Wolfgang Michel
[S. 41] 1. Zum bereits veröffentlichten Japan-Teil des ReisejournalsIm Jahre 1983 erschien eine von Wolfgang Joost bearbeitete Reisebeschreibung aus dem 17. Jahrhundert unter dem Titel Die wundersamen Reisen des Caspar Schmalkalden nach West- und Ostindien 1642-1652 Diesem Buch liegt eine in Pergament gebundene Handschrift aus dem Besitz der Forschungsbibliothek Gotha (Signatur Chart. B 533) zugrunde, die so erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Den Ausführungen Joosts (S.162) zufolge stammte besagter Schmalkalden aus Friedrichroda in Thüringen. Die biographischen Daten sind leider nur fragmentarisch: geboren irgendwann vor 1632 als Sohn des dortigen Bürgermeisters, gestorben vermutlich zwischen 1668 und 1675 in Gotha. Bei sieben Kindern konnten die Eltern vermutlich keine aufwendige Ausbildung finanzieren; kein Wunder, daß er sein Auskommen in der Fremde suchen mußte. Wie man dann aus den Aufzeichnungen Schmalkaldens selbst entnehmen kann, wurde er von 1642 an im Dienste der Niederländischen Ostindischen Compagnie in Brasilien und Chile und -- nach einem kurzen Aufenthalt in Europa -- von 1646 bis 1652 in Ostindien als Soldat, in Taiwan als "Landmesser" eingesetzt. Im Jahre 1650 sei er auch nach Japan gelangt. Da aus jener Zeit nur wenige originär deutschsprachige Schilderungen Japans bekannt sind, fand die verdienstvolle Veröffentlichung Joosts auch rasch Beachtung.[1] Allerdings war der mit vier Abbildungen geschmückte Japan-Abschnitt, den ich nachfolgend -- um Anmerkungen vermehrt -- zitiere, leider ziemlich kurz und wurde noch nicht kritisch gesichtet: [S. 42]
Reise von Formosa nach Japonica
Mittwoch, den 8. Juny anno 1650, bin ich mit dem
Schiff Patientia[2] zu Segel gegangen, um mit nach Japon zu schiffen.
Nangasaqui[10] Die Stadt Nangasaqui
liegt auf 33 Grad norder Breite an einem bequemen Seebusen. Sie hat einen
ziemlichen Umfang und erstreckt sich weit längs des Seestrandes. Ist aber
weder mit Mauern noch Wall, sondern in den Gassen nur mit Schlagbäumen[11] verwahret. Kisma ist ein Eiländlein, ganz von Wasser umflossen. Nach der Stadt zu hat es eine Brücke, darüber zu gehen. Um besserer Sicherheit willen ist es um und um mit einer Bleiche von Dielen verwahret und auf der Seite mit einem Tor und etlichen Stufen abwärts ins Wasser versehen, die Güter ab- und einzuladen. Japoner.Die Japoner
sind nach der Proportion den Sinesen[14] und an Farbe den Spaniern nicht ungleich. Die vornehmen Mannspersonen
lassen ihre Haupthaare bis auf einen kleinen Zopf, den sie hinten am Haupt
zusammendrehen, abscheren. Der gemeine Mann läßt alles Haupthaar
abscheren, und dem Knaben werden nur die Haare auf der Stirne abgeschoren. Im Gesamtrahmen des Tagebuches spielt diese knappe Schilderung keine große Rolle; sehr beeindruckt war Schmalkalden von "Japonica" wohl kaum. Joost erwog in seinem Nachwort (S.168f.), ob Schmalkalden nicht vielleicht an der jährlichen Gesandtschaftsreise zum Hofe des Shôgun in Edo teilgenommen habe. Eine solche Durchquerung des ansonsten verschlossenen Landes, Städte wie Miaco und Jedo hätten jedoch ihren gebührenden Niederschlag in Schmalkaldens Erinnerungen gefunden. Bedenkt man zudem, daß die holländischen Schiffe nach Abschluß der alljährlichen Handelsgeschäfte unter dem scharfen Druck der japanischen Behörden wie auch der Windverhältnisse im Oktober, spätestens im November auslaufen mußten, daß die Reise nach Edo in der ereignisarmen Saison danach stattfand, dann wird er bestenfalls zwei bis drei Monate in "Kisma" (Tsukishima) gewesen sein. Allerdings war die Hofreise des Vorjahres anders als üblich verlaufen, wie man aus den Tagebüchern der holländischen Faktorei oder den [S. 44] leichter lesbaren Denkwürdigen Gesandtschafften von Arnoldus Montanus (S.60ff.) ersehen kann. Am 25. November 1649 brachen der eigens dazu eingereiste Gesandte der Ostindischen Compagnie, Andries Frisius, und das "opperhoofd" der Faktorei, Anthonius van Brouckhorst, mit einer holländischen Delegation und japanischen Begleitern nach Edo auf, wo sie am 31. Dezember ankamen. Doch der Shôgun Tokugawa Iemitsu war erkrankt, und die Audienz verzögerte sich immer wieder bis zum 7. April 1650. Am 16. April trat man schließlich die Rückreise nach Nagasaki an, die bis zum 22. Mai dauerte. Indes, vier Europäer blieben in Edo zurück, darunter der deutsche Barbier Caspar Schambergen.[16] Rund zehn Monate stellten sie die westliche Schießkunst, Mathematik und Medizin vor und trugen so zur Entwicklung der japanischen 'Hollandstudien' bei. Als sie am 14. November 1650 wieder in Nagasaki eintrafen, hatte inzwischen Pieter Sterthemius die Stelle des opperhoofd übernommen. Gewiß gab es aus Edo so manche Geschichte zu erzählen, aber Schmalkalden weiß von alldem nichts zu melden. Der nächste Eintrag in seinem Reisebuch stammt vom Oktober 1651, als er sich in Formosa zur Rückkehr nach Europa anschickte (Joost, S.152). Wäre er tatsächlich den Winter 50/51 über in der Faktorei stationiert gewesen, dann hätte frühestens im Herbst 1651 Japan verlassen können. Der Blick in die Dagregisters gehouden bij de opperhoofden van het Nederlandsche Factorij in Japan führt überdies zu weiteren Unstimmigkeiten bezüglich der Daten Schmalkaldens. In der Zeit um den 22. Juni 1650 vermerkt besagter Anthonio van Brouckhorst zwar eine "Joncq", d.h. eine Dschunke, aus "Anhay"(21.6.), aber kein einziges holländisches Schiff. Erst im August und September (7.8, 26.8, 1.9, 2.9., 4.9., 21.9.) werden Schiffe der Compagnie gemeldet, die im Oktober (10.10., 12.10., 15.10., 25.10.) wie üblich wieder auslaufen. Am 25. Oktober -- dem japanischen Kalender gemäß der erste Tag des 10. Monats -- verabschiedet sich schließlich auch Brouckhorst, dessen Amtszeit abgelaufen war. Keines der erwähnten Schiffe ist die Patientia. Deren Namen entdeckte ich erst nach geduldiger Suche im Dagregister von Frederick Coijet, der am 18. September 1648 ihre Ankunft meldet, dann Diverses zur Fracht, [S. 45] dem Entladen u.ä. und am 20. November ihr Auslaufen. Als Herkunftsort wie auch Zielort wird "Tayovan"[17] genannt, so daß zumindest der allgemeine Ablauf mit den Angaben Schmalkaldens übereinstimmt. Hatte ihm das Gedächtnis einen Streich gespielt, oder war er überhaupt nie in Japan gewesen? Solcherart Ungereimtheiten sind allerdings auch bei anderen Reisenden nicht selten. Jürgen Andersen z.B., der am 9. September 1646 Japan erreicht haben will, spricht unentwegt von "Firando", das aber bereits 1640 geräumt werden mußte. Christoph Frik, der zwischen 1680 und 1685 ein paar Wochen nach Nagasaki kam, begegnete in "Nangato" angeblich englischen und französischen Schiffen, was schier unmöglich war. Schmalkaldens Reisebuch wurde überdies offenbar erst nach der Rückkehr, wahrscheinlich anhand der eigentlichen Reisenotizen, in Gotha verfaßt. Und Daten werden wohl nicht die wichtigste Erinnerung nach zehn Jahren abenteuerlicher Erlebnisse gewesen sein. Die Authentizität des Japanaufenthaltes möchte ich daher nicht unbedingt in Frage stellen. Nichtsdestotrotz bleibt die Frage nach der Originalität der Schilderung. Caspar Schmalkalden war keineswegs der erste, der sich an der entwürdigenden Aufnahmeprozedur in dem seit 1640 verschlossenen 'Kaiserreich' stieß. Mindestens seit Jürgen Andersens gilt diese Szene als unentbehrlicher Auftakt westlicher Augenzeugenberichte. Wir begegnen ihr, sogar auf dasselbe Jahr 1650 datiert, in den Denkwürdigen Gesandtschaften wieder (S. 271f.) Auch die Beschreibung der Stadt Nagasaki kommt streckenweise dem Text Schmalkaldens doch verblüffend nahe: Was aber die Stadt Nangesake selbstens betrifft:
die lieget auff drey und dreissig Graden Norderbreite / an einem zur
Kaufmanschafft sehr füglichem Seebusen / ja besser / als eine Seestadt
in Japan; Sie ist groß / und volckreich; doch unbemauret / wie
fast alle Japanische städte. Die Götzenheuser / und Türme[18] / derer etliche vier andere fünf und sechs übersätze
hoch seind / zieren Sie aus der maßen. Es ist sehr lustig an zu sehen /
wie sich die Stadt in der See offenbahret / mit ihren fast unzehlbaren
herzlichen Gebeuen.[19] Innerhal‚ ist sie mit [S.
46] unterschiedlichen Wassergräben / darüber
höltzerne Brücken liegen / durchschnitten. Die Gassen seind
ungepflastert: daher sie bey Regenwetter sehr unflähtig. Des nachts
werden sie alle mit einem Staketentohre[20] verschlossen / und bewacht; also daß kein Diebstahl / muhtwille
/ oder dergleichen etwas iejmahls vorfället.
Alle Gebeue seind fast auff einerley ahrt gebauet: Doch ist der zeug darzu unterschiedlich / nachdem vermögen des besitzers. Der meiste teil ist Höltzern. Der Armen ihre seind aus Reise geflochten: welches man in / und auswendig mit Leime dicht beworffen / damit kein wind / noch Regen hindurch könne. Die Reichen laßen die Wände übertünchen: doch führen sie dieselben erst / vier füße hoch von der Erde / mit Bretern auff: die gemeiniglich aus Kampferholtze geschnitten / und mit dünnen matten / sehr ahrtig zusammen gefüget / beleget werden. (Montanus, S. 51) Weiter möchte ich die Frage der Abbildungen kurz anreißen. Die Japankarte (Joost, S. 148) hatte Schmalkalden natürlich kopiert. Fast alle Ortsnamen sind in iberischer Lautung zu lesen. Nur an einigen wenigen Punkten findet man deutsche Zusätze wie "Walfischwinckel" oder "Weiße ecke". In Titel, Maßstab und Form selbst der kleinsten Inseln gleicht sie dem "Iaponia Regnum" des Jesuiten Martino Martini. Martini, seit 1643 in China tätig, gab während eines kurzen Europaaufenthaltes 1655 bei dem Amsterdamer Kartographen Johann Blaeus den Atlas Sinensis heraus, der auch eine Karte Japans umfaßt. Die bei Schmalkalden ins Deutsche übersetzten, ursprünglich niederländischen Eintragungen beruhen auf dem von Martini verwerteten Bericht des Kapitäns M. Vries, der 1643 die Küste erkundet hatte, bis er in Nordjapan festgenommen und nach langen Verhandlungen durch die Inlandsee nach Nagasaki mußte. "Walvis hoeck", "Versche Rivier" und "Witten hoeck" sind Beispiele seiner kartographischen Präzisierungen, die Schmalkalden nur in Auswahl übernahm. Diese Karte galt bis ins 18. Jahrhundert mit Recht als eine der zuverlässigsten überhaupt und wurde vielfach kopiert, so daß Schmalkalden eventuell mit einer anderen Ausgabe, z.B. der von P. Mortier, gear- [S. 47] beitet haben könnte. Auch "Die Stadt Nangasaqui in Japan sampt der Insel Kisma" (Joost, S.149) ist in den verschiedensten niederländischen Werken abgedruckt. Als Vorlage für "Die Insel Kisma in Japon, wie sie aus der Stadt Nagasacqui zu sehen" (Joost, S.150) diente wahrscheinlich "De Logie voor Nangasacki op t Eylandt Schisma" bei Montanus (S.48/49). Lediglich der "Japoner" nebst der aparten Legende scheint eine schöpferische Eigenleistung zu sein (Joost, S.151): Für roth Holländisch tuch, für
Hirschfell und für Seiden
ist Goldt und Silber feil, für alle die wir leiden. Wir sind auf tapfferkeit und Handel abgericht, Doch trauen wir Spanjern und Jesuiten nicht.
Einem strengen Maßstab absoluter Authentizität und Originalität kann diese Handschrift mithin ebenso wenig genügen wie die meisten deutschen Japanberichte des 17. Jahrhunderts. Doch handelt es sich hier noch nicht um wissenschaftliche Landeskunden aus der Feder reisender Forscher, sondern oft nur um Gedächtnisstützen für ausgiebige Erzählungen im Kreise der Familie und Gäste. Die Floskel in Buchtitel oder Vorwort, daß Werk sei auf "Begehren guter Freunde" zum Druck gebracht worden, war durchaus nicht nur vorgeschoben. In den meisten publizierten Reisebüchern gruppieren sich um einen Kern eigener Erlebnisse andernorts entlehnte Ausschmückungen, deren Wirkung man vielfach erprobt hatte. Ich vermute, daß der so kurze Besuch in Nagasaki nur blasse Eindrücke hinterließ, die Schmalkalden durch eifrige Lektüre auffrischte. Doch es bleiben einige wichtige Unterschiede zur vergleichbaren Reiseliteratur: dieses Manuskript wurde damals nicht gedruckt, und außerdem war offensichtlich noch ein zweiter Verfasser am Werk. 2.0 Aus dem "Anhang zum anderen Theil Ost=Indiens"Joost hatte nicht das gesamte Reisebuch Schmalkaldens veröffentlicht. In seiner Vorbemerkung wies er darauf hin, daß einige Vokabularien und die Anhangskapitel interpretierender Art weggelassen worden waren, unter denen ich noch mehr zu Japan vermutete. [S. 48] Tatsächlich beginnt ab Blatt 319 recto ein "Anhang zum ersten Theil West=Indiens", und auf Blatt 378 recto bis 490 recto finden wir einen "Anhang zum andern Theil Ost=Indiens" mit folgenden Kapiteln: I Von dem Berg Pico und der Insul Teneriffa (ab
Blatt 378r)
II Von der Insul St. Jago (ab Blatt 385r)
III Vom Lande der Kafferey oder Hottentoen (ab
Blatt 387r)
IV Kurtze Beschreibung von Groß Java (ab
Blatt 418r)
V Kurtze Beschreibung der Landschafft Malabar
(ab Blatt 452v)
VI Beschreibung der Stadt und Landes Malacca (ab
Blatt 455r)
VII Kurtze Beschreibung der mächtigen Insel
Sumatra, wie auch der Inseln Banda, Amboyna und Ternate (ab Blatt 459r)
VIII Kurtze Beschreibung Japans (ab Blatt 469r)
IX Anmerckung zur Beschreibung der Insel Formosa
(ab Blatt 481v)
X Kurtze Beschreibung der Insel Hainan (Blatt
490r/v)
Die weiter unten erstmals vorgestellte "Kurtze Beschreibung Japans", die mir freundlicherweise von der Forschungsbibliothek Gotha[21] zugänglich gemacht wurde, ist weitaus umfangreicher und detaillierter als die Darstellung in dem von Joost publizierten Reisejournal selbst. Von der Frage der Autorenschaft, der Entstehungsgeschichte des Reisebuches einmal abgesehen, demonstriert dieser Text sehr eindrucksvoll, wie man sich vor rund 300 Jahren ein Japanbild erarbeitete, so daß ich die Mühe einer Edition für lohnenswert erachtete. Soweit es drucktechnisch möglich war, folge ich hierbei der Handschrift. Allerdings mußte ich die Unterscheidung von s und ∫ aufgeben und der besseren Lesbarkeit halber von einer Markierung des Zeilenendes absehen. Einiges Kopfzerbrechen bereitete zudem die Frage der Groß-, Klein- und Getrenntschreibung, die der Autor nur allzu oft in unklarer Weise behandelte. Auf der linken Seite habe ich eine nach inhaltli- [S. 49] chen Gesichtspunkten durch die Zeichen [a] bis [f] eine Gliederung versucht, die uns bei der späteren Diskussion helfen soll.
Chart. B533, Blatt 469 recto
2.1 Text des achten Anhangkapitels[Bl.469r]VIII Kurtze Beschreibung Japans
[a] Japan ist eine grosse Insel, aus unterschiedlichen anderen Inseln bestehende, deren grösste sind Niphonia, Xicocen, und Ximo, darunter die erste die gröste ist,[22] und zum theil nach den Norden, noch unbekant: Es erstrecket sich Japan, vermöge der Land=Carten, vom 31 biß 40 Grad: der Breite nach den Norden hin: wird von dem grossen Ocean, der Asien und America von einander scheidet, ümbgeben: Mit der Nordseite stösset es an die Straße von Anian,[23] und an West America: nach den Süden an die Philippinischen Inseln, Mindanao, Molucces, und andere mehr: nach dem Westen an die Küste Corea und Sina; Dieses berühmte Japan war vormahls in viele Königreiche vertheilet, nun mehr aber ist es zu einem mächtigen Königreich geworden,[24] in welchem Jedo[25] die Königliche Haupt=Residentz ist. [Bl.469v] Dieses Land ist fürnehmlich vom Norden her, üm‚ den Decemb. Januar und Februar; ziemlich schneehafftig und kalt; ungefähr 27 Tagreise, nach dem Norden zu, über Jedo fährt man über einen Fluß, der fast eilff Holländische Meil groß ist, in das Berghaffte, und unbewohnte Land Jesso,[26] welches von den Japanern offtmals durch und durch gereiset ist, sind aber niemals zu Ende kommen. Sie sagen, daß sie daselbst ein Art rauher, und langhaarigter Menschen[27] gesehen haben. Japan selbst ist ein herrliches, lustiges,[28] u. fruchtbares Land, sehr wasserreich. Hin und wieder siehet man Wolckenhohe Berge, etliche derselben brennen stets;[29] es werden auch viele Silbergruben, und dergleichen in Japan gefunden. Die Königreiche und Hertzogthüm Japans sind mehrentheils sehr nahrreich, voll mächtiger Städte, worunter[S. 51] [Bl.470r] Meaco, Saccay, Osacca, Occosachy und Nangasacky,[30] nicht die geringsten sind; sind aber insgesambt nicht mit Wällen, und Mauren versehen,[31] in betrachtung, Japan viel tapfere Soldaten, auch hin und wieder liegende starcke Vestungen, in grosser menge hat, die Beschreibung der Stadt Nangasachy dienet zu einem Beyspiel, woraus der Zustand aller andern leicht kan [b] ersehen werden. Die Stadt Nangasachy, auf einer der Inseln Japans genannt Bungo,[32] oder Xicocen, gebauet, hat, wenn man aus der See kompt, ein herrlich ansehen, wegen der köstlichen Gebäwde und Türme: Die Stadt hat 88. Strassen mehrentheils gleich ausgehende, doch enge, eine jede ist ungefähr 200. Elen lang,[33] Umb der Stadt her, sind unterschiedliche Lust=höfe[34] und Ländereyen, Die Strassen werden alle Nacht geschlossen mit Stacketen,[35] und mit Schildwacht und Leüchten versehen, damit alle [Bl.470v] Dieberey und Unordnung verhütet werde. Niemand wird durch die Stacketten gelassen, er habe denn einen Freybrieff von dem Guberneur:[36] Wenn etwa in einer Gassen ein Brandt entstehet, muß sich ein jeder selbst helffen; und solte gleich alles verbrennen, so wird doch niemand hindurch gelassen.[37] [c] Der Japanische Käyser[38] hält in der grossen, mächtigen und sehr volckreichen Stadt Jedo, seine prächtige Hoffhaltung, worin er alle Europeische Fürsten, übertrifft. Seine Könige, Hertzogen Fürsten, Ritter und Adel, bekommen von ihm unglaubliche Schätze zur Besoldung; stehen aber sämbtlich, unter Allein-Herrschafft dieses Käysers, welcher offt auch die Könige selbst, wegen eines geringen Fehlers, entweder aller ihrer Schätze beraübet, oder ermorden lässt, oder nach seinem Gutdüncken mit ihnen handelt. [d] Man hält dafür, daß die
Javaner,[39] von
[Bl.471r] [f] Der Weiber Kleidung ist dem Obertheil nach, wie der Männer [S. 53] Habit, tragen mehrentheils eingeflochtene Haar, und weite, seidene oder mit Blumwerck gezierte Röcke, welche bey dem Halse einen grossen Umbschlag haben und die Brüste bedecken, und mit einem Gürtel zugebunden werden. Unter dem Obersten Prachtkleid hangen noch andere Röcke, biß auf die Füsse, herauß, welche mannigfärbigt sind, wovon der eine länger, als der andere ist, mit einem langen Schwantz, welcher hinten nachschleppet. Haben in der lincken Hant ein Weher: gehen zuweilen mit den Männern gegen Abend spatzieren, lassen sich offt in Tragbahren tragen, oder in Lust=Schiffen auf und abführen. Sie lassen sich doch wenig auf den Strassen sehen; so sichs ab zuträgt, [Bl.472v] so erscheinen sie auf eine ungemeine[45] Weise, und haben hinter sich hergehen viele Staats Jungfern[46] und Kammerbediente, neben vielen Sonnenschirmen und dergleichen Zierlichkeiten [g] Ihre meiste Gebäwde, Häußer und Wohnungen, sind aus Holtz, wie nicht weniger ihre Tempel und Klöster, gemacht; doch sämbtlich sehr artig, und Kunstreich. Hin und wieder siehet man steinere Gebawen,[47] werden aber leicht, durch die vielfältige Erdbebungen, welchen Japan unterworffen ist, niedergerissen Die armen Leüte machen Häusser und Hütten aus dem Gestrauch und Rint, beschwieren dieselbe mit Leimen:[48] Im übrigen sind die Häußer nur ein Mauerwerck hoch,[49] dürffen nicht höher bauen, wegen der Erdbebung; Die Dächer gehen qwer herunter, über die Wände, worunter sie schöne Spatzier=gänge[50] machen. Die fürnehmsten Japaner haben sehr Kunstreiche Kunst=Gärten[51] hinter ihren Haüßern; wohnen in lan= [Bl.473r] gen, aber nicht in hohen Gebäwen, in welchen sie köstliche Kammern und Säle haben, welche sie mit schönen Gemählten[52] und dergleichen auszieren; ihre Gebäwe sind dem Brand sehr unterworffen, die grosse Käyserliche Haupt=Stadt ward den 27. April 1657. nebenst 100000. Haussern, und fast mit eben so vielen[S. 54] Menschen, eingeäschert und verbrandt.[53] [h] Welche unter den fürnehmsten Japanern sich verehlichen wollen, werden in besondern Norimons,[54] oder Japanischen Kutschen, von Pferden oder Ochsen forgezogen, und von ihren nächsten Freünden begleitet, und nach einem dazu bestimmten Ort, daselbst ein Bonry,[55] vor dem Abgott, die Neüe Hochzeiter verbindet, Indem die Braut bey einer Lanzen eine Fackel anzündet, welches auch der Bräutigam thut, wird alsbald darauf von den anwesenden Gästen der Ehe=Seegen ausgeruffen, und durch den Bonry bekräfftiget, die Freünde und Ver= [Bl.473v] wandten wünschen sich unter ein ander Glück und Heyl: die Hochzeit Geschencke, für welche die Braut gleichsam an den Bräutigam verkaufft wird, werden überlieffert, der Braut kindliches Spielzeüg wird ins Fewer[56] geworffen, es werden Ochsen geschlachtet, und Brand=Opfer dem Abgott gethan:[57] worauff die Neüe Hochzeiter in Norimons; nach des Bräutigams Hauß geführet, und unter dem Seitenspiel begleitet werden. Die Jünglinge stecken Fahnen, Wimpel und andere Freüdenzeichen zum Fenstern hinaus, streüen Bluhmen und währet die Hochzeit zu weilen eine gantze Woche. Die verehlichte Japaner haben mehr Freiheit als die Weiber, massen jene auch eine Hur oder Kebs Weib halten mögen, so oft es ihnen beliebt; die Weiber hergegen haben nichts zu sagen, und werden enge eingespannt: denn die Männer dörffen sie wegen des geringsten Fehlers, mit ei= [Bl.474r] genen Händen tödten, oder mit einen redlichen Geschenck von sich jagen; doch wird der Ehebruch auf eine erschreckliche Weise gestrafft, Zur Verhütung desselben, auch offentlich Huren [i] Häußer zugelassen werden. Die
Eltern verloben ihre Kinder, wenn sie noch in der Wiegen liegen. Ihre
Haußhaltung und Haußgeräth betreffend, bedecken sie ihre mit
Thielen[58] gepflasterte Kammern mit schönen Matten, worauf sie sich, wie die
[S. 55] Schneider,
setzen, wenn sie essen wollen: Und gebrauchen an statt eines
Haupt=Küssens, wenn sie schlaffen, einen Stein, oder höltzernen
Block.[59] Sie sind sauber in ihren Kleidungen, essen wie die Sineser, mit zweyen
Stöcklein, welche des Vermögens sind, halten einen köstlichen
Tisch mit vielerley Speisen, welche Thurmsweise auffgesetzet werden; Bey
Veränderung der Gerichte, werden auch neüe, und aus Cedern oder
andern Holtze gemachte Teller, zum Vorschein gebracht, [Bl.474v]
sie wissen aber nichts von den
Dafel=Tüchern und Servetten, haben einen Abscheü an
Holländischen Scheckereyen;[60] sie halten streng auf ihre Tischordnung. Sie backen von ihrem Weitzen,
der noch sehr schön ist, kein Brot, sondern machen mit demselben einen
Teig, wie Brey: Sie halten mehr von Wildpret, als Schafe, Schweine, Hüner
und dergleichen. Unter dem Feder=Vieh essen sie gern Pfasanen, Feldhüner,
Wachteln und Turteltauben. Ihr Wein ist nicht von dem Weinstock, sondern aus
Reiß gekältert. Der warme Thee=Tranck ist bey allen gemein, und hochgeachtet,
nebenst einem Getränck Tackje[61] genannt, so aus dem reinsten Weitzen gebrauet wird, am Geschmack wie
ein Spanischer Wein, hat aber einen sehr wiedrigen Geruch. Ihr
Haußgeräth bestehet in Japanischen Zierligkeiten gemachten Lackwerck
bemahlten Bluhmen, Töpffen mit Blumen, herrlichen Kasten, Kisten, und
dergleichen. Die Wände [Bl.475r] sind mit Säbeln, Picken, und Schildereyen
behangen. Die Kammern [l] Hunger, Durst und Kälte, und allerley Ungemächligkeiten ertragen. Die Kindebetterinnen werden gantz schlecht gehalten. Die Schwangere binden den laib gantz hart zusammen; hergegen gehen die Unfruchtbaren ungebunden; viele Schwangere Weiber treiben die Frucht, mit starcken Geträncke ab, [Bl.475v] oder erwürgen die Kinder, so bald sie geboren werden; maßen[64] dieß die Kinder=Morden, führnehmlich wenn es Mägdgen sind, stehet denjenigen frey, welche mit vielen Kindern beschweret werden, oder arm sind, Ihrer viele ersauffen die Kinder; die Knäblein aber werden zum Dienst des Keysers erzogen. Die neügebohrne Kinder werden gemeiniglich in kalten wasser gebadet: werden in keinen Windeln gewickelt; sondern die Weiber stecken sie in die weite Ermel des Rocks, wenn sie eines fürnehmen Geschlechts sind: geringere leüte Kinder aber kriechen und wühlen auf der Erde. [m] Die Jugend wird von den Bonry im Lesen und schreiben, auf die Javanische[65] weise, unterwiesen, hernach in allerhand wissenschafften, und Kriegs=Ubungen, unterrichtet. Ihre Waffen bestehen aus Musqweten, Picken, Pfeilen, und Bogen, und [Bl.476r] scharffen Säbeln. Wenn jemand zwölff Jahr alt ist, darff er einen Säbel tragen. Die Reiter wissen ihre Waffen wohl zu führen, und zu gebrauchen, haben Sturmhüte[66] auff den Köpffen. Beydes Reiter und Fußknechte marchiren gantz ordentlich, sind mehrentheils tapffere Soldaten, fechten sich lieber todt, als sie fliehen solten. Deßfals die Soldaten auch ungemein hoch geehret werden. [k] Die Bürger ziehen durch Nangasachy jahrlich in ihren Waffen, herrlich und mit grossem Pracht auf. Die Japaner sind auch durchgehends große Liebhaber der Comödien, und des Seitenspiels, doch niederländische Trompeten und Seitenspiel hören sie nicht gerne. Die schwartze Farbe ist bey ihnen eine Freüden=Farbe; die weisse aber ist eine Trauer=Farbe. Wenn sie[S. 57] ausgehen, ziehen sie den Ober Rock aus, so bald sie wieder nach Hauße kommen, [Bl.476v] legen sie denselben wieder an. Wann sie sich unter einander grüssen, bücken sie sich mit dem Haupt biß auf die Erde; ja, die in Höfligkeit einander übertreffen wollen, ziehen sie die Schuhe von den Füssen. Sie leiden bey ihnen keine öffentliche Sauff=Häußer; doch werden die reisende Leüte wohl bewirthet. Unter ihnen sind viele Wahrsager, Zauberer, Bettler, Einsiedler und Außätzige. [n] Alle Staats=Bediente, biß auf die Soldaten zu, mögen ihre untergebene Diener am Leben straffen, wann sie eine Todtsünde begangen haben; doch hat man in allen Städten Gerichtshöffe, in welchen, im Nahmen des Kaysers, die Missethäter zum Tode verurtheilet werden. Ein Edelman, oder Soldat hat die Ehre, daß er ihm selbst den Bauch aufschneiden mag, wann er das Leben verwircket hat. Kauffleute, Handwercks=Leüte, Bauern (?) und dergleichen aber, werden durch den Scharffrichter [Bl.477r] abgethan, die Missethäter, welche den Todt verdienet haben, werden mit ihren Vätern, Vaters=Brüdern, Brüdern, Söhnen und Sohns=Kindern, sie mögen so fern oder nahe wohnen, wie sie wollen, zur Straffe des Bauchschneidens, verdammet, so bald sie nun sämbtlich die Zeit undt Stunde des Urtheils erhalten, legen sie ihre beste Kleider an, und gehen mit übergeschlagenen Beinen, Kreützweise auff die Erde nieder sitzen, nachdem sie zu vor ein Abschieds=Mahl gehalten, und schneiden ihnen alsdenn mit einem Kreützschnitt die Bäuche auff, daß die Gedärme hervor hangen: ja, etliche, welche noch für hertzhafftiger wollen angesehen seyn, schneiden auch die Gurgel ab, und sterben also, Und ist zu verwundern, daß sie alle hierinn den höchsten Gehorsam erweisen, Und niemand mit der Flucht sich salviret,[67] Diese Bauchschneidung[68] geschicht auff unterschiedliche Weise, und haben diesem nach, die grösste Selb=Mörder die höchste Ehre. [S. 58] [Bl.477v] [o] Ob gleich die Japaner sehr klug sind, so
sind sie doch grobe Götzen=Diener des Teüfels. Dem Zayro,[69] das Haupt der Geistlichen, und Beschützer des
Götzendienstes, wird fast, wie einem Gott gedienet, und hat in der
mächtigen Stadt Myaco[70] einen Prächtigen Hoff; Er hat auch Macht und Gewalt Ehrentitel
und geistliche Bedienungen zu verschencken, die Bonry, oder Priester sind
unterschiedliches Geschlechts, nach den unterschied ihrer Secte; mehrentheils
aber sind sie lose Leüte und arglistige Gäste, ehren Amyda[71] und Paca,[72] welche zween alte Verführer gewesen, nebenst noch etlichen
anderen, als Götter, diese mahlen sie in ihren Tempeln, so wunderlich, als
erschrecklich ab. Sie beten dieselbe an, opfern ihnen auch. Die Japaner beten
den Teüfel an, damit er ihnen nichts bößes thun möge, Ihre
Padagen,[73] derer sie eine grosse Menge haben, sind mehrentheils von Holtz, nicht
groß; etlich haben Thürme, so vergüldet, und mit Bildwerck hin
und wieder gezieret sind. Die Tempel haben vielerley [Bl.478r]
Nahmen, nehmlich Teüfels Affen des Abgotts
Canon;[74] der über Fisch und Meer gebeüt; des Abgotts Paca, Amyda,
Chamis-Tempel,[75] worinnen so viele Bilder als Tage im Jahre sind. [p] So wunderlich ehemals der Christliche Glaube in Japan ausgebreitet worden, so bekläglich hat sich derselbe nach der Zeit wieder verloren. Der berühmte Jesuit Franciscus Xaverius, und Cosmus Turensis :)[77] ist der erste unter den Christen gewesen, welche den 15. August. im Jahr 1549. in Japan anländete, und daselbst den Christlichen Glauben predigte, welchen auch viele [S. 59] [Bl.478v] Japaner annahmen. Diesen folgeten hernach die Jesuiten in grosser Menge, welche unzehlbare Menschen zu dem Römischen Glauben überredeten, worunter auch etliche Japanische Könige waren. Es war auch hernach eine Gesandtschafft (: welches hernach niemals wieder geschehen ist:) nach dem Pabst zu Rom abgefertiget, welcher auch nebenst dem König in Spanien, etliche dort wieder hin sendete, mit grossen Geschencken,[78] Nachdem aber die heimliche Verrätherey der Jesuiten entgedecket worden (: massen dieselbe gantz Japan in der Portugiesen Hände überlassen wolten:) hat sich der herrliche Anfang des Christlichen Glaubens, wieder verloren. Die Portugiesen hatten bereits unterschiedliche Könige, nebenst etlichen tausenden Japanern, die dem Römischen Glauben zu gethan, auf ihre Seite gebracht, welche leicht dem Japonischen Käyser, und seinem Anhang, den Halß hätten brechen können; Weil aber die vorhabende Conspiration entdecket, wurden [Bl.479r] alle in Japan wohnende Christen, auf eine erbärmliche Weise ermordet. Junge und alte, Reiche und Arme, wurden mit gantzen Familien gefangen, enthauptet, verbrandt, durchseget, zerhauen, gebraten, erwürget, gecreütziget, bey den Füssen auffgehencket, die Kinder in der Gegenwart der Eltern zerhacket, und in siedend Wasser geworffen, weder die Säuglinge, noch jemand anders, wurden verschonet.[79] Dieses Würgen und Morden fing an im Jahr 1613. biß 1626, und wärete so lange, biß sie keine Frembdlinge, noch ingebohren Christen, in Japan mehr gefunden worden, ja worauf man noch einen Argwohn hatte, dieselbe peinigte mann so lange, mit glüenden Eisen am Vorhaupt, biß sie alles bekandten. Viele Christen fielen durch diese Tyranney, wieder zu dem Heydenthumb; Doch waren so viel tausend in dem Christlichen Glauben beharret, Die das Christenthumb verleügneten, musten eine verfluchte Schrifft unterschrei=[S. 60] [Bl.479v] ben, ehe sie wieder angenommen worden. Auf solche Weise ist Japan endlich des Christlichen Glaubens gäntzlich beraubet worden, und wieder in das beklägliche Heydenthumb verfallen. [q] Den Portugiesen und Jesuiten ist gantz
Japan, bey Lebens=Straffe verbotten. Die Niederländer aber mögen
daselbst freyen Kauffhandel führen, sie werden aber so enge eingespannet,
daß sie keine Gelegenheit haben von der Religion viel zu reden: Zuvor war
Firando,[80] nunmehr aber Nangasacky, auf Vergünstigung des Käysers,[81] der Niederländer Handelstadt, am Ende dieser Stadt stehen
Holländische Kauffhaußer, welche sehr köstlich mit allen
nöthigen Vorrath gezieret sind. 2.2 Eine weitere kurze StelleDas nachfolgende Kapitel IX zur Insel Formosa enthält noch eine kleine Episode aus dem Jahre 1662. Am 30. April des Vorjahres war der Seeräuber Koxinga[89] mit etwa 25000 Mann in Taiwan gelandet und begann, die holländischen Stützpunkte aufzurollen. Eines der niederländischen Schiffe segelte nach der Kapitulation (1.2.1662) nach Japan: Das Jagd=Schiff Bravenlande, holte inzwischen von Tuelang ab den Kauffman Nicolaus Junen, den Prediger, Herr Marcus Masius, drey verheyrathete Weiber, eilff Tuelanger, sechzehen Kinder, 28. Sklaven, mit wenigen, 170 Menschen, weil dieselbe gantz Schutzfrey auf Tuelang waren; sie fuhren nach Japan, und von dannen nach der Insel Kisma, woselbst sie ausstiegen, die Holländische Weiber wurden von den Japanern mit grosser Verwunderung angesehen und endlich nach Batavia gesand. [Bl.488r] Europäische Frauen waren in ganz Fernost eine Rarität, kein Wunder, daß die Einheimischen die Augen aufrissen. Möglicherweise war dies sogar der einzige direkte derartige Kontakt des 17. Jahrhunderts, denn eigentlich hatte man ihnen die Einreise in Japan verboten. 3. Mögliche QuellenJost wies bereits darauf hin, daß "an dem Journal mehrere Hände geschrieben haben" (S.172). Zwei Schriftbilder ließen sich unterscheiden, die "zierliche" Schrift Caspar Schmalkaldens und eine "großzügige", vielleicht die des Sohnes Christian Günther (geb.19.2.1659), Doktor der Medizin, der auch wahrscheinlich das Reisebuch geerbt habe. Als Caspar Schmalkalden zwischen 1668 und 1675 starb, waren seine Söhne noch Kinder, d.h. die besagten Teile wären dann [S. 63] geraume Zeit nach dem Tode des Vaters entstanden. Aus der Feder dieses zweiten Schreibers stammen laut Joost "u.a. die Anhangskapitel". Das zeigt sich mitunter auch darin, daß Caspar Schmalkalden, der stets in der ersten Person schrieb, hier als "der Autor" angeführt wird (s.z.B. Blatt 481v). "Wesentliche Kapitel, zumindest zu seiner Westindienreise" wurden nach 1659 verfaßt, schließt Joost (S.172), was durch Jahresangaben wie 1661 [Blatt 483r] oder 1663 [Blatt 454r] im Anhangsteil durchaus gestützt wird. Da die detaillierten Ausführungen dieses Supplements zweifellos emsig zusammengetragen worden waren, müßten uns die Quellen weiterhelfen, aus denen der Verfasser geschöpft hatte. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts kommen folgende Werke in Frage, die sich auch bzw. vorwiegend dem japanischen Inselreich widmeten: 1648: Beschrijvinghe Van het Machtigh
Coninckrijcke Japan, Vervattende den aert en eygenschappen van't Landt,
manieren der Volckeren, ale mede hart grouwelijcke wreedtheydt teghen de
Roomsche Christenen, gesteldt Door Francois Caron. T'Amsterdam [...] 1648.
Dieses Buch verdient besondere Aufmerksamkeit und Glaubwürdigkeit, da der
Autor als Zwölfjähriger nach Japan kam, Sprache, Gesellschaft, Kultur
im Laufe seiner Karriere bei der Compagnie wie wohl kein zweiter unter den
Niederländern kennenlernte. Das Werk wird 1661 als Rechte Beschrijvinge
<..> um Kupferstiche und Hendrick Hagenaers Einwendungen erweitert und in
immer neuen Kombinationen und Übersetzungen herausgegeben (s.a. 1663,
1672).
1649: Descriptio Regni Japoniae Cum quibusdam
affinis materiae. Ex variis auctoribus collecta et in ordinem redacta per
Bernhardum Varenium [...] Amstelodami Apud Ludovicuni Elzevirium. Anno
M.DC.XLIX. Mit dieser Kompilation setzte Varenius einen Meilenstein in der
Geschichte der Landeskunden.
1658: Des Hoch Edelgebornen Johan Albrechts von
Mandelslo Morgenländische Reyse=Beschreibung. [...] Herausgegeben Durch
Adam Olearium. [...] Bey Christian Guth Buchhändelern in Hamburg.
Schleßwig Gedruckt in der Fürstl. Druckerey durch Johann Holwein im
Jahr 1658. Adam Olearius, Bibliothekar am Gottorfer Hof, [S. 64] hatte hier u.a. eine erste
Fassung des Japanberichtes von Jürgen Andersen aus Schleswig beifügt.
1663: Fr.Carons, und Jod. Schoutens Wahrhaftige
Beschreibungen zweyer mächtigen Königreiche Japan und Siam. [...]
Alles aus dem Niederländischen übersetzt und mit Kupferblätern
geziert. Denen noch beygefüget Johann Jacob Merckleins Ost-Indianische
Reise welche er im Jahr 1644 löblich angenommen und im Jahr 1653
glücklich vollendet. [...] Nürnberg In Verlegung Michael und Joh.
Friederich Endters. Im Jahr 1663. Auch der Apotheker Mercklein hatte sich fur
kurze Zeit in Nagasaki umgesehen und schreibt hierzu ein paar Seiten.
1669: Orientalische Reise Beschreibunge
Jürgen Andersen aus Schleßwig der An. Christi 1644. außgezogen
und 1650, wieder kommen. Und Volquard Ibersen aus Holstein so An. 1655.
außgezogen und 1668. wieder angelanget. [...] Herausgegeben Durch Adam
Olearium, der regierenden Fürstl. Durchl. zu Schleswig/ Holstein
Bibliothecarium und Antiquarium. [...] Schleßwig In der Fürstl.
Druckerey gedruckt durch Johan Holwein [...] Im Jahre 1669.
1669: Denckwürdige Gesandtschafften der
Ost=Indischen Gesellschaft in den Vereinigten Niederländern / an
unterschiedliche Keyser von Japan [...] Aus den Schriften und
Reyseverzeichnüssen gemelter Gesanten gezogen / Durch Arnold Montanus. Bey
Jacob Meurs [...] in der Stadt Meurs / 1669. Dies ist die deutsche
Übersetzung von: Gedenkwaerdige Gesantschappen der Oost-Indische
Maetschappy in't Vereenigde Nederland, ane de Kaisaren van Japan [...]
Getrokken uit de Geschriften en Reisaentekeninge der zelver Gesanten, door
Arnoldus Montanus, t'Amsterdam, By Jacob Meurs [...] 1669.
1672: Wahrhaftige Beschreibungen dreyer
mächtiger Königreiche Japan, Siam und Corea. [...] von Christoph
Arnold vermehrt, verbessert und geziert. Denen noch beygefüget Johann
Jacob Merckleins von Winsheim der Ost=Indianischen Compagnie vom Jahre 1644 an
bis auf das 1653. Jahre gewesnen Chirurgi, Journal, oder tägliche
Reisebeschreibung. Nürnberg. In Verlegung Michael und Joh. Friederich
Endters. Im Jahr 1672. Von den 17 Beiträgen dieses Sammelbandes
äbeziehen sich elf auf Japan.
[S. 65]
1686: Joh. Sigmund Wurffbains Vierzehen Jährige Ost=Indianische Krieg= und
Ober=Kauffmanns=Dienste [...] Sultzbach/ In Verlegung Johann Georg Endters in
Nürnberg. [...] ANNO M.DC.LXXXVI. Erfreulicherweise macht der Autor klar,
daß er selbst nicht bis Japan gekommen war und seine Ausführungen
auf mündlichen und schriftlichen Quellen in Batavia begründet sind.
1692: Christoff Frikens Ost=Indianische
Räysen und Krieges=Dienste. Oder eine Auszführliche Beschreibung was
sich Zeit solcher nemlich von A. 1680. bisz A. 1685. so zur See als zu Land
[...] hin und wieder begeben [...] dem Geneigten Leser zu annehmlicher
Belustigung vorgestellet und beschrieben worden. Ulm gedruckt bey Mattheo
Wagnern 1692. Naber[90] , der Andersen wegen möglicher Zusätze von Olearius nicht in
seine (leider abgebrochene) Reihe aufnahm, hielt das Werk Friks für
glaubwürdiger. Ein Vergleich der beiden Japankapitel legt eher den
entgengesetzten Schluß nahe.
1692: Der Orientalisch=Indianische Kunst= und
Lust=Gärtner Das ist: Eine aufrichtige Beschreibung Derer meisten
Indianischen als auf Java Major, Malacca und Jappon, wachsenden
Gewürtz=Frucht- und Blumen=Bäume [...] Wie auch Noch andere
deckwürdige Anmerkungen was bey des Autoris zweymahliger Reise nach
Jappan, [...] daselbsten gesehen und fleißig observiret worden [...]
entworffen und fürgestellet durch George Meistern Dieser Zeit Churfl.
Sächs. bestallten Indianischen Kunst= und Lust=Gärtner. [...] Dresden
In Verlegung des Autoris, druckts Johann Riedel Anno 1692.
1693: Ost=Indianische Reise=Beschreibung oder Kurtzgefaster Abriss von Ost=Indien und dessen angräntzenden Provincien, bevorab wo die Holländer ihren Sitz und Trafiquen mainteniren zusammt beides derselben als der Indianer Lebens=Art und Gebräuche so dann einiger Thiere Gewächse Edelgesteine und anderer merckwürdigen Begebenheiten. [...] Aus eigener Erfahrung zusammen getragen und auff Begehren guter Freunde zum Druck befördert von Christian Burckhardten Aus Halle in Sachsen. Halle und Leipzig In Verlegung Johann Friedrich Zeitlers. An. 1693. 1704: Johann Wilhelm Vogels Gewesenen Fähndrichs und Bergmeisters [S. 66] im Dienst der E. Niederl. Ost=Indischen Compagnie, anietzo aber F.S. Cammerschreibers und Berg=Inspectoris zu Altenburg Zehen=Jährige Ost=Indianische Reise=beschreibung [...] Alles so wohl aus eigener Erfahrung als vielen in Indien geführten Discursen von demselben aufrichtig beschrieben und nebst einem Register nunmehro zum Druck befördert. Altenburg Druck und Verlag Johann Ludwig Richters 1704. 1705: Neue Ost Indische Reise Worinnen umständlich beschrieben werden Unterschiedliche Küsten und Inseln in Ost-Indien auf welche die Holländische Geoctroirte Compagnie zu handeln pfleget [...] Herausgegeben von Christoph Langhanss. Leipzig Verlegts Michael Rohrlachs seel, Wittib und Erben in Liegnitz. 1705. Fast alle Autoren nutzten die ihnen zugängliche Literatur ausgiebigst , so daß sich die letzte Wurzel einer Textstelle nicht mehr zweifelsfrei feststellen läßt. Doch können wir in erster Näherung einige Werke benennen, die wahrscheinlich als unmittelbare Arbeitsgrundlage unserer Kurtzen Beschreibung Japans dienten. Die Seitenangaben bei Caron beziehen sich auf die deutsche Ausgabe von 1672, bei Montanus auf die deutsche Ausgabe von 1669; Frik, Burckhardten und Vogel zitiere ich anhand des Nachdrucks bei Schulz[91] und Mercklein nach der Ausgabe von Naber:[92] [a] Geographie Japans: Caron, S.2f., Montanus,
S.6, 41f., 53f., 299; Burckhardten, S.79; Vogel, S.82 Besonders in der umfangreichen Kompilation von Montanus finden wir in bestimmten Wendungen und Ablauf viele Parallelitäten. Als illustratives Beispiel für das Maß der Übereinstimmung diene hier folgender Auszug, den man einmal mit Schmalkaldens Reisebuch Blatt 474r, Abschnitt [i] vergleiche: Den boden ihrer Heuser bedecken sie mit ahrtig geflochtenen Matten / welche als Betten ausgestopft seind. Hierauff / schlaffen sie / mit einem Holtze oder Steine unter dem Häupte: hier essen / und ruhen sie auf den Kniehen / mit kreutzeweise geflochtenen füssen unter dem leibe. Sie[S. 68] seind nicht weniger reinlich im essen als die Siner: Dan die Speisen wissen sie mit zwei stöcklein so ahrtig auff zu nehmen / und in den Mund zu stecken / daß nichts entfellet / auch kein finger schmierich gemacht wird [5 Zeilen] Die Reichen aber schaffen / nach der Sinischen weise / reichlich auff. Zu iedem gerichte werden reine und vielfärbige Teller aus Zedern= oder Dannenholtze geleget. Die zubereiteten Speisen / in den Schüsseln auffgetürmet / seind mit Gold bestreuet [...] (Montanus, S.43) Auch die eingangs dieser Studie zitierte Beschreibung der Stadt Nagasaki zeigt einige Entsprechungen (s.Bl. 470r/v). Daß diese Analogien nicht zufällig sein können, liegt auf der Hand. Doch gibt es unter den Ost-Indischen Reisebeschreibungen deutscher Autoren zwei mit einigen nahezu wörtlich identischen Stellen, wie man aus der folgenden, gerafften Übersicht leicht erkennen kann.
Dies wirft indes ein neues Licht auf das Alter des Anhangkapitels, denn Burckhardtens Buch erschien 1693 in Halle und Leipzig, Wilhelm Vogels Werk gar erst 1704 in Altenburg. Beide stammen aus demselben geographischen Raum wie Schmalkalden. Direkte Kontakte zwischen ihnen wie auch zum Verfasser unseres Textes sind nicht auszuschließen. Doch wer hat von wem abgeschrieben? Rein theoretisch könnten Burckardten und Vogel das Schmalkaldensche Reisebuch eingesehen und Exzerpte daraus übernommen haben. Ich halte hingegen den umgekehrten Fall für wahrscheinlicher, da sowohl das Kapitel Japan bei Burckhardten als auch Vogels Kapitel XVI Von dem Käyser-Reich Japan / und dessen Einwohner Sitten und Gebräuchensehr kurz ausgefallen sind und man sich fragen müßte, warum denn beide die vielen anderen Informationen in unserem Reisebuch unbeachtet ließen. Hier und dort stößt man bei beiden zwar auf einen zusätzlichen Aspekt, doch insgesamt ist 'Schmalkaldens' Text reichhaltiger, durchdachter. Vogel seinerseits griff offenbar auf Burckhardten zurück, denn an einer Stelle (s. Abschnitt 2 der Vergleichstafel) sind sie identisch, während 'Schmalkalden' in der Wortwahl abweicht. Burckhardten wie Vogel wiederum haben an anderen Textstellen Anleihen [S. 76] bei Montanus gemacht, so daß auch dort der originäre Kern herauszuschälen wäre. Zwar mangelt es an einem schlagenden Beweis, doch würde ich das Entstehungsdatum der Kurtzen Beschreibung Japans in die Zeit nach 1704 legen. In jenem Jahr war der mutmaßliche Verfasser Christian Günther Schmalkalden (1659-1727) gerade 45 Jahre alt geworden und hatte noch weitere 23 Lebensjahre vor sich. 4. Zum InhaltDer Verfasser der Kurtzen Beschreibung Japans hatte sich erstaunlich intensiv um eine abgerundete Darstellung bemüht und im Sinne des Titels die wesentlichen Bereiche knapp umrissen. Diese Leistung wird um so gewaltiger, wenn man sich klar macht, daß der Anhang zu den eigentlichen Reisekapiteln nicht nur die wichtigesten Länder Ostindiens, sondern auch Westindien in ähnlicher Qualität umfaßt. Der Autor muß ein belesener Mensch mit Zugang zu einer Reihe wichtiger Publikationen seines Zeitalters. Da er sich so die Welt erschrieb, werden die Quellenwerke nicht sein eigen gewesen sein. Gerade durch eine solche Kompilation erkennen wir, wie weit damals ein Laie in die fremde Kultur des Fernen Ostens eindringen konnte. Wir sehen zugleich auch augenfällig bestimmte Grundzüge in der Wahrnehmung Japans, denen sich offenbar niemand zu entziehen vermochte. Faßt man nämlich neben den geschilderten Gegenständen die jeweilige Bewertung ins Auge, dann werden etwa vier Brennpunkte deutlich:
Jeder der um diese Foci gebildeten Themenkreise hat sich in einem bestimmten geschichtlichen Stadium den Europäern ins Bewußtsein gedrängt. So rührte die überaus hohe Reputation, der sich Japan im 16. Jh. zunächst erfreute, einerseits aus dem Erstaunen der ersten Missionare, die es in anderen Erdregionen nur mit scheinbar 'minderwertigen' Kulturen zu tun hatten. Andererseits mußte ihnen daran gelegen sein, ein möglichst prächtiges Bild zu malen, um die Mühe und Müh- [S. 77] seligkeit der Mission im Thule des Ostens zu begründen und deren Erfolge ins rechte Licht zu rücken. Dennoch war die Begeisterung sicher nicht gespielt, wenn man sich die Zustände in Europa vor Augen hält, und auch die Holländer in ihrer kläglichen Lage konnten nicht umhin, dem zuzustimmen. Einige Dekaden später verdichteten sich dann die vielfältigen Beobachtungen der Jesuiten zu einer systematischen Darstellung in der Form von 'Minimaloppositionen'. Da man die Herkunft der Japaner in China vermutete, zeigte der zunächst vorgenommene Vergleich dieser beiden Länder neben diversen Verschiedenheiten auch gemeinsame Züge. Doch dann gewinnen die Differenzen auch zu anderen, schließlich zu allen Nationen mehr und mehr Gewicht. In Japan schien man schließlich stets auf das Gegenteil des Gewohnten zu stoßen. Die Komplexität dieser schwer verständlichen Gesellschaft, an der man sich unentwegt rieb, wurde auf ein Inventar von Stereotypen reduziert, die man begreifbar machte, indem man sie dem jeweiligen Autostereotyp gegenüberstellte. In dieser Form war nun zwar das 'Exotische' an das eigene 'Wissen' angeschlossen, blieb aber zugleich in seinem Anderssein ausgegrenzt. Ein solcher Topos der Gegensetzung rührte m.E. nur zum Teil aus der extremen geographischen Lage oder tatsächlich beobachteten Verschiedenheiten. Er war vielmehr Ausdruck des erschütterten Selbstbewußtseins jener Augenzeugen, eines ins Wanken geratenen Wertsystems, daß sich nur auf diese Weise wieder stabilisieren ließ. Das eindrucksvollste, gewissermaßen scholastische Exempel derartiger Aus-Fluchtversuche ist der Tratado em que se contem muito susintae abreviadamente algumas contradicoes e differencas de custumes antre a gente de Europa e esta provincia de Japao, den der Missionar und Missionshistoriker Luis Frois 1585 verfaßte.[93] In vierzehn Kapiteln gegliedert sind hunderte von Gegensatzpaaren als 'Distichen' aufgereiht, darunter auch die unseres Textes, daß z.B. ein Gesunder warme Getränke trinkt, ein Kranker jedoch kaltes Wasser, daß man in Japan nicht zur Ader läßt, (sondern Moxakegel setzt,) daß man beim Ausgehen den Oberrock aus-, im Haus aber wieder anzieht. Oder um ein prägnantes Beispiel des Schmalkaldensche Textes anzuführen:[S. 78] Die Japaner sind auch durchgehends große Liebhaber der Comödien und des Seitenspiels, doch niederländische Trompeten und Seitenspiel hören sie nicht gerne. Die schwartze farbe ist bey ihnen eine Freüden=Farbe, die weisse aber ist eine Trauer=farbe. [Bl. 476v] Bis ins 18. Jahrhundert stoßen wir auf solche getreulich kolportierten Klischees, und sicher ist es kein Zufall, sondern Indiz für eine ähnliche psychische Befindlichkeit, wenn die seit dem 19. Jahrhundert um ihre Identität besorgte japanische Gesellschaft ihrerseits auf just die gleichen Muster des Kulturvergleiches verfällt. Daß mit der Unterdrückung der Christen und Vertreibung der Ausländer zu Beginn des 17. Jh. die japanische Seite mehr und mehr angeschwärzt wird, ist nur allzu verständlich, nochzumal es in der Tat zu Exzessen gekommen war. Und die gab man gern als Beleg für den grundsätzlich grausamen Volkscharakter aus. Aber auch hier sollten wir uns beim Tarieren der Waage an die Metzeleien des Dreißigjährigen Krieges erinnern. Zudem scheinen mir die eigentlich unnötigen, so liebevoll ausgeschmückten diesbezüglichen Kupferstiche vieler Japanwerke an dunklere Seiten des Lesers zu appellieren. Besonders Protestanten düften sich dem Schauer mit Lust ergeben haben, da ja nur Papisten zerhackt wurden, nicht unverdient angesichts ihrer "Verräterey". Doch ungeachtet Glaubensrichtung und Curieusitäten bleibt das Bild der grausamen Japaner, an dem selbst in der Gegenwart gelegentlich gemalt wird. Auch die Abneigung gegen die "Bonzos" oder "Bonzi", zu denen doch die Holländer keinerlei Kontakte mehr hatten, überdauerte die Jahrhunderte und wird noch heute den Deutschen mit der semantischen Muttermilch des 'Bonzen' eingeflößt. Ambivalent gestaltete sich weiter die Beurteilung der niederländischen Situation. Zwar war es der Compagnie gelungen, einen Zugang zum japanischen Markt offenzuhalten, doch die Handelsbedingungen wurden von der japanischen Seite diktiert. Die die Freiheit der Meere und Unterwerfung fremder Völker für sich in Anspruch nahmen, waren peinlichen Beschränkungen unterworfen, über die nichts hinwegtäusch- [S. 79] te. Von hier aus betrachtet, werden die wiederholten und übertriebenen Fingerzeige auf die Kriegstugend, Härte und Grausamkeit der Japaner, einst von den Missionaren zur Entschuldigung ihres Scheiterns genutzt, nunmehr als Versuch zur Linderung der holländischen Schmach aufs Neue belebt und plausibel. So funktioniert das während der iberischen Mission entstandene Beschreibungsschema auch in der niederländischen Ära. Nur hat man die Seelen, um derentwillen sich die Portugiesen (zunächst) bescheiden fügten, beseite getan und den Preis, für den man bereit war, in Nagasaki und Edo die Honneurs zu machen, auf den Tael konkretisiert. Literatur:Joost, Wolfgang: Die wundersamen Reisen des Caspar Schmalkalden nach West- und Ostindien 1642-1652. Weinheim 1983.
[1] Josef Kreiner: Deuschland -
Japan. Die frühen Jahrhunderte. S. 6. In: J. Kreiner (Hrsg.):
Deutschland-Japan. Historische Kontakte. Bonn 1984.
[2] Die Patientia war ein
sogenanntes Fluit-Schiff, ein Dreimaster ohne Kastellaufbauten mit niedriger
Takelage und geringem Tiefgang.
[3] Papistisch: in der
Reformationszeit entstandenes, unter Protestanten übliches Wort, von
Papist, d. h. Anhänger des Papstes, abgeleitet.
[4] Pfasstenberg: eigentlich die
kleine Insel Takaboko (高鋒) in der Einfahrt der Bucht von Nagasaki, von den Holländern
Papenberch, also Pfaffenberg genannt, weil man dort während der
Christenverfolgungen einige Missionare ins Meer gestürzt haben soll.
[5] Constabel: Unteroffizier der
Schiffsartillerie.
[6] Schute, Schuhte oder
Schüte (altnord. skuta) bezeichnet ein flaches, kleines Schiff, das zu
Transportzwecken in Häfen etc. eingesetzt wurde. Vogel benutzt an dieser
Stelle das niederländische Äquivalent Schuyte.
[7] Kisma: Joost (S. 185)
führt Kisma irrtümlich auf Kyûshû zurück, Kreiner
(s. Anm. 1: S. 7) auf Deshima (出島). Zwar war diese kleine, aufgeschüttete Vorinsel in der Bucht
von Nagasaki auch gemeint, doch leitet sich das holländische Wort nicht
von Deshima, sondern von der älteren Bezeichnung Tsukishima (築島), gebaute Insel,
ab. So finden wir in den Daghregisters der Faktorei zuweilen die Form 'T
schisima, bei Caron Cisma, bei Montanus Schisma.
[8] Bonjos: Joost interpretiert
als “Banjos”, aber solch ein Wort gibt es im Japanischen nicht. Die Wachen im
Dienste der lokalen Behörde hießen vielmehr Banshû (番衆) und der Ort, wo
sie sich aufhielten, Bansho (番所). Die Holländer hatten diese Bezeichnung, in der sich
wahrscheinlich beide japanische Wörter vermischten, von den
portugiesischen Händlern übernommen, die vor ihnen in Nagasaki Handel
trieben. Bezeichnenderweise ist die Schreibweise in den Daghregisters lange
Zeit instabil (Bonjois, Bongoijs, Bongwijs, Bongjoijs, Bongioys, Bongoisen),
als ob es ihnen nicht gelungen sei, die Lautgestalt eindeutig zu
identifizieren, was für meine obige Vermutung spricht. In der erwähnten
Wortliste des Diariums finden wir die Bungenser (Bl. 307v), im Anhangsteil
taucht eine weitere deutsch-japanische Pluralvariante Boniosen (Blatt 480v)
auf. Montanus schreibt Bonjoisen, bei Meister haben sie sich bereits zu
Pangosen verwandelt, Kaempfer schließlich interpretiert sie als Bugiosen,
wahrscheinlich, weil sie im Auftrage des Bugyôsho standen.
[9] Stücke:
Schiffsgeschütze
[10] Nanga∫aqui, auch Nangazacqui:
Da die frühesten Berichte aus Japan fast ausschließlich von
Portugeisen stammen, hatten sich viele japanische Eigennamen - auch der von
Nagasaki - zunächst in portugiesischer Schreibweise verbreitet: qui [ki] ,
xi [çi] , tçu [tsu] .
[11] Schlagbäume: Gemeint
sind die japanischen kido (木戸), einfache Holztore an allen wichtigen Stellen der Stadt, die bei
Einbruch der Dunkelheit geschlossen wurden.
[12] wie Ochsenzungen formiert:
lamellenartig übereinander gelegt (?)
[13] Kisma: Joost (S. 185)
führt Kisma irrtümlich auf Kyûshû zurück, Kreiner
(s. Anm. 1: S. 7) auf Deshima (出島). Zwar war diese kleine, aufgeschüttete Vorinsel in der Bucht
von Nagasaki auch gemeint, doch leitet sich das holländische Wort nicht
von Deshima, sondern von der älteren Bezeichnung Tsukishima (築島), gebaute Insel,
ab. So finden wir in den Daghregisters der Faktorei zuweilen die Form 'T schisima,
bei Caron Cisma, bei Montanus Schisma. →(7)
[14] Sinesen: Chinesen, oft auch
Sineser, Sinenser, Siner genannt
[15] Tabbert (auch tabart,
taphart, tapphart): vom französischen tabard genommene Bezeichnung
für einen langen, an der Schulter geknüpften Mantel.
[16] Die Instruktionen
Schambergers in Edo und Nagasaki führten schließlich zur Entstehung
der kasuparu-ryû geka, der Caspar-Chirurgie, die sich als japanische
Schule über mehrere Generationen hielt.
[17] Tayovan: Bucht an der
Südwestseite Formosas, damals mit dem Kastell und der Stadt Seelandia
Hauptsitz der Holländer; heute Teil von Anping. Siehe auch die Abb. bei Joost S. 143.
[18] Padagen, Türme: Pagoden→(73)
[19] Gebawen (auch Gebäw,
Gebewde, Gebeude, Gebeue): Bauwerk, Gebäude →(47)
[20] Stackete (auch Stacket oder
Staket): Lattenzaun (s. Anm. 11) →(35)
[21] Für die Genehmigung zur
editorischen Auswertung und freundliche Hinweise danke ich der
Forschungsbibliothek Gotha und ihrem Direktor, Dr. Helmut Claus. →(*)
[22] Niphonia steht für
Nihon, seinerzeit [niFon] gesprochen, und meint die heutige Hauptinsel
Honshû. Xicocen, Fehlschreibung von Xicocum bzw. Xicoco meint Shikoku.
Ximo (shimo), nannten die iberischen Missionare des 16. Jh. die Insel
Kyûshû, “isla de Ximo”, im Gegensatz zu Cami (kami), der Gegend um
Kyôto. Diese Einteilung in Oberland, d. h. kamikata (上方), wo der
Tennô residierte, und Unterland, shimokata (下方), folgt den
damaligen japanischen Gepflogenheiten.
[23] Strasse von Anian: trennt
“Katai” und das “nördliche America” (s. z. B. Montanus S. 53)
[24] Bezieht sich auf die Zeit der
Kämpfenden Reiche in 15./16. Jh., die 1590 mit der Reichseinigung durch
Toyotomi Hideyoshi endete.
[25] Jedo: Heute Edo geschrieben,
damals [iedo] ausgesprochen, ältere Schreibvarianten in westlichen
Berichten sind Jeddo, Iedo, Yedo, Yeddo.
[26] Der vermeintliche Fluß
von elf Meilen Breite ist die Meerenge von Tsugaru zwischen Honshû und
Hokkaidô. Letzteres hieß damals Ezo (蝦夷), wurde [ieso] gesprochen, was auch
die westlichen Quellen widerspiegeln: Je∫∫o, Ie∫∫o, Jezzo, Jedso, Yeco.
[27] Gemeint sind die Ainu (vgl.
auch Montanus S. 54). Tatsächlich wußte man um die Mitte des 17. Jh.
in Japan schon mehr über Ezo, als hier berichtet wird. Um 1600 hatte man
an der Südspitze bereits die Burg Fukuyama gebaut, in der ersten
Hälfte des 17. Jh. drangen dann japanische Expeditionen bis nach Sachalin
vor.
[28] lustig: wahrscheinlich eine
Fehllesung von 'luftig', ein Markmal des Inselarchipels, auf das die meisten
Landeskunden an dieser Stelle hinzuweisen pflegten
[29] brennende Berge: Vulkane
[30] Meaco (auch Miaco, Miako,
Myaco): portugiesische Notierungsform von Miyako, heute Kyoto, seinerzeit Sitz
des Tenno. Saccay ist die Stadt Sakai, O∫acca meint Ôsaka und Occo∫achy
offensichtlich Okasaki. Die Konsonantenverdoppelung 'cc', ck' zeigte anders als
in modernen Transskriptionen nur an, daß man den vorangehenden Vokal kurz
zu sprechen hatte.
[31] Mit der Ausnahme von Sakai,
das für sehr kurze Zeit eine Stadtmauer hatte, gab es infolge anderer
Herrschaftsverhältnisse tatsächlich keine Mauer, was jedem
Europäer sofort auffallen mußte.
[32] Bungo hieß ein
Daimyonat im Osten von Kyûshû, Xicocen, d. h. Chikuzen, ein
Daimyonat nördlich von Bungo.
[33] Straßen: eher 'Bezirk',
japanisch chô; Montanus (S. 52) spricht nur von 100 Ellen Länge
[34] Die Lusthöfe werden bei
Montanus (S. 52) ausführlicher erläutert: “darinnen allerhand fruchttragende und andere Beume
überflüssig wachsen, also daß die Stadt keinen Mangel hat an
Äpfeln [...] Birnen und anderen Baumfrüchten.”
[35] Stackete (auch Stacket oder
Staket): Lattenzaun (s. Anm. 11)
[36] Guberneur: Nagasaki war
direkt der Zentralregierung, dem Bakufu in Edo, unterstellt und wurde durch
eine Bugyô, einen ernannten Beamten, verwaltet.
[37] Zwar waren die Holztore (s.
Anm. 11, 30) nachts geschlossen, wurden jedoch im Brandfall natürlich
geöffnet. Dieses Mißverständnis entstand bei einem Brand 1645
als einige Holländer in der Stadt - wahrscheinlich bei den Frauen im
Stadtteil Maruyama - übernachteten und sich nur durch einen Ausbruch durch
diese Tore retten konnten (vgl. Montanus S. 52).
[38] Mit Keijzer bezeichneten die
Holländer den Shôgun, der als Haupt der Militärregierung von
Edo aus herrschte, in Gegenüberstellung zum Dairi, dem faktisch machtlosen
Tenno in Miaco.
[39] Javaner: Fehlschreibung von
Japaner
[40] Tony: bei Montanus Toni,
wahrscheinlich eine 'romanische' Pluralbildung von Tono, Tonosama, der Anrede
des Bugyô
[41] Cabayen: im
Französischen cabaie geschrieben und meist zur Bezeichnung der Kleidung
chinesischer Mandarine bzw. kaiserlichen Wachen in China verwandt.
[42] schlecht: niedriger Stand
[43] Verheiratete Frauen pflegten
ihre Zähne schwarz einzufärben.
[44] Weher: Fächer
[45] ungemein: ungewöhnlich,
Aufsehen erregend
[46] Staats Jungfern: Bedienstete
zum Repräsentieren
[47] Gebawen (auch Gebäw,
Gebewde, Gebeude, Gebeue): Bauwerk, Gebäude
[48] Gesträuch und Rint:
gemeint ist ein Flechtwerk aus Zweigen und Rinde, das mit Lehm bedeckt wird
[49] Mauerwerck: wahrscheinlich im
Sinne von Stockwerk
[50] Spatziergänge: gemeint
sind die engawa, überdachte Rundgänge um das Haus, in Schmalkaldens
Worten Gänge zum Spazieren.
[51] Kunst=gärten:
Ziergärten
[52] Gemählte: Gemälde
[53] Zeuge jener Katastrophe vom
27. April 1657 war Zacharias Wagener, der als Oberhaupt der Faktorei gerade in
Edo weilte, um dem Shôgun seine Aufwartung zu machen (s. a. Montanus S.
367ff. samt Abbildung).
[54] Norimon: Unter den
japanischen Tragekörben, den kago, ist ein norimono, verkürzt auch
norimon ausgesprochen, der beste Typ. Das Wort Palanquin hatten die Portugiesen
in Goa aus dem Hindi (pâlakî) übernommen. Die geschlossenen
norimono waren den oberen Rängen vorbehalten. Für die Dauer der
Hofreise erhielt der holländische Faktoreivorsteher den Rang eines
Hatamoto und damit auch das Recht auf eine entsprechende Reiseausstattung.
[55] Bonry: Fehllesung von Bonsij,
Bonsii (Montanus S. 46) bzw. Bonzi, vermutliche eine romanische Pluralbildung
des von den Portugiesen erstmals erwähnten bonzo, von dem sich dann
später auch der deutsche Bonze ableitete. Als Wurzel wird irrtümlich
meist das japanische Wort bôzu (坊主) angeführt, das die Missionare jedoch genau von “bonzo” (凡僧), der
Bezeichnung für einen gewöhnlichen Mönch, zu unterscheiden
wußten, wie z. B. das Vocabulario da lingoa de Iapam (Nagasaki 1603/4)
belegt.
[56] Fewer: Feuer
[57] Eine solche “Ceremonie van
haer Trouwen” ist z. B. bei Montanus (S. 62/63) illustriert, wo man unter
Nummer 9 die “Slaght Ossen” und unter 10 “t Vier waer in alt Bruyt speel goet
in verbrande” sieht. Tatsächlich war jedoch das Töten von Kühen
aus religiösen Gründen schärfstens verboten. Die wenigen
belegbaren Fälle wurden entsprechend auch stets mit schweren Strafen
geahndet. Hinweise auf dieses Gebot/Verbot gab es eigentlich auch in den
niederländischen Quellen reichlich!
[58] Thielen: Dielen
[59] Gemeint ist die
Kopfstütze makura
[60] Scheckereyen: wahrscheinlich
Leckereyen
[61] Tackje: wahrscheinlich eine
Fehllesung von Sackij (Sackje, Sacje, Sackie), d. h. Sake. Dieser wird
allerdings aus Reis hergestellt, der “widrige Geruch” und der “Weitzen” deutet
jedoch eher auf den 'Brandwein' shôchû.
[62] Saletten: kleiner Saal (?)
[63] Aderlassen: in Europa die
wichtigste Behandlungsmethode
[64] maßen: zum Ausdruck des
Grades, heute etwa 'dermaßen, daß'
[65] Javanisch: Fehlschreibung
für Japanisch
[66] Sturmhüte: kabuto, die
japanischen Helme, die bei Montanus (S. 59) in einer sehr europäisierten
Form abgebildet sind
[67] salvieren: sich retten
[68] Bauchschneidung:
wörtlich Übertragung des japanischen seppuku, im Deutschen als
Harakiri lexikalisiert
[69] Zayro: Fehlschreibung von
Dayro, auch Dairo, Daijro. Eigentlich als Dairi Bezeichnung für den Sitz
des Tenno, dann auch für diesen selbst. Die aus den iberischen Quelle
übernommene Endung 'o' ist m.E. eine romanische Flexionsform von Dairi.
[70] Meaco (auch Miaco, Miako,
Myaco): portugiesische Notierungsform von Miyako, heute Kyoto, seinerzeit Sitz
des Tenno. Saccay ist die Stadt Sakai, O∫acca meint Osaka und Occo∫achy
offensichtlich Okasaki. Die Konsonantenverdoppelung 'cc', ck' zeigte anders als
in modernen Transskriptionen nur an, daß man den vorangehenden Vokal kurz
zu sprechen hatte.→(30)
[71] Amida: Amida-nyorai (skr.
Amithaba), einer der fünf wichtigsten Buddhas
[72] Paca: Fehlschreibung von
Xaca, Xaka [∫aka] , heute Shaka, dem japanischen Äquivalent für skr. Shakyamuni, dem Namen des höchsten Buddhas
[73] Padagen, Türme: Pagoden
[74] Kanon: Kanon-bosatsu (skr.
Avalokitecvara), die Gottheit der barmherzigen Gnade Amidas (s. z. B. Montanus
S. 67)
[75] Chamis: Im Kapitel “Fotoqen
und Kamen” der “Wahrhafftigen Beschreibung dreyer Königreiche” (1672)
schreibt Arnold: “Sonsten haben die Japaner / ausser ihre oberste
Abgöttern / auch Fotoques und Camos, Chamis, oder Kamis genannt” (S. 581).
Er bezieht sich damit auf die shintoistischen Götter, Kami, die man seinerzeit
gemeinhin den buddhistischen Gottheiten, den Hotoke, gegenüberstellte. Die
Schreibvariationen entstanden durch die Adaptation an die jeweilige
Muttersprache des Autors.
Wahrscheinlich der bei Montanus (S.74) als zur linken des Zollhauses von Miyako liegend beschriebene Tempel.
[76] Bonrius: Fehllesung von
Bonzius, einer latinisierten Veredelung von Bonzo, Bonzi, Bon∫ij (s. Anm. 50)
[77] Franciscus Xavier (1586-1552)
und Cosme de Torres (1510-1570)
[78] Montanus zitiert zu diesem
historischen Ereignis (S. 20): “Und im 1582 jahre kamen nach Spanien / und Rohm
/ Mancio Ito, des Königs von Fiunga Vetter / und Michael Cinga, ein bluhts
verwanter der Könige von Arima / und Omura / die beide nur 15 jahr alt
waren / mit Julian Nacaura, und Martin Fara, welche alle nur zwey diener / und
zum Hofemeister einen Japanischen Jesuiten / Georg Lojola / bey sich hatten.”
Detailliert dargestellt in DE MISSIONE LEGATORVM IAPONENSIVM [...] In Macaensi
pourtu, Anno 1590.
[79] Detailliert illstriert bei
Montanus (S. 232 / 33): 't Ziedende water van Singock
[80] Firando: Hirado, Insel und
Stadt gleichen Namens nördlich von Nagasaki, klang damals mit seiner
Nasalierung des [d] und dem bilabialen [ϕ] wie [ϕirando:]
[81] Eigentlich keine
Vergünstigung, sondern die Strafe für F. Carons heimliche Versuche,
in Hirado aus mitgebrachten Korallenblöcken ein mit Geschützen
bestücktes Gehöft zu errichten
[82] Schuyte und Bott: Schuten und
Boote (s. a. Anm. 6)
[83] Bonjos: Joost interpretiert
als “Banjos”, aber solch ein Wort gibt es im Japanischen nicht. Die Wachen im
Dienste der lokalen Behörde hießen vielmehr Banshû (番衆) und der Ort, wo
sie sich aufhielten, Bansho (番所). Die Holländer hatten diese Bezeichnung, in der sich
wahrscheinlich beide japanische Wörter vermischten, von den
portugiesischen Händlern übernommen, die vor ihnen in Nagasaki Handel
trieben. Bezeichnenderweise ist die Schreibweise in den Daghregisters lange
Zeit instabil (Bonjois, Bongoijs, Bongwijs, Bongjoijs, Bongioys, Bongoisen),
als ob es ihnen nicht gelungen sei, die Lautgestalt eindeutig zu
identifizieren, was für meine obige Vermutung spricht. In der
erwähnten Wortliste des Diariums finden wir die Bungenser (Bl. 307v), im
Anhangsteil taucht eine weitere deutsch-japanische Pluralvariante Boniosen
(Blatt 480v) auf. Montanus schreibt Bonjoisen, bei Meister haben sie sich
bereits zu Pangosen verwandelt, Kaempfer schließlich interpretiert sie
als Bugiosen, wahrscheinlich, weil sie im Auftrage des Bugyôsho standen. →(8)
[84] kültegin, Kültgin,
Kultjens, Kulten: Kulis, vom chinesischen kuli (苦力) (s. a. Montanus S. 272)
[85] Pitschafft: Petschaft
[86] Disma (auch Disima, Decima):
von Deshima (vgl. Montanus S. 49. 274 sowie Anm. 7 w. o.)
[87] Kisma: Joost (S. 185)
führt Kisma irrtümlich auf Kyûshû zurück, Kreiner
(s. Anm. 1: S. 7) auf Deshima (出島). Zwar war diese kleine, aufgeschüttete Vorinsel in der Bucht
von Nagasaki auch gemeint, doch leitet sich das holländische Wort nicht
von Deshima, sondern von der älteren Bezeichnung Tsukishima (築島), gebaute Insel,
ab. So finden wir in den Daghregisters der Faktorei zuweilen die Form 'T
schisima, bei Caron Cisma, bei Montanus Schisma. →(7)
[88] 'sie' steht für 'die
unsrigen', d. h. die Niederländer erhalten Order, so schnell wie
möglich auszulaufen.
[89] Koxinga: eigentlich Zheng
Cheng-Gong (鄭成功), japanisch Tei Seikô, Sohn des chinesischen
'Seeräubers' Zheng Zhi-Long (鄭芝龍) und einer Japanerin aus Hirado, der, besonders nach der Festnahme
seines Vaters durch die Mandschu, diesen wie auch den die Mandschu
unterstützenden Holländern heftige Kämpfe lieferte. Vom
Ming-Kaiser hatte er in Nanking als Auszeichnung den Namen Guo Xing-Ye (国姓爺) verliehen
bekommen, der im Japanischen Koku Senya gelesen wird, und von dieser Lesung
leitete sich die über das Niederländische verbreitete Bezeichnung
Koxinga ab.
[90] S. P. L'Honoré Naber
(ed.): Reisebeschreibungen von deutschen Beamten und Kriegsleuten im Dienst der
Niederländischen West- und Ost-Indischen Kompagnien. Band III, Haag 1930. →(92)
[91] H.v.Schulz: Bibliographische
Forschungen zur japanischen Kulturgeschichte im Japaninstitut zu Berlin.
Japanisch-deutsche Zeitschrift, 4. Heft, Berlin 1928/29.
[92] S. P. L'Honoré Naber
(ed.): Reisebeschreibungen von deutschen Beamten und Kriegsleuten im Dienst der
Niederländischen West- und Ost-Indischen Kompagnien. Band III, Haag 1930.
[93] Siehe Luis Frois S. J.
Kulturgegensätze Europa-Japan (1585). Erstmalige, kritische Ausgabe des
eigenhändigen portugiesischen Frois-Textes in der Biblioteca de la Academia
de la Historia in Madrid mit deutscher Übersetzung, Einleitung und
Anmerkungen von Josef Franz Schütte. Tokyo 1955.
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