Dohm, Christian Wilhelm (ed.) Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Meyer, Lemgo 1777-79.

Internet-Edition by Wolfgang Michel, © Fukuoka, Japan March1998

    

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II.

Beweis, daß im Japanischen Reiche aus sehr guten Gründen den Eingebornen der Ausgang, fremden Nationen der Eingang, und alle Gemeinschaft dieses Landes mit der übrigen Welt untersagt sey .


1.

Man kan es vielleicht als ein Laster ansehn, die kleine Welt, welche wir bewohnen, und als ein recht grobes Verbrechen, die menschliche Geselschaft auf derselben zu trennen? Der scheint den Urheber der Natur selbst zu tadeln, der die Scheidung seines Werks predigt. Wir Menschen sehn alle eine Sonne, treten alle eine Erde, athmen eine Luft; keine Gränzen der Natur, keine Gesetze des Schöpfers trennen uns von einander. Sollen wir zu einem geringern Glük, als Störche und Schwalben, geboren seyn? Ist nicht unsre edle Seele ein Theil des Allerhöchsten und freiesten Wesens? Ist es nicht schändlich, diesen Geist, der schon in einem Körper eingeschlossen und gefangen ist, auch noch in den Kefig eines Landes beschränken zu wollen. Selbst die durch den weiten Aether zerstreuete Gestirne beweisen dieses. Viele glauben nemlich, daß alle diese schöne Welten nicht ganz nakt und umsonst, fonsern mit mancherlei Arten von lebendigen Geschöpfen geschmükt sind, welche den ersten Urheber aller Dinge lobten, noch ehe der Grund unsrer Erde gelegt war, wie Gott selbst sagt, beim Hiob Cap. 38. Jeder, der sich von den Fesseln der Schule etwas befreiet, zu erhabnen Betrachtungen seinen Geist aufgeschwungen hat, wird kein Bedenken tragen, sich folgende Vorstellung zum Lobe Gottes zu machen. Die großen Weltkörper seyen gleichsam Städte, deren lebende Wesen durch einen undurchdringlichen Zwischenraum von ganz verschiednen Elementen getrent sind. Dagegen wären die, welchen der höchste Baumeister nur ein Wesen und eine Substanz gegeben, auch in die Gränzen einer Welt, wir in die Ringmauern einer Stadt eingeschlossen, bestimt in einem ewigen Bunde vereinigt zu leben, den man ohne schändliches Verbrechen nicht zerreißen könne. Man siehet auch, daß dieser kleine Erdkörper nach dem Gefallen der höchsten Weisheit zum gemeinschaftlichen Vaterland aller Menschen ausgewählt sey, weil er nicht alle mannichfaltige Güter der Natur, Pflanzen, Metalle, Thiere, in allen Ländern hervorbringt; sondern zum gemeinen Nutzen und Bedürfnisse sie in alle vertheilt enthält, damit die Bewohner dieser verschiednen Länder desto genauer mit einander verbunden seyn möchten, und damit ihnen gegenseitige Hülfe und geselschaftliche Verbindung zum Bedürfnisse gemacht würde.
Hic segetes, illic veniunt felicius uvae, India mittit ebur, molles sua Thura Sabaei.
Wie bundbrüchig ist also die Japanische Nation, welche, uneingedenk der Einrichtung ihres Schöpfers und des Gesetzes der Natur, sich nicht scheut, diese heilige menschliche Geselschaft auf die schändlichste Art zu trennen. Wenn die Japaner die Thüren ihres Reichs vor dem Zugang und Gemeinschaft aller Ausländer verschließen und verriegeln; wenn sie die Fremden zurükstoßen, und die wenigen Zugelassenen feindlich bewachen; wenn sie ihre Eingebornen innerhalb ihren Ufern gefangen halten; wenn sie die durch stürmisches Meer an fremde Küsten Geworfne, als strafbare Flüchtlinge, zu ewigem Gefängnis verdammen; die aber, welche wirklich des ewigen vaterländischen Himmels äberdrässig, oder begierig, einmal zu sehn, was jenseit des Meers ist, zu entfliehen suchen, aus Kreuz schlagen; Fremdlinge, die durch Sturm und Wetter an ihre Käste geworfen worden, zu Gefangnen machen: wenn, sagt man, die Japaner so handeln, verletzen sie denn nicht auf eine strafbare Art das heilige Gesez der göttlichen Ordnung und der Natur? Solte jemand etwa mit diesen Gründen meinen Saz zu bestreiten suchen, wie ich höre, daß es von einigen der neuesten Weltweisen geschieht, so werde ich ihn zwar in seinem Reisonnement nicht unterbrechen. Indes ließe sich doch allenfals einwerfen: Es habe nun doch einmal der göttlichen Weisheit so gefallen, daß die Nationen, welche diese Erde bewohnen, durch Sprachen, Sitten und Fähigkeiten von einander getrent und geschieden seyn; auch sey diese Erde ganz sichtbar nicht zur Wohnung eines, sondern mehrerer Völker eingerichtet; ihre verschiednen Theile durch Flüsse, Meere und Berge, und noch mehr durch ganz verschiedne Climata, als wahre Naturgränzen, von einander geschieden, und also dadurch recht dazu gebildet, Bürger von ganz verschiednen Fähigkeiten zu beherbergen. Und hat nicht Gott selbst, als die Menschen nach der Sündfluth sich in eine Geselschaft verbinden wolten, sie durch die Verschiedenheit der Sprachen von einander geschieden? offenbar in der Absicht, daß die völlige Gemeinschaft Aller aufgehoben, und die einzelnen Länder von so vielen einzelnen Völkern solten bewohnt werden? Alle also, die nach und nach in eine geselschaftliche Verbindung und zu einer Sprache vereinigt sind, beneiden und hassen natürlich ihre Nachbarn von ganz verschiedner Sprache. Wenn ja Monarchen weitläufige Reiche stiften wolten, und es wagten, über die ewigen Gränzen der Natur sich wegzusetzen, so haben sie fast immer den einen Theil ihres Reichs durch Aufstand verloren, wenn sie sich bemühten, in einem andern ihre Macht fest zu gründen. Große Staatskörper werden so wenig durch die vereinigte Kraft vieler Völker erhalten, daß sie vielmehr bald durch ihre eigne Last in viele kleine Staaten zersplittert werden, und denn mit beständiger Abneigung und Has gegen einander streben. Hätte die Natur alle Länder so mit allen Gegenständen der Bedürfnisse versorgt, daß alle Begierden in den Herzen der Menschen befriedigt, jedes Volk innerhalb seiner Gränzen zufrieden wäre; so würden nie Häuser und Städte zerstört, nie Menschen geschlachtet, nie Länder verwüstet, heilige und weltliche Wohnungen niedergerissen, so würde nie so unsägliches Unglük erduldet seyn. Vielmehr würden dann die Völker durch fremde Beschäftigungen weniger zerstreuet, ihre öffentlichen Angelegenheiten so wie die Privatgeschäfte besser besorgen, die wüsten und verlassenen Gegenden ihres Vaterlandes anbauen, in Wissenschaften, mechanischen Künsten und Tugenden mit mehr Nacheiferung und Fleis sch ausbilden; Strafen und Belohnungen billiger vertheilen; der Kinderzucht und aller häuslichen Geschäfte fleißiger abwarten, und, damit ich mit einem Worte alles sage, sich nach dem Beispiel der Japaner zu dem hohen Gipfel der glükseligsten Verfassung erheben. Ich sage nach dem Beispiel der Japaner, die ganz in ihre kleine Welt eingeschlossen, der allerheitersten Mäßigung und Seligkeit genießen, die ganz ruhig die Gemeinschaft mit den benachbarten Nationen, ja mit der ganzen übrigen Erde entbehren. Niemand wird leugnen, daß die Gemeinschaft zwischen verschiednen Ländern nur zu Erhaltung aller Dinge errichtet sey, die entweder für die Nothdurst des Lebens oder für die Bequemlichkeit und den Luxus Bedürfnisse sind. Ein Volk holt von dem andern Gesetze zu Einrichtung seines Staats, Religion zur Beruhigung des Gewissens, Wissenschaften zur Ausbildung des Geistes; mechanische Künste zur Nothdurst oder zum Glanz des Lebens; Produkte zum Unterhalt oder zur Kleidung, Arzneien zu Erhaltung der Gesundheit. Wenn dies der Grund aller Verbindung unter den Menschen ist, so folgt, daß derjenige Staat, dem die gütige Natur alle Arten von Bedürfnissen reichlich geschenkt hat, und der durch seiner Bewohner lange und fleißige Arbeit aufs volkommenste ausgebildet ist, nicht nur wohl thue, sondern auch verbunden sey, seine Bürger und seine Gränzen vor den Lastern, der Gierigkeit, dem Betruge und den Waffen der Fremden zu sichern von denen er nichts bedarf; wenn nur die Lage und übrige Beschaffenheit des Landes eine solche Scheidung erlaubt, und die Bürger des Staats mächtig und tapfer genug sind, um sie zu bewirken. Daß Japaner vor allen übrigen Ländern der Erde mit diesen Vortheilen beseligt sey, wird jedem einleuchten, wenn ich eine kurzu Beschreibung desselben gebe, so weit sie hier zu meinem Zwek hinlänglich ist.

2.

Japan, bei den Eingebornen Nipon, d.i. in der Sonnen Feste, heist diejenige Insel, welche den Europäern zuerst vom Marko Polo, einem Venetianer, unter dem Namen Zipangri (Ein Wort von unbekantem Ursprung) bekant gemacht ist. Es besteht aber dieses Reich nicht aus einer Insel, sondern aus mehrern, die, wie Grosbritannien, durch viele enge Oefnungen des Oceans von einander getrent sind, und im entlegensten Osten liegen. Die Natur hat dieses Reich mit einer unbezwinglichen Schuzmauer umgeben, und gleichsam unüberwindlich gemacht, da es allenthalben von einem für die Seefahrer feindseligen Meer umflossen ist. Dieses schäumt den grösten Theil des Jahrs durch, seine widerstrebenden Wellen und Stürme sind allen den Schiffen entgegen, die von Süden herkommen, und lassen unsere Flotte nur in wenigen Monaten zu. Die sehr steilen Ufer stoßen an ein eben so felsigtes Meer, und sind über einen Ankerwurf sehr untief. Für große Schiffe ist auf der ganzen Insel nur eine Anfuhrt in dem Busen der Stadt Nangasacki; aber der Zugang zu derselben ist sehr eng, hat viele Krümmungen, und einen Labyrinth von verborgenen und hervorstehenden Klippen, die selbst den erfahrnen Seefahrern gefährlich sind. Wenn mehrere Häfen seyn solten, so werden sie uns doch bis izt verborgen gehalten, und ihre Offenbarung ist sogar bei Lebensstrafe verboten. Ich wil nichts sagen von der Gefahr, welcher man im hohen Meer ausgesezt ist, besonders bei der Insel Formosa und den Liquejischen Eylanden. Diese ist so gros, daß ehmals (wie das Meer in der Gegend noch nicht genug bekant war) die Portugiesen iene Seereise hieher glüklich nanten, bei der von drei Schiffen eines wohlbehalten zurükkam. Die Zahl der Einwohner von Japan scheint allen Glauben und den Umfang des Landes zu übersteigen: sehr oft hängen sehr viele Dörfer in ununterbrochner Reihe mit einander zusammen; so wie man aus dem einen herauskömt, trit man sogleichins andre, und so laufen an einander gebauete Häuser nur unter veränderten Namen viele Meilen lang fort. Auch giebt es hier eine Menge Städte, deren vornehmste ungeheuer gros und ganz dicht bebauet sind. Die eine, welche von dem in derselben sich aufhaltenden obersten Priester Kjo oder Miaco, d.i. die Stadt oder Hauptstadt, heißt, ist in der Figur eines regulären Viereks gebauet, und hat ganz regelmäßige Straßen. Ihre Länge kan man kaum in drei Stunden, und ihre Breite in zwei Stunden durchgehn. Die kaiserliche Residenz und stadt Jedo hat einen solchen Umfang, daß man sie mit Recht die größte auf der Erde nennen kan. In der That haben wir einen ganzen Tag zugebracht, ehe wir eine krumme mitten durch die Stadt laufende Gasse dieser Stadt von der äußersten Vorstadt Sinigawa an bis zu Ende in mäßigem Schrit durchreiten konten .
Es fehlt diesen Einwohnern nicht an Kühnheit, oder sol ich es Tapferkeit nennen? Mit edler Verachtung des Lebens und stoischem Muthe scheuen sie sich nicht, an sich selbst Hand zu legen, so ost sie von Feinden überwunden oder unfähig sind, irgend eine erlittene Schande zu rächen. Wenn man die Geschichte ihrer bürgerlichen Kriege ließt, so mus man die ausnehmende Kühnheit bewundern, mit der sie ihre Tapferkeit in den vorigen Jahrhunderten gegen einander geübt haben. Hier findet man an den Jositzne, Kijomori, Kusnoki, Abino Nakimar und unzählig andern Japanischen Helden Mutios, Scävolas und Horatier genug.
Ich wil nur ein Beispiel der kühnen Japanischen Handlungsart anführen, das in Gegenwart unsrer Holländer und noch nicht vor langer Zeit (im J. Chr. 1630) von sieben Jünglingen aus der Provinz Satzuma gegeben ist. Aus derselben war ein kleines Schif zum Handel auf die Insel Formosa gekommen (denn damals war diese Insel noch nicht von den sinesischen Flüchtlingen eingenommen, und Japan auch noch nicht verschlossen), dessen Manschaft der holländische Befehlshaber, Peter Nuits, vielleicht zur Vergeltung des von ihnen erlittenen Unrechts, hart behandelt hatte. Das Gefühl der Ehrfurcht für ihren Regenten erlaubte diesen Leuten nicht, die Schande zu verschweigen, die aus einer solchen Beleidigung für ihn entsprang, und er selbst wurde auf das äußerste durch diese Nachricht aufgebracht. Da er indes nicht im Stande war, sich zu rächen, vorzüglich für ein von dem Nan Banj, d.i. dem Pöbel aus Süden, (so einen geringschätzigen Namen führen wir in diesem Lande) erlittenes Unrecht, so schien es nicht, daß er isch dagegen zu äußern wagte. Dies brachte die Jünglinge auf, sie giengen zu ihm und redten ihn ohngefähr so an: “Wir wären nicht würdig, deine Leibwacht zu seyn, wenn du uns nicht erlaubst, auch deine Ehre zu rächen; wir wollen ihren Flek mit dem Blut des Beleidigers auslöschen, und nach deinem Befehl entweder sogleich das verbrecherische Haupt von seinem Körper trennen oder ihn dir lebendig herbringen, und dir selbst überlassen, ihn zu zerfleischen. Unserer sieben hier von deinen Leuten sind genug. Unsern wüthenden Eifer sol nicht das schäumende Meer aufhalten, nicht die Vestung, nicht die geharnischte Leibwache. Jene sind nur Nan Banj, wir aber das göttliche Geschlecht Nifon sin, d.i. Japaner, oder nach der Bedeutung, Menschen auf der Welt unter der Sonne.” Da diese aufgebrachte Jünglinge nicht aufhörten, um die Erlaubnis, ihr Unternehmen auszuführen, dem Fürsten anzuliegen, so erhielten sie dieselbe endlich. Ihre kluge Kühnheit hatte auch einen glüklichen Ausgang. Sie kamen in ihrem Schiffe glüklich auf die Insel, wurden, um ihr Compliment abzulegen, zugelassen, zogen ihre Wurfspieße hervor, und führten denn den holländischen Befehlshaber am hellen Tage, mitten duch seine Wachen und in Gegenwart vieler Zuschauer, in ihren Kahn. Kein Soldat, kein Hausbedienter unterstand sich, diesen Leuten entgegen zu treten, die so ganz unerwartet und so kühn ihren Befehlshaber entführten, und die dem grauen Haupte desselben mit dem Schwerdte drohten, wenn Jemand ihnen denselben zu entreißen wagen solte. Man wird auch eine nie zu ermüdende Standhaftigkeit bei einer Nation nicht vermissen, welche Liebe, Has und Krieg bis auf die spätesten Nachkommen fortpflanzt, und nur durch die gänzliche Vertilgung der andern Parthei befriedigt werden kan. Noch trift Japan von dem Norden des vorigen Jahrhunderts, mit dem die beiden feindlichen Familien Feki und Gendsi bis zu ihren spätesten Nachkommen gegen einander wütheten, da die leztern, welche Sieger waren, nicht eher die Waffen niederlegten, bis der Name der Feki ganz ausgerottet war. Denn izt sind aus diesem erlauchten Geschlecht nur noch einige wenige übrig, die sich auf die unzugänglichen Gebürge in der Provinz Bongo geflüchtet haben, wo sie, mehr Faunen als Menschen ähnlich, ihren Namen und alle menschliche Sitten vergessen haben, und in Hölen leben, wie man noch neulich erfahren hat.
Von auswärtigen Feinden ist der kriegerische Muth der Japaner weniger beschäftigt worden. Diese grosmüthige und unbesiegte Nation ist von ihnen selten angefallen, niemals aber überwunden und fremde Gesetze anzunehmen gezwungen worden. Vor izt tausend Jahren unter der Regierung des Kaisers Kwan Muu schikte der Abgrund der Tartarei (die Griechen haben dem Lande diesen Namen gegeben wegen seines weiten Umfangs apo tV TartarV nicht vom Flusse) große Heere an das Japanische Ufer aus, ein Feind, der ganz unerwartet sich eindrang, und nicht so leicht wieder vertrieben werden konte. Denn so oft er auch durch wiederholte Niederlagen etwas geschwächt wurde, so wuste er sich doch immer wieder durch eine herübergekommene Truppen zu verstärken; und so dauerte bis in das funfzehnte Jahr (nach christliche Zeitrechnung des J. 790) eine ununterbrochne Folge vom Kriege und Schlachten fort, bis endlich in einer stürmischen Nacht (dies sind die eignen Worte der Japanischen Annalen) der gröste der Götter Quan non oder Quan wonj, (der Briareus dieser Nation Poluceir) mit seinen zahlreichen Händen (seiner großen Macht) die feindliche Flotte versenkte, und am folgenden Tage der durch diesen göttlichen Beistand ermunterte Japanische Held Tamaramar seine Truppen gegen die fendliche Macht führte, und da ihre Angelegenheiten in der grösten Verwirrung waren, und sie alle Hofnung des Siegs verloren hatten, sie in der Flucht einschlos, und dermaßen schlug und ganz vertilgte, daß auch nicht einer übrig blieb, der von der erlittenen Niederlage hätte Nachricht in sein Land bringen können . Mit gleicher Standhaftigkeit hielt Japan im J. 1281 unter der Regierung des Goouda, den Angrif des wüthenden tatarischen Heerführers Nooko aus. Denn da dieser dem tatarischen Ueberwinder von Sine Sji Su auch die Herrschaft dieses Reichs erringen wolte, und mit 4000 Schiffen und 240,000 Bewafneten (die Sineser sagen 100,000) die Japanische Küste anfiel, so wurde er mit gleichem Glük gänzlich vertilgt . Niemals wurde Japan härter angefallen, niemals genos es triumphirender der Frucht eines großen Sieges als in diesen beiden Fällen. Und gewis wird niemals irgend eine Nachwelt erfahren, daß es diesem Volk im Kriege an Klugheit, Munterkeit, Ordnung und Gehorsam fehle, ohngeachtet der Ruhe und tiefen Stille, in welcher sich izt das Reich befindet, welche sonst die Gemüther der Menschen träg und unthätig zu machen pflegt. Die Japaner erhitzen sich beständig durch lebhafte Erinnerung an die großen Thaten ihrer Vorfahren, und erhalten dadurch ihren Muth und ihre Tapferkeit beständig rege. Ich selbst habe es gehört, wie man schreiende Kinder mit kriegrische Liedern besänftigte, wie man in den Schulen die lezten Briefe der Helden und (die hier auch in die Heldenklasse gezählt werden) der Selbstmörder den Knaben erklärte, sie dieselben auswendig lernen und zur Uebung schreiben lies, um ihnen so mit den ersten Kentnissen Verachtung des Todes und Tapferkeit einzuflößen. Auch ist bei Gastmahlen nicht ungewöhnlich, mit dem Becher in der Hand der alten Krieger Thaten zu singen, und sich noch mehr durch Verlangen nach Ruhm als den Geist des Getränks zu erhitzen. Wenn daher nach des Reichs Sitte zuweilen durch ein auf den Bergen angezündetes Feuer den Bürgern eine Landsgefahr angekündigt oder durch gegebne Zeiten die Hülfe der kleinen Könige verlangt wird; wo seiht man die Menschen sogleich in zahlreichen Haufen zusammenlaufen, und wohlbewafnet Jeder vor dem Fürsten seines Landes erscheinen, die Befehle desselben verlangen, und mit weteifernder Begierde seine Winke volziehn. Sie können dann (welches freilich ein Fehler) keinen Aufschub leiden, und die Jünglinge pflegen oft, durch feurige Ruhmbegierde angetrieben, noch vor dem Befehl zu handeln. Es fehlt ihnen auch nicht an bequemen Waffen, Pfeilen, mit denen sie den Feind von weitem, krummen Spießen und Dolchen, mit denen sie ihn in der Nähe anfallen. Die leztern sind besonders so scharf, daß sie mit einem leichten Hieb einen menschlichen Körper zertheilen können. Sie sind auch mit besondrer Kunst gemacht, daher es ehmals verboten war, sie außer Landes zu führen, oder an Fremde zu verkaufen, bey Lebensstrafe des Verkäufers und aller, die den Handel etwa hindern konten.
Außerdem ist die Nation ausnehmend hart und gewohnt, Arbeit zu ertragen, mit schlechten Waldkräutern, Meergras und Schildkröten ihren Hunger, mit Wasser ihren Durft zu stillen, mit nakten Füßen und Kopf einherzugehn; ohne Hemder, ohne weiche Küssen schlafen sie auf der Erde, und einem Holzklotze stat des Kopfküssens. Kalte Nächte können sie durchwachen. Uebrigens aber sind sie bei ihrer Kleidung, Körper, Sitten und Wohnung ausnehmend rein und niedlich. Daher bin ich auch gar nicht der Meynung, daß die Japaner von den weichlichen Sinesern abstammen, und sicher kan dieses niemand glauben, der, uneingenommen von der Auktorität des ersten Reisebeschreibers, im Lande selbst genauere Kentnisse einzieht. Diese Nation hat ein tatarisches, aber gezähmtes und ausgebildetes Genie, ein tatarisches Blut, das aber mit sinesischem gemischt ist, wie ich in der Beschreibung von Japan noch weiter zeigen werde.


3.

Eine Nation, die auf die Art durch Lage und Charakter gegen äußere Anfälle bevestigt und unüberwindlich gemacht ist, würde es indes doch vergebes versuchen, ihre Gäste und Feinde gleich streng einzuschränken, wenn sie nicht innerhalb ihrer eignen Gränzen zufrieden und glüklicher (als durch die Gemeinschaft mit Fremden) leben könte. Daß sie dieses könne, bekent die Nation selbst, seit sie die Thore ihres Landes verschlossen hat, und jeder von uns kan sich davon auch leicht überzeugen, wenn er nun noch die übrigen Vortheile dieses Landes erwägt. Denn es hat (welches gewis eine der ersten Glükseligkeiten ist) eine solche Lage, daß es weder von einer zu brennenden Hitze, noch einer eben so schädlichen Kälte leiden darf. Denn nirgend ist das Klima gelinder, und die Erde fruchtbarer, als in denen Ländern, welche zwischen dem 30 und 40sten Gr. der Breite liegen. Aber es ist doch, könte man einwerfen, ein unebnes, felsigtes, bergichtes und rauhes Land, das, wenn es sich allein überlassen wäre, nothwendig unfruchtbar seyn müßte. Aber dies ist gerade eine Wohlthat der Natur, daß die Fehler des Landes den Bewohnern Gelegenheit geben, ihre Tugende, Fleis und Genügsamkeit zu üben. Nie wird man hier so harte Felsen, so hohe Gipfel der Berge finden, denen nicht unter diesem fruchtbaren Himmelsstriche der fleißige Ackersman durch Schweis und Arbeit einen jährlichen Tribut zu entlocken wüßte, oder, wenn sie gar nicht angebauet werden können, wo doch nicht das gemeine Volk, welches gar kein Ackerland hat und nie müßig ist, die Waldpflanzen und das von andern Nationen verachtete Unkraut zu samlen und zum Genus zuzubereiten wüste. Ja sie wissen sogar die Wurzeln in Sümpfen, Wäldern und Wüsten, und das ganze Thier= und Pflanzenreich des Meers, Krebse, Schaalthiere, Schildkröten, und sogar auch giftige Fische, nicht nur blos zur nothdürftigen Nahrung, sondern auch zum Nachtisch und zur Pracht auf den Tafeln der Großen zu gebrauchen. Die Natur, scheint es, hat es ihnen an keiner Art von Stoff mangeln lassen wollen, der ihre Tugend üben könte, wo sie ihre gegen die Härte und Rauheit des Bodens einen harten Körper, gegen die Unfruchtbarkeit desselben einen erfindrichen Geist gegeben hat; und sie hat auf alle Art zu verhüten gesucht, daß ihre edlen Fähikgeiten nicht in schändlicher Trägheit verrosteten, dagegen die Schwarzen, welche zwischen den Wendekreisen leben, ein langweiliges Leben gleich dem trägen Vieh führen, da ihre Bäume sie mit freiwilliger Frucht umgeben. Man wird einwerfen, es sey doch immer ein unglükliches Land, das seine Bürger beständig eingeschlossen hält, und alle Gemeinschaft unter ihnen selbst so schwer macht, da es beinahe in eine unzählige Menge kleiner Inseln zerrissen und vertheilt ist. Aber auch hier ist wieder Wohlthat der Natur, welche hier gleichsam die ganze übrige Erde im Kleinen hat nachahmen wollen, und durch die Verschiedenheit der Lage und des Bodens dieser Länder auch eine Menge verschiedner Produkte hervorgebracht hat. Denn nichts kan wohl vermisset werden, das nicht eine dieser Provinzen und Inseln zum gemeinen Nutzen des Staats hervorbringt. Osju, Sado, Syriga und Satzuma haben Gold; Kitamaj und Bengo Silber; Syriga, Atsingano und Kii no kuni Kupfer; Bungo Zinn; Bitsju Eisen; Tsikusen Steinkohlen; Ono Holzkohlen; der feuerspeiende Berg Iwogesima giebt beständig Schwefel von sich, und außerdem wird er an verschiednen Orten in Substanz gefunden; die Provinz Fisen hat verschiedne Arten Thonerde, die auch zum Porcellain gebraucht wird. Aus Tossa, Ofarra, Aki wird Holz ausgeführt, aus Nagatto Ochsen, aus Osjo und Satzuma Pferde. Cango hat einen großen Ueberflus an Reis, Tsikusen an Kastanien; Wakosa an Feigen und allen Arten von Früchten. Die Ufer der Provinz Oki sind mit Schaalthieren, die von Nisji Jamma mit Meergras, die übrigen mit einer Menge mannichfaltiger Fische gesegnet. Ich übergehe die vielen Arten von Getraide, Gemüße und Pflanzen, die in Webereien verarbeitet werden, welche in mehrere Provinzen zugleich ausnehmend gut fortkommen, Omru hat Perlen in seinem Busen; Rjuku, Satzuma, Kii no kuni Ambra an seinem Ufer; Tsugeru Kristal und andre Edelgesteine. Auch darf man keine Arzneimittel aus fremden Ländern holen, da hier die tiefen Thäler, und die ausnehmend hohen Berge die Pflanzen der allerverschiedensten Klimate zugleich hervorbringen. Und da es dieser edlen Nation in keiner Art von Kunst an Stoff zur Verarbeitung innerhalb ihrer Gränzen fehlt, an der sie ihren Geist und Fleis üben konnte: so hat sie auch keiner fremden Lehrer bedurft, vielmehr alle Völker in Arbeiten der Hände und des Kopfes übertroffen, vorzüglich in Bearbeitung der verschiednen Erze, des Goldes, Silbers und Kupfers. Ihre treflichen Waffen beweisen genug, wie sehr die Japaner bei dem Eisen Härte und Glanz zu verbinden wissen. Das Sawaas, ein sehr kostbares künstliches Metal, das aus einer Mischung von Gold und Kupfer entsteht, und eine glänzend schwarze Oberfläche hat, wird von keiner andern Nation des Orients mit so vielem Verstand bearbeitet, vergoldet und zum Werth des allerfeinsten Goldes erhoben. Ihre seidne Zeuge haben eine Gleichheit und Feinheit der Fäden, die selbst den Sinesen unnachahmlich ist. Dieses ist besonders eine Wirkung der Arbeit der Japanischen Großen, welche oft ihrer Verbrechen wegen auf wüste Inseln verwiesen werden, wo sie dann ihren Geist und überflüssige Zeit auf die feinste Weberei wenden. Auch verfertigen die Japaner aus ihrem Reis eine viel edlern und bessern Wein, als die Sineser. Sie nennen ih Dsjaka. Auch unter ihren Speisen sind diejenigen die besten, welche nur mit vaterländischen Gewürzen bereitet sind. Aus der Rinde des Morus Szlvestris machen sie ein weit stärkeres und weißeres Papier, als die Sineser aus Rohr und Baumwolle. Und wer bewundert nicht den Glanz des Japanischen Fernisses in ihren Wohnungen, auf ihren Tischen und Hausgeräthen? Aller Fleis und Bemühung der Sineser und Tunkineser hat es in lakirten Arbeiten niemals zu der Volkommenheit der Japanischen bringen können, weder in Absicht des Glanzes, noch der künstlichen Ueberziehung ihres Firnisses. Siam ist in dieser, so wie in allen andern Künsten, in einem ewigen trägen Schlummer begraben. Ich übergehe sehr viele andre Arbeiten, die theils zur Nothdurst des Lebens, theils zum Luxus gehören, und in verschiedenen Provinzen, aber nicht mit gleicher Geschiklichkeit in gleichem Werth und gleicher Menge verfertigt werden. Der gegenseitige Tausch aller dieser im Lande selbst hervorgebrachter Dinge mus natürlich die Handlung auf eine ausnehmende Weise beleben, und die mannichfaltigste Beschäftigung der Unterthanen hervorbringen. Daher diebt es so viele reiche blühende Handelsorte in allen Theilen des Reichs, so viele mit Schiffen beständig angefülte Hafen. Man wird fast geneigt zu glauben, daß der Ocean an den Küsten und die Meerbusen zwischen den Inseln bewohnt seyn, so gros ist daselbst unaufhörlich der Zusammenlauf der Menschen und die Durchkreuzung der Seegel. Die Japaner haben sowohl Schiffe zur Pracht als auch zum Gebrauch. Doch ist eine besondere Eigenschaft ihrer Schifbaukunst merkwürdiger. Alle ihre Schiffe nemlich haben das Hintertheil unbedekt, daher auf hohem Meer das Wasser sogleich in das Schif trit. Man erkent leicht die Absicht dieser Einrichtung, es den Unterthanen beinahe unmöglich zu machen, aus ihrer Japanischen Welt zu entfliehen.
In Absicht der Wissenschaften und der Ausbildung des Geistes könte man vielleicht einwerfen, daß doch den Japanern das Studium der Philosophie abgehe. Indes verbannen doch die Japaner ihre Philosophen nicht, aber müßige Betrachtungen verweisen sie in Klöster. Sie begnügen sich mit der einzigen Moral, der göttlichen Philosophie, welche sie, nach ihrem eigenen Bericht, dem großen Lehrer Koo oder Koos (welcher bei uns neuerlich den Namen Konfucius erhalten hat) verdanken, und von der man vorher glaubte, daß sie beinahe ein ganzes Jahrhundert später der griechische Sokrates vom Himmel geholt, und die Sterblichen zuerst gelehrt habe. Aber ich gestehe, daß den Japanern die Tonkunst abgehet, diejenige nämlich, welche auf feste Grundsätze gebauet ist; eben so kennen sie auch nicht die höhern Theile der Mathematik. Aber welche Nation der Erde, die Europäer ausgenommen, ist jemals in diese Heiligthümer eingedrungen? Wo ist jemals der menschliche Geist außer unsrer westlichen Welt zu einer solchen Aufklärung empor gestiegen? Eben so mus man auch von der seligmachenden Erkenntnis Gottes durch Christum denken. Man kan hiebei vielleicht noch eine andere Entschuldigung gebrauchen. Es mus nemlich einer so aufgeklärten Nation natürlich hart seyn, ihre uralte väterliche Religion zu verlassen, und dagegen eine ganz fremde, neue und dem ersten Anblik nach so unglaubliche Lehre anzunehmen, deren Gott zugleich Mensch, und sogar gekreuzigt ist. Schon vor einem Jahrhundert war die Fackel des Christenthums in diesem östlichen Theile der Erde angezündet, aber leider! wurde sie nach kurzer Zeit durch das Blut der Märtyrer wieder ausgelöscht; beides zuerst durch den lobenswürdigen Eifer, und nachher durch die Schuld der ehrwürdigen Väter von der Geselschaft Jesu. Gewis würden diese unermüdeten Männer den christlichen Glauben glüklicher und dauerhafter gegründet haben, wenn sie nicht oft sich zu sehr auf den glüklichen Anfang und eigene gute Anschläge verlassen, in fremde Händel und gefährliche Unternehmungen gemischt, auch manchmal mit übereilter Ungeduld den gewünschten Ausgang einer Sache unvorischtig zu beschleunigen gesucht hätten. Es ist unstreitig, daß keine heidnische Nation eine fremde Religion verdamt, oder ihre Lehrer vertreibet, wenn sie nicht von derselben irgend einen Nachtheil, besonders Gefahr für die öffentlische Ruhe erfahren hat. In Japan herrscht indes auch nicht der Atheismus; dies Reich hat vielmehr seine eigene Religion; jeder hat die Freiheit, seinen Gottesdienst auf seine eigene Art einzurichten, welche meistens sehr strenge ist. In der Ausübung der Tugend, in der Gottesfurcht und einem reinen Leben, in der Sorge für ihre Seelen, in der Büßung ihrer Sünden, und in dem Verlangen nach der ewigen Glükseligkeit, ist die Nacheiferung unter den Japanern weit größer, als unter den Christen. Die Medicin kennen die Japaner besser als unsre Chirurgie. Indes ermüden ihre Aerzte den Kranken nicht mit einer großen Menge von Arzneien, sie suchen vielmehr allemal die Wurzel des Uebels (wofür sie allemal die Verstopfung halten) und die Materie des Schmerzes (welche sie verschlossene Wnde nennen) durch äußerste Mittel nämlich die Nabel und den Rauch zu vertilgen. Auch durch den Gebrauch der Bäder im Hause, deren sich die Japaner täglich zur Reinigung ihres Körpers bedienen, vertreiben sie eine unzählige Menge Krankheiten, ohne gerade die Absicht zu haben. Auch die auf das heftigste Gelähmten pflegen sie nach unsrer Weise in die Bäder zu schicken, die man im Reiche hin und wieder, und zwar von ausnehmender Wirksamkeit, findet. Aber, wird man vielleicht einwerfen, Japan kent doch gewis nicht die heiligen Geheimnisse der Themis? Die unsrigen, denke ich, können sie nun wohl ganz ruhig entbehren, da durch ihren häusigen Misbrauch die Unschuld mehr leidet als geschäzt wird. In Japan, und überhaupt in ganz Asien, ist der Weg zur Gerechtigkeit kürzer. Man bringt hier nicht ganze Olzmpiaden damit hin, zu streiten und Schriften gegen einander zu wechseln, sondern wenn der Richter die Streitfrage gehörig gefaßt, die Zeugen von beiden Seiten abgehört, alle Umstände genau erworgen hat, so fället er ein den Gesetzen gemäßes Urtheil, das durch keine zögernde Appellation aufgehalten, durch eine Gunst eines höhern Richters gemildert werden kan. Wenn bei dieser Kürze auch dann und wann gegen irgend einen Punkt des Rechts gefehlt werden solte, so kan doch ein solcher Irthum niemals so viel Schaden bringen, als wir in Europa bei dem allerlegalsten Verfahren zu leinen pflegen. Wie gros ist nicht hier die Verzögerung der Processe durch die vielen Exceptionen, Dilationen und die unzähligen Advokatenkünste. Erst nach Ueberwindung so vieler Schwierigkeiten kömt unsre Sache endlich an die sogenente höchste Instanz, wo wir denn den Proces ganz von neuem wieder anfangen, und so sehr wir auch schon Geduld und Kosten angewandt haben, doch noch mehr gebrauchen, und aus der Charybd’s in Scyllam geführt werden. Man darf aber sicher nicht glauben, daß Japan ohne Gesetze sey. Ein so wichtiger und blühender Staat, eine Nation, die so unruhig und so leicht in Bewegung zu bringen ist, wie das ihr benachbarte Meer, könte gewis nicht in so großer Ordnung und Ruhe erhalten werden, wenn es nicht durch den Zyum einer guten Verfassung und strenger Gesetze geschähe. Man wird dieses, ihre gute Einrichtung, und zugleich die Glükseligkeit der itzigen Regierung, einsehn, wenn ich nunmehr den Japanischen Staat, wie er dermalen, da das Rich geschlossen ist, verwaltet wird, und zugleich die ersten Veranlassungen und Gründe dieser Verschließung beschreiben werde.


4.


Die alten Einwohner sind aus Daats oder der Tatarei in den alten Zeiten unter einem unbekanten Namen nach Japan gekommen, und daselbst lange der übrigen Welt verborgen gewesen, da sie als ein Fischessendes Volk in einem sehr rohen Zustande lebten. Endlich stiftete, gerade zu der Zeit des Romulus, der Dsin Muu Tei, ein Fürst, der an Klugheit und majestätischer Bildung seines Körpers alle Andre übertraf, die Japanische Monarchie, und erwarb seinem Namen den Ruhm, daß die Annalen und inländische Zeitrechnung mit ihm anfängt, da man die Thaten der übrigen Regenten und die ganze ältere Geschichte, wegen der wenigen Aufmerksamkeit, die man in jenen Zeiten auf die Bemerkungen der Begebenheiten wandte, übergehen mus. Die Mikaddi oder die unumschränkten Beherrscher dieser ihrer kleinen Welt (denn sie bildeten sich in der That ein, daß ihr Japan die ganze Welt ausmmache) maßten sich bald eine abergläubisch verehrte und bald über die Menschheit erhabene Heiligkeit und Macht an. Diese brachte in den frühern unschuldigen Jahrhunderten allerdings gute Folgen hervor, nachher aber war sie dem Glük des Staats sehr zuwider. Diese Halbgötter leiteten ihr hohes Geschlecht in unmittelbarer erstgeborner Linie vom Ten Dsio Dai Dsin dem Jupiter oder höchsten Gott ihrer Welt ab. Nach dieser Idee ziemte es sich für sie nicht, ihre Unterthanen, die zugleich ihre Verehrer waren, auf eine andre, als höchstsanfte Art zu regieren; sie durften menschliche Dinge nur durch eine mittelbare, weltliche Thätigkeit, und alles, nach Art der Götter, gleichsam mit einem Wink regieren. Durch diese gelinde Regierung wurde in der Folge der Zeit die Macht des hohen Reichsadels immer unbeschränkter. Er unterstand sich nicht, nur die ihm von der höchsten Majestät anvertraute Provinzen für sich als Eigenthum zu behalten, sondern seine Begierde noch nach glänzenderm Glük wurde immer heftiger, und wie der Gebrauch der Waffen eingeführt war, erregte er häufige innere Bewegungen, und fieng an, die Benachbarten zu bekriegen. Dadurch wurde ein gegenseitiger Has in den Gemüthern tief eingewurzelt, dadurch wurden so viele Bürgerr niedergemetzelt, und die Erbitterung wurde erstt in der späten Nachkommenschaft durch das Blut der unterdrükten Parthei gänzlich getilgt. Um indes die ehrsüchtigen Unternehmungen des Adels so viel möglich einzuschränken, wurde als Soegün d.i. höchster Anführer, der älteste königliche Sohn, und künftiger Thronfolgger mit einer Armee ausgsandt, und hiemit zeigte sich zuerst ein gewisser weltlicher Glanz der höchsten Gewalt. Dieser nahm in der Folge so sehr zu, daß fünf Jahrhunderte hernach Joritomo, weil er nicht die höchste oberpäbstliche Würde erhalten konnte, den weltlich=kaisserlichen Titel annahm, und als ein solcher zuerst angeführt zu werden pflegt. Diese weltliche Kaiser besaßen indeß noch immer keine eigene sondern eine erborgte Gewalt, und glänzten gleichsam nur von dem zurükfallenden Lichte der Majestät ihrer Väter, bis endlich im Anfang dieses (siebenzehnten) Jahrhunderts, ein gleichfalls als General ausgesandter jüngerer Prinz in der weltlichen Regierung sich eine eigne von dem päbstlichen Hofe gar nicht abhängige Gewalt anmaßte. Er bewirkte eine völlige Scheidung der höchsten Majestätsrechte, eine Sache von ausnehmenden Wichtigkeit, die aber jetzt gut genug vorbereitet war, und also nicht viele Arbeit erfoderte. Er entzog dem hieligen Thron seiner Vorfahren, den er selbst zu besteigen, seiner jüngern Geburt wegen, nie hoffen konnte, alle weliche Gewalt, da er die Armee ganz seiner Willkühr unterwarf; lies aber die Gewalt in geistlichen Dingen dem Kaiser ganz ungemindert, deren er noch jetzt genießt, als der ächte Nachfolger der Götter angesehn, und zunächst nach ihnen vom Volke verehrt wird.
Dieser glŸckliche Ausgang eines kühnen Anschlags war dem ihn unternehmenden Sohn nicht so vortheilhaft, als dem Reiche selbst, in welchem hiedurch der Grund zu einer neuen Regierungsform, und zu einer bessern Bildung der Nation gelegt wurde. Der Räuber selbst konnte die weltliche Krone, bis er dem heiligen Haupte entrissen hatte, nicht auf dem seinigen erhalten. Lange wurde um dieselbe von vielen Nebenbuhlern eifrigst gekämpft, endlich errang sie sich Fidejos, ein Held von ganz unvergleichlicher Tapferkeit und Klugheit. Er hatte aus dem niedrigsten Stande bis zu diesem Gipfel der Hoheit sich emporgeschwungen, um das Jahr 1583, und erhielt nachher den Namen Taico. Er hatte Geist, Fähigkeiten, Neigungen, Wünsche und die ganze Lage der Fürsten und des Volks auf das genaueste erforscht, und da bemerkte sein schaarfer Blick bald, daß er nie einen dauerhaften Besitz des Reichs hoffen könne, wenn er ihn nicht auf den ganz entkräfteten Ehrgeiz und die völlig unterdrückte Freyheit der kleinen Könige gründete. Diese Unternehmung war ausnehmend wichtig und völlig neu für diesen östlichen Erdtheil, die aber doch ihm, zum ewigen Ruhm seines Namens, vorbehalten war. Sie wurde ihm erleichtert, da er schon manche dieser kleinen Beherrscher unterdrückt hatte, manche durch die langwierigen Kriege unter sich entkkräftet waren. Die Uebrigen aber musten nun noch durch List oder Gewalt bezwungen werden.
Die heiligen Monarchen Japans hatten vier Jahrhunderte umsonst sich bemmühet, die übermüthige Gewalt ihrer Landesfürsten zu bändigen. Aber was sie durch die Gewalt und ihre eigne Söhne, die Anführer ihrer Heere waren, nicht vermochten, das brachte Taico in fünf bis zehn Jahren nicht sowohl durch Macht als durch Klugheit und Benutzung günstiger Umstände, die seine Zeit ihm darbot, zu Stande. Er bekriegte Coräa und entfernte dadurch die durch die bürgerlichen Kriege noch nicht genug geschwächten Großen aus ihrem Vaterlande und Gebiete. Und nun, da diese jenseits des Meers durch die tatarischen Heere hinlänglich beschäftigt waren, bevestigte Taico zu Hause, wo ihm Niemand mehr widerstand, seine Herrschaft. Da er hierin weit glücklicher war, als in seinen Unternehmungen auf feindlichem Boden, so faste er nach einiger Zeit den klugen Entschlus, seine kleinen Könige aus dem Lager wieder abzuruffen. Diese waren nun des Ungemachs, das sie unter fremdm Himmel erdulden mußten, überdrüßig, ihr häusliches Vermögen war erschöpft, ihr Muth und zum Aufruhr geneigter Sinn gebändigt; sie sehnten sich alle endlich wieder einmal der Ruhe im Vaterlande zu genießen. Bey solchen Gesinnungen hofte Taico, daß er diese Fürsten leicht überreden würde, künftig ihre Gemahlinnen und Kinder seiner Residenz anzuvertrauen, die er unterdeß wohl befestiget und mit vielen schönen Pallästen geschmückt hatte. Er gebrauchte natürlich den Vorwand größerer Sicherheit für sie, auf die man jetzt mehr wie ehmals Rücksicht nehmen müsse. Sie selbst solten sich wieder auf ihre Güter begeben, und jährlich zu gewissen Zeiten ihre Familien am Hofe und zugleich den Kaiser besuchen. Diese kluge Einrichtung brachte eine völlige Umänderung der bisherigen Regierungsform hervor, und war für die Gewalt der kleinen Fürsten tödtlich. Er bekam nämlich ihre Familien zu beständigen Geisseln ihrer Treue, die sie noch überdem selbst jährlich durch die abgelegte Huldigung von neuen bekräftigen musen. Gewis ist dieses ein ausserordentliches Beyspiel, da so stolze und erhabene Fürsten durch einen aus dem untersten Volk emporgeschwungenen Held gänzlich unterworfen sind.
Da diese der algemeinen Sicherheit des Staats und besonders der höchsten Regenten nachtheilige Gewalt der kleinen Könige also gehörig beschränkt war, hielt man es gut, auch die den Staatn so gefährliche ausgelassene Freyheit des Volks, dieses vielköpfige Ungeheuer, zu bändigen. Die neu entstandne Majestät muste gegen die aufrührischen Gesinnungen der Unterthanen durch neue Gesetze eingerichtet, und wie ehemals des atheniensischen Draco Gesetze, nicht mit Dinte, sondern mit Blute geschrieben. Diese Härte besteht aber nicht darin, daß sie etwas verlangen, das über das Vermögen der Unterthanen gienge, oder sich nicht auf die Wohlfahrt und jetzige Verfassung des Staats gründete, auch sind sie nicht im Geiste des Dionysius so hoch gehangen, daß sie nicht gelesen werden könnten, um Unschuldige ins Verderben zu bringen. Ihre Strenge liegt darinn, daß alle Vergehungen gegen die Kaiserlichen Gesetze, mit keiner Geld= oder Leibesstrafe, sondern einzig und allein mit dem Blut des Verbrechers ausgesöhnt werden können, ohne daß jemals irgend eine Nachsicht oder Milderung möglich ist. Hievon sind bloß die Großen des Reichs ausgenommen, welche auf wüste Inseln verwiesen werden, oder sich selbst entleiben müssen. Durch solche Gesetze können nur die Einwohner dieses Landes gebändigt werden, wo man es für äusserst nachtheilig und ungerecht hält, (und gewis nicht ohne Grund) nur die Armen zu strafen, und den Reichen die Uebertretung der Gesetze nachzusehen. Ich haber auf meinen Reisen die Kürze und Einfalt in den aufgehängten Gesetzafeln, (durch die aller Orten den Unterthanen ihre Pflichten vorgehalten werden) bewundert. Man findet in denselben nie eine Ursache oder Veranlassung des neuen Gesetzes, nie einen Beweggrund oder Zweck des Gesezgebers angegeben, nie irgend eine Beschaffenheit der Strafe bestimmt. Man glaubt hier, daß der erhabenen Größe des höchsten Regentens auch nur Kaiserliche Kürze in den Befehlen würdig sey; daß es genug sey, wenn derjenige Ursache und Absicht des Gesetzes wisse, an dessen Weisheit im Urtheilen man ohne Staatsverbrechen nicht zweifeln darf. Und da für alle Verbrechen immer eine gleich strenge Strafe ist, so kann sie den Eingebohrnen niemals unbekannt seyn, niemals zu hart scheinen, da diese die Vergehung blos in die Uebertretung des Gesetzes, nicht in einen höhern oder geringern Grab von Bosheit setzen. Allerdings können auch die ungebändigsten und so verschieden denkenden Unterthanen, welche so sehr von einander entfernte Provinzen bewohnen, und besonders die halsstarrigen und herrschsüchtigen Landesfürsten, nicht wohl anders als mit einem harten Zepter im Zaum gehalten werden, so wie dieses auch der Großfürst Johannes Basilides von seinen Russen yu sagen pflegte. Die Großen dieses Reichs können natürlich ihren ehmaligen Glanz nicht leicht vergessen, sondern werden durch immer regen Freyheitsgeist angetrieben, sich wieder in die alte Unabhängigkeit emporzuschwingen, und das Volk würde ihnen gern anhängen und auf einer oder andren Seite Parthey nehmen, wenn seine Freyheit nicht so strenge beschränkt wäre. Nachdem Taico, der weiseste Kaiser von Japan, auf diese Art seine neuen Einrichtungen zum Theil selbst zu Stande gebracht, zum Theil ihre Ausführung seinen Nachfolgern anbefohlen hatte, starb er im Jahr der christlichen Zeitrechnung 1598, und erhielt nach seinem Tode den Namen Ssin Fatziman, d.i. der neue Fatziman oder Mars. Eben so glücklich für den Staat war die Regierung seines Nachfolgers Ongosjo, der im Namen des sechsjährigen Sohnes des Taico, Fide Juri, als Vormund regierte, bald den Namen Ijejos und nach dem Tod Gongini erhielt, und aus dem berühmten Geschlecht Tokegava abstammte. Dessen Nachfolger haben bis auf unsre Zeiten den Reichsscepter mit gerechter Hand, strengen Gesetzen, und einem sehr glücklichen Erfolg geführt. Ihre Kunst besteht besonders darinn, die kleinen Könige in gehöriger Unterwürfigkeit zu halten, und jedes einzelnen Kräfte nach den Umständen zu beschränken, und sie nicht durch Unterdrückung der Waffen, oder durch gar zu starke Auflagen zu unterdrücken, sondern durch Menschlichkeit und Wohlthaten zu gewinnen, und sich zu verpflichten. Sie nehmen, wenn sie geben, sie erschöpfen, wenn sie gnädig anblicken, sie belästigen, wenn sie Aemter ertheilen, sie unterdrücken, wenn sie mit Titeln und Würden adeln. Sie verbinden durch mannigfaltige lästige Arten von Gnadenbezeugungen die Großen zum Gehorsam, und verleiten sie auch die Einkünfte ihrer Provinzen aufzuwenden, die ihnen sonst Vermögen und Lust geben könten, bürgerliche Unruhen anzufangen. Der ausnehmende und angeborne Stolz dieser Nation macht es bey den Großen nothwendig, den Ehrenstellen, die ihnen der Kaiser giebt, durch prächtigen Aufwand zu entsprechen, den sie in dem Glanze ihres ganzen Haushalts, in der Menge ihrer Bedienten, und in dem schimmernden Aufzug bey ihrer jährlichen Hofreise zu beweisen suchen, um gleichsam ihren Ehrgeiz mit dem Schatten der Macht, die sie ehmals besaßen, zu befriedigen. Auch wissen die Kaiser mit ganz ausnehmend schlauer Kunst die kleinen Könige von allen engern Verbindungen unter sich, von Zusammenkünften zu gemeinschaftlichen Berathschlagungen abzuhalten; die innersten Geheimnisse aller ihrer Berathschlagungen und häuslichen Angelegenheiten zu erforschen; Haß und Neigung, so wie sie es ihrem Interesse dienlich finden, bald anzuflammen, bald zu tilgen. Die Einkänfte, Arbeiten und Unternehmungen jedes Bedienten sind ihrem scharfsichtigen, Alles übersehenden Geiste nie verborgen, diese Geschichte, die Absichten und Denkart der Gouverneurs, das Verfahren und die Urtheile der Gerichte. Alles ist den japanischen Regenten bekannt.
Durch diese Mittel glaubten sie es dahin gebracht zu haben, daß im Inneren des Landes nicht leicht Aufruhr und Unruhen entstehen würden; und dachten nun darauf, auch ähnliche Uebel, die ihnen außerhalb ihres Reichs entstehn könnten, zu verhindern.
Diese wirklich unüberwindlichen Monarchen wandten daher alle mögliche Bemühungen an, um die Glückseligkeit ihres errichteten Staats volständig zu machen, die eingeführte Ruhe und die einmal beliebte Verfassung oder Nachläßigkeit solte Schuld geben können, durch die gemeiniglich die Staaten untergehn, obgleich die Politiker oft den Fehler des ersten Stifters mit einem schädlichen Einflus des Himmels oder einer fatalen Periode für die Staaten zu entschuldigen pflegen. Deshalb wurden zuerst die fremden Sitten einer strengen Prüfung unterworfen, die theils von den Bürgern aus fernen Ländern geholt, theils ihnen von den Fremden zugeführt waren.
Alle ausländische Vergnügungen an Gastmahlen und Kleidern, Spielkarten, Würfel, wie auch die Zweykämpfe wurden für eine Pest der Tugend und der bey einem Bürger dieses Reichs nothwendigen Enthaltsamkeit gehalten. Auch die neue eingeführte christliche Lehre entgient dem strengen Verbannungsurtheile nicht, man erklärte sie der Regierungsform, der bürgerlichen und religiösen Einigkeit zuwieder, durch die alle Einwohner Japans zu Verehrung der väterlichen Götter und des heiligen Mikaddo verbunden sind. Man glaubte, daß öftere Reisen der Bürger in fremde Länder, und der Fremden in dieses Reich einen neuen, für diesen Himmelsstrich nicht passenden Geist einführen, und dem ganzen Staat nachtheilig werden können. Der fremde Himmel war nun einmal, nach der Meynung der Japaner, an allem Uebel schuld, das hier noch überblieben war, oder je in irgend einer Zukunft gefürchtet werden konnte. Vergebens, dachte man, werde man sich beeifern, den kranken Körper zu heilen, und, wenn man nicht das von einem schädlichen Krebs angegriffene Glied ganz abnähme, vergebens das Uebel, ohne gänzliche Verstopfung seiner Quelle, ableiten wollen.
So muste also das Reich ganz verschlossen, auf immer und ewig verschlossen, und von jedem Fremdling gereinigt werden. Dieß war, der Regierungsform und dem Himmelsstrich dieses Landes gemäß, dies war für das Wohl der Nation und die Sicherheit des höchsten Regenten gleich nothwendig. Daher gab der erhabenste Kaiser mit dem erleuchteten Reichsrathe des heilsame, ewig verbindliche und für jede Nachkommenschaft unverletzliche Gebot: Japan sol geschlossen seyn. Unter allen Fremdlingen hatte sich keine tiefer, aber auch keine, wie man glaubte, schädlicher für das Reich, hier eingewurzelt, als die Portugiesen, eine Nation, die in Absicht ihres stolzen Geistes, viel Aehnlichkeit mit den Japanern hatte. Im Jahr 1543 kamen die Portugiesen zuerst nach diesem Colchis, und wurden durch die Liebe zu seinem güldnen Fließ bald begierig, sich hier feste niederzulassen. Sie wusten auch in kurzer Zeit durch ihre neuen Waaren, neue Religion und Verbindungen, einen Theil des Volks sich ganz ergeben zu machen, und, im stolzen Muth auf ihr Glück, giengen sie bald so weit, auf Veränderung der Staatsverfassung und schädliche Unternehmnungen gegen das regierende Haus zu denken. Dieses wurde bekannt, und verschiedne Umstände traten zusammen, welche ihren Untergang beförderten. Die Holländer, welche damals Feinde der Portugiesen, und neidische Nebenbuhler ihres Gewinns waren, hatten in der Gegend vom Vorgebürge der guten Hofnung einen Brief aufgefangen, der vol verrätherischer Absichten war, und ihn dem Kaiser überliefert; ein ähnlicher war von den Japanern selbst zu Canton in Sina aufgefangen worden. Der erste Reichsrath beklagte sich zu gleicher Zeit über den unerträglichen Stolz dieser Fremdlige, da ihm ein jesuitischer Bischof begegenet war, und ihn nicht auf die landesübliche Art begrüßet hatte. Der ausnehmende Gewinn im Handel, der nur auf Betrug der nach fremden Dingen begierigen Japaner sich gründete, fiel immer stärker in die Augen, die ausnehmende Einmüthigkeit und feste Verbindung der neuen Christen, ihr Haß gegen die alten väterlichen Götter und ihr halsstarriger Eifer, den neuen Glauben zu vertheidigen, erregte verdachtvolle Aufmerksamkeit. Man fieng an einen Aufruhr zu fürchten, wenn nicht die Kaiser, die so viele innere Unruhen gedämpft, und den rebellischen Geist der Fürsten mit so unsäglicher Arbeit und so vielem vaterländischem Blut niedergedrückt hatten, auch diesen fremden Zunder bald tilgen könnten. Taico fieng diese Unternehmung langsam an, hinterlies aber die Vollendung seinen Nachfolgern. Diese befahlen nun bey Strafe des Kreuzes, daß die Portugiesen mit ihrer Geistlichkeit und allen japanischen Verwandten aus dem Reiche wandern, die Eingebohrnen nie das Reich verlassen, die jetzt Verreisten binnen einer gewissen Zeit sich wieder einstellen, und wenn sie später kämen, das Leben verwirkt haben, und die neuen Christen, den Namen, das Zeichen und die Lehre des Gekreuzigten feyerlichst verläugnen solten. Diese Gesetze kkonten nicht ohne viele Schwierigkeiten in Ausübung gebracht werden. Noch mehr Christenblut wurde jetzt zur Bevestigung des Kaiserlichen Throns vergossen, als ehmals heidnisches zu Gründung desselben. Denn da man die Christen nicht mit Gründen widerlegen konnte, so gebrauchte man Schwerdt und Strick und Feuer, um sie zu überzeugen. Aber nichts konnte den frommen Eifer der Neubekehrten unterdrücken. Er überwand alle Schmach und Kreuzigung, bestand in jedem Märtyrthum, und legte, zur ewigen Beschämung des Heydenthums, die bewundernswürdigsten Beweise der Standhaftigkeit zur Ehre des Glaubens ab. Vierzig Jahre währte die schrekliche Tragödie dieser Ausrottung, bis endlich der nach Christenblut dürstende Kaiser Ijemitz, nach dem Tode Teijejin genant, ein Sohn und Nachfolger des Fide Tadda, nach dem Tode Tei to quini, ein Enkel des Ijeja, die letzten heiligen Ueberbleibsel der Christen an einem Tage dem Tode übergab. Sieben und dreyßigtausend Christen hatten aus Verzweiflung, um ihr Leben noch so lange als möglich zu retten, sich in dem festen Schloß Simabare, in dem Meerbusen der Provinz Arima, versaamlet. Drei Monate hielt ihre Verzweiflung die Belagerung aus, endlich am 28ten Tage des zweiten Monats der Periode Quanje, (d.i. den 12ten April 1638) musten sie sich ergeben, wie dieses die japanischen Annalen Nen Dai ki O Dai Ki, un die japanische Geschichte des christlichen Aufstandes Simabara Gasen melden. Mit dem ihrigen war das letzte christliche Blut geflossen, und nun hatte endlich gegen das Jahr 1640 dieses lange Schlachten von Menschen ein Ende; Japan war endlich ganz von Fremden gereinigt, und alle seine Thore, Gränzen und Ufer wurden geschlossen. Nicht einmal das Völkerrecht konte die Portugiesischen Gesandten, die in eben dem Jahr aus Macao hieher kamen, retten. Sie und alle ihre Gefährten, zusammen ein und sechzig Personen, wurden öffentlich hingerichtet, und nur einige Bedienten zurückgesandt, um zu melden, was sie gesehn hatten.
Die erlaute Holländische Compagnie hat, vom ersten Jahre dieses siebzehnten Jahrhunderts an, Japan befahren lassen. Es wäre unbillig gewesen, auch uns, die wir so lange Zeit her unsre Treue für die Landesregierung, sowohl gegen die erklärten Reichsfeinde, die Portugiesen, als gegen die aufrührischen Unterthanen zu Arima bewiesen hatten, auch uns, sag ich, eben so hart, wie andre Fremdlinge zu behandeln, da wir auch noch überdem Kaiserliche Freybriefe hatten, einen vom Ijeja vom J. 1611, einen vom Fide Tadda, vom J. 1616, die uns eine völlige Handelsfreyheit sicherten. Man faste den Entschluß, die Holländer nicht ganz auszuschließen, und nicht ganz frey zuzulassen, sondern sie allein aus der ganzen übrigen Welt jenseit des Meers, als die einzigen Unterhändler zwischen dieser und Japan, beyzubehalten, aber zugleich sie wie Gefangne zu bewahren, durch die scharfsichtigsten Wächter von aller Gemeinschaft mit den Eingebohrnen abzuhalten. Man brachte also die Holländer in eben daas Gefängnis, das vorher für die Portugiesen erbaut war, erlaubte ihnen aber, als die einzige Belohnung der Gefangenschaft, zu der man sie verdamte, jährlich für 500,000 Unzen Waaren zu verkaufen. Man darf aber gar nicht glauben, daß Japan die von den Holländern eingeführte Waaren nicht entbehren könne. Hier werden in einer Woche mehr Kleider verbraucht, als wir im ganzen Jahre seidne und andre Zeuge einführen können. Und die übrigen Waaren, als Catsju, Camphor von Bairos, Putsju oder costus und Gewürze dienen nur zum Luxus. Auch hielt man billig, die Sinesische Nation von dem neuen Gesetz auszunehmen, da sie die ältesten Japaner zuerst gebildet, und die Nachahmung ihres Beyspiels dieses Reich zu solchem Glanz emporgehoben hatte. Doch darf auch diese Nation nirgend anders als in Nangasacki anlanden und Handlung treiben. Anfangs lies man alle frey zu, die entweder aus Sina selbst oder den verschiednen Theilen von Indien (wo die Sineser sich aufhalten) hieher kamen, bis einige derselben, welche die christliche Lehre angenommen hatten, dieselbe von neuem auszubreiten, und unter den sinesichen Büchern, welche jährlich hieher gebracht werden, auch einige von unsrer Religion heimlich einführten, die für die Wohlfarth des Staats äußerst nachtheilig gehalten wurde, und nur neuerlich erst mit so vieler Unruhe und Märtyrerblut vertilgt war. Da dieser religiöse Schleichhandel entdeckt wurde, verdamte man die Sineser zu gleichem Schicksal mit den Holländern, welches jetzt mit noch mehr Schimpf gemischt ist, wie das unsrige, da sie dem erniedrigenden Unrecht nicht so edel wie wir sich zu widersetzen wagen, welches durch die Verschiedenheit der innern Verfassung ihres und unsers Handels entsteht. Alle Sineser nämlich führen zwar einen Namen, aber sie sind Einwohner verschiedner Provinzen, und Nebenbuhler in Absicht des Handels. Die Begierde des Gewins befeuert sie also, sich durch geduldige Ertragung aller möglichen Beschimpfung einer vor dem andern auszuzeichnen.


5.

Da auf diese Art das Reich auf ewig verschlossen ist, so finden nun die Kaiser in ihrer Macht und ihren Absichten keine Gränze und Hindernis mehr. Die Ehrfurcht der Landesfürsten ist niedergedrükt, die Halsstarrigkeit der Unterthanen gebändigt, die Unternehmungen und Einflüsse fremder Nationen abgeleitet. Sie können also izt alle Städte, Dörfer und Distikte, alle Arten von Geselschaften und Kollegien, ja selbst die Zünfte der Handwerker in einer solchen strengen Ordnung halten, die in einem offenen Lande schlechterdings nicht nachzuahmen ist. Sie können die Gewohnheiten des Landes nach Gefallen einschränken, andre an ihre Stelle setzen, ihre Arbeiten bestimmen und einschränken, durch Lob und Belohnung die Bürger zu Erfindungen in den Künsten anreitzen, überhaupt aber alle Bürger, durch die Aufseher, mit denen sie unaufhörlich umgeben sind, zur strengen Unterwürfigkeit, Fleis und ehrbaren Leben anhalten, und das ganze Land gleichsam in eine Schule der Höflichkeit verwandeln. So hat diese erhabene Kaiserliche Haus die Glükseligkeit der alten Zeiten wieder hervorgebracht, da es, vor allem innern Aufstande gesichert, stolz auf die Vortreflichkeit seines Reichs und die unüberwindliche Stärke seiner Bürger ist, und also den Neid aller übrigen Nationen der Erde verachten kan. Denn wen in der Welt hat Japan zu fürchten, außer den ewigen Gott? Alle umliegende Inseln, Liquejo, Jedso, Coräa, sind ihm unterworfen. Auch darf es Sina, obgleich ein Reich von unermeslichem Umfang, nicht fürchten, sondern kan ihm vielmehr Furcht einflößen. Denn die Sineser sind schwach und weichlich, und ihr Ueberwinder, der Kaiser, aus tatarischem Stam, hat schon so viele und unterschiedne Länder und Nationen zu regieren, daß er wohl niemals seine Eroberungen bis nach Japan ausdehnen wird. Der izt regierende Monarch Tsinojos, (ein Sohn des Ijetzna, der nach dem Tode Genjujiin genant wurde, und ein Enkel des Teitoquini) ist ein großer und vortreflicher Herr, Erbe der väterlichen Tugend, zugleich strenger Beobachter der Gesetze und sehr gnädig gegen seine Unterthanen. Er ist von früher Jugend an in der Lehre des Konfucius erzogen, und führt den Zepter, so wie es seinem Volk und Lande angemessen ist. Unter ihm leben alle Bürger in der volkommensten Eintracht, ehren alle ihre Götter, gehorchen den Gesetzen, folgen ihren Obern, beweisen ihres Gleichen Höflichkeit und Liebe. Dies Volk übertrift alle andre der Welt an Sitten, Tugend, Künsten und feinem Betragen, und ist ausnehmend glüklich durch seinen innern Handel, seinen fruchtbaren Boden, seinen gesunden und starken Körper, seine muthige Seele, seinen Ueberflus an allen Bedürfnissen des Lebens, seine ununterbrochne innere Ruhe. Gewis, wenn ein Bürger Japans seinen itzigen Zustand mit der ehmaligen Freiheit vergleicht, oder auch in die entfernteste Geschichte seines Vaterlandes zurükgeht; so wird er keinen Zeitpunkt finden, in dem es sich glüklicher befunden hätte, als izt, da es durch den höchsten Willen eines Regenten regiert, und von der Gemeinschaft mit der ganzen übrigen Welt abgeschnitten und völlig verschlossen ist.


Nacherinnerungen des Herausgebers.

Ich hätte bei diesem Aufsaz öfter Anlas zu berichtigung der Ideen des Verfassers gehabt, aber ich haber sie in Anmerkungen zu bringen unterlassen, weil ich es besser hielt, die Leser erst in den Gesichtspunkt zu stellen, aus dem diese Abhandlung mus betrachtet werden, und in welchem die Berichtigungen leichter und deutlicher erscheinen werden. Diese Abhandlung ist höchstwahrscheinlich vom Kämpfer bald nach seiner Rükkunft in Europa geschrieben, und vermuthlich der erste Aufsaz, in dem er eine etwas volständige Idee von demm algemeinen Zustande Japans zu geben suchte. So sehr wir ihn als einen unpartheyischen und genauen Beeschreiber aus seinem Hauptwerke kennen, so war Kämpfer doch nicht ganz von dem fast algemeinen Fehler aller Reisebeschreiber frei, dem Leser etwas Sonderbares, Neues und Unerwartetes zu sagen, das Land, das man gesehn hat, als ein vor allen andern merkwürdiges und vorzügliches darzustellen, es gegen alle Vorwürfe zu vertheidigen, und besonders seine Gesetze und Einrichtungen über die unsrigen zu erheben, und gelegentlich ein wenig zu moralisiren. Dieser Fehler ist für Leute, die gereiset sind, soo natürlich, daß man ihn mehr oder weniger bei ihnen allen, vom Westphälischen Bauer, der in Holland Heu gemähet hat, bis zu unsern besten und philosophischen Reisebeschreibern hinauf, antrift.
In der Geschichte und Beschreibung von Japan finden wir dies weniger, weil Kämpfer diese erst später schrieb, da er seine Ideen schon öftrer und genauer mit einander verglichen hatte, und weil er auch wirklich zu sehr ehrlicher Mann war, um in einem Werke, das er zum Unterricht der Zeitgenossen und Nachwelt bestimte, die Sachen vortheilhafter zu stellen, als sie seinem ersten Blik und seiner nachherigen reisen Betrachtung sich dargestelt hatten. Sein ganzes Werk enthält ungemein wenig Reisonnement, noch weniger aalgemeine Beschreibungen, sondern fast lauter Fakta und umständliche Darstellung der Dinge, wie sie sind, über die wir uns nur oft, wegen ihrer zu großer Umständlichkeit, nie beklagen könten. Eine ganz andre Bewandnis aber hat es mit der hier aus den Amoenit. exot. übersezten Abhandlung. Kämpfer schrieb sie früher, da er noch manches mit einem Schimmer sah, den nachher reifere Untersuchung zertheilte, er konte in derselben keine volständige, aber er wolte eine auffallende und nicht erwartete Idee von dem Reiche geben, das den meisten Europäern verschlossen ist, und nur so selten von einem gelehrten Beobachter besucht wird. Die ganze Anlage seiner Schrift zeigt, daß Kämpfer darin Paradoxa durchsetzen wil, und der declamatorische Styl (der in der deutschen Uebersetzung weniger als in der lateinischen Ursprache gefallen wird) solte fast auf die Vermuthung bringen, daß Kämpfer vielleicht ein akademisches Uebungsstük bald nach seiner Ankunft in Leyden habe liefern wollen. Hiezu kömt noch, daß Kämpfer vor hundert Jahren manche Dinge (wie z.B. daas Verhältnis der asiatischen Künste und Wissenschaften zu den europäischen) nicht so richtig übersehn konte, als es itzt bei erweiterten Einsichten möglich ist.
Nach diesen Gründen wird es sich leicht ergeben, wo und wie manche Aeußerungen unsers Schriftstellers berichtigt werden müssen. Ich darf daher nur kurz diejenigen Kämpferischen Sätze durchgehn, die einiger Erläuterung vorzüglich werth scheinen.


I.

Japan übertrift in Künsten und Wissenschaften alle andre Nationen. Wir wissen izt die Kentnisse der östlichen Welt richtiger als ehmals zu schätzen. Es ist gewis, daß die Indier, Sineser und Japaner gewisse Künste und Fabriken sehr früh, und in einem ziemlichen Grad von Volkommenheit besessen haben, daß sie auch in manchen Wissenschaften schon vor Jahrtausenden einige Schritte gethan haben. Aber sie blieben steehn, ehe wir anfiengen, und stehn noch auf dem Flek, über den die Europäer lange hinaus sind. Fast jede Kunst ist von diesen Asiateern erfunden, und fast in jeder sind sie von den Europäern übertroffen worden. Der sanfte Himmelsstrich des südlichen Asiens erhob seine Bewohner bald über die dringendste Bedürfnisse, lud zu einem leichten Nachdenken ein, und reizte mehr die Einbildungskraft als den Verstand, den Anlässen, die der Zufal darbot, nachzugehn, und Künste zu erfinden, die das Leben bequemer und schöner machen konten. Aber eben dieser Himmelsstrich machte auch zu weiterm Forschen zu schlaf, oder der Despostismus drükte den Erfindungsgeist zu früh nieder, oder die ruhige mit dem Gewöhnten zufriedne Sinnesart dieser Völker machte zu wenig Foderungen an seine Künstler: eine dieser Ursachen oder wahrscheinlicher alle vereinigt, haben die sonderbare Wirkung hervorgebracht, daß die Künste in Asien gar keine Fortschritte gemacht haben, sondern noch in eben dem Zustande zu seyn scheinen, in dem sie bald nach ihrer ersten Erfindung waren, und daß in den schönen Künsten die Asiater die Europäer in keinem Zeitalter erreicht haben. Ihre Arbeiten kennen auch keine Abwechselungen der Mode; die Indier haben schon lange vor Alexanders Zeit (vermuthlich schon seit Jahrtausenden) baumwollene Zeuge gemacht, die Japaner schon seit undenklicher Zeit ihr Porzellain bemahlt, aber wahrscheinlich liefern die Cattunmanufakturen in Frankreich, und die Porzellainfabriken in Meissen und Berlin schon weit mannichfachre Formen und Desseins, als die asiatischen in dem unermeslichen Zeitraum ihrer Indüstrie.
Von den Wissenschaften der Japaner mus der Verfasser selbst zugeben, daß sie meistens den europäischen gar nicht beikommen. In der That ist kein Fach zu nennen, worin die asiatischen Nationen jemals einigen großen Fortschrit gemacht hätten. Ihre Philosophie, Physik und Mathematik verdienen den Namen nicht. Sokrrates verliert durch Konfucius nichts von dem Ruhm, daß er die Moral zuerst vom Himmell geholt habe. Die Lehre des sinesischen Weisen war viel zu irdisch, war zu sehr auf politisch Vortheile beeschränkt, als daß sie himlischen Ursprungs und mit sokratischer Philosophie verwandt seyn solte. Von der Medicin kan man aus dem, was Kämpfer selbst von ihr sagt, schon urtheilen. Sie gründet sich auf keine Kentnis des menschlichen Körpers , und der Ursachen, aus welchem seine Uebel entstanden sind, und ist also unstreitig eine sehr unvolkommene Empirie. Da Asien fast in allen seinen Theilen despotisch regiert wird, so kan seine Gesezgebung auch nicht vorzüglich seyn. Es ist wahr, daß der itzige europäische Proces oft Ungerechtigkeiten, und noch mehr, auch bei dem legalen Verfahren (wie K. sagt) Unterdrückung hervorbringt. Der asiatische ist kürzer, aber gewis nicht weniger unterdrückend, da er fast allein auf der Wilkühr des Richters in der ersten Instanz beruhet, und entweder gar keine oder doch sehr wenig geeordnete Appellation zuläßt. Die Japanischen Gesetze besonders sind mit der unmenschlichsten Grausamkeit abgefaßt. Sie kehren den Hauptgrund einer weisen Gesezgebung um. da sie nicht das Verbrechen, sondern blos die Uebertretung des kaiserlichen Gebots zum einzigen Maasstab der Strafe machen, und darauf die Gleichheit aller Vergehungen grüden. Dies ist der wahre Geist der abscheulichen Despotie. Der Regent verbietet hier nicht, was dem Wohl des Staats zuwider, und daher ein Verbrechen ist, sondern Verbrechen wird nur, was ihm gefält so zu nennen. Kämpfer würde gewis den Widerspruch zwischen seinem Lobe und seiner Beschreibung der Japanischen Gesetze selbst bemerkt haben, wenn er nicht durch die Lust, über die Fehler unsrer Justiz zu deklamiren, wäre hingerissen worden. Bei der Religion ist die Untersuchung schwerer. Die Völker des östlichen Asiens sind sehr frühe, bei den ersten großen und starken Ideen, die Menschenverstand und das Leben in schöner Natur eingeben, stehn geblieben; ihre Religion ist edel und erhaben, wenig mit Spekulationen und Spizfindigkeiten beladen, dem Genus des Lebens nicht sehr hinderlich (man überläßt es nur einzelnen Heiligen, durch Entsagung desselben sich ganz dem großen Nichts zu nähern) und fast immer duldend und verträglich gegen Andersdenkende. Dies sind gewis große Vorzüge einer Religion, und Kämpfer hat wenigstens darin Recht, wenn er die Japaner entschuldigt, daß sie ihre uralte, ihnen so ehrwürdige Religion nicht mit einer vertauschen wolten, die ihnen unbekante Menschen aus einer fremden Welt brachten, und die, wenigstens beim ersten Anblik, in ihren Lehren so viel Auffallendes und Unbegreifliches hat.


II.

Die Japanische Nation befindet sich seit der lezten Revolution in einem ausnehmend glüklichen Zustande.
Es ist schwer, von der Glükseligkeit der Nationen, und besonders so entfernter, zu reden. Indes, dünkt mich, die Thatsachen, die uns Kämpfer in seinem ganzen Werke erzählt, geben dem Leser gar nicht die Idee eines Volks, dessen meiste Glieder wenigstens sehr glüklich sind. Der weltliche Kaiser hat den kleinen Regenten des Landes ihre ehmaligen Rechte genommen, und sie seiner unumschränkten Gewalt unterworfen, er trennt sie sogar einen großen Theil des Lebens von ihren Familien, er macht sie arm und zwingt sie das Volk zu drücken. Diese ehmaligen kleinen Könige fühlen das Unglük ihres Zustandes, ertragen es mit schmerzvoller Ungeduld, sind in beständiger Gefahr, und gehören also wohl nicht zu den glüklichsten Menschen. Das gemeine Volk sieht auf allen Landstraßen Befehle, die ihm den Tod drohn, und zwar für Verbrechen, die nur durch die Wilkühr des Herrn dazu gestempelt worden. Man erinnere sich der wegen des unbedeutendsten Schleichhandels erfolgten Todesstrafen. Das Volk ist unaufhörlich mit Policeiaufsehern umgeben, die seine kleinsten Handlungen ausspähen, in das Innerste der Häuser dringeen; noch mehr, ein Mensch mus nicht nur für sich, sondern auch für alle seine Angehörige, und für aalle, welche in seiner Gasse wohnen, stehn, und im Fal des Vergehens büßen. Es ist wahr, diese Einrichtung kan vielleicht die Wirkung haben, daß die Befehle sehr strenge beobachtet werden, und seltener, als in andern Ländern, dagegen gesündigt wird. Aber wie unglüklich müssen Menschen seyn, die unaufhörlich allen ihren Freunden auflaurern müssen, und wissen, daß ihnen auch von jedem andern aufgelauert werde. Dabei hängen sie von Richtern ab, deren Wilkühr fast allein ihr Leben und ihr Vermögen überlassen ist, und gegen die sie keinen Schuz finden. Sie geben starke Abgaben, und werden von den Gouverneurs unterdrükt. Sie sind arm, denn sie benutzen alle mögliche Dinge zur Nahrung, treiben alle erdenkliche Gewerbe, und drängen sich mit hungriger Gierigkeit zu dem Gewin, den sie den Holländern abnehmen. Sie dürfen nie ihr Land verlassen, mit keinen Fremden Umgang haben, der Genus aller ausländischen Dinge ist ihnen versagt. Können Menschen in dieser Lage beneidenswürdig glüklich seyn? Sie sind es nicht, dies beweißt auch die Leichtigkeit, mit der die Japaner den Tod empfangen oder sich selbst geben, und dies nicht aus kühner Standhaftigkeit, sondern aus überdrüssigem Ekel vor einem unglüklichen Leben.
Ob die Japaner in ihrem ehmaligen Zustande vor der Revolution des Taico glüklicher waren, als izt, läßt sich schwer bestimmen, da uns ihr innere Zustand in dieser Zeit so wenig bekant ist. Aber verschiedne Umstände machen es wahrscheinlich. Von den kleinen Regenten leidet es keinen Zweifel. Aber auch das Volk befand sich wahrscheinlich besser, da es noch unter vielen kleinen, beschränkten Herrn lebte, und wenn deren einer die Tyrannei zu weit trieb, bei dem andern Zuflucht fand, auch die Freiheit hatte, sich außerhalb des Reichs zu begeben, und noch nicht so strengen Klostergesetzen unterworfen war. Die bürgerlichen Kriege brachten unstreitig auch viel Unglük hervor, aber sie gaben auch mehr und größere Thätigkeit, und es ist doch besser, von Feinden zu leiden, als unaufhörlich den Plackereien der Obern und einer Japanischen Polizei ausgesezt zu seyn.


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