Dohm, Christian Wilhelm (ed.) Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Meyer, Lemgo 1777-79.

Internet-Edition by Wolfgang Michel, © Fukuoka, Japan March1998

    
Buch 1, Kapitel 5

Sechstes Kapitel.

Ueber den Ursprung der Japaner.

Unsre meisten Geographen haben sich für die Meinung erklärt, daß die Japaner von den Sinesern herstammen. Sie sind dazu vorzüglich durch folgende zwei Geschichten veranlaßt, die ihnen unsre Reisende aus diesen Ostgegenden überbracht haben. Die erste dieser Geschichten ist folgende: Es haben sich einmal in Sina viele Familien wider ihren Kaiser verschworen. Diese Verschwörung sei aber zu früh bekant geworden, und der Kaiser habe alle Schuldige ohne alle Gnade und Unterschied hinrichten lassen. Da man aber nach und nach immer mehr Verschworne entdekte, und des Bluvergießens müde wurde; so habe sich der Kaiser entschlossen, die Strafe des Todes in die einer ewigen Verbannung zu verwandeln. Man habe also die Verbrecher nach den damaligen rauhen und unbewohnten japanischen Eylanden verbant, und diese wären also die Stamväter der jetzigen zahlreichen und mächtigen japanischen Nation geworden.

Die andre Geschichte ist folgende: Ein kaiserlicher Leibarzt bildete seinem Herrn ein, der eine große Neigung hatte sich unsterblich zu machen,1 daß die Pflanzen, welche zu einer solchen Arznei nothwendig wären, nirgend anders als auf den japanischen Inseln von unbeflekten jungen Personen könten gesucht werden. Er bat sich also vom Kaiser 300 reine Jünglinge und 300 reine Mädchen aus, mit denen er nach Japan überfuhr. Die Absicht des schlauen Maztes war aber nur diese, sich der Tirannei seines Herrn zu entziehen; und er wurde also mit seiner frischen Jugend der Stamvater der japanischen Nation.

Was die erste dieser Geschichten betrift, so wird sie sine die & consule von den unsrigen2 erzählt, und ist von Linschoot zuerst unter die Schriftsteller gebracht. Da aber der angeblichen Verschwörung in keinem sinesischen oder japanischen Schriftsteller erwähnt ist, Linschoot auch gar nicht angiebt, wo er sie hergenommen habe; so ist sie natürlich blos für eine Fabel zu halten, die schlechterdings keinen Glauben verdient.

Die zweite Geschichte wird hingegen von den Japanern selbst gar nicht geläugnet, sie zeigen noch jezt einen Ort in Khumano (d. I. das südliche Ufer von Kunokuni und den zunächst angränzenden Landschaften) wo dieser Arzt mit seinen jungen Gästen sich sol niedergelassen haben. Man zeigt daselbst auch noch einen Ehrentempel, der ihm zum Gedächtnis errichtet worden, weil er ihnen viele Wissenschaften und bürgerliche Künste überbracht habe. Ich finde in der japanischen Chrinik keine andre Aufsuchung der Arznei der Unsterblichkeit erwähnt, als diejenige, welche der Kaiser von Sina Si oder Sikwo oder nach der gemeinen Aussprache Sinosikwo hat thun lassen. Dieser Kaiser ist einer von den drei sinesichen Nerons, welche unter den Namen Sinorko, Ketzuwo, und Thuwo algemein bekant und verabscheuet sind. Er verband mit seiner Tirannei noch ganz unglaublichen Uebermuth und Pracht. Er lies z. B. einmal eine große See ausgraben und dieselbe ganz mit sinesischem Bier anfüllen, auf dem er dann in statlichen Fahrzeugen einherfuhr. So bauete er sich auch ein prächtiges Schlos, das Konjacku hies, dessen Estrich mit Gold und Silber bedekt und so gros im Umfang war, daß wie der Kaiser Kool, (der seinen Enkel vom Throne sties und diese ganze Familie ausrottete,) es anzünden lies, noch drei Monate, wie man sagte, verflossen, da dieses Schlos beständig in der Asche fortbrante. Diese Geschichte hat in Japan auch noch zu einem ewigen Sprichworte von vergänglicher Pracht Anlas gegeben.

Dieser Sikwo nun wolte sein herliches Leben nicht gern verlassen, sondern lies die Arznei der Unsterblichkeit an allen Orten aufsuchen. Solte aber nun auch unter eben diesem Kaiser der Leibarzt in dieser Absicht mit seiner jungen Colonie nach Japan gekommen seyn; so mus man den Japanern billig zugestehn, daß er viel zu spät gekommen sey, ihre Nation zu stiften. Denn sie wurden damals schon von Koken, ihrem achten Monarchen, beherscht, in dessen sieben Regierungsjahr die erwähnte Geschichte aufgezeichnet ist. Dies ist das Jahr 453 nach Sijn Mu, dem ersten japanischen Kaiser, und das Jahr 209 vor Christi Geburt. In eben dem Jahre starb auch noch der sinesische Tiran im funfzigsten seines Alters.

Es ist eine ganz unstreitige Wahrheit, daß die Sprachen und dere Eigenthümlichkeiten das sicherste und untrüglichste Mittel sind, dem Ursprunge und den ältesten Zusammenfügungen der verschiednen Nationen nachzuspüren. Man wird die Erfahrung hievon sehr leicht machen können, wenn man bei verschiednen Völkern bis auf ihre erste Entstehung zurük geht. Bei den Pohlen, Böhmen und Russen beweist ihre gemeinschaftliche slavonische Sprache, daß alle diese Völker slavischen Ursprungs sind. Bei den Italiänern, Spaniern und Galliern kan man eben dieses auf gleiche Art beweisen. Die Hoch und Niederdeutschen, die Dänen und Schweden haben gleichen Ursprung, und ihre Sprachen kommen alle in der gothischen zusammen. Man lehret auf eben die Art durch die Sprachen, wenn verschiedne Völker zu einer Nation oder auswärtige Colonien einen beträchtlichen Zusaz erhalten hat. Man wird allenthalben finden, daß gerade in dem Verhältnis der Menge hinzugekommener Fremden auch fremde Worte in die alte Sprache eingedrungen und darin naturalisirt sind. So findet man in der englischen Sprache die dänische, niedersächsische und altgallische; in der lateinischen die griechische; in der siebenbürgischen die ungrische und lateinische; in der Sprache von Semgallen die lettische, slavonische und lateinische.

Auf eben dem Wege, glaub ich, mus man nun auch die Entstehung und Vermischung der Völker in andern Welttheilen erweisen. Der portugiesische Geschichtschreiber Johannes de Barros in seinen Decades und Flakourt in seiner Histoire de Madagascar bezeugen, daß die Sprache auf dieser großen afrikanischen Insel mit javanischen un amaleyischen Worten ganz angefüllt sey. Dies hat ohne Zweifel den natürlichen Grund, daß vor 2000 Jahren die damals mächtigen Völker Javaner und maleyen große Handlung nach Madagaskar trieben und sich daselbst auch häufig niederließen. In Asien findet man auf der Halbinsel Crimm oder in Chersonesus Tartarica noch viele deutsche Worte, und man giebt vor, daß sie eine gothische Colonie 850 Jahr nach der Sündfluth dahin gebracht habe. Der Herr von Busbeck, kaiserl. Gesandter am otshmannischen Hofe hat in seinem vierten Schreiben eine gute Anzahl dieser Worte aufgezeichnet, und ich habe mir noch mehr angemerkt. Eben so findet man auch in der javanischen, singalesischen, gemeinen malabarischen und andern indischen Sprachen den Beweis, was aus der Geschichte ohnedem schon genug bekant ist, daß diese Nationen beständig durch Ueberwinder und Ueberwundne, ausgesandte Colonien u. s. w. unter einander vermischt sind.

Wolte man nun die japanische Sprache durch alle ihre Worte und Eigenschaften nach der Strenge einer spanischen Inquisition untersuchen; so würde man sie von aller Vermengung und Vermischung mit andern Sprachen ihrer Nachbarn, aus der man die Verwandschaft und den Ursprung der Nation muthmmaßen könte, ganz rein und frei finden. Nachbarn der Japaner nenne ich diejenigen Sineser, welche die an der See gelegnen Landschaften bewohnen und Japan mit ihren Schiffen besuchen. Diese haben drei verschiedne nach ihren Hauptprovinzen benante Sprachen Nankin, Tsjaktsju und Foktsju, von welchen allen aber kein Japaner ein Wort versteht, ausser etwa wolche Benennungen von Dingen, welche die Sineser zugleich mit den Sachen selbst nach Japan überbracht haben. Auf eben die Art haben aber auch die Portugiesen die Worte pan, palma, botan, cappa, frasco, bidorn, tanta, und noch einige andere in der japanischen Sprache zurückgelassen. Der hieher übergesezten Sineser sind auch neimals so viel gewesen, daß sie die japanische Sprache hätten ganz verändern können; ob ihrer gleich genug seyn mochten, um den Japanern Künste und Wissenschaften, auch sogar die Kenntnis ihrer gelehrten Bücher und Charactern mitzutheilen. Dieser leztern bedienen diese und andere angränzende Nationen z. B. Coreyer, Tunquiner sich jezt eben so als einer algemeinen Sprache, wie die Europäer der lateinischen.

Dem angeblichen Ursprung der Japaner ist auch noch die ganze eigenthümliche Natur und Construction der japanischen Sprache ganz zuwider. Diese ist von der sinesischen so sehr verschieden, daß, wenn die Japaner sinesische Bücher entweder nach dem Laut der Charactern oder ihrer gemeinen Sprache lesen, sie allemal die Worte nicht nach der Reihe, in der sie gestelt sind, sondern etwas versezt vorbringen, und zuweilen einige Worte anhängen oder zwischenfügen, damit der Sinn und die natürliche Construction ihrer Muttersprache herauskommen. Sie pflegen daher die sinesische Bücher gemeiniglich so nachzudrucken, daß sie zu desto ungehinderterer Lesung die Constructionsordnung durch beigefügte Zeichen andeuten. Ich kan hier auch noch die Bildung ihrer Zunge und anderer Sprachwerkzeuge angeben, die ihnen die Natur ganz anders als den Sinesern gegeben hat. Die japanische Sprache hat fast immer einen reinen und deutlichen Laut, und die Silben pflegen selten mehr als 2 oder 3 Buchstaben zu haben; hingegen in der gemeinen sinesischen Sprache hört man beständig einen vermengten Schal verschiedener Consonanten mit einem gleichsam singenden Accent.

Gleiche Verschiedenheiten findet man auch bei einzelnen Buchstaben. Die Japaner können das H nicht anders als mit einem F; die Sineser aber weit deutlicher aussprechen. Die Japaner sprechen dieBuchstaben R und D sehr rein und deutlich, obgleich im Anfang der Silben etwas durch die Kehle aus. Die Sineser aber und vorzüglich die Nankiner können durchaus kein R oder D vorbringen, und diejenigen, welche in auswärtigen Sprachen sehr erfahren sind, wissen diese Buchstaben nicht anders als durch ein L auszudrücken. Alles, was ich über die Verschiedenheit der japanischen und sinesischen Sprache gesagt habe, läst sich auch auf die Sprachen von Corea und Jeso anwenden. Es ist aber unnöthig dies hier weiter auszuführen, da man noch niemals den Gedanken gehabt hat, die Japaner aus jenen Ländern abzuleiten.

Die so verschiedne Religion beider Nationen giebt unsrer Meinung nach ein sehr großes Gewicht. Wären die Japaner von den Sinesern ausgegangen, so würden sie ohne Zweifel die Religionslehren und den Götzendienst der leztern mit sich in das neue, unbewohnte Land überbracht und auf ihre Nachkommen fortgepflanzt haben. Nun ist es aber außer allen Zweifel gesezt, daß die väterliche alte Religion der Japaner (die sie Sinto und die Götzen Cami nennen) ihnen allein eigen sey, und daß kein anders Volk in der Welt diese japanische Götzen kenne oder ihre religiösen Gebräuche angenommen habe. Die Japaner haben auch eben so wenig irgend fremde Götzen oder Religionslehren gekant, bis im Jahr 66 nach Christi Geburt unter dem Kaiser Synnin, der fremde Götzendienst des Lehrers Sjaka oder Budso durch Corey nach diesen Inseln überbracht wurde und daselbst festen Fuß setzte. Er wurde nachgehends durch viele aus Sina und andern Ländern hier angekommene Lehrer unter de Nachsicht der gegen die Religion ziemlich gleichgültigen Erbkaiser immer weiter durch das ganze Reich ausgebreitet. Allein diese neue Lehre war doch gar nicht vermögend, die alte Sinto aus den Herzen dieser standhaften Nation zu vertilgen. Vielmehr je weiter die Budsosreligion sich ausreitete, desto mehr bemühten sich die Priester der alten Religion, sie durch neue Tempel, Götzen und Fabeln noch zu verstärken und annehmlicher zu machen.

Ich könte auch noch, um die falsche Herleitung der japaner von den Sinesern zu beweisen, die uralten Buchstaben und Charten beider Nationen anführen, welche unter sich nicht die mindeste Aehnlichkeit haben. Die alte grobe gemeine Schrift der Japaner und die einfältigen Thierbilder der Sineser beweisen dies hinlänglich genug.

Eben so sehr sind beide Nationen in ihren ganzen Lebensart, im Essen, Trinken, Schlafen, Kleidung, Haarscheren, Grüßen, Sitzen, und andern bürgerlichen Gebräuchen von einander verschieden. Die Gemütsart beider Völker ist nicht weniger von einander abweichend. Die Sineser sind friedsam, ruhig, bescheiden, lieben ein sitzendes, spekulatives Leben, Arglist und Wucher. Die japaner hingegen sind kriegerisch, geneigt zu Unternehmungen, Empörung, Hofleben u. s. w. der Ehrsucht und jeder Gattung von Ausschweifung ergeben.

Aus allen, was wir bisher angeführt haben, läst sich nun die sichere Folge ableiten, daß die Japaner eine selbstständige originale Nation sind. Diese müste also ohne Zweifel unmittelbar von den babylonischen Völkern nach diesen Inseln ausgezogen seyn; ob es sich gleich nicht bestimmen läst, wie lange sie auf ihrer Reise dahin mögen zugebracht haben. Es ist aber sehr wahrscheinlich, daß sie sich unterwegens bei andern Völkern nicht lange aufgehalten oder wenigstens mit denselben sich nicht vermischt haben, weil sie sonst ihre in der babylonischen Verwirrung erhaltene selbstständige Sprache nicht ohne den Zusaz fremder Worte würden haben erhalten können. Dies sucht man an den Sprachen aller europäischen und auch der asiatischen Völker, welche an der Westseite des Indus wohnen. Man findet keine derselben rein und ohne Zusaz fremder Worte auch oft weit entlegner Nationen. Hat also unsre japanische Nation diesen äußersten Winkel der Erde eben so bald und glüklich, wie der Sineser, Tunkiner und Siamer das ihnen von Gott bestimte Land aufgefunden und erreicht; so ist zu vermuthen, daß sie auf einen solchen Weg und Landstrich bei ihrer Wanderung müsse gekommen seyn, der sie grade und bald an die östlichste Gränze von Asien brachte und ihr daselbst dann den ferneren Weg zu dieser großen Insel vor Augen legte.

Um nun diesem Wege einigermaßen nachzuspüren, muß man sich denken, Erstlich, daß bei der ersten Volksvertheilung, unter denen in ihrer Sprache verwirten und in ihrer Sprache uneinigen Menschen natürlicherweise ein eifersüchtiges Bestreben eintreten muste; da jeder Haufe nicht nur die besten und nahrhaftessten Länder zu erhalten suchte, sondern auch solche, die durch ihre Lage am Meer oder zwischen großen Flüssen oder Gebürgen ihnen die sichersten schienen, um sich in derselben beständigem und erblichem Besitz zu erhalten. Die etwas entlegnern Länder schienen hierin auch einen Vorzug vor den nähern zu haben. Aus diesem lezterm Grund kan man vermuthen, daß die am weitsten entlegne Länder, wenn sie nur einen gemäßigten Himmelsstrich hatten, wahrscheinlich nicht zulezt ihre Bewohner erhielten. Dies findet dann auch bei japan stat, welches zwischen 30 und 40 Grad N. Br. liegt und also ein unvergleichliches Clima haben mus. Zweitens glaub ich, muß man annehmen, daß diese landsuchende Menschen besonders solchen Wegen nachgespürt haben, die ihnen Nahrung für Menschen und Vieh anboten. Und hier war nun das natürlichste, dem Ufer fischreicher Seen besonders aber großer Flüsse entweder aufwärts oder abwärts nachzugehn, weil diese den Menschen ihre Fische zur Speise, ihre grünen Ufer dem Vieh zur Weide und beiden ihr Wasser zum Getränk anbieten. Wahrscheinlich folgten diese ersten Wanderer solchen Flüssen so lange nach, bis sie ein Land fanden, wie sie es wünschten und wo sie sich sicher niederlassen und aufhalten konten.

Da nun die Menschen nach der babylonischen Sprachverwirrung sich in verschiedne Geselschaften vertheilten, und nach allen Seiten in die unbewohnte Welt hineinreiseten, um sie zu bevölkern, so war nichts natürlicher, als daß sehr zahlreiche Haufen von Menschen sich nach den nordwärts gelegnen fischreichen beiden Meeren, dem kaspischen und dem schwarzen wandten. Und so bekamen also die hyrkanischen Gründe zwischen dem Kaukasus und kaspischem Meere, als die anlockendsten Gegenden von ganz Persien, zuerst ihre Bewohner; auf diese folgten ohne Zweifel zuerst die gesegneten Länder zwischen den beiden Meeren. Andre Haufen, die an dem Seeufer bis zu den Mündungen der beiden großen Flüsse Tanais (Don) und Wolga fortzogen, wollen wir immer diesen Flässen nachgehn lassen, bis sie ihren Auffenthaltsort werden gefunden haben. Wir haben es hier vornemlich mit denen zu thun, die sich an das östliche Ufer des kaspischen Meers wandten. Einige Haufen, die hier dem großen Flus Oxus oder Dsjehuun bis zu seiner Quelle nachgiengen, kamen natürlich in das Herz des herlichen und fruchtbaren Indiens, und vermuthlich auch ohne große Mühe bis an den Ursprung des großen Ganges. Hier durften sie nur den verschiednen und sichh weit verbreitenden Armen dieses Strohms nachgehn, um in Bengalen, Pegu, Siam und alle diese Länder eher einzudringen, als wenn sie die noch bis auf den heutigen Tag wüste und ungebahnte maharinnische Gebirge hätten übersteigen, oder auch die dürren Sandwüsten Siftuun oder Sablistuun durchwandern müssen, So pflegt man noch jezt von Ispahan nach Candahar lieber über Mesjhed 375 Meilen in die Krümme, als den geraden Weg von 250 Meilen durch die erwähnten Wüsten zu reisen.

Ehe ich nun aber unsre nach Japan bestimte Kolonie abführe, mus ich noch vorher erwähnen, daß an der Ostseite des kaspischen Meers sich gleich anfangs eine sehr ansehnliche Nation der jezt sogenante Türken und Yusbekan niedergelassen habe. Turk heist ein Viehhirt, und Turkestaan ein Hirtenland; Yusbeck aber bedeutet hundert Herrn, daher Usbeck ein Land, das von vielen großen Herrn regiert wird. Diese beide Völker haben eine Natur, Character, Religion und Sprache und sind daher ohne Zweifel ursprünglich auch nur ein Volk. Man kan dasselbe mit gutem Recht eine Scheidung und Trennung vieler Nationen, eine Mutter tapferer Helden, einen Stambaum großer Monarchen nennen. Dieses Volk hat sich von den Ufern des kaspischen Meers bis an die Gränzen von Kitaija (Sina) zwischen dem 40 und 50sten Grad N. Br. weit ausgebreitet; sich in viele Heerden und republikanische Staaten vertheilt, und sich allenthalben mit der Lebensart beschäftigt, die mit dem Namen zusammenstimt. Von diesen Türken oder Turkmannen sind nun ausgegangen die dagestansche und nagayische Tataren; die tatarische Einwohner des Reichs Casan; hinter denselben die boskarische Tataren; auch die Einwohner der Provinz Mogestaan in Persien, und endlich die in diesem Reiche mit schwarzen Zelten umherziehende Hirten. Auch alle Kisilbaschen, d. I. die Edelleute und vornehmste Familien des persischenn Reichs rühmen sich durchgehends, daß sie aus turkistanischem Geblüt abstammen. Eben so mus man auch die krimmischen Tataren, welche sich am schwarzen Meere zwischen dem Dnieper und Don3 niedergelassen haben, hieher rechnen. Und endlich sind noch eben dieses Ursprungs diejenigen Haufen, welche der große Sieger und Held Sinchis Chan (der nur nicht so berühmt ist, wie Alexander, weil er nicht das Glük hatte einen Plutarch oder Curtius zum Geschichtschreiber zu bekommen) in einem Feldzuge nach Pohlen aussandte, welche, da ihre Unternehmung unglüklich ausfiel, lieber diesen damals noch unbewohnten Pontus zu ihrem Aufenthalt erwählen, als ohne Ehre in ihr Vaterland zurükkehren wolten. Ich erwähne, um mich nicht zu weit zu verlieren, vieler andern Colonien nicht, welche unter fremde Völker in den angränzenden und besonders nordlichen Landen gerathen sind, und deren Geburt durch die fremden Namen, die sie jezt führen, längst in Vergessenheit geraten seyn würde, wenn die noch übrig gebliebenen Worte der alten Muttersprache des Gedächtnis ihres Herkommens nicht noch immer erhielten. So war der weltbekante Tamerlan ein usbekischer Skythe; und selbst der große Mogul, die ottomannischen Kaiser und die sophischen4 Könige sind dieses Geschlechts.

Wir wollen und auch nicht weiter um die Völker bekümmern, die den fischreichen Flus Jaik hinaufgiengen, oder die die Quelle des großen Oby fanden, und an diesem Strohme hinunterwanderten. Wir kommen vielmehr unsrer Absicht näher, und wenden uns zu denen Völkern, welche sich in die östlichen Länder begaben. Hier wollen wir auch weiter nicht untersuchen, welchen Weg die Sineser dahin genommen haben mögen. Vom kaspischen Meer bis an die Gränzen ihres Reichs darf man nur sechs Monate reisen. Jurgen Anderson5 scheint wenigstens mit seiner auf diesem Wege 1647 unternommenen Reise nicht länger zugebracht zu haben. Zween tatarische Kaufleute haben mir in Astrakan folgende Beschreibung ihrer nach Sina gemachten Reise gegeben.

Sie fuhren zuerst von Astrakan über das kaspische Meer (welches sie 200 Meilen lang und 150 breit hielten) bis Seratsjik 15 Tage; von da zu Lande bis Urgenz, der Residenz eines usbekischen Prinzen fünf Tage; durch eine unbewohnte Wüste bis Bochan 15 Tage. Von hier konte man die Reise auf zwei verschiednen Wegen machen. Der eine gieng über Curga, und war damals unsicher. Der andre zog sich durch ein benachbartes Land bis Taarkend 14 Tage; bis Oxiend 7 Tage. Von da bis Kaasker, der Hauptstadt in Turkestaan und dem vornehmsten Orte zwischen Buchara und Kattai ohngefehr 20 Tage.6 Ferner bis zu der ersten Gränzstadt vor Kattai Tsutsjick 30 Tage; bis Hamtsjik 5 Tage; dann durch ein bevölkertes land bis an die Mauern von Kattai oder Sine 60 Tage, und endlich bis zu der Hauptstadt Cambalu oder Pekin 10 Tage. Diese ganze Reise hatte also sechs Monate gewährt.

In Ispahan lernte ich bei dem Gesandten eines kalmuckischen Prinzen an den Kaiser von Persien einen kalmuckischen Kaufmann kennen, der die aus Sina mitgebrachte Wurzel Tai Chuun, d. I. großes gelb oder Rhabarber in Ispahan verkaufte und auch mir feilbot. Ich bat auch diesen, daß er mir seine Reiseroute von Mien Kisi Laag bis zur sinesischen großen Mauer mittheilen möchte, sie war folgende: Von Mien Kisj Laag bis Dsjem 20 Tage; bis Yilgoas, wo man ein großes Wasser passirt, 15 Tage; bis Torgai einige Tage; bis Milantsji 10 Tage; bis Loktan 10 Tage; bis Tsjehrehsu 5 Tage; bis Isjiel 10 Tage; bis Karlah 4 Tage; bis Bulane 6 Tage; bis Karbo Katai 10 Tage; bis zur sinesischen mauer durch zum Theil dürre ungebahnte Gegenden 9 Tage. Hier fand er an einigen Orten herumziehende Hirten, die unter schwarzen Zelten wohnten. - Mien Kisi Laag heist 1000 Winter oder Ruheplätze; es ist eine Insel am Ostufer des kaspischen Meers unter 45 G. N. Br. und die Residenz des Aijukeh, oder des Fürsten der dasigen Kalmucken. Diese haben die Turkmannen oder Türken aus dieser Gegend und vom östlichen Ufer des kaspischen Meers ganz weggetrieben.

Die ersten Sineser, denk ich, haben wahrscheinlich nicht einen so dürren Weg gewählt, wo die Reisenden sehr oft Wasser und Futter für das Vieh mit sich führen müssen. Sie nahmen vermuthlich eine weit südlichere Route bis Nordseite des Gebirges Imaus vorbei, wo das Land fruchtbar und wasserreich ist, und wo sie auch bald auf den großen Flus Croceus oder dessen Aerme stoßen musten, und dadurch dann in das Herz von Sina gebracht wurden.

Um nun endlich unsrer nach Japan bestimten Colonie näher zu treten, so mache ich mir von ihrer Reise ohngefehr folgende Ideen. Wie sie die N. O. Seite des kaspischen Meers oder die Gegend Mien Kisj Laag erreichten, und die daselbst entspringende Flüsse etwas hinaufgiengen; kamen sie endlich in einen gras= und wasserreichen Weg, der sich östlich hinabzog, und in welchem die großen Flüsse Irtisj, Jenesi, Silinga und Arguun ihren Ursprung nehmen. Hier fanden sie es nun natürlich rathsamer, diesen mit einem gütigen Himmelsstrich gesegneten Weg nebst ihrem Vieh zu verfolgen, als sich rechter Hand in die dürren und heißen Länder der jetzigen Turkestaaner zu begeben, oder sich linker Hand in die kalten, nordlichen Gegenden zu wenden. Sie ließen also wahrscheinlich durch die benanten Flüsse sich von ihrem Wege nicht abbringen, sondern überließen es künftigen Geschlechtern sie weiter zu verfolgen. So kamen sie almählig an den See Arguun, der Quelle des wasserreichen Flusses dieses Namens, der sie hundert deutsche Meilen weiter an den großen gerade nach Ost oder Ost=Süd=Ost fließenden Strohm Amur brachte. Diesem giengen sie dann in dieser Richtung etwa noch 200 deutsche Meilen nach, da er sie dann endlich an das östlichste Ufer Asiens und in das gegen Japan hervorstehende unbewohnte Land Corey brachte.

Solten aber unsre Wanderer es sich haben einkommen lassen, den Flus Jenisea hinunter zu gehn; so haben sie vermuthlich nach einer Reise von 150 deutschen Meilen unter 55 Gr. N. Br. einen anderen vielleicht noch bequemern Weg bis zu dem Amurflus angetroffen, dessen sich die Russen jezt mit vielem Vortheil auf ihren Reisen nach Sina zu bedienen pflegen. Man kan sich hierüber am besten aus der Charte von Rusland und der Tatarei unterrichten, welche der gelehrte Polyhistor D. Nicolaus Witsen, Bürgermeister von Amsterdam, und oftmaliger Gesandter an großen Höfen im Jahr 1687 zuerst herausgegeben, und sich dadurch bei der gelehrten Welt so großen Ruhm erworben hat. Mich dünkt, ein Mann, der auf diese Art die Kentnis der Welt erweitert, hat beinahe gleiches Verdienst mit den Entdeckern neuer Länder. Nach dieser Witsenschen Charte hat auch hernach Herr Isbrand Ides eine kleinere Charte entworfen, die er seiner neulich herausgegebnen Reise nach Sina beigefügt hat.

Nachdem wir unre Kolonie nun einmal bis nach Korea gebracht haben, können wir sie mit geringer Mühe und in einigen schlechten Kähnen nach Japan und zwar zunächst nach der hervorstehenden Provinz Nagathe überbringen. Denn man kömt durch die zwischenliegende viele kleine Inselchens sehr leicht auf die Eylande Tsusima und Iki und von lezterer auf das feste Land Japan. Nichts ist ohnedem natürlicher, als daß diese von Natur so stolze und kühne Nation, die auf ihren Reisen oft aus großen Seen sich Nahrung suchen muste und derselben also nicht ungewohnt war, auch hier sich nicht scheuete bei stillem Wetter dies unbekante Meer mit ihren Fischkähnen zu besehen, und die Lage der benachbarten Inseln auszukünden. Und da sie nun wider Vermuthen hier dieses große Land fand, so nahmen sie es gerne zu ihrer Wohnung und festem Sitze an.

Solte Jemand glauben, man könnte die ersten Bevölkerer von Japan durch die östliche Tatarei und Jeso leichter hieher bringen; so habe ich nichts dagegen, und glaube wenigstens annehmen zu können, daß die amerikanischen Kolonien diesen Weg genommen haben. Ohnedem bleibt nunmehr auch gewis, daß unsre nunmehr Angelandete sich nicht an dem nächsten Ufer sogleich werden fest niedergelassen haben. Sie folgten vielmehr ihrer Gewonheit gemäs denselben immer weiter nach, bis sie endlich die äußersten und südlichsten Gränzen erreichten, und daselbst die ebne und fruchtbare Landschaft Isje antrafen. Diese muste nicht nur wegen ihrer sanften Luft, sondern auch wegen ihrer Abgelegenheit sich ihnen desto mehr zur Wohnung empfehlen, da sie hier sich sicherer als anderswo vor den Nachspürungen andrer Haufen glauben konten, die noch Wohnungen aufsuchten. Ich werde in dieser Meinung noch dadurch bestärkt, daß die Japaner selbst bis auf den heutigen Tag die Provinz Isje für die Wohnung ihrer ersten Eltern und Urväter halten, und sie deswegen auch jährlich in heiligen Wahlfahrten besuchen. Dies sind also meine Vermuthungen über den ersten Ursprung der japanischen Nation.

Wir werden ziemlich bei unsrer Materie bleiben, wenn wir hier nun auch noch etwas über den almähligen Wachsthum dieses Volks beifügen. Es hat sich ohne Zweifel viele Jahre durch mit wilden Kräutern, Fischen, Schnecken u. s. w. ernährt, und dann sowol durch eigne Fortpflanzung, als auch viele aus Sina, Corey und andern umliegenden Ländern hinzugekommene Fremde immer weiter vermehrt. Dies ist daher wahrscheinlich, weil die japanischen Jahrbücher in spätern Zeiten und unter der Regierung ihrer Kaiser sehr oft der gelehrten Sineser erwähnen, die ihnen Bücher und Wissenschaften zugebracht haben. Eine solche almählige Ueberkunft der Fremden erklärt es dann aber auch sehr gut, daß so wenig fremde Worte in der japanischen Sprache sich festgesezt haben. Eine so kleine Anzahl von Ausländern konte natürlich nicht Einflus genug äußern; sondern wurde durch die Menge der ursprünglichen Bewohner gewissermaßen verschlungen.

Noch müssen wir bei der Bevölkerung von Japan darauf rechnen, daß an dieser mit der ungestümsten See umgebnen kleinen Welt natürlich sehr oft verschiedne Schiffe antreiben und scheitern musten, und daß die am Leben erhaltne dann fast gezwungen waren, bei den Einwohnern zu bleiben. So werden noch jezt fast jedes Jahr durch Schifbruch Leute an das japanische Ufer angetrieben, die man oft weder an der Gestalt noch an der Sprache erkennen kann; die auch selbst von ihrem Vaterlande und erlittenem Unfalle nichts zusammenhängendes vorzubringen wissen.

Schon vor verschiednen Jahrhunderten, fanden die Japaner, wie die Geschichte meldet, die an der Nordseite Japans gelegne Insel Genkaisima mit Oni oder schwarzen Teufeln besezt, die sie bestritten, vertilgten und das Land mit ihrer eignen Nation besezten. Ohne Zweifel waren diese Schwarze durch Sturm und Schifbruch an diese Insel verschlagen. Sie hatten lange ungebundne Haare, und man fand bei ihnen einen seltsamen fremden Hausrath und unter denselben auch europäische Filzhüte. Die Japaner hielten sie entweder wegen ihrer schwarzen Farbe aus Unwissenheit, - oder auch nach ihrer Art alles fremde zu verachten, für Teufel. Sie pflegen nemlich sehr oft alle andre Länder der Erde außer dem ihrigen Umikokf d. I. Teufelslande zu nennen. Ich glaube indessen aus ihren langen Haaren, Filzhüten und andern Umständen zu errathen, was diese Oni für Landsleute waren, nemlich Maleyer. Denn diese zeichneten sich vor allen andern altasiatischen Völkern durch lange Haare aus, und sind auch die einzige Nation, welche in vorigen Zeiten mit ihren Kaufschiffen nach Osten und Westen, bis in die abgelegensten Reiche von Asien und selbst nach der afrikanischen Küste fuhr, und Handlung trieb. Ihr König hatte sich daher den stolzen Titel: eines Herrn der Winde und Seen nach Osten und Westen beigelegt. Die weite Ausbreitung der maleyischen Nation wird auch dadurch bewiesen, daß noch jezt die Sprache derselben in dem ganzen Asien, soweit es von schwarzen Nationon bewohnt wird, verbreitet, und noch mehr eine algemeine Sprache wie die französische in Europa ist.

Die hohen Filzhüte aber, die man bei den Oni fand, können nirgend anders, als in Europa, gemacht seyn. Schon von den ältesten Zeiten her sind sie an den schwarzen asiatischen Höfen von den hohen Bedienten als Zeichen ihrer Würde getragen, und werden noch jezt von den Königen in Siam, Pegu, Cambodia aus eben der Absicht an ihre Lieblinge und Räthe verschenkt. Sie wurden ehmals aus unserm Welttheil bis Ormus zu Land, und von da durch Maleyer, Armenier und andre ins Innere von Indien gebracht. Nachher brachten die Portugiesen die Filzhüte, (die in Europa jezt nicht mehr gebräuchlich sind) unmittelbar zur See in die indischen Lande. Nun hat es also leicht geschehen können, daß einige dieser Hüte den Gestrandeten aus Genkaisima in die Hände fielen, oder daß auch unter denselben einige Vornehme waren, die sie von ihren Königen als Ehrenzeichen bekommen hatten und mit sich führten.

Noch ein zweites Beyspiel einer durch Zufal geschehenen Bevölkerung erzählt die japanische Geschichte von einigen an der Südseite Japans gelegnen Inseln. Man fand hier nemlich gleichfals schwarze Einwohner, die entweder von den Molucken oder maleyischen Kaufleuten und vermuthlich durch Schifbruch hieher verschlagen waren, und es sich gefallen ließen, dies neue durch das Glück ihnen angewiesene Vaterland zu bewohnen.

Während meines Aufenthalts in diesem Lande und kurz vor demselben sind verschiedne unbekante Schiffe an der japansichen Küste gestrandet. Es musten in diesem Fal alle Personen, sowol die am Leben blieben als die Todten, nebst allem Schifsgeräth und dem Boot, worin man die Ueberbliebnen gerettet hat, nach Nangasacki als dem großen Inquisitionsplatze gebracht werden. Die Guverneurs dieser Stadt müssen alsdenn die unglüklichen auf das allerschärfste und genaueste, besonders nach allen möglichen Umständen der Strandung verhören. Um die Sprache und das Vaterland derselben desto besser ausforschen zu können, werden auch die holländischen Residenten allemal zu diesem Verhör gezogen. Der gegenwärtige hatte die Gefälligkeit auch meine Wenigkeit mit sich zu nehmen.

Die Ueberbringung der Gestrandeten geschieht allemal auf Kosten des Landesherrn, an dessen Ufer sie angeworfen werden; und zur Ehre des Kaisers wird sie mit einem kostbaren und pomphaften Aufzuge vorgenommen. Die merkwürdigsten Beispiele solcher Strandungen während meines Aufenthalts in Japan sind folgende: Eine Junke von Manilhas mit Topasen d. i. schwarzen Christen besezt, strandete an der Provinz Satzuma. Viele waren in der See umgekommen, andre ließen am Ufer ihr Leben, drei retteten es noch einige Zeit, und der lezte starb hier zu Nangasacki im Stadkerker von der Arznei, die ihm die japanischen Aerzte gegeben hatten. Von einem andern an derselben Küste gestrandeten kleinen Schiffe blieben drei schwarze Matrosen am Leben, die kein ander Wort aus: Tobak, vorbringen konten. Sie wurden auf unsre Schiffe gebracht, damit wir sie nur aus dem Lande führen mögten. Noch ein Schif, das an dem Nordufer Japans ohne Manschaft angetrieben war, wurde hieher gebracht. Aus drei verdorbnen sinesischen Charactern, die am Hintertheil eingegraben waren, und der seltsamen Bauart dieses Schifs schlossen die Japaner, daß es von dem äußersten Lande Jeso angetrieben seyn müsse. Ein vor wenig Wochen an der Insel Rjuku zerschmettertes Fahrzeug hinterlies zwei Personen, die nach Satzuma und von da aus gewöhnlichem Respect für den Kaiser mit acht Convoischiffen, die dem Landesherrn einige 1000 Reichsthaler kosteten, nach Nangasacki gebracht wurden. Sie waren große wohlgebildete Leute, nicht sehr schwarz, den Kopf auf polnisch geschoren, ohne Bart, in jedem Ohr drei Löcher. Ihre sitsamen Gebehrden, freyes, ofnes Gesicht, und zierliche Verbeugungen des Körpers gaben zu erkennen, daß sie von vornehmen Stande seyn musten. Und daß sie einen geübten, fertigen Verstand besaßen, wurde dadurch bewiesen, daß sie die großen und kleinen Inseln durch Niederlegung großer und kleiner Steine, nach ihrer Entfernung und Größe, auch mit Ausdrückung der Nahmen, ungemein deutlich zu bezeichnen wusten. Wahrscheinlich aber möchten wohl diese Kenzeichen eines guten Standes und Kopfes diesen armen Menschen ein ewiges Gefängnis zuziehen. Ihre Geburtsinsel nanten sie Patan.

Darf man den Erzählungen der Japaner glauben, so ist die nördlichste kleine Insel Kubitesima noch von einer nach der Gestalt, der Sprache und den Sitten völlig unbekanten Nation bewohnt, welche sie Pygmäen, und nach diesen auch die Insel benennen. Es ist aber schwerlich auszumachen, wie diese besondere und ausgezeichnete Nation hieher gerathen seyn mag. Ich wil nur noch diese Reihe von verschlagnen Schiffen mit dem ersten europäischen, das je in Japan gesehen ist, beschließen. Dies Schif war ein portugiesisches, das gar nicht die Absicht hatte neue Länder zu suchen, sondern durch Sturm an diese damals noch unbekante Küste verschlagen wurde.

Ueberhaupt aber beweiset die so große und sichtbare Verschiedenheit der Gestalt der Japaner in den verschiednen Provinzen des Reichs schon ganz überzeugend, daß in dem ersten Stam dieser Nation nach und nach verschiedne fremde Zweige eingepfropft sind. Denn obgleich die Japaner im Ganzen (vorzüglich aber der gemeine Man auf Nipon) kurze, starke, ziemlich braune Menschen sind, dicke Augenlleder, und deswegen schmal= und kleinscheinende Augen7 auch ziemlich platte Nasen haben und meistens durch die Blattern sehr geschändet sind; so findet man doch bei den edelsten und ältesten Familien, den großen Reichsfürsten und hohen Beamten, gemeiniglich eine bessere Gestalt und eine höhere, der europäischen, mehr ähnliche Nase. Die Landschaften Satzuma, Oosymi und Fjuga bringen mittelmäßig große und starke Menschen hervor, von mänlicher Sprache und Wesen. Von eben der Art sind die Einwohner vieler nordlichen Provinzen, doch sind sie noch viel rauher im Leben und Umgang. Die Osjuer besonders sind grausam und unbarmherzig. Die Einwohner auf Saikokf, besonders in Fisen, sind kleine, zarte, schöne, und sitsame Leute. Die meisten Bewohner der großen Insel Nipon, besonders der östlichen Gegenden, unterscheiden sich durch ihre muskulöse kurze Natur, ihre ungemein dicke Köpfer und ziemlich fleischigte platte Nasen.

Um nun alles, was wir in diesem Capitel weitläufig abgehandelt haben, kurz zu wiederholen; so erhellet aus allem bisher ausgefürten ohngefehrr Folgendes: Wie bei der Babilonischen Uneinigkeit die Gemüter und Sprachen verwirrt wurden, und die Griechen, Gothen, Silaven und Celten nach Europa abreisten; andre sich durch Asien vertheilten und ausbreiteten, wiederum einige bis in Amerika eindrangen: so begaben sich auch um eben diese Zeit die Japaner auf die Reise und kamen vermuthlich nach vieljähriger Wanderschaft und ausgestandnem großen Ungemach endlich in diesen äußerstenn östlichen Winkel der Erde. Durch almähligen Zusaz aus fremden Landen und die zufällige Ueberkunft vieler Ausländer gediehen sie nach und nach zu einem großen Volk, und lebten unter poliarchischer Regierung nach der wüsten tatarischen Hordenart viele Jahrhunderte durch, bis sie endlich einen algemeinen König, nemlich den Dsin Mu Ten Oo über sich erwählten.

Und so mus man also die Japaner nach ihrer Wurzel und ersten Ursprunge für eine selbstständige Nation halten, welche den Sinesern in Absicht ihres Herkommens nichts verdankt. Freilich haben die Japaner ihre Sittenlehre, Künste und Wissenschaften von den Sinesern, wie die Römer von den Griechen bekommen; allein nie nahmen sie weder von dieser noch irgend einer andern Nation einen Ueberwinder oder Beherscher an.



TOPTOP
inserted by FC2 system