Dohm, Christian Wilhelm (ed.) Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Meyer, Lemgo 1777-79.

Internet-Edition by Wolfgang Michel, © Fukuoka, Japan March1998

    

Buch 2, Kapitel 2

Erstes Kapitel.
Namen der Götter, Gottmenschen und Kaiser, welche in den japanischen Chroniken als die ersten Beherscher des Reichs angegeben sind.


Um die Meinungen der Japaner über den ersten Ursprung ihrer Nation, die sie als im Lande selbst entstanden angeben, und die verschiedne Folgen ihrer Kaiser desto begreiflicher zu machen, habe ich nöthig gefunden, die ganze Geschichte und Chronologie von Japan in drei Epochen abzutheilen, die fabelhafte nemlich, die zweifelhafte und die gewisse.
Die erste und fabelhafte Epoche der japanischen Regierung gehet weit über die Schöpfung, wie sie in der heiligen Schrift angesezt ist. Sie geben nemlich vor, daß Japan eine lange Zeit unter der Regierung der sieben himlichen Geister oder unbefleischten Götter, welche sie nennen Ten Dsin Sitzi Dai, das ist, der himlischen Götter sieben Geschlechte, deren jedes eine große Anzahl Jahre regierte, gestanden habe. Diese japanische Götterhistorie ist sehr überhäuft mit sonderbaren und wunderbaren Begebenheiten und großen blutigen Kriegen, welche ihrem Vorgeben nach in diesem ersten Alter der japanischen Welt sich sollen zugetragen haben. Die zwei chronologischen Autoren, welchen ich in Beschreibung dieser Histrorie gefolgt bin, erwähnen nur ihrer Namen mit der Nachricht, daß die drei ersten nicht beweibet, sondern unverheirathet gewesen wären, die vier lezteren aber hätten ein jeder seine Gemalin gehabt, welche zugleich Mitgenossen in ihrer Regierung gewesen, daher auch derselben Namen mit wären aufgezeichnet worden. Von dieser ersten Erbfolge der Götter habe ich bereits Gelegenheit gehabt im siebenten Kapitel des ersten Buchs weitläuftiger zu reden, wohin ich also den geneigten Leser verweise, und nur hier wiederhole, daß der lezte von dieser ersten Erbfolge Isanagi Mikotto seine Gemalin Isanami Mikotto fleischlich erkant, und also ein ander Geschlecht der Halbgötter oder Gottmenschen gezeugt habe, wovon der erste in der Regierung von Japan gefolget sey.
Dieser Halbgötter sind in der Zahl fünf, welche heißen:
Dsi sin Go Dai, das ist: irdischer Götter fünf Herscher, welche in folgender Ordnung regieret haben.
1) Ten sio Dai dsin, ältester Sohn und Erbe von Isanagi Mikotto, für dessen und seiner Brüder und Nachkommen Andenken die Japoneser jedesmal große Ehrfurcht bezeugen. Man sagt, er habe 250,000 Jahre regieret. Sina soll während seiner Regierung von Ten kwo Si, welchem auch eine lange und fabelhafte Regierung beigelegt wird, beherschet seyn, und nach ihm sollen drei Descendenten seines Geschlechts die Herschaft über das Kaiserthum Sina gehabt haben.
2) Oo si wonino Mikotto, lebte und regierte in allem 300,000 Jahr. Zu seiner Zeit, wie auch unter der Regierung seines Nachfolgers bis zum Anfang der Regierung des vierten japanischen Sji sin, hat das Kaiserthum Sina der Sat Teiki beherschet.
3) Ni ni ki no Mikotto regierte 318, 533 Jahr. Die ganze Zeit seiner Regierung war Sat Teiki Kaiser von China.
4) Dé Mi no Mikotto hat regieret 637, 892 Jahr. China wurde zu der Zeit regieret durch den Kaiser Katsura Kaki, welchem fünf Prinzen von seiner Familie gefolget sind.
5) Der fünfte und lezte dieser irdischen Halbgätter war Awa se dsuno Mikotto; er regierte 836, 042 Jahr, daß also die ganze Zeit der Regierung, worin diese irdische Halbgötter das japanische Reich beherschet haben, sich beläuft auf 2,342,467 Jahr. Dieses ist alles, was die Japaner von dem alten Zustande und der Regierung ihre Reichs vorzubringen wissen, worüber kluge Japaner selbst sehr empfindlich sind, und es als eine Sache ansehen, die großem Zweifel und vieler Ungewisheit unterworfen ist, wiewol sie doch nicht alles ganz fabelhaft und erdichtet halten, weil alle, ohne Ausnahme, eine besondere Hochachtung vor Isanagi und dessen Gemalin Isanami, als Stamältern ihres Volks, bezeugen, indem diese, wenn es erlaubt ist so zu reden, ihr Adam und Eva sind.
Die Rechte, welche das Geschlecht der geistlichen Erbkaiser in Japan zur Krone und Regierung berufen, und welcher sie sich frei und ungehindert während einer viele Jahre fortdauernden Erbfolge erfreuet haben, sind auf eine in gerader Linie von Ten sio Dai dsin des Isanagi erstgebornem Sohn und Erben, und immer dessen ältestem Sohn, und so weiter herunter herrührenden Abstammung gegründet. Es ist daher kaum eine Stadt oder Dorf im ganzen Kaiserthum, worin nicht ein oder etliche Tempel zu seinem Andenken aufgerichtet wären, und wird besonders seiner Residenz, dem Vorgeben nach in der Provinz Isje, solche Heiligkeit zugeschrieben, daß zu gewisser Jahrszeit das Volk von allerlei Range, Hohe und Niedrige, Reiche und Arme, dahin wie Pilgrimme walfahrten, wovon ich im vierten Kapitel des dritten Buchs ausführlicher reden werde.
Was die zweite und zweifelhafte Epoche betrift, so ist wenig bekant von dem Zustande dieser Länder und der Lebensart der Einwohner von Anfang der Schöpfung, da nach der Beschreibung des großen Gesezgebers Misis das allerhöchste Wesen diese unsere Erdkugel aus nichts hervorgebracht hat, bis zur Zeit ihres ersten Monarchen Sin Mu Ten Oo, dessen Regierung sich im 660ten Jahre vor unsers Heilands Christi Geburt sol angefangen haben. Wenigstens ist wahrscheinlich, daß sie in dieser langen Zeit, oben und unten im Lande, wie die scytischen Einwohner der großen Tatarei noch heutiges Tages, zerstreuet in Horden, und von den übrigen Völkern der Welt durch ein felsichtes und ungestümes Meer, so ihre Insuln umgiebt, ganz abgesondert im Stande der Natur und Freiheit ohne festgesezte Regierungsform und ohne alle Künste und Wissenschaften, gelebt haben.
Das benachbarte Königsreich oder Kaiserthum China war damals bereits zu einer beträchtlichen macht und Aufklärung angewachsen. Es blühete in Künsten und Wissenschaften, welche auch nach Japan durch die Chineser überbracht wurden, und die Japaner verdanken es allerdings diesen, daß sie schon bei Zeiten cultivirt und civilisirt wurden.
Da sie nun auch von diesen ihren Nachbaren in den Grundsätzen einer monarchischen Regierung unterrichtet waren, so ist wahrscheinlich, daß sie sich mit destomehr Willigkeit unterworfen haben, als Sin Mu Ten Oo über sie zu regieren anfieng, insonderheit da dieser Prinz von einer unter ihnen beliebten und heilig gehaltenen Familie entsprossen war. Zu eben dieser Zeit, damit eine so ansehnliche Periode in ihren chronologischen Büchern nicht leer bliebe, haben sie die Lücke mit denen Namen der ansehnlichsten Monarchen angefüllet, welche nach der von Katsura Kuki niedergelegten Regierung nebst fünf andern von der Familie auf dem Thron von China gesessen haben sollen.
Der erste chinesische Kaiser, von welchem in diesem zweiten Alter Meldung geschieht, ist Fuki oder mit seinem ganzen Tittel Tako Fuki, welches die Chineser Fohi aussprechen. Dieser Fürst hatte nach einiger Bericht einen Schlangenleib, und nach andrer Meinung ein Schlangenhaupt und einen sehr hohen Verstand. Er entdekte die Bewegung der Himmel und die zwölf himlischen Zeichen, und theilete die Zeit in Monate und Jahre ein; erfand viele nüzliche Künste und Wissenschaften, welche er der Welt zum algemeinen Nutzen der Menschen mittheilte. Die Chineser machen ihn zu ihrem ersten Kaiser und Grundleger ihrer Monarchie, und viele unter ihnen geben vor, daß sie von dessen Regierung bis auf gegenwärtige Zeit eine ganz genaue und ununterbrochene Geschichte ihres Kaiserthums aufweisen können, nebst einer wahrhaften chronologischen Erbfolge ihrer Kaiser, welche vor dieser Zeit ganz zweifel= und fabelhaft gewesen sey. Der erwähnte Kaiser sol nach einem meiner japanischen Geschichtschreiber 20,446 vor Symnu oder 21,106 Jahr vor Christi Geburt, und also viele 1000 Jahre vor der Schopfung zu regieren angefangen haben. Ihm gebührt aber eigentlich in dieser andern Periode keine Stelle, sondern er solte billiger in die erste und fabelhafte Zeit versezt werden. Mein anderer chronologischer Autor sezt den Anfang seiner Regierung mit mehr Wahrscheinlichkeit in das 2928te Jahr vor Symnu, welches ist das 3588te vor Christi Geburt oder nach Petavio das 396te Jahr nach der Schöpfung. Er hat nach einem Autor 110 und nach einem andern 115 Jahr regiert. Da ich den leztern Autor in vielen Sachen weit accurater als den ersten gefunden, so habe ich demselben zu folgen auch hier für besser gehalten. Der ehrwürdige Pater Couplet sezt in der Vorrede seiner chronologischen Tabellen den Anfang der Regierung des Fohi in das 2953te Jahr vor Christi Geburt, welches unsers Heilandes Geburt 520 Jahr näher komt, und die Zeit ist, in welcher Xinnum und die sieben Descendenten seiner Familie auf dem chinesischen Thron gesessen haben.
Der andere chinesische Kaiser war Sin Noo, welches die Chineser Xin Num oder Sinnum aussprechen, mit seinem völligen Titel aber Jen Tai Sin Noo Si. Einige Autoren fangen die chinesische Chronologie mit der Regierung dieses Kaisers an, welcher zu der Regierung gelangte im Jahr vor Symnu 2549, welches ist das Jahr vor Christi Geburt 3209, oder nach des Petavii Zeitrechnung 775 Jahr nach der Schöpfung. Dieser durchlauchtige Prinz war dem ägyptischen Serapis gleich, da er die Menschen im Ackerbau und denen Künsten, welche unser Leben zu erhalten dienen, unterrichtete, aus welcher Ursach er von einigen mit einem Ochsenkopfe, von andern aber nur allein mit zwei Hörnern an seinem Vorderkopfe vorgestellet worden ist. Er hat die Kraft und Eigenschaft einiger Pflanzen entdecket und hat dieselbe der Welt in einem Tractat mitgetheilt, den er besonders an seine Unterthanen geschrieben udn gerichtet hat. Sein Bildnis wird unter den Chinesern in sehr hohem Werth gehalten; die Philosophen und Naturkündiger haben es in einem der besten Gemächer ihrer Häuser aufgehangen, mit Laub oder eine Pflanze im Munde, woran er riecht. Er regierte 140 Jahr und hat sieben Nachkommen seines Geschlechts zu Nachfolgern im Reiche gehabt, also daß die Regierung in seiner Familie 520 Jahr gewähret hat.
Nach der Absetzung des lezten Kaisers aus diesem Hause kam Xin Num Kwo Tai, oder nach der chinesischen Redensart Hoam Ti, und mit seinem vollen Titel Hon Tai Jun Hin Si, zur Regierung. Die chinesische Geschichtschreiber glauben einhellig, daß dieser Prinz in China regiert habe, und diejenigen, welche die Wirklichkeit der vorhergehenden Regierungen in Zweifel ziehen, fangen die Historie und Zeitrechnung des chinesischen Kaiserthums mit der Regierung des Hoam Ti an. Er machte den Anfang seiner Regierung im Jahr vor Symnu 2029, oder vor Christi Geburt 2689, oder nach dem P. Couplet (welchem Doct. Menzelius genau folget) 2697. Er war nur eilf Jahr alt, als er zur Krone kam. Während seiner Minderjährigkeit wurde daher das Kaiserthum von weisen und klugen Räthen verwaltet, welche denn auch großen Fleis anwanten den jungen Prinzen so zu erziehen, wie es einem großen Monarchen anständig ist, der in allen nutzlichen Künsten und Wissenschaften billig unterrichtet seyn mus. Die Chineser geben es für eine gar nicht zu bezweiflende Wahrheit von diesem Kaiser aus, daß er die Kunst des Pulsfühlens gewust, dieselbe nemlich von seinen Lehrmeistern erlernet, und nachmals sie der Welt kund zu machen, befohlen habe. Er regierte 100 und lebte 111 Jahr; es folgten ihm fünf seines Geschlechts in der Regierung nach, bey welchen das Reich 313 Jahr geblieben ist.
Unter den fünf Prinzen, Hoam Tis Nachfolgern, war Tai Sio oder nach der chinesischen Mundart Ti Gao, der allervortreflichste. Er war ein großer Sesin, das ist, ein in verborgenen Künsten und Wissenschaften unvergleichlich erfahrner Man, und dabey ein recht tugendhafter Fürst und Vater seines Landes. Sein Tod wurde überal von seinen Unterthanen beklagt, welche auf die Trauer fast drei Jahr verwanten. Er kam zur Regierung im Jahr vor Symnu 1697, vor Christi Geburt 2357, regierte 73 und starb unter der Regierung seines Nachfolgers im 118 Jahr seines Alters. Ob er gleich zwölf Kinder, nemlich zehn Söhne und zwei Töchter hatte, überantwortete er doch die Krone und Regierung seines Kaiserthums einem ehrlichen und weisen Hausvater, an welchen er auch seine zwo Töchter vermählte.
Tei Sijun oder nach andrer Aussprache Gu und nach chinesischer Ju Ti Sijun oder Ju Ti Xun, war Ti Jaos Schwiegersohn und Nachfolger, regierte 28 Jahr mit Ti Jao und 30 Jahr alleine, in allem 61 Jahr. Mein Autor setzet den Anfang seiner Regierung ins 1634te Jahr vor Symnu, welches das 2294te vor Christi Geburt ist. Während seiner Regierung war eine große Sündfluht in China, welche viele Provinzen überschwemte und eine große Anzahl Einwohner ersäufte. Das Land war an einigen Orten noch einige Jahre unter Wasser. Uu und mit seinem vollen Titel Katewu, das ist, Kaiser Uu von dem Geschlecht Ka, oder wie die Chineser pronunciiren Ju, von dem Geschlechte Hia, regierte 17 Jahr mit dem Kaiser Tei Sjun, und 10 Jahr nach dessen Tode in allem 27 Jahr. Er wurde gekrönet im Jahr vor Symnu 1573 vor Christi Geburt 2233. Dieser Kaiser lies Canäle und Flüsse abstechen, das Wasser nach der See abzuführen, welches einen großen Theil von China unter der Regierung des Kaisers Yao überschwemte. In dieser mittelmäßigen künstlichen Tiefe erhuben sich nun die Flüsse, und das Land wurde von der Ueberschwemmung befreiet. Un lebte gegen 100 Jahr, und hatte eilf aus seinem Geschlechte zu Nachfolgern im Reiche, welche 431 Jahr regierten, so daß die Krone bei dieser Familie 458 Jahre blieb. Der lezte von diesem Geschlechte war wegen seiner ungmeinen Strenge berüchtigt. Denn er regierte sehr grausam über seine Unterthanen, und lebte mit solcher Verschwendung, daß er durch 2000 Man eine See graben und mit chinesischem Biere füllen lies. Man sagt auch, daß er einen Thurm vom Gold und Edelsteinen für eine seiner Maitreffen erbauet habe. Im 52ten Jahr seines Alters wurde er abgesezt und verjagt.
Sioo Sei Too, das ist König Too von der Familie Sioo oder König Tam von der Familie Ksjam kam zum Regiment vor Synmu 1106, vor Christi Geburt 1766, als er 87 Jahr alt war. Er regierte 13 Jahre und starb im 100ten Jahr seines Alters. Unter seiner Regierung war eine große Hungersnoth in China, welche das Land sieben Jahr drukte, gleich der in Aegypten so merkwürdigen Hungersnoth, davon in der heil. Schrift Meldung geschieht. Ihm folgten 27 Prinzen seines Geschlechts in der Regierung nach, welche in allem 631 Jahr regierten, so daß das Kaiserthum bei dieser Familie 644 Jahre geblieben ist. Der lezte dieses Hauses war ein großer Tiranne, aus welcher Ursach die Fürsten, seine Unterthanen, Krieg und Aufruhr wieder ihn erregten; da sie ihn sehr in die Enge getrieben hatten, legte er Feuer in seinem Pallast an, und verbrante sich selbst mit seiner Familie und allen seinen Hausgenossen, und hinterlies das Reich dem Sieger. Siu no Bu O, das ist Kaiser Bu von der Familie Siu, oder nach chinesischer Mundart Uu Vam, von der Familie Sjeu; er kam zur Krone 460 Jahr vor Synmu und 1122 vor Christi Geburt, regierte sieben Jahr, und hatte 37 Nachfolger in der Regierung von seinem Geschlechte, bei welchem die Regierung den japanischen Geschichten zufolge 868 Jahr geblieben, das ist, bis auf das 255te Jahr vor Christi Geburt, und 206 Jahr nach Synmu. Unter Soowoo nach der Chineser Aussprache Sjoo Vam dem vierten Kaiser von dieser Familie im 22ten Jahr seiner Regierung, welches war das Jahr vor Synmu 367, vor Christi Geburt 1027, am achten Tage des vierten Monats, wurde der große Heidenprophet Sjaka in Indien gebohren, welcher von seinen unvergleichlichen Eigenschaften nachher genant ist Fo oder Fotoge, das ist Gott und bei den Chinesern Sitjun, das ist, der Große und Volkommene. Seine Lehre wurde von seinen Jüngern zuerst in einigen Gegenden von Ostindien ausgebreitet. Er starb im 79ten Jahr seines Alters, im Jahr vor Synmu 289, vor Christi Geburt 949.
Und dieses ist denn Alles, was ich von der zweiten zweifelhaften Zeitperiode der Japaner Bemerkenswürdiges habe auffinden können.

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