, auch kleine, graue gemeine u. s. w., die auf den Bäumen und auch auf dem troknen Ufer müssig und als völlig zahm herumspatzieren, gegen Abend aber die höchsten Bäume am Ufer beziehen. Sie sind alsdann hier in so erstaunender Menge, daß die Bäume aussehn, als wären sie mit Raben besezt. Die Weiblein halten ihre Jungen an den Brüsten fest, und sie ließen dieselben nicht, wenn sie auch herunter geschossen würden.
Die Affen lieben diese Gegend besonders wegen ihrer Nahrung, die sie auf einem hier häufig wachsenden großen Milchbaum mit eiförmigen lichtgrünen Blättern, Tjaak genant, finden, dessen Früchte etwas zusammengedrukt, im übrigen an Größe und Gestalt unsern deutschen Apfeln ähnlich und nur sehr herben Geschmaks sind.
Einen zweiten sehr angenehmen Anblik geben die Lichtmücken, (cicidelae) welche einige Bäume am Ufer mit einer Menge, wie eine brennende Wolke, beziehn. Es war mir besonders hiebei merkwürdig, daß die ganze Schaar dieser Vögel, so viel sich ihrer auf einem Baume verbunden, und durch alle Aeste desselben verbreitet haben, alle zugleich und in einem Augenblik ihr Licht verbergen und wieder von sich geben, und dies mit einer solchen Harmonie, als wenn der Baum selbst in einer beständigen Systole und Diastole begriffen wäre. Die dritte merkwürdige Thierart sind die gemeinen Mücken, welche sich bei Tage etwas sparsamer, des Nachts aber wie Bienenschwärme auf dem Wasser einfinden, daß man sich schlechterdings vor ihnen nicht retten kan. Sie sind weit größer als diejenigen, welche den Reisenden in Rusland begleiten, und verletzen daher auch weit peinlicher. Diese Gäste machen die ganze Wasserreise verdrieslich und tödten alles Vergnügen.
Den 7ten Jul. an einem Freitage fuhren wir mit anbrechendem Tage und gutem Nordwinde ab, nahmen vom Flusse und ganzem Lande Abschied, und erreichten um 8 Uhr unser Schif, welches zwei Meilen von der Mündung des Flusses auf sechs Faden vor Anker lag. Dieser Hafen oder Rheede ist das Ende eines Meerbusens zwischen den siamischen und kambodischen Ländern; hat einen thonichten, weichen Grund, und die Tiefe von fünf, sechs Klaftern, etwas weniger oder mehr. Junken und unbeladene Schiffe können durch Hülfe der Ebbe und Fluth bis Bankok hinaufkommen. In der Mündung des Flusses sahe ich verschiedene Junken und sinesische Kaufschiffe vor Anker liegen. Um den seichten Grund zu vermeiden, waren hier hin und wieder Zeichen der Tiefe gestekt. Ich bemerkte hier auch verschiedene Stelläger der Fischer, welche hier ungemein reichen Fang haben, besonders an Roggen, aus deren Häuten die Japaner ausnehmend künstliche Arbeit machen. Auch auf den hohen Gründen, wo das süße Wasser sich mit dem Seewasser vermischt, pflegen die Fischer Pfähle aufzustecken, und des folgenden Tages, wenn sich die See zurükzieht, wieder wegzunehmen, da sich dann unterdes eine solche Menge Muscheln daran festgesezt haben, daß funfzig Personen eine hinlängliche Mahlzeit daran finden.
Wir fanden heute alle unsere Leute, Officiers sowol als Gemeine, aus Eifersucht und allerlei Zänkereien gegen einander sehr aufgebracht, und in der grösten Verwirrung, die besonders dadurch vermehrt wurde, daß diese Leute aus Bosheit sich im Lau (dem Brantewein dieses Landes) ganz tol soffen. Sie wieder in Ordnung zu bringen, war nicht meine Sache; ich überlies es unserm Schiffer. Dieser war sonst ein sehr höflicher, leutseliger Man (gewis eine nicht geringe Seltenheit unter holländischen Schiffen!) fand aber doch für gut, hier die Versöhnung damit anzufangen, daß er einige der Europäer in eiserne Fesseln legte, womit er auch den folgenden Tag fortfuhr.
Den 8ten Jul., wie wir mit Einpacken der leztern Felle beschäftigt waren, kamen zwei holländische Kaufbediente von Judja, um, der Gewohnheit nach, unser Schifsvolk zu mustern. Wir ließen sie den 11ten Jul. unter dreimaliger Lösung aus fünf Kanonen mit ihren Schaluppen wieder von uns, da wir südwestlichen Landwind bekamen. Wir gebrauchten diesen Wind, um mit südöstlicher Fahrt die offene See zu erreichen, und alsdann mit den südlichen Passatwinden neben den kambodischen, kochinsinesischen und sinesischen Ufern nach Nord=Nordost zu segeln, und dann endlich einen japanischen Hafen aufzusuchen.
Man hat zwischen Malacca und Japan vier Monate im Jahre beständigen Wind aus Süden oder Südwesten, welche Zeit man daher die Süd= oder Westsaison oder Monson nent. Dann wieder vier Monate aus Norden oder N.Osten, welche man die Nord= oder Ostsaison nent. Zwischen diesen beiden Perioden verlaufen etwa zwei Monate, da der Wind beständig abwechselt, bis er sich aus seiner vorigen in die gerade entgegengesezte Lage begeben und darin festgesezt hat. Zuweilen geschieht es wol, daß diese sogenante Passatwinde sich einige Wochen früher oder später einfinden, als man nach dem gewöhnlichen Laufe vermuthen konte. Die Schiffahrt hat allemal Nchtheil davon, wenn dies geschiehet.
In andern Gegenden von Indien findet man eben diese Saisons, nur wehen dort, nach Verschiedenheit der Lage der Länder, Ufer und Meere die Winde mehr und beständiger aus Osten und Westen; daher sagt man auch dort Ost= und Westmonsons. In ganz Indien und dem östlichen Asien müssen alle Schiffahrten nach diesen Winden berechnet und eingerichtet werden.
Es war bei unserer Abreise eben Südwestsaison, welche unsere Fahrth begünstigte. Wir wunden daher mit frischem Muth unsere beide Anker aus dem Grunde, aber vergebens; denn der Wind kam bald wieder aus Süden unserer Fahrt entgegen. Wir musten also mit Laviren, Stilliegen, Anker winden und werfen bei veränderlichem und bisweilen hartem Wetter viele Tage zubringen, und kamen wenig weiter. Es würde dem Leser verdrieslich seyn, wenn ich alle Veränderungen der Winde, des Wetters und unserer Fahrt von Stunde zu Stunde aus meinem Reisebuche und meiner Charte darüber hier beschreiben wolte. Ich werde mich begnügen, das Merkwürdigste auszuzeichnen.
Den 23ten Jul. Sontags, verließen wir die Küsten von Siam, die Berge von Kui und kamen zugleich aus dem Meerbusen, da wir dann unsere Fahrt südöstlich richteten. Den 26ten Jul. sahen wir wenige Meilen von uns gegen O.S.O. eine lange niedrige Insel, Puli panjang, nach der wir unsern Curs richteten. -- Den 27ten kamen wir an die Insel Puli Ubi, welche aus hohen Bergen und verschiedenen kleinen Inseln zu bestehen schien; wir segelten sie auf vier Meilen an der linken Seite vorbei. -- Den 28sten hatten wir die große Insel Condon vor uns. Sie hat einen Hafen und süßes Wasser, aber keine Bewohner, und gehört nebst den vorigen dem Könige von Cambodia. Wir ließen sie rechter Hand drei Meilen von uns liegen. Wir erblikten bald darauf zur Linken zwei Klippen, zwischen welchen wir nach Nordost durchfuhren. Diese Richtung aus Südwesten hatte der Wind bisher noch immer behalten. -- Den 29sten des Morgens bemerkten wir, daß der Strom des Ufers von Cambodia uns schon ganz aus dem Gesicht des Landes weggebracht hatte. Da wir uns bemühten es wieder zu erreichen, und nordwärts steuerten, so fanden wir uns bei Tsjampa. Der Strom hatte uns so erstaunend weit nach Nord=Nordost gebracht, daß wir beschlossen die Nacht vor Anker zu liegen, weil uns die Tiefe dieser Gegenden unbekant war, ob wir gleich durch den Strom in unserer Fahrt weiter kamen. Wir ließen also, sobald wir Grund fanden, das Anker fallen.
Den 31sten Jul. hatten wir auf zwei bis drei Meilen von uns zur Seite einen fürchterlich hohen Bergwal, welcher den 1sten und 2ten August etwas niedriger abfiel; wir schiften unter demselben weg, ohne Grund zu finden. Die Küste zeigte sich uns jezt sehr unfruchtbar, kahl und rauh, und fiel bald gegen N.O. bald gegen Norden ab. Wir kamen bei gutem Wetter und gelindem Winde immer weiter fort, und befanden uns am Abend des 2ten Augusts etwas die Eilande Puli Cambir de Terra vorbei, am Ende des Landes Tsjampa und zur Seite des Reichs Cosjensina, dessen Ufer wir immer nachfolgten. -- Den 4ten Aug. sahen wir die Insel Cantaon vor uns, welche wir Nachmittags hinter uns ließen. -- Den 5ten Aug. sezten wir unsern Lauf immer mit Süd= und O.S.O. Winden nach N.N.O. fort, um über die Bucht von Tunquin zu gelangen.
Den 6ten Aug. an einem Sontage, gab die Stille des Wetters und der See unsern Matrosen Gelegenheit, nach gehaltenem öffentlichen Geber zu fischen, welches auch sehr gut von Statten gieng. Einer bekam mit seinem Angel (woran stat der Lokspeise nur ein blinkendes Blech befestigt war) kurz nach einander zwei Hayen (tuberones) von mittelmäßiger Größe, die man mit Hülfe einer Schlinge um den Leib auf das Schif zog. Man findet diesen Fisch sehr häufig in allen indischen Meeren. Seine volkommene Länge ist zehn bis zwölf Fus; sein Fleisch hart und unlieblich. Man hält ihn für den grausamsten Räuber und Mennschenfeind unter allen Seethieren, vor dem die Matrosen scheuen müssen sich zu baden. Er heist daher auch schon bei dem Athenäus anqrwpojagoV, Menschenfresser. Er hat ein weites Maul, nicht oben am Kopfe, sondern etwas tiefer herunter, daher er sich allemal herumbeugen mus, wenn er von oben Fras annimt. Ich habe besonders folgendes Merkwürdige an ihm beobachtet. Erstlich ein zur Seite anhangendes fremdes Fischlein, welches sich mit dem Maule so fest ins Fleisch angesezt hatte, daß man es nur mit einiger Gewalt abreißen konte. Die kundigen Matrosen nanten es einen Säuger. Zweitens hatte dieses Thier in seinem Bauche sechs lebendige Jungen, anderthalb Spannen lang. Man sagt, daß diese Jungen, so lange sie noch klein sind, in den Bauch ein= und auskriechen. Ich habe aber die Möglichkeit dieser Sage bei einer geschwinden und nicht sorgfältigen Oefnung des Thiers nicht untersuchen können, da die Franzosen mit den Jungen zur Küche eilten. Drittens fand ich in beiden hinten im Kopfe neben dem Gehirn eine mit feiner Haut umgebene weiße Substanz, wie gestoßene Krebsaugen, in ziemlicher Menge. Man hub sie sehr sorgfältig auf, als ein bewährtes Mittel in Steinschmerzen und bei schweren Geburten.
Nicht lange hernach brachte ein anderer einen sehr schönen Meerstern mit neun langen Strahlen hervor, dessen Mittelleib vier Zol, jeder Strahl beinahe anderthalb Spannen in der Länge, und also das ganze Geschöpf drei Span in seinem Umfang hatte. Die Oberfläche war rauh anzufühlen, als wäre sie mit Schuppen besezt. Der Mittelleib, zwei Zol dicke, präsentirte einen besonders erhabenen schwarzen Stern, mit kurzen Strahlen. Im Mittelpunkt desselben war ein ziemlich großes, rundes Loch oder Maul, mit zwei Reihen feiner Zäserlein umgeben. Die großen Strahlen waren viereckigt, fingerdik, gerade und spiz zulaufend, von dunkelweißer Farbe, und oben queerweise mit schwärzlichen Strichen wie ein Tiger gewölket. Beide Reihen waren bis zur äußersten Spitze mit einer dichten Reihe kurzer Stacheln besezt, die sich nach der Länge schlossen. Die Unterfläche war etwas sanfter anzufühlen, von Farbe weis, und jeder Strahl zur Seite mit einer Reihe kleiner Füße, wie ein indianisches Tausendbein besezt, die durcheinander eine verwirte, kurzweilige Bewegung machten. Der Mittelleib hatte eine mäßige Hölung, welche von demselben in jeden Strahl fortgieng. Die innere Substanz war weis und so härtlich, daß mir die Strahlen unter den Händen zerbrachen.
Ich mus auch noch erinnern, daß uns heute und die vorhergehenden Tage in dieser Gegend eine Menge gewisser Seequalmen vorkamen, welche man mit Recht ichthiothuria oder Fischqualmen nennen kan, weil sie einigermaßen eine Fischgestalt haben, und den Menschen wie andere Fische zur Nahrung dienen. Die Holländer nennen sie nach dem einheimischen Namen Seekatzen. Sie sind vorn mit Spuhrrüsseln, etwa neun an der Zahl, von verschiedener Länge versehen, wie die Polypi marini. Der Bauch ist ganz leer, oben offen und kan aufgeblasen werden. Ihr Fleisch ist durchsichtig, ohne Graten und Zasern. Man findet, wenn ich nicht irre, beim Bontio eine Abbildung nebst der Beschreibung, zu welcher ich nur noch hinzusetzen wil, daß man zwischen den Rüsseln das Maul mit einer Haut bedekt, und unter derselben zwei übereinander stehende schwarzbraune dicke krumme Zähne findet, welche stark genug sind, das härteste Objekt zu durchbrechen.
Den 7ten August. Nachdem wir bis jezt mit südlichem und südwestlichem kühlen Winde unsere Fahrt immer nach Nordosten fortgesezt hatten, ohne irgend ein Land zu sehen; so fingen wir jezt an die Polhöhe mit Fleis zu nehmen, so oft es das Gewölk nur erlauben wolte. Wir fanden sie den 8ten August 19 Gr. 21 Min., den 10ten 21 Gr. 4 Min., und den 11ten 22 Gr. 13 Minuten.
Eben da wir diese leztere Höhe erreicht hatten, bemerkten wir einige Gebürge von Fokjen, einer Provinz von Sina. Den 12ten August früh Morgens befanden wir uns nur zwei Meilen vom sinesischen Ufer entfernt, wo die erwähnten Berge aufhörten, und des Mittags an einer berühmten Sandbank, von welcher die aus Sina und Japan kommende Schiffe nach Batavia abgehen. Wir fanden hier eine Menge sinesischer Fischer, die sehr beschäftigt mit Fangen waren, und etwas weiter von uns zählte ich noch vier und dreißig ihrer Kähne. Vorher legte sich eine von einer sinesischen Junke abgeschikte Praue bei uns an Bord, und bot uns eine Parthie Tobak zum Verkauf an. Diesen Abend veränderten wir unsern Lauf, um den Süderlamos aus dem Wege zu gehen, welche wir hier nicht mehr fern glaubten. Dies sind drei oder vier niedrige Klippen, welche die Carten unter 23 Gr. 10 Min. setzen. Am 13ten August Sontags, sahen wir sie zu unserer Linken eine kleine Meile von uns entfernt, und trieben bei stiller See und Luft vorbei. Des Abends fanden wir an dieser Seite eben dergleichen hervorstehende Klippen, die wir gleichfals vorbeisegelten, und dann in Nordosten gen Nord uns wandten. Ich erwähne dieser Inseln und Klippen vornemlich deswegen, damit der Leser von den vielen Gefährlichkeiten einer solchen Fahrt, besonders bei Nacht und im Sturme, sich einen Begrif machen könne. In der That war die Langsamkeit unserer Fahrt und die Veränderlichkeit unserer Richtung blos unserer großen Vorsicht beizumessen.
Den 14ten August kamen vier Fischer, wider die Gewohnheit dieser Leute, mit Hayen und Beggers an unser Schif, welchen wir aber, wegen schlechter Waare, nicht abkauften; sondern blos für ihre Bemühung ihnen ein Glas Brantewein reichten. Diese Höflichkeit reizte noch verschiedene andere, zu uns herüber zu kommen, welche für ihre Fische keinen Reis, auch keine Leinewand, sondern blos Brantewein und Pfeffer verlangten. Wir schlossen hieraus, daß sie recht dürftig seyn müsten. Gegen den Durst führten sie Angunen [63] oder Wassermelonen bei sich. Sie trugen einen Strohhut, einen schwarzbraunen Rok bis auf die Knie, mit einer Binde um den Leib. Sie machten viele närrische Sprünge und ein Plaudergerase wie Malabaren. Die Polhöhe fanden wir heute 23 Gr. 58 Min. an dem Orte, den die Charten unter 24 Gr. 10 Min. setzen. Unsere Fahrt gieng bei sehr stillem Wetter nach N.O. und N. gen O. Der Strom des Meers war uns vortheilhaft; das Land niedrig, und hatte nur wenig Berge. Diesen Abend befanden wir uns dem Flusse Ksjansjo zur Seite.
Den 15ten Aug. blieb alles wie vorher, und auch das Land behielt seine gestrige Gestalt. Eine sinesische Insel sahen wir heute bei Sonnenuntergang vor uns, und den folgenden Morgen (am 16ten Aug.) hinter uns. Wir verließen nun die Küste von Sina ganz, und richteten unsere Fahrt bei der bisherigen Luft und Wind in die offene See nach Japan. Mittags befanden wir uns heute in der Höhe von 25 Gr. 56 M., den 17ten im 27 Gr. 13 M., den 18ten im 28 Gr. 15 M. Heute nach dem Morgengebet wurde der Wind ganz stille, kam aber bald hernach aus Nord gen Osten, und Nordosten. Die folgenden Tage bis zum 25sten Aug. war er ununterbrochen sehr veränderlich, bald hart, bald gelinde, bald ganz stille, fast immer aber unserer Fahrt völlig entgegen. Wir vermutheten daher, daß der nordöstliche Monson diesmal früher als gewöhnlich anfinge. Die Noth lehrte uns nun, den Mantel nach dem Winde zu hängen und die meiste Zeit zu laviren. Hiebei giebt es Mühe und Arbeit genug, aber schlechten Fortgang. Man pflegt gemeiniglich den einen Tag zu verlieren, was man den andern gewonnen hat. Daß auch wir dieses Schiksal hatten, kan man schon aus den genommenen Höhen abnehmen. Diese war den 19ten Aug. 28 Gr. 2 M., den 20sten 28 Gr. 42 Min, den 21sten 28 Gr. 52 Min., den 22sten 29 Gr. 1 Min., den 23sten 29 Gr. 23 Min., den 24sten konten wir die Höhe nicht nehmen; den 25sten 29 Gr. 34 Min. Wir fanden in diesen Tagen nichts merkwürdiges, außer daß ich um den 27sten Grad eine auf der Fläche der See herum treibende gelbgrüne Materie bemerkte, welche sich zwei Tage zeigte. Wir bemerkten hier endlich eine Tiefe von funfzig Klaftern, und auf dem Grunde einen sandigen Leimboden mit Meerkraut. Einige Tage sezten sich auch schwarze Vögel hin und wieder auf dem Schiffe nieder, welche sich mit Händen greifen ließen. Ich bemerkte einmal unter ihnen auch eine Schneppe.
Heute, den 25sten Aug. war die Luft todstille und die Hitze ganz unerträglich. Gegen Abend erhub sich ein heftiger, kontrairer Wind aus O.N.O., der uns nöthigte nordwärts anzulegen, und machte, daß wir unsre Nacht sehr übel zubrachten.
Den 26sten August nahm der Sturm immer zu, und war mit Donner und Bliz vermischt. Da wir hier eine Untiefe von zwei und dreißig Klaftern fanden, so wandten wir uns nach Südosten, und nach Südost gen Ost. Den 27sten, Sontags, hielt der Sturm [64] immer an, aber aus Nordost gen Ost. Wir fanden sieben und dreißig Klaftern Tiefe, und wandten uns gen Ost=Südost. Die Mittagssonne zeigte uns die Höhe von 29 Gr. 50 Min. Diesen Abend um 9 Uhr flohe uns eine sinesiche Junke mit vollem Wind und Segen vorbei, und suchte einen Hafen. Die Schiffer dieser Küste wissen aus sichern Zeichen, wenn ein gefährlicher Sturm bevorsteht; und pflegen dann zeitig genug in dem nächsten Hafen Schuz zu suchen.
Den 28sten Aug. nahm der Sturm so gewaltig zu, daß wir noch vor Abend genöthigt waren, unsere Ruder anzubinden, und das Schif mit angezogenem großem Segel und Basahn (oder Fokmast) treiben zu lassen. Man hatte uns Cajan (eine Art von indischen Wicken) und Reis in Wasser gesotten, zur Mahlzeit auf die Erde gesezt. Aber das Schif war beständig in so heftiger Bewegung, daß nur zwei Steuerleute, welche die Schüssel fest hielten, in gröster Eil etwas zu sich nehmen konten. Wir andern musten auf den Vieren davon kriechen, um uns auf diese Art nur zu retten. Wir fanden diesen Abend eine Tiefe von sechs und funfzig Klaftern.
Den 29sten August. Der Wind war während der Nacht ein wütender, heftiger Sturm geworden; die Bewegung des Schifs war daher unerträglich, und man konte schlechterdings nicht mehr aufrecht sich halten. Man versuchte dagegen das Ruder zu gebrauchen, aber die Nacht nöthigte uns bald wieder beizulegen. Hierdurch war uns aber wenig geholfen. Denn der Sturm sties mit großen Wellen so gewaltig auf unser Schif, daß wir noch vor Tage die beigelegten und schon durchlöcherten Segel wieder einnehmen, das Ruder anbinden und unser nackendes Schif der Discretion zweier wütender Elemente überlassen musten. Das Einnehmen der Segel gieng noch zu aller Verwunderung sehr gut von statten, man hatte sich aber auch gerade eines güklichen Augenbliks dazu bedienet. Sturm und Wellen fuhren aber nun immer fort so sehr zu wachsen, daß von dem grausamen Wanken des Schifs alles über einen Haufen zu fallen drohte. Die Krampen, womit die Kisten befestigt sind, sprangen aus; die Stricke zerrissen, und das Geräthe des Schifs schwebte von einer Seite zur andern. Man beschlos die Basahne beizubringen, aber sie faßte noch in den Händen der Matrosen Wind und zerris in Stücken. Die Luft war bei diesem Zustand dunkel und vol Wasser; ich weis nicht, ob allein vom Regen oder von gebrochenen Seewellen, welche der Wind mit der Luft vermischte. Man konte nur eine halbe Schifslänge weit sehen, und bei dem Gerassel der See, der Winde und des Schifs schlechterdings keiner des andern Wort vernehmen. Die Wellen fielen wie Berge über uns, schlugen unaufhörlich die Thüren auf, und durch die Gallerie in die Cajute, wo alles mit Wasser ganz angefült wurde. Auch fing endlich das Schif an zu rinnen und wurde dermaßen lek, daß man das Wasser mit Zubern (Beljen) austragen, und die bisher bstaändig gehende Pumpe noch durch eine andere unterstützen muste. Unter diesem Lärmen [65] vernahmen wir noch unaufhörlich hinter dem Schiffe furchtbare Stöße, die alles zu zerschmettern drohten. Wir fanden nicht eher Zeit uns umzusehen, als Nachmittags, da sich der Sturm in den Osten wandte. Wir fanden nun die Ruderangeln abgebrochen, die Klammern ausgerissen; -- das Ruder schlepte nach. Ein neues und gefahrvolles Unglük! Die Ruderketten wurden nun zwar nach Möglichkeit angezogen, doch währte das Stoßen immer fort, und zwar so arg, daß wir fürchteten,d as Schif werde in wenig Stunden zu Grunde gehen. Inzwischen trieben wir immer nach Südwesten und West=Südwesten zurück, nach den fatalen sinesischen Eilanden zu. In diesem Zustande, da man an allen Enden so viel zu rathen und zu helfen hatte, war noch dies ein besonders trauriger Umstand, daß die Befehlshaber bei ihren Leuten kein Gehör und Gehorsam fanden, weil jene sowol wie diese mit starkem Getränk ganz überladen waren. Denn da kein Trinkwasser aus dem Raume zu bekommen, und die einzige Speise abgesottener Reis war; so muste man die Kräfte mit Arrak und Brantewein unterhalten, welches große Unordnung hervorbrachte, und für den nüchternen Zuschauer den Jammer noch sehr vermehrte.
Nun brach die schreckensvolle Nacht an, welche indessen doch darin dem Tage noch vorzuziehen war, daß sie den Anblik des bevorstehenden Untergangs bedekte. Das härteste, war wir auszustehen hatten, bestand in den grausamen Stößen, die das Schif von seinem Ruder litte, wenn es von den Wellen aufgehoben und angetrieben wurde. Diesem Uebel etwa durch Aufziehen des Ruders oder andere Mittel abzuhelfen, wurden Zimmerleute und deren Gehülfen, mit Hebebäumen, Axten, Stricken und allerlei Werkzeugen versehen, in die Cajüte geführt. Sie banden Tisch und Bänke los, brachten durch die Pforte des Bodens in die untere Kammer, ließen sich gebunden aus dem Cajütefenster hinaus, und wandten alle Mühe an, dem Ruder zu helfen. Aber das wütende Meer sties ihnen so viele hohe Wellen entgegen und über den Leib, daß sie ihr Unternehmen aufgeben musten, und sich nas und verwirt davon machten, ohne sich weiter umzusehen. Da sie nun die losgebundenen Tische, Bänke und ihre Werkzeuge auf dem Boden liegen ließen; so geriethen diese dermaßen durch einander und in Verwirrung, daß alles in dieser Kammer zerbrochen wurde. Meine zwei mit Wein und Brantewein gefülte Flaschkeller, nebst Theekessel und anderm Geräthe, hatten dabei eben dieses Schiksal; und hatte ich selbst mitten unter diesem entsezlichen Lermen und Durcheinanderwerfen genug zu thun, um nur einen Augenblik zu finden, da ich mit meinem schwarzen Jungen herauskriechen und mich retten konte. Draußen war man unterdes beschäftigt, eine frische Basahn beizubringen, woran man den ganzen Tag gebessert und gearbeitet hatte. Es muste indes hiebei etwas gewagt werden, wenn man nicht in der Nacht bei dem zunehmenden Schlingern alle Masten verlieren wolte. Glüklicherweise und wider aller Vermuthen wurde diese Sache in einem [66] Augenblik zu Stande gebracht. Die Sonne war nun schon drei Stunden untergegangen, und es blieb also weiter nichts bei der Sache zu thun übrig, als fleißig zu pumpen und zu hoffen.
Den 30sten Aug. früh Morgens fing der Sturm und das Wüthen der See an sich zu brechen, da wir dann insgesamt den blinden Segel, der stat eines Ruders dienen muste, hervorbrachten, und mit demselben südwärts vor dem Winde weg, und also ohne sehr großes Schlingern abliefen. Wir wolten auch die Zimmerleute in Stand setzen, an Wiederherstellung des Ruders zu arbeiten. Dies geschahe dann auch mit firschem Muth. Der Zimmermeister wurde an einer Stelle feste gebunden, hinuntergelassen, eine neue Ruderbalke angesezt, und kurz das ganze Werk schon auf Mittag völlig geendigt. Der Himmel klärte sich nun auf und erlaubte sowol dem Koche wieder Feuer anzulegen, als unsern Steuerleuten die Höhe zu nehmen. Sie war 28 Gr. 31 Min.
Wir zogen nun in Gottes Namen unsere Segel wieder auf, und legten mit gutem Wind nach Nordost an. Der 31ste August brach mit lieblichem Sonnenschein, wiewol noch bei anhaltendem harten Winde, an, und ermunterte unsere Gemüther und ganz erstorbene Sinnen. Wir fühlten uns aber nach dem fünftägigen Fasten und Ungemach ganz ausnehmend entkräftet, und hatten besonders eine unleidliche Empfindung von Hunger. Es wäre uns daher mit frischer Kost und einem guten Trunk sehr gedient gewesen; aber dazu war hier kein Rath. Denn unser Schifsbuchhalter, der gewohnt war auf dem Lande selten, und zu Wasser niemals nüchtern zu seyn, hatte unsere ganze Provision von Tafelwein, die ihm der Schiffer anvertrauete, bis auf den lezten Tropfen verzehrt. Ein noch aufbewahrtes fettes Schwein und Federvieh waren während des Sturms umgekommen. Unser Koch konte uns also weiter nichts, als gekochten Reis, Cajan und alte Spek auftragen; und wir musten uns vorjezt hiemit nebst der Hofnung begnügen, daß wir bei der stillen See bald würden frische Fische fangen können. Die erste und mühsamste Arbeit war heute, das Seilwerk anzuziehen, welches durch Sturm und Schlingern ausgedehnt und so schlap geworden war, daß es nicht länger die Masten anhalten konte. Andere bemühten sich unterdes die Oefnung im Schiffe aufzusuchen, welche doch damals noch nicht gefunden wurde. Hernach wurden auch noch durchnezte seidene Packen und Felle aus dem Raume auf den Oberboden gebracht; und auf diese Art fuhr man diesen und die beiden folgenden Tage mit Troknen der Waaren, der Kleider und Betzeuge fort. Unser Lauf war noch N.O. und nach N.N.O. mit Ost und Ost gen Nord Winde; die Höhe Mittags 29 Gr. 20 Min. und Abends die Tiefe 43 Klaftern.
Den 1sten September fanden wir eine Oefnung unter der Küche; um selbige zu stopfen, wurde das Schif einige Stunden über die andere Seite gelegt. Andere Oefnungen, um derentwillen wir noch stündlich pumpen musten, fand man noch nicht, wir urtheilten [67] daher, daß sie nur über dem Wasser seyn müsten. Ich wil den Leser mit genauer Erzählung der Abwechslung der Winde nicht länger aufhalten, sondern nur überhaupt berichten, daß sie immer sehr veränderlich und meistens uns entgegen blieben, bisweilen Räumer. Wir musten daher (nach dem Schifsausdruk) viel bei dem Winde segeln und laviren. Wir fanden Mittags 30 Gr. 9 Min. Höhe, am Abend 23 Klaftern Tiefe.
Den 2ten September war die Höhe 30 Gr. 20 Min., die Tiefe 90 Klaftern.
Den 3ten Septemb. die Höhe 31 Gr. 26 Min., die Tiefe 26 Klaftern.
Den 4ten Septemb. konten wir wegen des Sturms keine Polhöhe nehmen. Der Grund gab den ganzen Tag einen weißen Sand bei einer Tiefe von 25 bis 32 Klaftern.
Den 5ten Septemb. war Mittags die Höhe 31 Gr. 15 Min., die Tiefe des Abends 26 Klaftern. Diesen Abend schwammen verschiedene Seeteufels (platte Fische von häslicher Gestalt, und 2 bis 3 Klafter Länge) an unserm Schiffe vorbei.
Den 6ten Septemb. war die Polhöhe 31 Min. 30 Gr. Diesen Nachmittag überfiel uns wieder ganz unvermuthet ein neues Unglük, desgleichen wir im vorigen Sturm nicht erfahren hatten. Wir segelten damals mit einem gelinden O.S.O. Winde nach Süden, als wir plözlich hinter uns im Norden einige Blitze, und bald darauf Wellen, die bis an den Himmel richten, erblikten, welche in der Eil übereinander auf unser Schif zurolten, und dasselbe in solche unordentliche und verwirte Bewegung sezten, daß wir darüber ganz sinlos wurden, und gar nicht wusten,was zu thun? was zu lassen? -- Denn da vor uns die südliche Monsonswellen unserer Fahrth entgegen stunden, und das Schif bei so gelinder, schwülen Luft nicht fortschießen ließen, so muste die anrollende See blos auf der Cajüte ihre Kraft brechen. Zwo Stunden nach Sonnenuntergang stürzten zwo himmelshohe Wellen kurz auf und nebeneinander von hinten über das ganze Schif; drükten dasselbe mit allen auf dem Oberboden oder sogenanten Ueberlauf stehenden Personen (unter denen ich mich gleichfals befand) tief unter Wasser, daß wir auch gewis glaubten, wir würden nun den Augenblik in des Meers Abgrund versinken. Dieser Ueberfal war auch in der That mit solchem Krachen und Gerase begleitet, als wenn das ganze Hintertheil des Schifs weggerissen und abgebrochen wäre. Unser alter Schiffer und der Obersteuerman (die beide schon über sechzig Jahre hatten) nebst andern, die von früher Jugend an zur See gedient hatten, bekräftigten einmüthig, daß sie dergleichen nie gesehen hätten. Man lief indessen sogleich zum Ruder und fand es, nicht ohne Verwunderung, noch im Angel und ganz unbeschädigt; nur Bretter und andere Sachen waren abgerissen. Die Pumpe wurde in Bewegung gebracht, aber man bemerkte gar keine Oefnungen. In der Cajüte aber fand man alles in einem ungemein schlechten Zustande. Fenster, Rahmen, alles war eingeschlagen, und es mochte hoch oder niedrig stehen, mit Seewasser ganz begossen, sogar unsern trunkenen Buchhalter nicht ausgenommen, obgleich dieser unter dem Söller am sichersten Orte [68] schlief. Auf dem Boden stand alles knietief unter Wasser, und das Geräthe trieb darin herum. Man lies nun zwar dies schädliche Salzwasser durch Oefnung der Thüren bald abfließen, allein es war doch während der kurzen Zeit schon in das Innerste vieler Sachen eingedrungen, wie ich solches mit eigenem großen Schaden und vielem Kummer an meinen Papieren und Handschriften habe erfahren müssen. Noch einige hohe Wellen drükten nun mit voller Macht gegen das Schif los, als ein starker Wind aus Norden mit Regen und Ungewitter hinter uns kam, und das Schif von diesen schweren Wellen zwischen Süd und Ost wegtrieb; aber mit entsezlichem Schlingern, welches die ganze Nacht und auch den folgenden 7ten September fortdauerte, wiewol heute ohne Sturm und bei leidlichem Wetter, so daß wir nunmehr auch diese Gefahr durch götliche Hülfe überstanden hatten. Merkwürdig ist es noch, daß der Wind an diesem Tage wieder den Lauf der Sonne am ganzen Horizont herumtrieb. Wir fanden heute keine Polhöhe, aber eine Tiefe von 30 bis 40 Klaftern.
Den 8ten September war Mittags die Höhe 31 Gr. 11 Min., des Abends die Tiefe 42 Klafter. Die Wellen giengen heute noch sehr stark, verursachten großes Schlingern des Schifs, und uns eine mühsame Nacht.
Den 9ten Septemb. war unsere Breite oder Polhöhe 31 Gr. 5 Min., der Boden des Meers 42 bis 48 Klaftern.
Den 10ten September, Sontags, war die Höhe 30 Gr. 20 Min. und kein Grund zu finden. Diesen Nachmittag überfiel uns abermals ein gewaltiger Sturm aus Norden. Wir waren genöthigt zu wenden, und um das verderbliche Schlingern zu mäßigen, die Untersegel bei= und das Ruder festzubinden, und musten nun übrigens das Schif unter Gottes Sorge forttreiben lassen.
Den 11ten September, gegen Abend lies endlich dieser Sturm nach, da er vier und zwanzig Stunden gewütet hatte; es wurde daher das große Mastsegel beigefügt und das Ruder wieder gebraucht. Mittags hatten wir 29 Gr. 55 Min. Polhöhe; des Abends 60 Klaftern Tiefe. Dies war nun der dritte Sturm, den wir zwischen Sina und Japan erfahren musten, bei dem gleichfals durch die schlingernde Bewegung des Schifs viel Geräthe verdorben wurde. Bei unsern Leuten schien unterdes durch die vielen Beschwerlichkeiten und Gefahren dieser Reise sich Verdrus und Widerwille zu erzeugen, besonders da wir bei den nunmehr unverändert anhaltenden uns entgegenstehenden Nordwinden alle Hofnung verloren, das Schif nach Japan zu bringen. Wir ließen es dahe auch den 12ten September bei gutem Wetter vor dem Winde weg in S.W. gen W. treiben. Unsere Höhe war diesen Mittag 29 Gr. 30 Min., die Tiefe 62 Klaftern.
Den 13ten Septemb. früh Morgens im Calfatern des Schifs bemerkte man, daß die Steven, welche gleichsam die Rippen und Klammern an dem Schifskörper sind, [69] in dem am 6ten September erlittenen Ueberfal los und locker geworden waren; welches dann sowol den Officiers als Gemeinen alle Lust benahm, mit Laviren ferner anzuhalten. Man hielt es vielmehr rathsam einen sinesischen Hafen zu suchen, daselbst für einen Monat Wasser einzunehmen, und dann die Rükreise nach Batavia anzutreten. Die Passagiers und alle, die bei den Schifsräthen nur irgend etwas vermochten, suchten durch ihr Zureden diesen Vorschlag angelegentlich zu befördern. Er würde auch wahrscheinlich genehmigt seyn, obgleich der im Bette und Trunkenheit begrabene Buchhalter seine Zustimm ung nicht geben konte; hätte nicht noch endlich der Obersteuerman einige Bedenklichkeiten dagegen eingebracht. Ich trug auch dazu bei, sie zu bestärken. Denn ich hatte während dieser Streitigkeit in einem mir von guter Hand mitgetheilten Tagebuch einer Reise nach Japan nachgesucht und gefunden, daß vor wenig Jahren noch in den leztern Tagen des Septembers ein holländisches Schif glüklich in Japan angekommen sey. Ich gieng also insgeheim zum Schiffer, und stelte ihm vor, daß die nassen Felle in der heißen Luft zu Batavia kein Jahr würden überliegen können, ohne verdorben zu werden, und daß man dann diesen Schaden, wegen seiner frühzeitigen Rükreise und Kleinmüthigkeit, ihm anrechnen würde. Ich zeigte ihm hiebei die Stelle meines Tagebuchs, welche er stutzend dreimal las, und dann beschlos, den Vorschlag der Rükkehr fahren zu lassen und keinen weitern Widerspruch anzuhörn.
Den 14ten Septebm. war die Polhöhe 29 Gr. 36 Min., des Abends die Meerestiefe 41 bis 46 Klaftern.
Den 15ten Septemb. war die Höhe 29 Gr. 57 Min., die Tiefe 36 Klaftern.
Den 16ten Septemb. war die Polhöhe 30 Gr. 13 Min., die Tiefe 38 Klaftern.
Den 17ten Septemb. Sontags, konten wir die Höhe nicht nehmen. Die Tiefe war 47 Klaftern.
Den 18ten Septemb. erlaubte das Wetter gleichfals keine Höhe zu nehmen; die Tiefe war 34 Klaftern.
Den 19ten Septemb. war die Höhe 30 Gr. 31 Min., die Tiefe des Abends 48 Klaftern.
Den 20sten Septemb. die Höhe 30 Gr. 36 Min., die Tiefe des Abends 58, die Nacht 70 Klafter. Heute Vormittags trafen wir mit demWurfspieße einen gelblich blauen Delphin oder Dorades, sechs Spannen lang, welcher sehr schmakhaft war, und unsern kranken Magen ungemein erquikte.
Den 21ten Septemb. erreichten wir die Höhe von 31 Gr. 30 Min. Dies ist nach den gemeinen Seecharten die Breite von einer im japanischen Meer liegenden klippigen Insel Matsima, welche als ein japanischer Hermes den Schiffern dient und von ihnen aufgesucht werden mus, wenn sie nach oder aus Japan fahren. Wir sahen sie zwei [70] Stunden nach genommener Höhe auf 9 bis 10 Meilen von uns entfernt im Nordosten, daher wir dann schlossen, daß sie nördlicher liegen müsse, als die Charten angeben, und vermuthlich unter 32 Grad. Kurz vor Sonnenuntergang zeigte sich diese längst gewünschte Insel im Norden, nur fünf Meilen von uns. Sechs Stunden hernach hatten wir sie bei hellem Mondschein nur in der Entfernung einer Meile linker Hand von uns und fanden, daß sie aus sieben und mehr an einander liegenden spitzigen, rauhen, unbewachsenen und mit Vogelkoth überal beschmizten Klippen bestehe. Eben dies bemerkten wir auch zwei Jahr hernach, da wir auf der Rükreise nahe vorbei segelten. Diese Insel schien uns auch eine uralte Residenz der Seemeven zu seyn, weil wir diese in großen Haufen auf derselben bemerkten. Das gute Glük bescherte uns in dieser Gegend wieder einen schönen Dorades; am Abend fanden wir auf 78 Klafter Tiefe einen sandigen Modergrund.
Den 22ten Septemb. früh Morgens, sahen wir die Insel Matsima schon soweit hinter uns, daß sie fast gar nicht mehr zu erkennen war. Nicht lange hernach wurden wir eine nankinsche und noch zwei andere Junken gewahr, die, nach der Bauart zu urtheilen, sinesische waren, welche aus Japan kamen. Linker Hand sahen wir hier die japansche Inseln Gotho, welche von Ackerleuten bewohnt werden, und noch Vormittags fiel uns das hohe Bergland vor Nagasacki ins Gesicht. Bei Sonnenuntergang hatten wir endlich diesen längst und sehnlichst gewünschten Hafen auf sechs bis sieben Meilen in N.O. gen N. vor uns. Wir segelten mit nordwestlichen kühlen Winde darauf los, und gelangten den 23sten September um Mitternacht vor die Bay auf funfzig Faden Tiefe. Wegen vieler uns unbekanter Klippen und Inseln durften wir uns nicht näher heran wagen. Der Eingang der Bay ist damit ganz besezt und daher bei Nacht unmöglich zu treffen. Wir lavirten damnach, bis der Morgen anbrach, da wir auf 43 Klaftern Tiefe Sandgrund fanden, und lenkten nunmehr zum Hafen. Aber der Wind wurde plözlich so stil, daß wir gar nicht weiter kommen konten. Wir kündigten daher unsere Gegenwart mit fünf Schüssen an, die man auch zwei Meilen davon in der holländischen Residenz gehört hatte. Nachmittags kamen dann auch einige von unsern Obern abgeschikte holländische Kaufbediente in vier Fahrzeugen zu uns mit einer Schaar nagasackischer Hofjunker, Schreiber, Soldaten und einem japanischen Oberdolmetscher begleitet. Ihre Absicht war uns zu bewilkommen, und die mitgebrachten Briefschaften uns abzufordern. Wir ließen sie nach einigem Verweilen mit sieben Schüssen wieder von uns, und folgten ihnen nach, aber, wegen veränderlichen Windes, nur sehr langsam, bis unter den sogenanten Papenberg im Munde des Hafens und eine Meile von Nagasacki. Wir wunden hier unser Schif mit Wurfankern ab, und weiter hinauf bis eine halbe Meile vor Nagasacki. Hier ließen wir, als im sichern Hafen, Abends um 10 Uhr unser Nachtanker fallen, und dankten Gott demüthigst für den bisher geleisteten gnädigen Schuz. [71]
Wir haben bis diese Zeit auf unserm Schiffe weder Todte noch Kranke gehabt. Nur der mehrmal erwähnte Buchhalter wurde, weil man ihm keinen Arrak und Brantewein mehr geben wolte, den Abend vor unserer Landung mit einem Schlagflus befallen, der ihm plözlich Sprache und Verstand, und nach einige Stunden mit schreklichen Krampfverzuckungen das Leben nahm. Dieser Man hatte sonst sehr viele Geschiklichkeit, und war der Sohn eines berühmten Gottesgelehrten im Haag. Durch eine zu nachsehende Erziehung aber war er schon früh in Ausschweifungen und wüstes Leben verfallen.
So bald wir Anker geworfen hatten, fanden sich schon zwei japanische Wachtschiffe uns zur Seite; und fuhren die ganze Nacht fleißig rund um unser Schif herum. Alle sinesische Junken, die heute ausgelaufen waren, wurden auch jede mit einem Wachtschiffe in die offene See begleitet. Nicht weit von uns legte sich die Flotte eines mit gewöhnlicher Pracht ausgereiseten Herrn vor Anker. Es bestand aus vierzig Fahrzeugen oder Lustschiffen, die ohngefehr wie die Struven in Rusland erbauet waren, welche von Casan nach Moskau fahren. Diese kleine Flotte fiel sehr schön ins Auge, des Nachts mit vielen angezündeten Laternen, und des folgenden Morgens, wie sie abfuhr, mit den halb weißen und halbschwarzen Segeln, welche zugleich aufgezogen wurden.
Den 24sten Septemb. trieben wir die Hälfte des Weges früh Morgens mit einem gelinden kühlen Winde hinauf; hernach wurden wir mit zwanzig japanischen Ruderschüten, die sich an einem vom Vordertheile des Schifs abreichenden Strik befestigten, ferner hinauf bis auf zwei hundert Schritte von der Stadt und unserer Wohnung hinaufgezogen. Der Hafen von Nagasacki ist mit hohen Bergen, Inseln und Klippen umschlossen, und wider alle Sturmwinde und wütende Meerswellen durch die Natur selbst gesichert. Die Spitzen der umliegenden Berge sind mit Wachthäusern versehen, in welchen die Wächter alles beobachten können, was auf der See vorfält, welches sie dann der Regierung zu Nagasacki anzuzeigen haben. So hatten sie schon vorgestern die Ankunft unsers Schiffes angemeldet. Der Fus der Berge, welcher das Ufer ausmacht, ist mit verschiedenen Rondelen nach der Wasserfläche besezt, auf welchen ich zwar zur Zierde rothe Stacketen, aber kein Geschüz wahrnahm. Außerdem findet man auch noch auf hohem Lande unweit dem Ufer zu beiden Seiten eine ansehnliche hohe kaiserliche Wache, wo man aber ein Gewand vorgezogen hat, um zu verbergen, wie viel an Manschaft und Stücken vorhanden sey? Im Vorbeigehen grüsten wir jede Wache mit zwölf groben Stücken, und wie wir den angewiesenen Plaz erreicht hatten, ließen wir unsern Anker fallen, etwa drei hundert Schrit von der Stadt, und eben so weit von dem holländischen Wohnort Desima, welches eine vor dem Ufer der Stadt aufgeführte, umschlossene kleine Insel ist. [72]
Hierauf erschienen bei uns sogleich zwei Bugjosen oder Hofjunker der Gouverneurs nebst vielen Soldaten, Schreibern und Dolmetschern, und ließen alle Angekommene, nach unserer ihnen abgelieferten Schifsrolle, einen nach dem andern die Musterung passiren, beschaueten einen jeden von Haupt bis Fus, und schrieben mit einem Pinsel seinen Namen, Alter und Bedienung auf ein Papier. Es wurden auch noch sechs oder mehr Personen, jeder besonders, über die Reise befragt, und eines jeden Antwort sorgfältig aufgeschrieben. Die vornehmsten Fragen waren: Woher und wann die Reise angetreten sey? wie lange man auf derselben zugebracht habe? ob man unterwegs hie oder da gelandet? Wegen des verstorbenen Buchhalters wurde auch nicht wenig gefragt, und die Antwort gleichfals zu Papiere gebracht. Man besahe seine Brust und bloße Haut, weil man daselbst etwa ein Crusifix oder irgend ein Zeichen der päbstlichen Religion zu finden glaubte. Wir brachten es durch vieles Bitten dahin, daß die Leiche noch heute zur Beerdigung abgeholt wurde; aber man wolte schlechterdings nicht zugeben, daß einer von uns mitgienge und sähe, wo man den Verstorbenen hinscharte. Nach der Musterung wurden alle Winkel mit Soldaten und Schreibern besezt, und das Schif mit aller Ladung von den Japanern gleichsam in Besiz genommen. Die Schaluppe und das Boot wurden heute noch unsern Leuten zu nöthiger Befestigung der Anker gelassen. Aber Pistolen, Degen und alles andere Schifsgewehr wurde uns weggenommen, und von ihnen in Verwahrung gebracht, und den folgenden Morgen wurde auch das Pulver in Fässer gepakt weggeführt. In der That, hätte ich dieses gewöhnliche Verfahren der Japaner nicht schon vorher gewust; so würde ich sicher geglaubt haben, wir wären in ein feindliches Land gekommen, oder würden für Spions gehalten. Ich mus hier auch noch erwähnen, daß ein jeder von uns, sobald wir das Land erblikten, seine Psalmen und andere geistliche Bücher, nebst aller europäischen Münze, auf hohen Befehl und nach altem Gebrauch, dem Schiffer überliefern musten, der dann alles mit eines jeden beigeseztem Namen in ein alt Fas pakte, und bis zur Abreise im Schiffe für den Japanern verborgen hielt. Den Abend unserer Ankunft wurden uns aus der holländischen Oekonomie allerlei Erfrischungen geschikt, als Hüner, Eier, Schuppenfische, Rettiche, Rüben, Zwiebeln, frische Ingbern, Pompunen, Anguinen, Weisbrod und ein Fäsgen Sacki oder japanisches Reisbier.
Den 25sten Septemb. früh Morgens, kamen von Desima beide Herren und Residenten, oder Direktoren der holländischen Handlung auf unser Schif. Diese beide Herren waren Hr. Sweras der abgehende, und Butenheim, der antretende, welcher nur neulich mit drei beladenen Schiffen von Batavia angekommen war. Nachdem man nun das ganze Schifsvolk zusammen gerufen hatte, lasen sie uns die Befehle der Edlen Compagnie und der Gouverneurs von Nagasacki vor. Sie bestanden vorzüglich darin, daß [72] ein Jeder sich eingezogen, bescheiden gegen die Eingebornen, und ihren Gesezten und Landesgebräuchen gemäs verhalten solle. Dies Plakat wurde, nachdem es verlesen war, öffentlich im Schiffe, nach japanischem Gebrauche, angeheftet, und so einem Jeden vor Augen gestelt.
Nachmittags lies ich mich auf Desima an Land setzen. Hierzu mus man sich allemal auf dem Schiffe mit einem neuen Pas an die Landwachten versehn, und wenn man wieder zurükkömt, von dieser wieder einen an die Schifswachten mitbringen. Die gestern Abend genossene rohe Gartenfrüchte verursachten mir soviel Beschwerde, daß ich von dem mir noch unbekanten Orte wieder ans Schif zurükkehren muste.
Den folgenden 26sten Sept. aber fuhr ich mit allen meinen Sachen nach Desima über, und bezog daselbst das mir angewiesene Haus.




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