[Wolfgang Michel: „Moxa Germanica‟ Japanisches Lehngut in der deutschen Sprache. In: KAIROS, No. 22 (1984), S. 81-119.]
Due to HTML-code problems some features have been changed. The original printed version is available at the Kyushu University Institutional Repository (QIR).
foto

[S.81]

Wolfgang Michel

„Moxa Germanica‟
Japanisches Lehngut in der deutschen Sprache


 

 1.0 Die ‚Moxa‛ in diversen Nachschlagewerken

In allgemeinen Nachschlagewerken wie Brockhaus/Wahrigs Wörterbuch der deutschen Sprache (1981) oder dem Großen Wörterbuch der deutschen Sprache (1976-1981) aus der Mannheimer Dudenredaktion suchen wir das Wort ‚Moxa‛ vergeblich, obwohl in den Buchhandlungen immer wieder Titel ausliegen wie G. Feuchts Die Moxabehandlung in Europa, A. Broddes Brennen mit Moxakraut oder auch T. Leungs Akupunktur und Räucherung mit Moxa. Trotzdem zählt es zum Wortschatz der Bildungsschicht fast aller europäischen Länder, selbst im Russischen bleibt ungeachtet der anderen Schreibweise die Aussprache bewahrt. Wer aber um Auskunft über den Inhalt dieses Wortes sucht, bleibt auf Enzyklopädien und Fremdwörterbücher verwiesen. Werfen wir zunächst einen Blick in ein Lexikon aus der DDR:

Moxibustie, Moxibustion (beide <lat. <chin.); altchinesische Heilbehandlung, bei der an den für die Akupunktur vorgeschriebenen Hautstellen <<Moxen>>, d.h. kleine Kügelchen aus Beifußblattpulver oder anderen papierähnlichen Stoffen, in die Haut eingebrannt werden. (Meyers neues Lexikon. VEB Bibliographisches Institut Leipzig, 1974)

In der Bundesrepublik ist die ‚Moxibustie‛ mit ihrer Verdeutschung des lateinischen Suffixes ‚-tion‛ nach meiner Beobachtung ungebräuchlich; sogar bei Fremdwörtern zeigt sich mithin das schon oft beobachtete Auseinanderdriften des Vokabulars. Des weiteren stimmt die Angabe zur Wortwurzel nicht. Um es vorwegzunehmen: diese Ableitung besteht aus dem ursprünglich japanischen Wort ‚mogusa‛ und dem vom lateinischen ‚combustio‛ bzw. ‚combustion‛, soviel wie ‚brennen‛, genommenen Suffix ‚-bustio(n)‛. Auch handelt es sich nicht um eine „altchinesische Heilbehandlung‟ sondern um eine alte Heilbehandlung, die aus China kommt und dort heute noch praktiziert wird. Zudem ist an so manchem Akupunkturpunkt die Moxibustion gefährlich, umgekehrt gibt es Moxapunkte, wo man seit alters her nicht akupunktieren darf. Die Kügelchen werden nicht aus Beifußblättern hergestellt. Der Begriff der Beifußwolle kommt dem Gegenstand näher, wie denn auch das Fremdwörterbuch von 1966 in dieser Hinsicht etwas verläßlicher wirkt als der Leipziger Meyer von 1974:

Moxa od. Moxe, die, Gen. —, Plur. Moxen: Brennkraut, in Ostasien meist Beifußwolle (wollig zerzupfte Blätter der Pflanze) zur Moxibustie (japan. -> franz. u. engl. u. span.)
Moxibustie od. Moxibustion, die (Gen —): Moxenbrennen, eine ostasiat. Methode, durch Verglimmenlassen von Moxa auf vorgeschriebenen Hautstellen Heilwirkungen zu erzielen <japan. + lat.>   (Fremdwörterbuch. VEB Bibliograph. Institut Leipzig, 1966, 9. Aufl.)

Übrigens erteilt uns das Große Fremdwörterbuch desselben Verlages 1979 eine fast wortgleiche Auskunft.

Im westdeutschen Brockhaus aus Wiesbaden sieht es schlimm aus, schon die ersten vier Wörter enthalten zwei Fehler:

Moxa (japan. mokusa) der, Brennkegel, kleiner Kegel oder Zylinder aus leicht brennbaren Stoffen, wird bei der → Moxibustion auf der Haut verbrannt.
Moxibustion, Heilverfahren der ostasiat. Medizin durch Setzen örtlich umschriebener Hautverbrennungen mit Brennkegeln (→ Moxa) bes. im Bereich der Akupunkturstellen. Die M. dient der Erhöhung der Abwehrkraft und wird bei Gicht, chron. Rheumatismus, Nervenentzündungen u.a. angewendet.   (Der große Brockhaus. Wiesbaden, 1979, 18. Aufl.)

Moxa hat von der Tradierungsgeschichte her gesehen eindeutig als feminines Nomen zu gelten. Das japanische Wort transskribiert man genau genommen als ‚mogusa‛. Auch in der DDR (z.B. im Fremdwörterbuch von 1954) ist der Genus zunächst maskulin, wechselt dann aber im Zuge der Überarbeitungen. Was sich ein unbedarfter Leser im übrigen unter „leicht brennbaren Stoffen‟ vorstellen wird, die man „auf der Haut verbrennt‟, möchte ich mir nicht ausmalen. Solche Beschreibungen dürften eher ein flammendes Entsetzen bewirken, das weit von jenem ‚sanften Glimmen‛ liegt, mit dem einst diese fernöstliche Heilbehandlung den Glüheisen der europäischen Ärzte gegenübergestellt wurde.

Doch gehen wir ein wenig in die Vergangenheit zurück, als es noch keine DDR- bzw. BRD-Lexika gab:

Moxa (japan. mokusa ‚Brennkraut‛) m, Brennkegel, kleiner aus leicht brennbaren Stoffen (in Japan Artemisia=Kraut, sonst Baumwolle, Feuerschwamm u.a.) geformter Kegel oder Zylinder, der auf der Haut verbrannt wird. Man bezweckte früher dadurch bei Gicht, chronischem Rheumatismus usw. eine Ableitung von den tiefer liegenden Teilen nach der äußern Haut. Das Verfahren heißt Moxibustion.    (Der Große Brockhaus, 15. Aufl., Leipzig, 1932)

Hier bemerken wir, daß man im Okzident unter der Bezeichnung Moxa auch andere Materialien als den Beifuß (Artemisia vulgaris) verwendete. Möglicherweise spielen die „papierähnlichen Stoffe‟, die der Meyer von 1974 erwähnt, auf diesen Punkt an. Ein amüsantes Bei- spiel, wie selbst Wissenschaftler der Volksetymologie zum Opfer fallen, liefert Heyses Fremdwörterbuch:

Moxa, f. span. (spr. Mochha; viell. Von moxar, mojar, anfeuchten) Beifußwolle, ein grauer wolliger Stoff, welcher in China etc. aus den Blättern und Spitzen des gemeinen Beifußes (artemisia vulgaris) bereitet und als Heilmittel gegen Gicht und Podagra äußerlich gebraucht wird; (man rollt nämlich die Moxa in einem 25 mm langen Kegel zusammen, befestigt sie mit Speichel auf der Haut u. zündet sie an; am Ende bleibt ein Brandmal zurück, das in Eiterung übergeht; Moxibustion, f. barb. = l. Heilk. das Brennen mit Moxa.   (J.C.A. Heyse: Fremdwörterbuch. Hannover, 1903, 18. Aufl.)

Unter dem Eindruck formaler Ähnlichkeiten zum Spanischen entstand die einleuchtende Herleitung, daß man den Kegel mit Speichel angefeuchtet auf die Haut setze. Das Vorgehen selbst allerdings ist besser beschrieben als in so manchem modernen Nachschlagewerk.

Ein bunte Mischung, wiederum mit einer ‚spanischen Etymologie‛, bietet der Große Meyer von 1907, nicht zu Unrecht als Konversationslexikon ausgewiesen:

Moxa (span., spr. mocha, Brennzylinder, Brennkegel), kleiner, aus leicht verglimmendem Stoff angefertigter Kegel oder Zylinder, der bei Gicht, chronischem Rheumatismus etc. zum Zweck energischer Ableitung auf der Haut verbrannt wird. Die Moxen kamen aus dem Orient durch Prosper Alpino nach Europa, sind jetzt aber durch die Brennapparate fast völlig verdrängt. In Japan benutzt man noch aus dem Bast einer Artemisia-Art bereitete Moxen gegen Rheumatismus und bei Kindern als Strafmittel.    (Meyers Großes Konversations-Lexikon, Bd. 14, Leipzig, 1907)

Daß der Moxa-Kegel aus „verglimmendem Stoff‟ angefertigt wird, verdient nach unserer bisherigen Lektüre schon fast ein Lob. Dankbar nehmen wir hier zum ersten Mal einen historischen — allerdings falschen — Fingerzeig zur Kenntnis. Apart ist zudem der Hinweis auf die pädagogischen Einsatzmöglichkeiten der Moxa, obwohl es im deutschen Kaiserreich gewiß nicht an Strafmitteln mangelte.

Aber das mag ein allgemeiner Zug jener Zeit gewesen sein, denn auch Basil Hall Chamberlain, damals geachteter Hochschullehrer in Japan, schenkt diesem Aspekt sein nachhaltiges Interesse:

„Moxa‟ is one of the few Japanese words that have found their way into the English language. It is properly mogusa, a contraction of moe-kusa, that is „the burning herb‟, — a name given, on account of its use, to the plant which we call „mugwort‟. It is employed as a cautery, fragments of it being rolled into a tiny cone, and then applied to the body and set fire to.
In the old Chinese and Japanese system of medicine, burning with the moxa was considered a panacea for almost every human ill. It was prescribed for fainting fits, nose-bleeding, rheumatism, and a hundred other ailments. A woman unable to bear the pangs of child-birth was to be relieved by having three places burnt with it on the little toe of her right foot. In addition to this, the moxa was used as a punishment for children, many being burnt — generally on the back — when more than usually naughty. This practice, which is not yet obsolete, accounts for some at least of the cicatrices on the naked backs and legs of jinrikisha-men and other coolies. There is a well-known story of a child, who, having committed arson, and rendered himself thereby liable, under the former severe law of the realm, to be burnt alive, was dragged out with impressive pomp to the place of execution, but let off at the last moment with an unusually severe application of the moxa.   (B.H. Chamberlain, Things Japanese. Tokyo, 1904)

Immerhin läßt Chamberlain etwas von der breiten Palette der Anwendungsmöglichkeiten der Moxa erahnen.

Nun könnte man versucht sein, sich in deutsch-japanschen Wörterbüchern Gewißheit zu verschaffen, von denen seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die überwältigende Mehrheit in Japan kompiliert wird. Wie zu erwarten war, taucht auch hier das Stichwort Moxa nur selten auf, und die Erläuterungen stehen in ihrer Vielfast den oben vorgestellten deutschen Vorbildern in nichts nach:

(a) Mogusa, 艾, s. Moxa f.
(Yuhodos Deutsch=Japanisches Taschenwörterbuch, Tokyo, 1922, 14. Auflage)
(b) Mo‛xa [grch.], f.[医](Brennkegel)艾
(M. Katayama: Großes Deutsch=Japanisches Wörterbuch. Tokyo, 1927)
(c) Moxa (m‛ɔksa:)(日)[女]-;…〜xen (-ks´n). (1)艾 (2)灸治
(Gondas Neues Wörterbuch Deutsch-Japanisch. Tokyo 1937)
(d) Moxa [sp.] f. …xen[医](Brennkegel) 艾(モグサ)
(Kimura-Sagara: Deutsch-Japanisches Wörterbuch, Tokyo, 1940)
(e) Moxa [mɔksa] [japanisch-engl.] m. –s, -,((医)) Brennkegel 艾(モグサ)
(M. Sagara: Großes Deutsch-Japanisches Wörterbuch. Tokyo 1958. 1. Auflage)
(f) Moxa (mɔksa:) [sp.] f…xen,[医]艾(もぐさ) Moxenbehandlung f 灸療法
(Sanseidos Neues Wörterbuch Deutsch-Japanisch. Tokyo, 1963)

Die Herkunft aus dem Japanischen vermerken explizit nur zwei Werke, zwei greifen auf die erwähnte spanische Etymologie zurück, Katayama hat sogar eine griechische Wurzel ausgegraben. Mit einer Ausnahme ist Moxa hier ein feminines Nomen, das im Japanischen durchweg als ‚mogusa‛ übersetzt wird.

Gonda fügte dem noch ‚kyūji‛, „Moxenbehandlung‟ bei — ein Wort, das auch im Japanischen schon älter ist und uns später wieder begegnen wird. Neuzeitlich ist hingegen der Begriff ‚kyūryōhō‛ für Moxenbehandlung in Sanseidos Wörterbuch.

In japanisch-deutschen Wörterbüchern schlagen wir mit etwas mehr Glück unter den Stichwörtern ‚mogusa‛sowie ‚kyū‛ bzw. ‚kyūji‛ nach. Die ‚Alten‛ haben dabei nicht unbedingt schlechter gearbeitet. Zum Exempel zunächst J.C. Hepburns Japanese and English Dictionary (Shanghai 1867):

MOXA, KIU; YAITO
YAITO, ヤイト, 灸, (kiu) n, The moxa. –wo szyeru, to apply the moxa.
KIU, キウ, 灸, n. The moxa. –wo szyeru, to apply the moxa –wo orosz, to mark the place where the moxa is to be applied. –no f‛ta, the scab of a moxa. –no iboi, the pus of a moxa. –h‛to –hi, or f‛ta hi, one moxa, two moxas. SYN. YAITO.

Im Vergleich dazu fällt die Wortkargheit moderner Autoren auf:

(a) Mogusa, 艾, s. Moxa f   
(Y. Gonda: Japanisch-Deutsches Taschenwörterbuch, Tokyo 1937)

(b) mogusa もぐさ die Moxa …en.
kyū きゅう(灸)die Moxenbehandlung en. 〜をすえる jn. Mit Moxen behandeln;[叱る]jn. wegen2 schalten. (M. Sagara: Japanisch-Deutsches Wörterbuch. Tokyo 1957)

(c) きゅう灸を据える jn. mit Moxen behandeln;[罰する]jn. bestragen (Ikubundos Japanisch-Deutsches Wörterbuch. Tokyo 1966)

(d) mogusa もぐさ Moxa m. –s, -;
kyū Moxa m. –s, -; Moxakur f. en 灸をすえる Moxakur machen (lassen*);[罰する]jn. et4 zu fühlen geben; (be)strafen4 (mit4) (Sanseidos Concise Japanisch=Deutsches Wörterbuch. Tokyo, 1966)

(e) mogusa(艾)n.[医]die Moxa, pl. –xen; der Brennkegel, -s, pl. -; [植]die Moxapflanze, pl. –n; artemisia chinensis(羅)

(K. Kimura: Großes Japanisch-Deutsches Wörterbuch. Tokyo, 1971. 14. Auflage)

(f) mogusa 艾 der Moxa, -; der Brennkegel, -s, -.
kyū 灸 der Moxa –s, -. 〜を据える Moxa setzen; mit Moxa behandeln(罵る)schelten (weg + 2). (H.Okutsu: Neues Japanisch-deutsches Wörterbuch. Tokyo, 1976. 9. Aufl.)

(g) mogusa 艾[お灸(きゅう)の]das <der> Moxa (zur Brenntherapie.
kyū (kyu「u」灸 das Moxa –s, -s. 灸を据える Moxa brennen*, Moxa anwenden*(比)züchtigen (ihn)   (Schinzinger, Yamamoto, Nambara: Wörterbuch den deutschen und japanischen Sprache — Japanisch-Deutsch. Tokyo, 1981)

Auch bei diesen Wörterbüchern hat man die freie Wahl unter den drei grammatischen Geschlechtern voll genutzt; der Plural schwankt zwischen „Moxas‟ und „Moxen‟. Beim Stichwort ‚kyû‛ steht durchgehend die Wendung ‚kyû wo sueru‛, die im Deutschen durch „mit Moxa behandeln‟ hinreichend wiedergegeben ist, im Gegensatz zu dem etwas exotischen Ausdruck „eine Moxakur machen (lassen)‟. Unvollständig wirkt gleichermaßen das „Moxa brennen‟ von Schinzinger et. al. Die Moxa als Strafmittel, welche uns vor allem Chamberlain so eindrucksvoll nahegebracht hat, spiegelt sich in den Übersetzungen „bestrafen, züchtigen‟, in sehr gemildeter Form auch im „schelten‟ wider. Der übertragene Gebrauch gibt uns indes die beruhigende Gewißheit, daß man inzwischen von diesem Züchtigungsmittel abgelassen hat.

Allerdings können wir nicht behaupten, daß wir mit unserer Aufklärungsarbeit sehr viel weitergekommen sind. Fast mit jedem zu Rate gezogenen Hilfsmittel wirkte der Begriff etwas schillernder, verwirrender. Welchen dieser Quellen dürfen wir vertrauen? Gibt es wirklich einen gemeinsamen Kern, oder ist dieser Eindruck nur zufällig, weil man lange genug voneinander abschrieb? Diese Fragen gaben mir den Anstoß, einmal die Überlieferungsgeschichte des Fremdwortes Moxa vom Fadenende her aufzurollen, seine inhaltlichen Eigenschaften und diversen Gebrauchsweisen zu verfolgen.

 

 2.1 Zu den frühesten Begegnungen der Europäer mit der Moxa

Eines möchte ich vorausschicken: die gelegentlich vertretene These, daß es sich bei dem Wort Moxa eigentlich um einen Rückimport handele — d.h. das Wort sei aus dem Spanischen bzw. Portugiesischen nach Japan gelangt, dort eingebürgert und im nächsten Schritt wieder ins Abendland tradiert worden — wird bei genauem Hinsehen unhaltbar.

Das japanische Wort ‚mogusa‛ ist nachweislich viel älter als die Geschichte der euro-japanischen Beziehungen. So finden wir in der Sammlung Goshûinwakashû[1]von 1086 die noch heute berühmten Verse des Fujiwara Sanekata[2], in denen er seine Liebessehnsucht mit dem verdeckt glimmenden Feuer der ‚mogusa‛ vergleicht. Auch im Iroha jiruishô,[3] das um den Beginn der Kamakura-Zeit (1192-1333) entstanden war, wird das Wort „mogusa‟ erklärt. Ein ethymologisches Wörterbuch von 1268-75, das Myôgoki,[4] führt erneut „mogusa‟ und „yaito‟ auf. Die Reihe solcher Belege ließe sich mühelos verlängen.

Die Mehrheit der Autoren hegt keine Zweifel an der japanischen Herkunft und benennt H. Buschof(f) als ersten Europäer, der Erfahrungen mit der Moxa gemacht und dies schriftlich festgehalten haben soll. Sogar renommierte Spezialisten der ostasiatischen Wissenschaftsgeschichte wie Lu und Needham[5] berufen sich auf Buschofs Traktat über die Podagra von 1674.[6] Es bleiben allerdings einige Fragen offen. Ganz sicher hatten die nach Ostasien vordringenden Europäer in den Regionen in und um Südchina schon während des 16. Jahrhunderts, also hundert Jahre früher, genügend Gelegenheiten, den einheimischen Ärzten auf die Finger zu sehen. Doch liefert die mir bekannte Literatur keinen einzigen Beleg hierfür. Und auch der direkte Verkehr mit Japan setzte zeitig ein. Mehr noch: was war mit den portugiesischen und spanischen Missionaren, die dort bekanntermaßen ärztlich tätig wurden, Hospitäler, Leprasorien gründeten, Fachkräfte ausbildeten und der japanischen Medizin Impulse gaben? Unter den japanbezogenen portugiesischen Materialien des 16. Jahrhunderts wurde ich nach einigem Suchen fündig.

Das früheste Indiz in westlichen Quellen entdeckte ich bei Luis Frois, einem Missionar und Missionshistoriker, der im auf 1584 datierten Prolog zu seiner Historia do Japão[7] einige Mißverständnisse auszuräumen versucht, die in Europa besonders im Hinblick auf Mengenangaben in Berichten über Japan entstanden sein mußten:

3. Ebenso schrieb man, um einen Kranken zu heilen, der an den Augen oder and Rheumatismus (frialdade) leidet, lege man ihm an seinem Körper 3-4000 „Brenneisen‟ (botões de fogo) an. Das ist etwas in Japan sehr gewöhnliches; aber es ist sehr cum grano salis zu verstehen, denn die „Brenneisen‟ macht man hier von trockenen [Blättern] in Kügelchen, so groß wie eine Bohne oder ein großer Granatapfelkern, und indem man es [das Heilmittel], oben angezündet, aufs Fleisch bringt, brennt es, bis alles verbrannt ist. Das ist eine sehr leichte Sache, und wenn man 15 oder 20 am selben Ort genommen hat, dann verursachen die übrigen wenig Schmerz, da das Fleisch dort schon abgetötet ist. Sie sind also nicht wie unsere Brenneisen. Die Japans habe ich an mir selbst erprobt, denn gegen verschiedene Schmerzen und Krankheiten der Augen nahm ich auf dem Rücken und den Knieen über 3000. (zitiert nach der Übersetzung Schurhammers, S.9)

Nicht nur, daß es offenbar noch ältere, wahrscheinlich briefliche Beschreibungen der „botões de fogo‟ gegeben haben muß, Frois selbst hatte sich solchen Behandlungen unterzogen und wußte um einige Therapiemöglichkeiten. Als „botões de fogo‟, d.h. Feuerknöpfe, bezeichnete man in Europa eigentlich die Glüheisen mit kugelförmiger Spitze. Ein solches Cauterium wurde gewöhnlich zu Wundbehandlungen, zur Erzielung von eitrigen Ableitungen eingesetzt und verursachte im Gegensatz zu den langsam glimmenden Moxa-Kügelchen unerträgliche Schmerzen. Denselben Namen gab man ihnen auch in England. In J. Moyles Abstractum Chirurgiae marinae von 1686 finden wir sie ebenso wie noch 1865 im Grand Dictionnaire Universel von Pierre Larousse unter den verschiedenen „cautères actuels‟: „Il y a des cautères coniques, appelés aussi boutons de feu ou pointes de feu‟.

Ein Beispiel dafür, daß man sich in Briefen zur Moxibustion geäußert hatte, sei ein auf den 6. Januar 1584 datiertes Schreiben des Pater Lorenzo aus Macao an den Abt des Collegio in Coimbra, Pater Miguel de Soza.[8] Im Laufe einer knappen Skizze vielerlei japanischer Merkwürdigkeiten kommt der Absender auch auf den Gesundheitszustand der Japaner zu sprechen, der im allgemeinen gut sei. Hier finden wir zugleich den wahrscheinlich frühesten historischen Hinweis auf die Akupunktur:

Selbst wenn sie einmal erkranken, gebrauchen sie kaum Medizin und genesen in kurzer Zeit. Sie haben die Gewohnheit, bei allen Krankheiten den Bauch, die Arme und den Rücken mit silbernen Nadeln zu stechen. Auch verwenden sie aus Kraut gefertigte Feuerknöpfe (botões de fogo).

Am Anfang des ersten Teils der oben erwähnten Historia do Iapão stand eine in siebendreißig Kapitel gegliederte ‚Landeskunde‛, von der leider nur noch die Titel erhalten sind, darunter an elfter Stelle einiges „Dos medicos e mezinhas, e do officio dos cegos de Japão‟, d.h. von den Ärzten, Medikamenten und den Ämtern der Blinden in Japan. J.F. Schütte stieß dann auf einen Froisschen Tratado em que se contem muito susintae abreviadamente algumas contradições   e diferenças de custumes autre a gente de Europa e esta provincia de Japão[9] aus dem Jahre 1585. Diese Abhandlung über Gegensätze und Unterschiede der Gewohnheiten in Europa und Japan zeigt im Aufbau zahlreiche Parallelitäten zu der verschollenen ‚Landeskunde‛ und enthält ein Kapitel über Krankheiten, Ärzte und Medikamente („Das Doenças, medicos e mezinhas‟), wo es u.a. heißt:

Nós uzamos de sangrias; os Japões de botões de fogo cum ervas. [Wir benutzen Aderlässe; die Japaner ‚Feuerknöpfe‛ mit Kräutern]   (portug. Text zitiert nach Schütte, S. 21)

Und im Kapitel VIII über die Pferde erfahren wir, daß die Moxa auch als veterinärmedizinisches Mittel eingesetzt wurde, was keine der holländischen oder deutschen Quellen des 17./18. Jahrhunderts verzeichnet:

Os cavalos emtre nós se sangrão somente; em Japão se sangrão muitas vezes e lhe poem grandes botões de fogo debaxo dos qeixos. [Bei uns läßt man die Pferde nur zur Ader; in Japan läßt man sie häufig zur Ader und brennt sie mit großen ‚Feuerknöpfen‛ unter den Kinnladen.] (portug. Text zitiert nach Schütte, S. 202f.)

Weitere Indizien liefert dann eine ganz andere Art von Materialien: die Wörterbücher, welche die Jesuiten nach intensiven Sprachstudien in Zusammenarbeit mit japanischen Christen verfaßten. Die lateinischen Stichwörter des 1595 auf einer eigens aus Europa importierten Presse in Amakusa (Kyushu) gedruckten Dictionario Latino Lusitanico, ac Iaponicum ex Ambrosii Calepini volumina depromptum [...][10] stammen, wie der Titel zeigt, aus dem berühmten Wörterbuch von Ambrogio Calepino (1440-1510). Dort heißt es unter dem Stichwort ‚ustio‛:

Vstio, onis. Lus. O queimar, ou tostar. Iap. Yaqu l, carasu coto nari. Item, Cauterio, l, botam de fogo. Iap. Yaito, qiugi, l, quaxin. [Vstio, onis. Portugiesisch: O queimar oder tostar. Japanisch: yaku bzw. karasu koto nari. Item Portugiesisch: Cauter bzw. ‚Feuerknopf‛. Japanisch yaito, kyûji bzw. kashin.]

Als japanisches Äquivalent zum „Cauterio‟ bzw. „botam de fogo‟ sind angegeben ‟yaito‟[11] das wir heutzutage mit ‚Moxa‛ übersetzen, des weiteren „qiŭgi‟,[12] d.h. ‚Moxabehandlung‛, und „quaxin‟,[13] soviel wie ‚Feuernadel‛. Daß schriftkundige Missionare auch die entsprechenden chinesischen Charaktere kennen konnten, zeigt uns das Zeichenlexikon Racuyoxu[14] von 1598. Dieses Nachschlagewerk sollte den Padres das Studium und den Gebrauch der Schriftzeichen erleichtern. Es wurde mit großer Wahrscheinlichkeit von japanischen ‚Brüdern‛ verfaßt und ist in einer heute sehr mühselig zu lesenden Kursivschrift gedruckt:

灸  やひと きう [灸 yaito, kyû]
灸治 きうぢ     [灸治 kyûji]

Im Jahre 1603 erschien dann in „Nangasaqui‟ das Vocabulario da lingoa de Iapam,[15] 1604 um ein Supplemento ergänzt. Hier war ein detailliertes Werk entstanden, das bereits regionale Sprachvarianten, Frauensprache, Vulgärsprache, Literatursprache u.a. unterschied. Mit rund 32800 Stichwörtern, zahlreichen Wendungen, Beispielsätzen — teils aus der klassischen Literatur — ist dieses Vokabular ein eindrucksvolles Zeugnis für die geistige Durchdringung der japanischen Sprache und Kultur. „Qiû‟ und „Qiŭgi‟, „Yaitô‟ sind nun japanische Stichwörter, dazu gesell sich „Yaifi‟ als „Ximo‟-Variante,[16] d.h. als nur in Kyushu gebräuchliche Form fon „Qiŭgi‟. Wir finden des weiteren „Yu‟[17] als Bezeichnung bestimmter Moxapunkte:

Yu. Certos lugares ao lõgo do espinhaço onde se dão botões de fogo. [Yu. Bestimmte Orte zu Seiten der Wirbelsäule, wo man Feuerknöpfe anwendet.]

Das zur Heilbehandlung verwendete Material wird unter den Stichworten „Yomogui‟[18] und „Futsu‟[19] erläutert:

Yomogui. Erua de que se fazem botões de fogo. No Ximo se diz Futçu. [Yomogi. Kraut, aus dem Feuerknöpfe hergestellt werden. In Ximo heißt es Futsu.]
Futçu. Erua com que se dão botões de fogo X. [...] No Cami16 se diz Yomogui. [Futsu. Kraut, mit dem man Feuerknöpfe appliziert. [...] In Kami heißt es Yomogi.]

Schließlich stoßen wir zum ersten Mal in einer westlichen Quelle auf das japanische Wort mogusa:

Mogusa. Erua com que se dão botões de fogo. [Mogusa. Kraut, mit dem man Feuerknöpfe appliziert.]

Zum Bereich der Medizin und Pharmazie zählte ich in diesem Wörterbuch weit über 1300 Namen von Medikamenten, Krankheiten, Instrumenten etc. Mit einigem Grund kann man also behaupten, daß die portugiesischen Missionare des 16. Jahrhunderts sehr wohl mit der Moxibustion vertraut waren. Die ersten Kontakte der Europäer mit diesem ostasiatischen Heilverfahren müssen entgegen den bisherigen Ansichten um rund ein Jahrhundert vordatiert werden! Daß dies in allen begriffs- und wissenschaftsgeschichtlichen Darstellungen immer wieder übersehen wurde, liegt meines Erachtens zum einen an der starken Fixierung auf China, zum anderen spürt man bis in solche Bereiche den Bruch in der Beschäftigung mit Japan, zu dem es Anfang des 17. Jahrhunderts durch die Vertreibung der Portugiesen und Spanier gekommen war.

Den letzten Hinweis in diesem Traditionsstrang entnahm ich dem Dictionarium sive Thesauri Linguae Iaponicae,[20] einem von Didaco Collado in Rom 1632 veröffentlichten Lateinisch-Spanisch-Japanischen Wörterbuch:

Cauterium, ii: boton de fuego. Yaitô. [Cauterium, ii: Spanisch: boton de fuego. Japanisch: yaito]

Schon kurz danach, seit 1641, haben jedoch Portugiesen oder Spanier in und aus Japan nichts mehr zu melden, der Verkehr mit der Aussenwelt wird auf Chinesen und Holländer eingeschränkt. Diese Zäsur wirkt sich zwangsläufig auch auf den Umfang und das Niveau der landeskundlichen Informationen aus. Vieles von dem, was Portugiesen wußten, sogar niedergeschrieben hatten, wird vergessen — die Beziehungen zu den Holländern sind ohnehin nicht die besten. In Japan mußte die holländische Verenigde Oostindische Compagnie (VOC) fast von Neuem anfangen, sich ein verläßliches Bild zu entwerfen. Die Bedingungen auf der kleinen Vorinsel Deshima, wo sie eingesperrt waren, erlaubten allerdings keiner groß angelegten Forschungen, sofern man über den Handel hinaus an so etwas interessiert gewesen sein sollte.

 

 2.2 Tradierungsströme seit dem 17. Jahrhundert

Bezeichnenderweise stammt die ersten Beobachtung zur Moxa in der ‚niederländischen Ära‛ auch nicht aus Nagasaki, sondern aus Batavia, Hollands Hauptstützpunkt in Ostasien. Dort war der erwähnte Hermann Buschof aus Utrecht als „Predikant‟ tätig. Wegen einer Podagra, einer Fußgicht, zu mehrwöchiger Bettruhe verdammt, ließ er schließlich eine quinamesische Ärztin rufen. Diese schlug ihm als Brennmittel die „Moxa‟ vor, mit durchschlagendem Erfolg, denn nach seiner Genesung verfaßte er eine Schrift über die Gicht und die Anwendung der Moxa: Het Podagra, Nader als oyt nagevorst en uytgevonden, mitgaders des selfs sekere Genesingh of ontlastend hulpmittel (Amsterdam, 1674), aus der ich zunächst das Kapitel IV des zweiten Buches in der Übersetzung von G.Feucht[21] zitieren möchte. Alle Anmerkungen und Hervorhebungen habe ich hinzugefügt:

Theophilus: Mein Herr, was ist Moxa?
Theodidaktus: Es ist eine wollartige Substanz, die durch überlieferte Zubereitung aus einem bestimmten Kraut gewonnen wird.
Frage: Welchen Namen trägt dieses Kraut in Ihrer Sprache, aus dem sie diesen wollartigen Stoff bereiten? Ist es auch bei uns bekannt?
Antwort: Welchen Namen dieses Kraut bei ihnen führt, ist mir nicht bekannt. Aber ich bin sicher, daß es eines der allerbesten Kräuter der Erde ist, und es genügt, daß es den Beinamen „Mater herbarium‟ trägt.
Frage: Sind für die Zubereitung dieses Krautes besondere Kenntnisse erforderlich?
Antwort: Die Kunst ist den Völkern Sulelien (Sule-ken) so wertvoll, daß sie sie um kein Geld an anderen Nationen bekannt machen würden. Sie behalten sie als großes Geheimnis für sich.
Frage: Wird das zubereitete Kraut in China und Japan öffentlich verkauft?
Antwort: Es wird viel Handel damit getrieben. In ganzen Säcken wird es in die großen Länder transportiert und verhandelt.
Frage: Welche Nation steht im Rufe, dieses Kraut am besten zuzubereiten?
Antwort: Die Chinesen übertreffen die Japaner bei weitem, wie auch in der Zubereitung und Aufbewahrung anderer Medikamente.
Frage: Machen diese Leute viel Aufhebens von dem zubereiteten Kraut?
Antwort: So viel, daß selten jemand gefunden wird, der es nicht bei sich hat.
Frage: Wozu verwenden sie diesen wollähnlichen Stoff?
Antwort: Für Einbrennungen und als kräftig entlastendes Mittel. Gegen alle durch kalte Nebel und Feuchtigkeit entstandenen Gebrechen an allen Körperteilen[22] mit Ausnahme — meines Wissens — der Augen.
Frage: Befinden sie bei diesem Einbrennen wohl?
Antwort: Außerordentlich, glücklich und auch ohne jede Gefahr. Der Körper wird von kalten und verhaltenen Winden22 befreit.

Buschof unterscheidet hier sehr genau zwischen der Moxa, dem Brennmittel, und dem ihm angeblich namentlich nicht bekannten Kraut, aus dem dieses gewonnen wird. Ich vermute jedoch, daß er den Beifuß, ein selbst in Asien gewöhnliches Gewächs, kannte und die „mater herbarium‟ auf die Artemisia anspielt, die als auch im Abendland traditionelle Heilpflanze diesen ‚königlichen‛ Beinamen führt. Offensichtlich war er er im Begriff, einen kleinen Handel mit Moxa aufzuziehen. Hinter der etwas euphemistischen Lobpreisung standen also handfeste Interessen. Interessant und wichtig ist ferner, daß China wie Japan die Moxa ausführten, der Name ‚mogusa‛ als Warenbezeichung für das japanische Brennmittel durchaus sehr verbreitet gewesen sein konnte — um so mehr, als es Qualitätsunterschiede zum chinesischen Konkurrenzprodukt zu geben schien. Im nächsten, fünften Kapitel erteilt uns Buschof dann eine


Anweisung, wie dieses entlastende Heilmittel gebraucht werden muß
Frage: Wie gebrauchen sie diese Mittel für die Einbrennungen und in welcher Menge?
Antwort: Sie machen zwischen den Fingern einen sehr kleinen Pfropfen aus dieser Wolle, nicht größer als eine Erbst; der obere Teil spitz verlaufend, der untere Teil flach; mit der Unterfläche setzen sie es auf die Stelle, wo die Einbrennung erfolgen soll. Am spitzen Ende zünden sie es mit kunstvoll verfertigten brennenden Räucherstäbchen an, die einen angenehmen Geruch verbreiten.
Frage: Fängt dieser wollähnliche Stoff leicht Feuer?
Antwort: Wenn er ordentlich trocken ist, rascher als der beste Zündschwamm, weshalb die Chinesen diese Wolle auch zum Feuermachen verwenden.[23]
Frage: Wird dieser Pfropfen, wenn er angezündet ist, ganz zu Asche verbrannt?
Antwort: Nicht ganz, immer bleibt ein kleiner Bodenrest zurück, der nicht zu Asche wird.
Frage: Wie kommt es, daß dieser Pfropfen nicht vollständig vom Feuer verzehrt wird?
Antwort: Durch die Feuchtigkeit, die aus der kranken Stelle durch den brennenden Stoff aufgesaugt wird und größtenteils in Rauch aufgeht;22 zum Teil bleibt sie auch in dem brennenden Pfröpfchen und feuchtet es so an, daß es nicht ganz zu Asche verbrennen kann.
Frage: Ziehen diese Einbrennugen keine Blasen auf der Haut?
Antwort: Keineswegs; sie verursachen nur ein kleines graues Fleckchen, obwohl die Pfröpfchen einige, ja viele Male hintereinander an derselben Stelle angezündet werden.
Frage: Was für eine Erklärung wird dafür gegeben, daß hier durch Feuer keine Blasen entstehen?
Antwort: Keine andere, als daß das Pfröpfchen nicht ganz bis zur Haut durchbrennt; darum heißt es auch Einbrennung.
Frage: Verursacht das Einbrennen keinen unausstehlichen Schmerz?
Antwort: Der Schmerz ist erträglich, weil der Stoff von wolliger leichter Konsistenz und nicht fest und dick ist. Auch ist das Pfröpfchen klein und verbrennt nicht bis auf die Haut.
Frage: Dauert des Verbrennen des Pfröpfchens lange?
Antwort: Nicht viel länger als man bis 50 zählen kann.   
Frage: Wie oft erhält man die Einbrennung an einer Stelle?
Antwort: Gewöhnlich 8mal auf schwachen und zarten Körperteilen, aber an anderen Körperteilen, im Bedarfsfalle, so oft, bis die Beschwerden vergangen sind. Zum Beispiel können bei Hüftschmerzen an ein und derselben Stelle bis 25, ja 50 Pfröpfchen angebracht werden, wovon man aber nicht den geringsten Schaden zu befürchten braucht, wohl aber bessere Erleichterung erwarten kann.
Frage: Aber verursacht solch eine Einbrennung keinen Nachschmerz?
Antwort: Überhaupt keinen; man kann unmittelbar mit dem Erlöschen des Feuers die eingebrannte Stelle ohne besondere Schmerzen berühren, ja, nach Belieben auch fest stoßen oder drücken.
Frage: Vertreiben diese Einbrennungen den Schmerz, der irgendwo im Körper ist, ganz, oder erleichtern sie ihn nur?
Antwort: Beides, bis an die Grenze des Wunderbaren.

Entscheidend ist, daß die Behandlung fast schmerzfrei und trotzdem wirkungsvoll abläuft, eingedenk der Glüheisen westlicher Ärzte ein nur allzu verständliches Argument, das denn auch des öfteren aufgegriffen werden sollte. Buschofs Schrift wurde kurz nach seinem Tode 1674 von seinem Bruder Johan, Advokat und Conrektor der Lateinischen Schule in Utrecht, herausgegeben und fand rasche Verbreitung. Das Mittel selbst war bei Buschofs Sohn, dem Advokaten Joan Buschof (Utrecht), für teures Geld wohlfeil. Sicher hat dies die Suche nach dem pflanzlichen Rohstoff und nach Alternativen erheblich beschleunigt.

Besonders in Deutschland reagierte man schnell. Schon 1676 publizierte Bernhard Wilhelm Geilfuß aus dem hessischen Marburg eine Disputatio inauguralis de Moxa. Ein Jahr später erschienen auch in den Ephemeriden der Leopoldinischen Akademie[24] die ersten Diskussionsbeiträge, eine Observatio D. Johann Sigismundi Elsholtii de Moxa sinensi, antipodagrica und die Observatio D. Erici Mauritii de novo contra podagram remedio. Im Jahre 1679 teilt Andreas Cleyer in einem ebenfalls dort veröffentlichten Schreiben[25] mit, daß das Präparat in Japan aus einer Artemisia angefertigt würde, welche „Moxa‟ hieße, und er beschreibt ausführlich deren Zubereitung.

Cleyer, ein gebürtiger Kasseler, Lizentiat der Medizin, stand in den Diensten der VOC, war zweimal ‚opperhoofd‛ in Deshima (1682-83, 1685-86), später geachteter Ratsherr in Batavia und wurde der europäischen Gelehrtenwelt durch seine botanisch-medizinischen Forschungen und kostbaren Materialsendungen bekannt. Er hatte diese Beobachtung auf einer ‚hofreis‛ von ‚Nangasasacki‛ nach ‚Jedo‛ gemacht, der einzigen Gelegenheit der Holländer, Japan näher kennenzulernen. Wilhelm Wedel fertigte dann aus dem gewöhnlichen Beifuß, der Artemisia vulgaris latifoli, eine „teutsche Moxa‟ an, die er 1683 als „Moxa germanica‟ vorstellt.[26] Die starke Resonanz demonstriert, wie viele Menschen damals an Gicht gelitten haben mußten. Zu diesem Zeitpunkt ist aber so gut wie nichts von der hinter der asiatischen Moxa-Therapie stehenden Anatomie, Physiologie und Ätiologie bekannt. Die Moxibustion galt schlicht als eine Form der Feuertherapie, die mit dem Cauter ihre eigene Tradition in Europa aufweisen konnte.

Wilhelm Ten Rhijne, als Arzt der VOC in Deshima (1674-77), später bis zu seinem Tode in Batavia tätig, war wohl der erste Fachmann, der mit japanischen Ärzten über die Moxa sprach und einige Beobachtungen machte, die er 1683 in einem vielbeachteten Buch in London herausbrachte, der Dissertatio de Arthritide: Mantissa Schematica; de Acupunctura; et Orationes Tres.[27] Ten Rhijne kannte Buschof und verdankte diesem offenbar so viele Anregungen, daß er ihn in seiner auf den 30.1.1679 datierten „Epistola dedicatoria‟ über die Maßen preist. Es folgt ein von Buschof verfaßtes Gedicht, in dem zunächst Die „Podagra spreekt‟: „Ick, Princes van alle quaelen!‟ Jeden zwänge sie in die Knie, und die Ärzte, wie berühmt sie auch sein mögen, „Staek ick ‚t samen in myn saek‟. Doch der geplagte Mensch ist nicht von Gott verlassen. Es kommt „Des Auteurs Antwoort‟ mit dem wunderbaren „reuck werk‟:

Edel Moxa! den Japander
En Chinees en keut geen ander
In haer uytgestreekte ryck
Woll in krachten u gelyck.

Alsdann finden wir „Objectiones Extemporaneae‟ von Ten Rhijne zu Buschofs Schrift, desweiteren einen „Extract uit een brief, geschreven An den Eerwaerden Heer Hermannus Buschof, Bedienaer des Goddelyken Woorts tot Batavia‟ vom 19. Oktober 1674 aus „Nangasacki‟ Dieser kurz nach der Ankunft verfaßte Brief beweist, daß Ten Rhijne mit dem Vorsatz nach Japan gekommen war, die Moxa und andere Heilverfahren der japanischen Medizin zu erkunden.

Dann noch einmal „Postscripta‟ vom 16. Februar 1677 zu Buschofs „Tractatum de Podagra‟, notiert auf der „Insula Decima ad urbem Nangasacque‟, in denen viele der undeutlichen Ausagen Buschofs (s. Zitat w.o.) aufgehellt werden. An dieser Stelle wundert sich Ten Rhijne auch erstmals über die eigenartige Lage der japanischen Behandlungspunkte. Buschof meinte auf Seite 71 noch schlicht: Loca inurenda visu & tactu dignoscit artifex. Ten Rhijnes Postscriptum ist deutlich schärfer:

Quod saepissime impossibile est; v. g. Si stomachus doleat, vel prostratus ejus sit appetitus, inustio super scapulus prodest;[28] si vasa spermatica debilia sint & involuntaria adsit seminis effusio, lumbaris regio & os sacrum cum commodo inuritur[29] à Sinis atque Japonibus, qui adeoque singulares regulas de locorum cognitione composuere.

Endlich beginnt der Autor mit der Dissertatio de Arthritide, in der er sich fortlaufend auf Buschof beruft und unter den Heilmitteln besonders die „Moxa‟, die „Acupunctura‟, aber auch den „Thee‟ und eine „Radix Sinica Virtuosa‟ namens „Xin Ki(e)u‟[30] nennt.

Die seltsame Anatomie in den ostasiatischen Büchern ließ ihn offenkundig nicht los. Denn so unverständlich die ‚Regel der Brennpunkte‛ war, die Zirkulation des Blutes kannte man hier länger als im Abendland. Und so präsentiert Ten Rhijne in der sich anschließenden Mantissa Schematica vier Figuren, zwei aus der chinesischen Literatur, zwei aus japanischen Quellen mit den Behandlungspunkten und den diese verbindenden ‚Tracten‛ und ‚Kanälen‛.[31] Diese interpretiert er allerdings unter ständigem Kopfschütteln als „arterias et venas‟, was in Europa dann erhebliche Mißverständnisse auslöst und die weitere Rezeption der asiatischen Medizin beeinträchtigt. Die Vorlagen dieser Tafeln stammen aus Japan. Den dazugehörigen Text ließ er sich — wie er im „Proemium‟ ausführt — von dem Arzt „Iwananga Zoko‟,[32] der gute Chinesischkenntnisse (Kanbun) gehabt haben soll, und dem Dolmetscher „Mottongi Sodaio‟[33] erklären. Letzterer sei zwar sprachlich nicht so bewandert, kenne sich in medizinischen Fragen hingegen besser als alle anderen Dolmetscher aus. Nach der Übertragung aus dem klassischen Schriftchinesisch ins Japanische und dann ins Holländische war dann ein entsprechend verworrener und mit sinojapanischen ‚Fachtermini‛ geschmückter Text entstanden, an dem man auch heute noch philologisch zu beißen hat.

Daß mit der nächsten Abhandlung De Acupunctura ein neuer Begriff geprägt wurde, sei hier nur am Rande vermerkt. Anders als in der weiter oben dargestellten deutschen Diskussion ergreift mit Ten Rhijne ein Fachmann das Wort, der sich durch eigenen Augenschein einarbeiten konnte. Seine Einschränkung der Anwendung auf die Gichterkrankungen wirkte übrigens — wie man in den eingangs zitierten Enzykloöädieartikeln erkennt — bis ins 20. Jahrhundert.

Bedeutsam für die weitere Verbreitung dieser Einsichten war Stephen Blankaarts Verhandeling van het Podagra en vliegende Jicht (Amsterdam 1684). Diese enthält, wie der Zusatz im Titel der deutschen Übersetzung von 1692 (Leipzit) verrät, auch „des Herrn W. Ten Rhyne Beschreibung der Chinesen und Japaner Weise, wie selbige allerlei Krankheiten durch das Brennen mit der Moxa und dem Stechen einer guldenen Nadel völlig und gewiß courieren‟.

Aber auch in den vielgelesenen Missionsberichten stehen hie und da ein paar Anmerkungen wie z.B. in Jean Crassets Historie de l‛Église du Japon (Paris 1689), die ich leider nur in der Augsburger Übersetzung von 1738 (Ausfuehrliche Geschicht der in dem aeussersten Welt=Theil gelegenen Japanesischen Kirch) einsehen konnte:

Mit denen Kranken verfahren sie auf eine seltsame Art, welche der Unserigen ganz entgegen gesetzt ist. [...] Wider das Fieber gebrauchen sie gantz kleine dünne goldene Nadeln, welche sie an sechs unterschiedliche Theil des Leibs völlig hinein stecken; dieses Mittel ist auch in China gebräuchlich. In grossen Kranckheiten brennen sie die Haut der Kranken auf zwantzig Orten, indem sie kleine von einem trocknen leicht Feuer=fangenden Kraut gemachte Kuglen an den Leib halten. Selbe bleiben zwey Tag an der Haut hangen, und wann sie verbrennt seynd, und abgefallen, unterlassen sie ein schwartzes Merckmal. (S.11)

Inhalt und Arrangement dieses Kapitels, „Wie die Japoneser mit ihren Kranken umgehen‟, weisen deutliche Parallelen zum Froisschen Traktat der Kulturverschiedenheiten auf, der also bereits vor seiner Publikation anfangs des 20. Jahrhunderts von Gelehrten gelesen wurde. Auch die Gedenkwaerdige Gesantschappen des Arnoldus Montanus (Amsterdam 1669) zehren bei genauem Hinsehen (S.48) im allgemein landeskundlichen Teil aus diesen Quellen, wenngleich bei den „Geneesmiddelen‟ die Moxa ausgelassen worden war.

Ich übergehe M. Valentinis Historia Moxae cum adjunctis medicationibus Podagrae (Leiden 1686) und möchte kurz einen Augenzeugen vorstellen, der in diesem Zusammenhang so gut wie unbekannt geblieben ist, seinerzeit jedoch sehr gern gelesen wurde: Georg Meister aus Dresden. Diesen verschlug es wie viele andere unruhige Deutsche jener Zeit aus ihrer engen Heimat zur VOC und dann als Gartenbau- meister in die Dienste von A. Cleyer, den er auch nach Japan begleitete. Er muß ziemlich wissensdurstig gewesen sein, an Sprachen, Menschen und der Naturkunde sehr interessiert. Die Pflanzen Ostasiens und deren Nutzung hatte er intensiv im Der Orientalische Kunst- und Lustgärtner (Leipzig 1692) zum ersten Mal beschrieben. Natürlich äußert er sich auch zur Moxa, deren ‚o‛ ihm allerdings wie ein ‚u‛ klang:


Munxsa oder Muxa
Das Kraut Artemisia auff Jappanisch Munxsa genant / wird im Monath Mey den 25. biß 30. dito von denen Jappannern gesammlet / und zu ihrer Medicin und Brenn-Kunst gebrauchet / nehmlich sie nehmen dieses auff getrucknete Artemisia, reiben es zwischen den Haenden weich / machen kleine Wickelen / wie eine Wuertz-Nelcke davon / und wo es ihnen wehe thut / doch meistens auff den Ruecken. Item, an die Kniescheiben / und den großen Sehnadern / zuenden es an / daß es in die Haut einglimmen muß / so lange biß es tieff und groß ist / als sie es verlangen / gehet eins aus / brennen sie ein anders in dessen Stelle / das Kraut Artemisia Muxa ist ferner gut / wenn einer einen verderbten Magen hat / und nicht viel essen kan. So machen die Jappanner auch aus dem Kraut kleine Kuegelein / als ungefehr eine Haselnuß groß / mit Saltz ein wenig vermenget / und derselben Kuegelgen /. Morgen hinter einander ein jedes mahl 2. biß 3. oder nach dem man sie groß oder klein gemachet / mehr oder weniger / und solte er auch nur 3. Tage nach einander continuiren koennen / weil sie von Geschmacke was bitter / die Jappanner gebrauchen sich dieser Cur viel / wie ich selbst gebrauchet habe / und gleichfalls gut befunden / die jungen Sproeßlein Fuzu genannt / bedienen sich die zu Miaco, an Fische zu kochen.    (Meister: Kunst- und Lustgärtner , S.171f.)

Interessant ist hier das noch heute verbreitet Dialektwort ‚Fuzu‛ und der Hinweis auf die Wirkungen der Artemisia bei Magenverstimmungen, die einige ältere Japaner aus Nordkyushu auf mein persönliches Befragen noch kannten. Meister war übrigens kein Anatom, und es könnte gut sein, daß seine „Sehnadern‟ jene „Meridiane‟ in japanischen Abbildungen meinen, die ihm möglicherweise unter die Augen gekommen waren.

Ein Jahr später (1693) erhebt Sir William Temple als geheilter Patient in seinen viel beachteten Miscellanea[34] die Stimme. Auf ihn, nur auf ihn, beruft sich später S. Johnson im Dictionary of the English Language (London 1755):

MO‛XA. n. s. An Indian moss, used in the cure of the gout by burning it on the part aggrieved. Temple

1695 kommt der deutsche Arzt Engelbert Kaempfer nach der Rückkehr von einer zehnjährigen Reise, davon zwei Jahre Aufenthalt auf Deshima (1690-92), in seiner Inauguraldisputation[35] auf die Akupunktur wie auch die Moxa zu sprechen. Die Dissertation verläßt in diesen beiden Punkten den Rahmen des Bekannten noch nicht, doch in erheblich erweiterter Form finden wir zwei sehr einflußreiche Abhandlungen dann im 1712 gedruckten Amoenitatum exoticarum[36] wieder. Dort leistet Kaempfer neben einer Übersicht über die Brenntherapie bei verschiedenen Völkern des Ostens eine eingehende Beschreibung der Gewinnung und Anwendung, ja er bietet einen aus dem Japanischen übersetzten ‚Moxa-Spiegel‛ samt einer dazugehörigen Illustration an.[37] Eine Fülle technischer Details wird hier ausgebreitet. Natürlich staunte auch er über das Auseinanderfallen von Krankheitsherd, bzw. ‚locus dolenti‛, und dem Behandlungspunkt. Die Parallelen zu Ten Rhijne, dessen Arbeiten er besaß, sich unübersehbar:

So ungereimt es einem gewissen Litthauischen Edelmann schien, bei dem Kopfweh ein Klistier zu geben, so wunderbar kommen dem Fremden die guten Wirkungen des Artemisialischen Brennmittels vor, das doch an einem ganz andern als dem leidenden Ort angebracht ist. Und doch brent man mit wirklichem Erfolge in Magenbeschwerden und um Appetit zu erwecken die Schultern: die Gelenke des Rueckgrades bei Seitenstichen, die Muskeln des Daumes bei Zahnschmerzen an eben der Seite,[38] und solcher sonderbaren Beispiele giebt es mehr. Und wo ist nun irgend ein Anatomiker scharffsichtig genug, um hier die besondre Verbindung der Gefäße angeben zu können?(zitiert nach der deutschen Ausgabe 1779, S.436f.)

Unter allen Abhandlungen zur Moxibustion ist die von Kaempfer die wohl am meisten übersetzte und zitierte, was jedoch nicht heißt, daß man sie auch richtig gelesen und verstanden hätte. Man sollte sich an dieser Stelle noch einmal klar machen, daß neben den heute wissenschaftsgeschichtlich bedeutsamen Schriften zahlreiche Zusammenfassungen, populäre Schilderungen u.ä. für ein Lesepublikum geschrieben wurden, das sich den Kauf eines so teuren wie fachspezifischen Buches wie dem von Ten Rhijne oder auch Kaempfer weder leisten konnte noch wollte. Allgemeineres Interesse gewannen Titel wie die Hedendaegsche Historie of tegenwoordige Staet van alle Volkeren [...] Eerst in‛t Engelsch beschreven door Th. Salmon; Nu vertaelt en merkelyk vermeerdert door M. van Goch, M. D. (Amsterdam 1729). In diesem Buch für den neugierigen Leser werden der Akupunktur und Moxibustion rund zehn Seiten Raum eingerückt, sorgfältig gegliedert mit reichlichen Zitaten aus der uns schon bekannten Spezialliteratur. Doch ließ seit der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts das Interesse der Mediziner an den Moxen nach. Zwar finden sie in den Arbeiten von Fachleuten wie J. Junker (1722),[39] L. Heister (1718),[40] G. van Swieten (1755),[41] u.a. immer wieder Erwähnung, doch wendet man sie nur noch selten tatsächlich an. Erst in der zweiten Hälfte jenes Jahrhunderts kommt es zu einer gewissen Wiederbelebung der Feuerchirurgie allgemein, so daß auch der Namen Moxa häufiger fällt. Laut Feucht (S.8f.) gab den auslösenden Impuls die französische Akademie für Chirurgie durch eine „Question proposée en 1752 pour le prix de 1753; Le Feu ou Cautère actual n‛a-t-il pas été trop employé par les Anciens et trop négligé par les Modernes. En quel cas ce moyen doit-il être préfère aux autres pour la cure des maladies chirurgicales, et quelles sont les raisons de préférence‟. 1755 schrieb man diese Preisfrage noch einmal aus, denn schien das Ergebnis den Erwartungen zu entsprechen. Allerdings zog man der Artemisia andere Materialien wie Baumwolle vor und dehnte den Indikationsbereich erheblich aus. Man testete feuchtes Schießpulver, in Salpeterlösung getauchten Hanf, vermodertes Holz. P. Percy, Autor von La Pyrotechnique chirurgical pratique (deutsche Ausgabe 1798), verwendete getrocknetes Sonnenblumenmark. Oblaten werden in Terpentinöl getränkt, Kaliko in Bleiazetat, Flachs in Salpeter, diverse Papiere in Kaliumchromat. Man versuchte es mit Feuerschwamm, getrockneten Fadenpilzen, Fliegenpilzen, Birkenschwämmen (s. hierzu Feucht, S. 9f.). Die eigentliche Artemisia-Moxa scheint fast verschwunden, hätten dAlembert und Diderot sie nicht in iher Encyclopédie, Tome X (1765) verewigt:

Moxa; (Hist. Nat. Médec. & Chirurg.) c‛est le nom que les Japonois donnent à une espece de duvet fort doux au toucher, d‛un gris de cendre, & semblable à la filasse de lin. On le compose de feuilles d‛armoise pilées, don't on sépare les fibres dures & les parties les plus épaisses & les plus rudes. Cette matière étant sèche, prend aisément le feu, mais elle se consume lentement, sans produire de flamme & sans causer une brûlure fort douloureuse. Il en part une fumée légere d‛und odeur assez agréable. Lorsqu‛il s‛agit d‛appliquer le moxa, on prend une petit quantité de cette filasse que l‛on roule entre les doigts, pour lui donner la forme d‛un cône d‛environ un pouce de hauteur. On applique ce cône par sa base, après quoi l‛on met le feu au sommet du cône qui se consume peu-à-peu, & finit par faire une brûlure légere à la peau, qui ne cause point une douleur considérable. Quand un de ces cônes est consumé, on en applique un second, un troisième, & même jusqu‛à dix & vingt, suivant l‛exigence des cas & suivant les forces du malade. Les Japonois nomment tensasi[42] ou tâteurs, ceux don't le métier est d‛appliquer le moxa, parce qu‛ils tâtent le corps des malades avant l‛opération, pour savoir la partie sur laquelle il faut faire la brûlure; cette connoissence dépend de l‛expérience de l‛opérateur. Dans les maux d‛estomac on brûle les épaules; dans les pleurésies on applique le moxa sur les vertebres du dos; dans les les maux de dents on l‛applique sur le muscle adducteur du pouce. C‛est sur-tout le long du dos que l‛on fait cette opèration;[43] celui qui doit la souffrir, s‛assied à terre, les jambes croisées, le visage appuyé sur les mains: cette posture est estimée la plus propre à faire découvrir la situation des nerfs, des muscles, des veines & des artères, qu‛il est tres important d‛éviter de brûler.

Ce remède est employé très-fréquamment au Japon, même par les personnes en santé, qui le regardent comme un grand préservatif, au point que l‛on ne refuse point au criminels condamnés à la prison, de se faire appliquer le moxa. Selon Kempfer, les Hollandois ont souvent éprouvé l‛efficacité de ce remède contre la goutte & les rhumatismes. Ce voyageur croit qu‛il ne reussiroit point si bien dans les pays froids que dans les pays chauds, où la transpiration forte cause plus de relâchement dans les muscles; cependant il paroît constant que ce remède procureroit, même parmi nous, de très-grands biens, s‛il étoit employé à-propos.

Les anciens Médecins se servoient de la filasse de lin, de la même manière que les Japonois employent le moxa.

Der Einfluß Kaempfers ist unübersehbar. Merkwürdigerweise verschiebt sich an anderer Stelle in derselben Encyclopédie plötzlich wieder der Blickwinkel. Zum einen wird die Moxibustion als eine ‚archaische‛ Form der Behandlung vorgestellt, die in Asien überlebte. Zum zweiten findet die Behandlung entgegen der Darstellung Kaempfers und auch Ten Rhijnes direkt am Krankheitsherd statt. Zunächst einige Zeilen aus der Erläuterung zum Stichwort „douleur‟:

Hippocrate & les anciens medecins faisoient grand usage du feu actuel contre les douleurs, comme il en conste par leurs oeuvres: les Asiatiques y ont encore souvent recours, comme curatif & comme préservatif, pour les douleurs de goutte & autres; ils se servent par cet effet d‛une espèce de cotton en forme de pyramide, qu‛ils font avec des feuilles d‛armoise, qu‛ils appellent moxa; il l‛enflamment après l‛avoir appliqué sur la partie souffrante [...](Tome V)

In dieselbe Richtung zielen auf folgende Ausführungen beim Stichwort „sciatique‟:

[...] quelques autres on beaucoup vanté les vertus des ventouses, & du feu même appliqué à nud; ils se sont fondés sur la pratique assez heureuse des Japonois & des Chinois qui brûlent la moxe sur la partie affectée. Hippocrate avant eux s‛étoit déclaré partisan de cette méthode, [...] il parôit même avoir connu l‛usage de la moxe, du moins la combustion qu‛il propose avec le lin crud dans le cas de sciatique de le douleur fixe lui est assez analogue.   (Tome XIV)

Im übrigen erlangt die Moxa an diesen beiden Stellen ihr weibliches Geschlecht wieder, und das ‚ ‛ wird zum ‚e‛.

So kommt auch in zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts der japanischen Moxa ein nur mehr historischer oder völkerkundlicher Wert zu, wie in M. Dujardins Histoire de la chirurgie (1774-80). Neue Impulse von Asianreisenden sind rar. Von Carl Peter Thunbergs Resa uti Europa, Africa, Asia förråttad Åren 1770-1779 (Uppsala, 1788) hätte man sich das erhofft. Doch der Arzt und Naturforscher Thunberg, zu Recht neben Kaempfer und Siebold gestellt, weiß hinsichtlich der japanischen Medizin wie auch der Moxibustion nach zwei Jahren in Deshima (1775-76) nicht viel Neues zu berichten:[44]

La brûlure avec le moxa et les piquures d‛aiguilles, ne sont pas moins en vogue au Japon que la saignée en Europe. Le moxa sert non-seulement à guérir, mais encore à prévenir certaines maladies. On administre ce remède aux personnes de tout âge et de tout sexe, et sur presque toutes les parties du corps, sur les muscles, les nerfs, sur les chairs, principalement sur le dos. Les chirurgiens brûleurs choisissent l‛endroit d‛après un tableau imprimé qui leur sert de guide. On applique les ventouses pour la pleurésie, l‛odontalgie; elles sont souveraines pour la goutte et les rhumatismes. (S.335f.)

Nicht nur das „tableau‟, auch andere kleine Indizien belegen die vielen Anleihen bei Kaempfer. Immerhin besaß Thunberg, der in Uppsala den Lehrstuhl Linnés übernahm, soviel Interesse an der Moxibustion, daß J.G. Hallmann 1788 eine Dissertation De Moxae atque Ignis in Medicina rationali Usu einreichen konnte.

Zu erwähnen ist hier des weiteren Isaac Titsingh, eigentlich Arzt, dann ‚opperhoofd‛ in Deshima (1779-80), 1794 sogar holländischer Gesandter in Peking. Titsingh, von dem Zeitgenossen und spätere Forscher reichlich zehrten, wandte ungeheure Energien auf, um neben seiner eigentlichen Tätigkeit die japanische Sprache, Gesellschaft und Kultur aufzuhellen. Aus Asien brachte er eine umfangreiche Sammlung mit nach Europa, von der er eine „Lijst‟ in seinen Bijzonderheden over Japan (Gravenhage, 1824)[45] beifügte. Darin beschreibt er u.a. ein Buch zur Akupunktur und Moxa samt einem „tsoë bosi‟,[46] eine Papiermaché — Puppe zur Bestimmung der Nadel — und Brennpunkte, die ihm der erste Arzt des ‚Keizers‛ (Shôgun) verehrt hatte:

Over de Japansche beprikking, en de Moxa, zeer groot folio, met 20 platen en eene gekleurde pop, op welke men met stippen, lijnen en letters aantoont, waar men, met een goed gevolg en zonder gavaar, de beprikking[47] en inbranding (I) kan bewerkstelligen. Deze afbeelding der menschelijke gestalte was een geschenk van den eersten Geneesherr des Keizers: zij is omtrent 30 duim hoog, van bordpapier gemaakt, vleeschkleur geteekend, en gevernist: de ribben, de ruggegraad, de spieren, en de voornaamste vooruitstekende deelen des ligchaams zijn wel bepaald. De karakters of nommers daarop hebben betrekking tot een boek vol bijzonderheden, in 16˚, in het Japansch, bevattende platen met derzelver uitlegging, waarbij men, ter opgegevene plaatse, den naam en de beschrijving vindt van het lijdende deel, de ziekten waaraan het onderhevig is, de manier om hetzelve, des vereischt wordende, te beprikken, en hoe dikwijls: ein delijk de geneesmiddelen, die men daarbij dient te bezigen. Hiertoe behooven een ebbenhouten kastje met allerlei naalden, en bereide wortesl vor de Moxa.  (S.227f.)

Die Fußnote (I) weißt auf „een verhaal van de Moxa, een uitmuntend brandmiddel der Chinezen en Japannezen‟ von Kaempfer hin. Möglicherweise ist diese Pappfigur, die von anderen Autoren mehrfach beschrieben wurde, mit dem „Tsoë-Bosi‟ im Musée d‛Histoire de la Médecine in Paris identisch. Dieses Material bot nach Ten Rhijne und Kaempfers Abhandlungen die dritte, abermals ungenutzte Chance, das ‚Locus-dolendi-Denken‛ Europas zu überwinden und in die theoretischen Voraussetzungen der Moxibustion einzudringen.

Auf Titsinghs Werk stützte sich neben anderen Autoren der Chevalier J. B. Sarlandière, der seinen 1825 mit großen Erfolg in Paris publizierten Mémoires sur l‛Électro-Puncture, considérée comme moyen nouveau de traiter efficacement la Goutte, les Rhumatismes, et les Affections Nerverses, et sur l‛emploi du Moxa Japonais en France einen Traité de l‛Acupuncture et du Moxa, principaux moyens curatifs chez les Peuples de la Chine, de la Corée et du Japon, orné de Figures Japonaises folgen ließ. Zumindest eine allgemeine Vorstellung von Moxa hat endlich an Raum gewonnen.

„Die Moxa und die Acupunctur sind heut zu Tage zu sehr in Europa bekannt, als daß ich diese beiden wichtigen, in China so allgemein gebäuchlichen äußeren Heilmittel hier zu berühren brauche‟, schreibt 1829 J. Rehmann in seinen Bemerkungen über den Zustand der Arzneikunde bei den Chinesen.[48] Dies traf offensichtlich zu, denn erstmals geht die Moxa in die Welt der belles lettres ein. In seiner Physiologie du mariage (Meditation XIII, des moyens personnels) von 1826 empfiehlt H. de Balzac einige köstliche Kunstkniffe, wie ein gefährdeter Ehemann dem möglichen Seitensprung seiner Gemahlin vorbeugt und deren Aufmerksamkeit ganz auf sich konzentriert. Auch die Verschiedenheit von Leidensursache und Behandlungspunkt wird hier metaphorisch genutzt:[49]

Enfin, en médecine, lorsqu‛une inflammation se déclare sur un point capital de l‛organisation, on opère une petite contrerévolution sur un autre point, par des moxas, des scarifications, des acupunctures, etc.
Un autre moyen consiste donc à poser à votre femme un moxa, ou à lui fourrer dans l‛esprit quelque aiguille qui la pique fortement et fasse diversion en votre faveur. [...] Un soir, le mari resta plongé dans un chagrin profond, visible, affreux. Sa femme en était déjà venue à lui montrer plus d‛amitié qu‛elle n‛en resentait même au temps de la Lune de Miel; et dès lors, questions sur questions. De sa part, silence morne. Les questions redoublent, il échappe à monsieur des réticences, elles annonçaient un grand malheur! Là, il avait appliqué un moxa japonais qui brûlait comme un auto-da-fé de 1600.   (S. 1036ff.)

Nach einer ganzen Reihe solcher ‚Moxen‛ gibt Balzac zum Schluß noch den guten Rat:

Sachez combiner le système des moxas avec les déceptions mimiques de Carlin. L‛immortel Carlin, de la comédie italienne, tenait toute une assemblée en suspens et en gaîté pendant des heures entières par ces seuls mots variés avec tout l‛art de la pantomime et prononcés de mille inflexions de voix différentes. [...]   (S. 1044f.)

Ein paar Jahre zuvor, nämlich 1823, kam Philipp Franz von Siebold zum ersten Mal als Arzt der VOC nach Japan. Anders als seine Vorgänger verfügte er über finanzielle Mittel und hatte vorzügliche Kontakte zu japanischen Medizinern, praktizierte zeitweilig auch selbst und bildete japanische Schüler aus, die ihm ihrerseits in holländischer Sprache ‚Dissertationen‛ zu den verschiedensten Aspekten Japans verfaßten. Von „Totsoeka Riosaij‟[50] stammt De korte beschrijving over de manier der moksabranden en de gebrande naald. Dabei handelt es sich um eine Zusammenfassung der Kurzen Darstellung der Moxabehandlung (Kyûhô ryakusetsu) des japanischen Hofarztes Ishizaka Sôtetsu (1764-1840),[51] das Siebold in Edo 1826 vom Autor persönlich erhalten hatte.

Vieles aus den Dissertationen taucht in seinen Publikationen bzw. dem Monumentalwerk Nippon,[52] wieder auf. Dort skizziert er im Kapitel 3 der Abteilung IV „Über die Anwendung der Moxa‟ zunächst die Einführung der Moxa im Westen — soweit sie ihm bekannt war. Und damit endete auch schon sein eigener Beitrag. Bei Kaempfer angekommen, begnügt er sich, diesen über weite Strechen wiederzugeben und, ein paar Anmerkungen sowie Auszüge aus den Arbeiten seiner Schüler hinzuzurügen. Angesichts der inzwischen schon recht langen Tradition der Moxibustion in Europa und der günstigen Forschungssituation keine überwältigende Leistung.

Doch dies mag auf das enorme Selbstbewußtsein der Medizin(er) damals zurückzuführen sein. Die Brenn- und Ätzmittel verschwinden allmählich aus der ärztlichen Praxis. Ohnehin setzte sich die inhaltliche Aufweichung des Begriffes Moxa fort. Hatte man sie eigentlich als Brennmittel, als cauterium actuale den Ätzmitteln, den cauteria potentialia, gegenübergestellt, so verwendet man numehr unter der Bezeichung Moxa potentiale Mittel wie den gelben Phosphor, metallisches Kalium, oder galvanische Bögen als „elektrische Moxa‟ (s. hierzu Feucht S.11f.). Im Englischen fand ich sogar eine „galvanic Moxa‟ (W.D.Whitney: Century Dictionary. 1899). Doch selbst dieses Phänomen verflüchtigt sich. Was bleibt, ist die japanisch-chinesische Moxa als völkerkundlich-medizinhistorisches Exotikum. Die von Ungenauigkeiten strotzenden Lexikon- bzw. Enzyklopädiearbeit zu Beginn dieses Jahrhunderts spiegeln insofern den aktuellen Bewußtseinsstand ziemlich genau wider.

Erst als nach dem 2. Weltkrieg die Schulmedizin in eine gewisse Sackgasse zu geraten droht, besinnt man sich erneut auf die Moxa als Methode einer Außenseitermedizin, erscheinen neue Publikationen, in deren Folge sich auch einige der deutschen Lexika um eine etwas exaktere Begriffsbestimmung bemühen.

 

 

 2.3 sprachliche Eigenschaften, Ableitungen und Komposita der Moxa

Wie wir gesehen haben, wir die Moxa in der ersten Phase als Feminium übernommen. Fast alle Publikationen erscheinen in Latein, so daß dieser Genus entsprechend der Wortendung naheliegt. Als maskulines Nomen scheint sie sich zunächst im Französischen zu verbreiten, wo die Diderotsche Encyclopédie den Standard setzte. Das Geschlecht leitet sich hierbei per Analogie vom Kegel (le cône) ab, auch im Brockhaus von 1932 bzw. 1979 geht man auf diese Weise vor. Hie und da erscheint die „Moxe‟, die wir von Diderot bereits kennen. Zuweilen gilt Moxa aber auch als Neutrum, wenn man damit das Moxa-Kraut ment, wie z.B. C. C. Schnorrenberger in seinem Buch Stechen und Brennen (Stuttgart 1976). Dennoch plädiere ich für das weibliche Geschlecht, nicht nur aus den angeführten geschichtlichen Gründen, sondern auch, weil Moxa die Artemisia-Pflanze bzw. die aus dieser hergestellte Beifußwolle bezeichnet. Die Ableitung ‚Moxibustion‛ entstand wie die meisten Gebrauchsvariationen erst im 19. Jahrhundert, obwohl ihr bereits Ten Rhijne mit der Wendung „Moxa comburio‟ (S.189) sehr nahegekommen war. In der heutigen Form lexikalisiert fand ich sie z.B. in Emil Littrés Dictionnaire de la langue française (1863-77) und in R. Dunglisons Medical lexicon - A dictionary of medical science (1833-55). Vorübergehend war auch der Begriff „Moxocausis‟, mit Hilfe des griechischen kausis abgeleitet, in Umlauf. Diesen Begriff nahmen u.a. H. Power und L. W. Sedwick in ihrem Lexicon of and allied sciences (1879-99) auf, in Japan fand ich noch in der Encyclopaedia Medicinae Contemporariae von 1930 (S.289). Im Französischen bezeichnete man — ‚moxa‛ war dort ja Name des Kegels — das Mittel zur Moxibustion als „le moxibure‟ (s. z.B. Larousse, 1865).

Da die wissenschaftliche Literatur jener Zeit überwiegend in der Landessprache verfaßt wird, gilt es im Deutschen auch eine grammatische Mehrzahl zu bilden. Als ‚Wolle‛ interpretiert wäre die Moxa ein Diskontinuativum und bedürfte keinr Pluralform. Im Sinne des ‚Kegels‛ jedoch stellt uns 1838 Lepelletier in der Medizinisch-Chirurgischen Zeitung (II, S.298) „Moxen aus Byssus crypt.‟ Vor. Weiter leitet sich von der Moxibustion ohne große Mühe das Verb ‚moxibustieren‛ ab mit seiner den fremdsprachigen Stamm anzeigenden Endung ‚-ieren‛. Nominalisiert gilt es als Synonym zu Moxibustion. Etwas eigenwillig ist dagegen folgende Nominalisierung Schnorrenbergers: „Im Zusammenhang mit der Brenntherapie bedeutet dies, daß das Moxen eine fördernde Wirkung auf die Blut- und Energiezirkulation ausüben kann‟ (S.232).

Seit dem 19. Jahrhundert beobachten wir ferner Nominalkomposita wie „Moxarecepte‟. „Moxabehandlung‟ und „Moxatherapie‟. Den französischen „marteau à moxas‟ überträgt man im Deutschen nicht weniger wuchtig als „Moxa-Hammer‟. Zur „Moxenbehandlung‟ verwendet der vorsichtige, ‚gebrannte‛ Arzt einen „Moxenhalter‟. Die beiden zuletzt genannten Begriffe stehen noch 1930 in der erwähnten japanischen Encyclopaedia. Unter den jüngeren Autoren entfaltet abermals C. C. Schnorrenberger einen reichen Wortschatz:

Moxa- Material, Moxakraut, Moxablätter, Moxafaser,
Moxa-Kugel, Moxa-Kegel,
Moxa-Zigarre, Moxa-Stab, Moxa-Rolle, Moxa-Rollstock,
Moxa-Öfchen, Moxa-Bügeleisen
Moxatechnik, Moxabrennen, Moxabrenntherapie, Moxa-Therapie, Moxa-Behandlung

Dies alles zeigt, wie wenig man heute um die Semantik und Etymologie des Wortes weiß, wie gedankenlos und roh man mit diesem zarten Werg umgeht.

 


Anmerkungen
[1]   Goshûiwakashû(後拾遺和歌集)
[2]    Fujiwara no Sanekata (藤原実方)
[3]   Iroha Jiruishô (伊呂波字類抄):「■モグサ艾葉同」
[4]   Myôgoki (名語記):「やいとうのもぐさ如何」
[5]   Lu Gwei-Djen & Joseph Needham: Celestial Lancets. A History and Rationale of Acupuncture & Moxa. Cambridge 1980.
[6]   Het Podagra, Nader als oyt nagevorst en uytgevonden, mitgaders des selfs sekere Genesingh of ontlastened hulpmiddel. Hermanus Buschof de Oude van Utrecht, Predikant of Batavia in Ostindien. Amsterdam 1674.
[7]   Historia do Japão. Die Geschichte Japans 1549-1578, übersetzt von G. Schurhammer und E. A. Voretzsch. Leipzig 1926.
[8]   Cartas que os Padres e írmãos da Companhia de Jesus escreuerão dos Reynos de Iapão & China [...] Em Europa por Manoel de Lyra. Anno de M. D. XCVIII. Segunda parte [...] Livro primeiro.
[9]   Luis Frois: Tratado em que se contem muito susintae abreviadamente algumas contradições e diferrenças de custumes antre a gente de Europa e esta provincia de Japão. Erstmalige, kritische Ausgabe des eigenhändigen portugiesischen Textes [...] mit deutscher Übersetzung, Einleitung und Anmerkungen von J.F. Schütte, Tokyo 1955.
[10]    Faksimile-Druck, Benseisha, Tokyo 1979.
[11]   Yaito (yaito, やいと): synonym zu kyû (灸)
[12]    Qiŭgi (kyûji, 灸治): Moxabehandlung.
[13]    Quaxin (kwashin = kashin, 火針): ‛Feuernadel‛
[14]    Racuyoxu. In Collegio Japonica Societatis Jesu. Cum facultate superiorum. Anno MDXCIII. (落葉集), Faksimile-Druck, Benseisha, Tokyo 1977.
[15]    Vocabulario da lingoa de Iapam com adeclaração em Portugues, feito por alguns Padres, e irmãos da Companhia de Iesu. Nangasaqui. Anno M.D.CIII. Faksimile-Druck, Benseisha, Tokyo 1978, 3. Aufl.
[16]   Ximo (shimo, 下) nannten die Missionare den Raum Kyushu im Unterschied zu Cami (kami, 上), der Gegend um ‚Miaco‛ dem heutigen Kyoto.
[17]    Yu (yu: ) auch als ‚Transportpunkt‛ bezeichnet.
[18]    Yomogui (Yomogi, 蓬): Beifuß, Artemisia vulgaris; in der ‚holländischen Ära‛ erstmals von Ten Rhijne als „Jommongi„ zitiert (S. 97).
[19]   Futsu (futsu, ふつ): Dialektform von Yomogi, für den Raum Yamaguchi, Kyushu bis nach Tanegashima, Amami-Ôshima belegt. Siehe das von der Nihondaijiten Kankôkai herausgegebene Nihonkokugo Daijiten, Bd. 19, Tokyo 1966 (日本大辞典刊行会『日本国語大辞典』). In der ‚holländischen Ära‛ finden wir das Wort zuerst bei Ten Rhijne (S. 97) als „Nophouts”, dann bei Meister (S. 172) als „Fuzu‟, während Kaempfer „Futz‟ schreibt.
[20]    Faksimile-Druck, Benseisha, Tokyo 1979.
[21]   G. Feucht: Die Moxabehandlung in Europa. Heidelberg 1977. Broschüre aus dem Handbuch der Akupunktur und Aurikulotherapie (Hrsg. J. Bischko). Heidelberg 1977.
[22]   Wie man in Europa während des 17. Jahrhunderts die Wirkungsweise der asiatischen Moxibustion deutete, habe ich in folgender Arbeit exemplarisch dargestellt: Engelbert Kaempfers merkwürdiger Moxaspiegel — wiederholte Lektüre eines deutschen Reisewerks der Barockzeit. Dokufutsu Bungakukenkyu (独仏文学研究 ), Nr. 33, Kyushu University, Fukuoka, 1983.
[23]   Dies trifft auch auf Japan zu, welhalb 'mogusa‛ mit 'moe-kusa‛ (燃草 ), d. i. 'Brennkraut, Zunder‛, etymologisch verwandt ist.
[24]   Ephem. medic.-physico. curios. Decur. I, Ann. VI
[25]   Andreae Cleyeri de Moxa. Ephem. medic.-physic. curios. Decur. II, Ann. IV, 1683.
[26]   Ephem. medic.-physico. curios. Decur. II, Ann. I.
[27]   Für den Nachweis eines Exemplars in der Wiener Hofbibliothek danke ich Dr. G. Feucht.
[28]   Vgl. dazu Engelbert Kaempfers Amoenitates Exoticae, S. 598, §VI
[29]   Vgl. dazu Engelbert Kaempfers Amoenitates Exoticae, S. 600, Nr. 2
[30]   Xin ki (e)u (shinkyû, 秦艽 ), Wurzel der Gentiana macrophylla Pallas d.h. aus der Familie der Enziangewächse, die bei Gelenkschmerzen helfen soll. Siehe Ono Ranzan: Honzô kômoku keimô (小野蘭山『本草綱目啓蒙』 ). Eine Abbildung der Wurzelknollen fügt Ten Rhijne seinem Buch auf S. 109 bei.
[31]   In der Fachliteratur spricht man fast durchweg von ‚Meridianen‛, wohl auch, weil sich bislang kein physiologisches Substrat nachweisen ließ. In den klassischen Schriften Ostasiens sind diese Begriffe jedoch sehr konkret gemeint, weshalb ich in Anlehnung an Lu / Needham von Trakten (kei, 経) und Kanälen (raku, 絡) spreche.
[32]   Iwanaga Zoko: (Iwanaga Sôko, 岩永宗古 ), ein Schüler des konfuzianischen Arztes Mukai Genshô (向井元升 ).
[33]   Mottongi Sodayu: Motoki Shôdayu Ryôi本木庄太夫 ), der in der Tat medizinisch ausgebildet war.
[34]   Miscellanea. Pt. I: Upon the cure of the Gout by Moxa. London 1693.
[35]   Disputatio Medica Inauguralis, Exhibens Decadem Observationum Exoticarum, quam […] subjicit Engelbert Kempfer. Lugduni Batavorum 1694.
[36]   Amoenitatum Exoticarum Politico-Physico-Medicarum Fasciculi V. Meyer, Lemgo 1712.
[37]   Zum Inhalt und den Rätseln dieses 'Moxa-Spiegels‛ siehe Anmerkung 22
[38]   Vgl. die Aussagen Ten Rhijnes w. o.
[39]   Johann Junker: Chirurgie. Halle 1722.
[40]   Lorenz Heister: Chirurgie. Nürnberg 1718, Nachdruck 1731, 1747.
[41]   G. van Swieten: Erläuterungen zu den Boerhavschen Lehrsätzen. Wien 1755.
[42]   Tensasi (tensashi, 点刺 ), aus Kaempfers Moxa-Traktat übernommen, erstmals jedoch bei Ten Rhijne (S.188) als „Farrawyts tensas” zitiert.
[43]    Vergleiche die weiter oben zitierten analogen Aussagen von Ten Rhijne und Kaempfer.
[44]   Zitiert nach der einflußreichen französischen Übersetzung Voyage de C. P. Thunberg au Japon […]. Paris, 1796.
[45]   Auf der Einbandinnenseite des von mir benutzten Exemplars in der Bibliothek der Kyushu University steht der Namenszug „J. Hoffmann”, einem der engsten Forscherkollegen Ph. F. von Siebolds, zugleich erster Professor für Japanisch in Europa. Wie dieses Buch, das besonders im ersten Teil zahlreiche handschriftliche Korrekturen, Ergänzungen sowie eingefügte Notizzettel enthält, in die Naganuma Kenkai-Stiftung (長沼賢海 ) gelangt ist, konnte ich leider nicht ermitteln.
[46]    Tsoë bosi:tsûbôshi, vielleicht 痛法師 , wörtlich 'Schmerz-Priester‛, wegen des geschorenen Kopfes.
[47]   beprikking: Akupunktur
[48]   Magacin der ausländischen Literatur der gesamten Heilkunde, Nr. 17, S.1-27, 1829.
[49]   Zitiert nach: L‛oeuvre de Balzac. Le club français du livre. Paris 1966.
[50]   Totsoeka Riosaij (Totsuka Ryôsai, 戸塚亮斉)
[51]   Ishizaka Sôtetsu (石坂宗哲 ): Kyûhô ryakusetsu (灸法略説 ), Edo 1812.
[52]   Dieser Beitrag wurde zunächst in den Verhandelingen van het Bataviaasch Genootschap der Wetenschapen en Kunsten (1832, 82) publiziert und dann in die zweite, von seinen Söhnen herausgegebene Auflage (Würzburg, 1897) aufgenommen.

 

TOPTOP
inserted by FC2 system