Willem ten Rhijne und die japanische Medizin (II) - Die Mantissa Schematica. Dokufutsu Bungaku Kenkyu, No. 40 (Fukuoka, August 1990), pp. 57 - 103.
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Wolfgang Michel

Willem ten Rhijne und die japanische Medizin (II)


In Nagasaki gerieten ten Rhijne unter anderem illustrierte Materialien zur traditionellen Medizin in die Hände. Ausführlich annotierte Auszüge davon gab er zusammen mit zwei 'chinesischen' und zwei 'japanischen' Tafeln in der "Mantissa Schematica" wieder, dem zweiten Text seines Buches von 1683.[1] Ich habe diesen Teil noch einmal übertragen und kommentiert,[2] weil mir die bisherigen Versuche in vielerlei Hinsicht unzulänglich erschienen und eine inhaltliche Aufarbeitung noch ausstand.

 

Die "Mantissa Schematica"

Proœmium.

Wie findet ein Steuermann auf dem weitem Makrokosmos des Ozeans einen Landeplatz, wenn er nicht gelernt hat, einen Kurs zu steuern, den er mit seinem Kompaß in nautischen Graden auf Karten eingezeichnet hat; wenn er nicht gelernt hat, Untiefen und Riffe zu vermeiden und aus günstigen oder ungünstigen, ja nicht wahrnehmbaren Strömungen über die Geschwindigkeit seines Schiffes einen plausiblen Schluß zu ziehen? Wie erkennt man im äußerst komplizierten Mikrokosmos die Stelle zum Brennen oder Stechen mit der Nadel (bei den Japanern trennen die Meister beides so gut wie gar nicht), wenn man nicht die Bewegungen des Herzens (die Windrose unseres Körpers), die Lage, Grenzen, den Fluß und Rückfluß der kleinen Blutströme erfaßt hat und bei Operationen Verletzungen derselben meidet; wenn man sich nicht sicher ist über die Stelle, die jeder Schmerz aus der beschleunigten Bewegung des Blutes mit seinem eigenen Signum markiert, und wenn man ebensowenig weiß, daß nur an denjenigen Stellen mit Moxa gebrannt werden darf, wo Verdichtungen des Blutes in etwas tieferen Regionen des Fleisches verborgen sind? Auch darf man keinerlei Zweifel hegen, daß es eine Gefahr gibt, besonders wenn eine manifeste nervliche Artikulation mit ihren Strukturen den Akupunkturisten mahnt, sich vor einer zarten Stelle zu hüten, wie [ein Steuermann] vor einem Felsen. Auf welche andere, schlechte Weise, sage ich, will ein Arzt ein Leiden behandeln, das diesen Mitteln so einfach weichet? Hier ersetzen Ratio die Gesetze und Versuche die Gewandtheit; denn wo gibt es bei uns den trefflichsten der Meister, der unterwiesen und ausgebildet sich auf beides verstünde? Sie beide (das Brennen und die Akupunktion)[3] sind die primären Operationen bei den Chinesen und Japanern, die alle Schmerzen verjagen. Beraubte man jene (insbesondere die Japaner) beider, so wären ihre Kranken bedauernswert und ohne eine Hoffnung auf Heilung oder Linderung. Den Aderlaß verwerfen diese Nationen, weil nach ihrem Urteil bei der Sektion einer Vene beides, gesundes wie krankes Blut, ausfließt und so das Leben verkürzen. Dementsprechend versuchen sie, das verdorbene Blut durch Einbrennungen von den Unreinheiten zu befreien und von den Winden,[4] aller Schmerzen Urheber, durch Einbrennung und Akupunctura. Die Mediziner der Chinesen (von welchen die Japaner(a) diese Heilkunde übernommen haben) sind fürwahr in der Anatomie ungebildet, doch haben sie durch äußerst sorgfältiges Lernen und Lehren seit vielen Jahrhunderten der Zirkulation des Blutes mehr Mühen gewidmet als einzelne oder alle Europäer, wobei sie aus den Regeln dieser Zirkulation die Grundlage ihrer ganzen Medizin nahmen gleichsam wie aus den Orakeln des Apollo.

Diese ihrer Kunst Geheimnisse (die sie nicht unterschiedslos jederman mitteilen) erklären sie nun weder mit honigsüßem Wortschwall oder vieldeutigen Gleichnissen, noch verdunkeln sie sie durch kunstreiche Kontroversen, vielmehr veranschaulichen mechanische Vorrichtungen[5] veranschaulichen die Analogien ihrer Doktrin: die Meister der Chinesen demonstrieren ihren Schülern, Adepten der Medizin, die Zirkulation des Blutes vermittels hydraulischer Maschinen.[6] Sind diese nicht vorhanden, so unterstützen sie das Verstehen durch klare Abbildungen, wobei sie unablässig der Hoheit des Alters ihren Respekt bezeugen. Die verschiedenen Bewegungen müssen durch Vorschriften und Regeln erlernt werden (von denen ich, falls das Schicksal es will, Beispiele präsentieren werde), wenn eine Behandlung nach ihrer Vorschrift durchgeführt werden soll. Da aber diese Methode der Praxis unserer Landsleute so fern liegt und es einer ungeheuren Arbeit bedürfte, sie von Anfang an zu zeigen, noch dies der flachen Buchseite angemessen wäre, habe ich beschlossen, zum besseren Verständnis vorliegender Dissertation Abbildungen zu präsentieren, deren Originale, in Ermangelung eines Dolmetschers lange vernachlässigt und ignoriert, schließlich in meine Hände fielen, nachdem ich nach Japan delegiert worden war und diese Ikonen aufgespürt hatte. Damit das mir anvertraute, dem vorherigen Besitzer nutzlose Wertobjekt nicht wertlos bleibe, habe ich mir alle Mühe gegeben, einen japanischen Arzt kennenzulernen (man gewährt uns nur einen sehr beschränkten Zugang zu ihren Ärzten), der die chinesische Sprache kennt (wer unter ihnen Chinesisch kann, erfreut sich größerer Geltung).[7] Meine Bemühungen hatten den gewünschten Erfolg. Ich stelle dem Publikum frei zur Verfügung, was immer ich unter einigem Aufwand entdecken konnte (jedoch, infolge der Unerfahrenheit und des beschränkten holländischen Vokabulars unserer Dolmetscher mußte ich vieles, was in meinem Originalen auf Chinesisch geschrieben ist und nicht übersetzt werden konnte, übergehen. Denn die Mysterien ihrer Kunst (die sie wie höchst heilige Schätze in ihren Geheimfächern hüten) teilen die eifersüchtigen Japaner besonders Ausländern nur zögernd mit.

Bei allen Schmerzen des Körpers, besonders denen der äußeren Teile, die lange ungelöst andauern, wenden die Chinesen und Japaner zwei Heilverfahren an. Sie unterscheiden und markieren mit bestimmten Zeichen nach den Vorschriften ihrer Kunst am ganzen Körper Stellen, die mit Moxa zu brennen oder mit der Nadel zu stechen sind. Die einzelnen Figuren, die ich besitze, kann man, weil der Platz sich dazu nicht eignet und wohl auch die Kosten zu hoch sind, nicht in Kupfer drucken. Deshalb habe ich nur zwei der wichtigsten Abbildungen der Chinesen und ebenso viele der Japaner sorgfältig vorbereitet, von denen eine die Vorderseite des Körpers und die andere die Rückseite zeigt. Zahlreiche Figuren zeigen die seitlichen Teile und sollten andere sie der Publikation wert halten, so werde ich sie ihnen und der Öffentlichkeit nicht vorenthalten.

In vielen Fällen wird sich ein in der Anatomie Erfahrener wenig aus den Linien und Punkten machen, vielmehr die schlechte Darstellung der angezeigten Stellen kritisieren, wenn diese die Gefäßwandungen genauer umfassen müßten. Doch darf man deswegen nicht so einfach das Vertrauen in diese Versuche fahren lassen, die von sehr vielen großen Gelehrten des Altertums unternommen wurden. Lieber schreiben die chinesische Ärzte einen Fehler ihrer eigenen Unwissenheit zu, als daß sie auch nur im geringsten an der Glaubwürdigkeit und Bedeutung des Altertums zweifeln würden - so hoch schätzen sie jenes 'Der Meister selbst sagte das'. Auch ich mißbillige den überheblichen Aberglauben der Japaner und ihren raschen Wunsch zum Widerspruch, wie er von anderen belegt wurde. Jeder, der diese Angelegenheit ohne Vorurteil untersuchen möchte, sollte diesen Kanon, welcher unter unseren Alten den Hippokrates als Patron hat, in der Praxis überprüfen. Wo immer der Schmerz auftritt, da muß gebrannt werden; es soll aber dort schärfer gebrannt werden, wo die Arterie stärker pulsiert. Denn wo bösartige Winde das Blut in Unordnung bringend bewegen, liegt der Sitz des Schmerzes. Daher muß man erst den Puls dieser Arterien erkunden und die Brennkegel an die Stellen mit ihrem jeweiligen Zeichen anlegen. Wenn also jemand den Wunsch, die elaborierten Werke der Chinesen zu nutzen, nicht verspüret, so möge er durch die Praxis eigene Beobachtungen sammeln und aufgrund seiner Erfahrung die Position der zu brennenden Stellen vervollkommnen und festlegen. Im übrigen wird der Anatom bei den zufälligen Abweichungen der Linien und der hervorgehobenen Punkte leicht ein Auge zudrücken, wenn er die Struktur der Blutgefäße erforscht. Diese ist netzartig; sie umarmen einander, sind offenbar von derselben Gefäßsubstanz. Wenn man daher mit dem Messer ihre Lage beurteilt, so liegen dort oft andere kleine Blutquellen verborgen, welche infolge des Angriffes unreiner Winde[8] (wiewohl wahrscheinlich auf andere Weise als die Anatomen es erwarten) zum Sitz des Schmerzes werden können.

Die nachfolgenden zwei Abbildungen zeigen, an welchen Stellen mit der Moxa zu brennen, und wo die Akupunktur zu verrichten ist. Die Orte für ersteres sind rot markiert, die für letzteres grün; die Chinesen sind überaus besorgt um die Vielfalt der Farben.[9]

Die Kommentare zur ersten Figur gleichen eher einem alten Dokument oder einer Ankündigung; ich habe sie mit der Hilfe des japanischen Arztes Iwanaga Sôko,[10] der des Chinesischen mächtig ist, sowie unserem Dolmetscher Motogi Shôdayu,[11] der Holländisch in halbierten Wörtern und fragmentarischen Wendungen spricht, gesammelt und übersetzt. Ersteren bat ich um Beistand, als er vom Gouverneur Nagasakis geschickt wurde, um mir durch einen Dolmetscher medizinische Fragen zu stellen (wahrlich mühselige Lappalien) und die Antworten zu erwarten.[12] Ich verließ mich auf den letzteren, weil er, wenn auch ein ungenauer Ausleger der Worte, unter allen Dolmetschern in medizinischen Angelegenheiten am besten bewandert war, aber auch am gerissensten.[13]

Auf der linken Seite der Figur (wo bei Chinesen wie Japanern man mit dem Lesen beginnt) war in chinesischem Idiom geschrieben, was ich ins Lateinische übertrug, nachdem ein Dolmetscher aus dem Chinesischen ins Japanische und ein zweiter dieses ins Holländische übersetzt hatte.

Rokkaku [14] korrigiert böse Lüfte[15], mildert Schwindel und Kopfschmerzen und vertreibt die Winde.[16]

(a)"Rocquakph": Dies ist eine japanische Kokution, kein kleines Wort. Die Japaner setzen nämlich am Ende eines Wortes meist ein griechisches f oder Ph.[17] Das macht keinen Unterschied in der Schreibung dieses Wörtchens; die Aussprache ist, wie bei allen anderen auch, verschieden. Wenngleich man die Schriftzeichen eines anderen zu lesen vermag, wird man deswegen [gesprochen] nicht verstehen können (dies bezieht sich nicht auf die Sprache der Gemeinen, sondern auf die der Doktoren; denn wie schon bekannt, haben Chinesen und Japaner zwei verschiedene Sprachen). Ein Niederländer wird die richtige japanische Aussprache sogar schneller erlernen als ein Chinese, doch wird er mehr Schwierigkeiten mit dem Chinesischen haben infolge der schweren Aussprache und fast endlosen Zahl der Charaktere. Rokkaku ist nun ein pflanzliches Medikament bei den Chinesen von bohnenähnlicher Art , wie mir mein Dolmetscher erklärte. Es handelt sich um die Chinesische Bohne,[18] die am Boden kriecht und Bohnen treibt,. Ihre wohlriechende Wurzel ist gelb, sie ahmt unsere weiße Bohne nach, nur schmeckt sie ein wenig bitter. Bei den Chinesen ist sie auch als Nahrung volkstümlich, ihrer Tugend wird zwischen kalt und warm temperiert. Gegen Drüsenabszesse, innerlich (wie die Mesenterie etc.)[19] und äußerlich ist sie ein vorzügliches Heilmittel; sie heilt Kopfschmerzen, beseitigt die Würmer in den Gedärmen (zweifelsohne durch ihre Bitterkeit) und verbessert das schwarzgallige Blut. Die Wurzel soll man im fünften oder sechsten Monat (des chinesischen oder japanischen Kalenders; davon später mehr) sammeln und im Schatten trocknen.

Kyûkyû oder Senkyû [20] ist eine Wurzel,(b) die, in den Fischteich geworfen, mit ihrem Duft die Fische scharenweise anlockt.

(b) Kyûkyû oder Senkyû. Die Wurzel, deren Abbildung weiter oben steht, ist knollig, ziemlich fleischig und riecht auffallend nach Liebstöckel. Sie kuriert Kopfschmerzen (die von Kälte kommen und auf warme Kräfteeinflüsse hin auftreten), reinigt das Blut und befördert dessen Zirkulation, temperiert die anderen Körpersäfte und stärkt auf das Vorzüglichste das Herz. Es sei notiert, daß diese Species anstelle des Genus genommen werden, zwei ausgewählte Medikamente an Stelle einzelner, welche für den inneren Gebrauch sind. Die chinesischen und japanischen Apotheker bereiten und vertreiben diese zusammen in der Form eines Absuds, dessen primäre Basis jedoch die Wurzel Ninjin [21] ist. Das in meinen Observationen hierzu Geschriebene bedarf eines Tages einmal der Politur, wenn sich ein Drucker und ein Graveur finden.

 


Abb. 1 Kyûkyû oder Senkyû (Rhijne-1, S. 108)

 

Beides Pharmaka mit höchster Wirkkraft;(c) wenn sie nicht helfen, wende man die Akupunktur oder Einbrennungen(d) an, die Doktoren der Medizin wissen nichts besseres als diese Mittel. Aus diesem Grunde wurde der berühmte Kodez über innerliche und äußerliche Heilmittel, das Daikyô (e) geschaffen. Akupunktur und Einbrennung(f) sind äußere Mittel,(g) welchen, mit internen Mitteln verbunden, eine feindliche Krankheit(h) kaum entgeht.

(c) Das gleiche preist man in jenem Aphorismus von Hippokrates, wo es in Sektion 8, Aphorismus 6 heißt: Was immer Medikamente nicht heilen, heilt das Eisen, was das Eisen nicht heilt, das heilt das Feuer, und was das Feuer nicht heilt, sollte als unheilbar angesehen werden. Der Sinn, so sage ich, ist derselbe, die Interpretation auch.

(d) Mit Moxa nämlich bzw. getrockneter Artemisia

(e) Die Chinesen haben in ihren Kodex Daikyô [22] das gleiche wie die europäischen Ärzte in ihrem Hippokrates. Sie nehmen zu diesem wie zu einem heiligen Anker Zuflucht, und diejenigen, die daran halten, gelten als wirkliche Doktoren. Ja, sie kämpfen für seine Autorität, die vom Alter gestützt wird, als kämpften sie für die ewige Wahrheit oder ihre Altäre und Herde. Allein hierauf schwören sie in ihrem Aberglauben und weichen keinen Fingerbreit davon ab. Führt ein ungünstiger Ausgang zu Unsicherheit oder Widrigkeiten, so geben sie die Schuld ihrem eigenem Urteil, ihrer schwächlichen Urteilskraft oder mangelhaften Erfahrung. So sehr gilt ihnen das 'Der Meister selbst sagte dies'.

(f) Sie bilden eine, den Chinesen und Japanern eigene Chirurgie, praktisch deren gesamte manuelle Kunst.

(g) Äußerlich und innerlich, das heißt Chirurgie und Pharmazeutika.

(h) Fast jeder Art. Weil alle Krankheiten durch Winde verursacht sind (wie weiter oben ausführlich erklärt), welche außerordentlich wirksam durch die Nadel und Artemisiakegel herausgezogen werden. Sie, besonders die Chinesen, unternehmen zugleich alle Anstrengungen, um innerlich, durch Wärme produzierende Medikamente die schädlichen Winde auszutreiben.

Der Kodex Daikyô wurde durch einen Alten(i) zusammengestellt, der einschärfte,(k) daß diese beiden(l) in ein einziges zusammengefaßt werden sollten. "Wacquan" [23] war der erste Arzt, der jenes Gesetz der Vereinigung institutionalisierte,(m) während der Herrschaft der Familie Shû no chô.(n)[24] Er wog jedoch die Schwierigkeiten unter ihnen und stellte die Medizin der Chirurgie voran und begründete seine Wahl auf Erfahrung.

(i) Was Exzellenz besagen will und diesem Kodex größere Vertrauenswürdigkeit und Autorität bringt. Mehr als alle anderen nationen sind die Chinesen wie Japaner die höchsten Verehrer der Alten. Der 'Alte'[25] hier ist wie der 'Senior' im Neuen Testament, der als Ehrentitel und ein sicheres Zeichen von Wissen fungiert. Deshalb messen sie dem, was von einem Alten rührt, Gewicht bei. Selten nur ist bei ihnen in einem jungen Mann Autorität.

(k) Hier bekommen wir zu verstehen, daß bei den Chinesen dasselbe wie bei den Ägyptern und Griechen geschah. Zu einer Zeit war die Kunst des Heilens einheitlich, zu einer anderen in Teile getrennt, wie bei Herodotus[26] und C. Celsus[27] (Buch 1, Vorwort) deutlich wird. So ereignen oder ereigneten sich Dinge in mehreren Nationen, die entweder als neu bewertet oder einem bestimmten Volk zugeschrieben werden. Wofür besonders in den Künsten die Erfindungen der Chinesen ein Beispiel geben, die andere Nationen selbständig machen, während sie bei den Chinesen schon lange zuvor bekannt wurden. Verschiedenes hierzu ist in M. Martinius 'Geschichte Chinas' zu lesem.

(l) Das sind die chirurgischen und pharmazeutischen Künste.

(m) Etwa vor 2600 Jahren, wenn wir unseren Chronologen glauben

(n) Sie regierte das Reich für ungefähr 800 Jahre. Man sagt, daß einige ihrer Nachkommen bis heute überlebten, doch die Dynastie nun minderen Ranges. Einer von ihnen habe mit der Hilfe der Familie "Pockien" oder "Fockien" ?[28] einen Krieg gegen den großen Khan der Tartaren geführt (der letzte Herrscher habe einen Nachkommen hinterlassen, unter dessen Banner die Chinesen die Tartaren bekämpft haben sollen).

Die übrigen Ärzte, die ihm folgen, werden deswegen Hondô (o) genannt. Die Ärzte (der Chinesen und Japaner) sind dreifach unterteilt. Die erste Gruppe, die hauptsächlich innere Schwächungen heilt, wird Hondô genannt, die zweite, die Medizin durch Akupunktur und Einbrennung betreibt, Shinkyû, (p) die dritte, die Augenleiden kuriert, "Baksieu Sinkai".(q)[29] Derjenige Arzt jedoch zeichnet sich aus, der alle drei Künste gut kennt und seine Medizin mit ihnen praktiziert,(r) denn verschiedene Meinungen(s) bringen meist eine Gefahr für den Kranken (t) mit sich.

(o) Als Wort bedeutet Hondô [30] den rechten Weg, die königliche oder beste Methode. Im medizinischen Gebrauch (von den Japanern auch Isha hondô [31] genannt) bedeutet hon richtig und Weg.

(p) Er wird Shinkyû [32] auf Chinesisch und Hariuchi tensashi [33] auf japanisch genannt.

(q) Im japanischen Idiom Me'isha,[34] ansonsten bezeichnet Geka [35] allgemein den Chirurgen in Japan.

(r) Ich urteile, daß ein Mensch alle diese vereinigen kann; und wenn man sich spezialisiert, dann lobe ich den, der am meisten weiß, sagt Celsus im Vorwort zum 7. Buch.[36]

(s) Weil es so viele Ansichten wie Köpfe gibt.

(t) Und manchmal geht es um das Leben, um nicht Schlimmeres zu erwähnen, wie oft die bedauerliche Erfahrung lehrt.

Ô I'ichi,[37] ein Arzt von großem Namen, schuf während der Regierung der Familie Sô no chô (u) als erster in Kupfer Bildwerke des menschlichen Körpers mit Organen, Nerven,(w) Knochen, Gelenken und fügte sogar Zeichen hinzu, welche die Stellen zur Akupunktur markieren.(x)

(u) Dies ist das Maß der Zeit bei den Chinesen. Sie unterscheiden eine Periode nicht durch Bezug auf die Geburt Christi, sondern die Regierung der jeweiligen Familie. Dies kann man leicht erkennen in M. Martinius 'Geschichte Chinas'. Das Buch beginnt mit einer Dekade, jede Dekade wird durch die Herrschaft einer Familie begrenzt, im Jahre 2952 vor Christi unter dem Herrscher Fohio [38] und fährt fort bis zur Geburt unseres Retters in Zyklen (von denen jeder sich in 60 Jahren vollendet). Das Werk wird auf das Höchste geschätzt von Verehrern des Altertums. Und so regierte in China die Sô no chô Familie[39] (wie mein Dolmetscher berichtet) vor etwa 580 Jahren; ihr Sitz war in der Stadt Benshû (welche ich im chinesischen Atlas nicht ermitteln kann)[40] nahe der Stadt Nanking. China war geteilt in eine Anzahl von Herrschaftsgebieten oder Provinzen (heute in fünfzehn, wenn wir Martinius im Atlas Chinas[41] glauben, früher neun). Jede hatte ihre eigene Hauptstadt, unter welchen sich der Herrscher seinen Sitz wählte, entweder wegen der Bequemlichkeit des Ortes oder den Notwendigkeiten jener Zeit bzw. dem Ausgang eines Krieges gemäß. Bei der ersten Invasion der Tartaren war China in die drei Provinzen Fujian, Guangdong und Guangxi [42] geteilt; als Ergebnis der Unterwerfung durch die Tartaren ist die heutige Hauptstadt Peking.

 

Fig.2: Chinesische Ikone, welche die besonderen Punkte auf der Vorderseite des Körpers sowohl für die Akupunktur als auch die Moxibustion zeigt.

 

   (w) Die Chinesen fassen unter diesem Namen gewöhnlich Nerven, Venen und Arterien zusammen.

(x) Sie werden auf den Tafeln durch grüne Punkte angezeigt, für das Brennen durch rote Punkte.

Dies stand in chinesischen Schriftzeichen auf der linken Seite(y) der ersten Tafel geschrieben.

(y) Chinesen wie Japaner beginnen ihre Schrift von dort.

Das Folgende stand in gleichartigen Schriftzeichen auf der rechten Seite derselben Figur geschrieben und hängt mit dem Vorangegangenen zusammen.

 

Dônin yuketsu shinkyô zukyô. (z) [43]

Das heißt: Auf den kupfernen Figuren werden die zu akupunktierenden bzw. brennenden Stellen durch Zeichen (a) markiert. Der Arzt "Sikkeso" (b) hatte als erster Karten von@diesen Figuren gedruckt, welche die Vorder- und Rückseite zeigen.[44]

(z) Dônin bedeutet eine Figur aus Kupfer, Yuketsu,[45] daß die Glieder durch Zeichen markiert sind, Shinkyû bedeutet die Kunst der Akupunktur und Moxibustion, Zukyô [46] bedeutet Demonstration, wie mir der Dolmetscher erklärte.

(a) Mein Dolmetscher übersetzte mit 'Öffnungen',[47] wahrscheinlich, weil in diese Kupferfigur Löcher gemacht wurden, um die Stellen für Akupunktur und Einbrennung anzuzeigen.

(b) Welche die Abbildungen hier zeigen.

Kôtei (c) verfaßte das Buch Myôdôkyô,[48] in dem er die Nerven(d) und Extremitäten der Eingeweide,(e) zwölf an der Zahl, beschrieb. Er war der erste, der diese Gefäße zum einfacheren Erkennen durch natürliche Farben unterschied. So machte er die Gefäße des Herzens und des Dünndarms, deren Pulse zusammenlaufen, in roter Farbe kenntlich. Die Gefäße der Leber und der Gallenblase (deren Pulse korrespondieren und deren Gefäße(f) zusammenlaufen), machte er in blau kenntlich. Die übrigen Gefäße(g) sind mit anderen Farben markiert.xx

Auf dem äußeren Teil des Körpers nannte er die Arterien der Vorderseite Ninmyaku (h)[49] und die der Rückseite Tokumyaku,[50] beide hat er in grün(i) kenntlich gemacht.

   (c) Kôtei [51] war ein großer Heiliger der Chinesen. Der Dolmetscher nannte ihn 'Pontifex' in Anlehnung an den römischen Papst oder den japanischen Dairi.[52] Auf chinesisch heißt Kô tei Shennong Huangdi.[53] Myôdôkyô hat denselben Namen. Shennong ist der nachname und Huangdi ist der Vorname nach chinesischer und japanischer Sitte. So wie unter den Griechen Anaximander von Miletus der erste war, der den Makrokosmos der Welt auf eine Tabula gemalt hat (wie wir von Agathemeres, dem Epitomator des Artemidorus erfahren; kürzlich hat mein lieber Tennulius diese Epitome übersetzt und kommentiert),[54] so war Kôtei der erste unter den Chinesen, der die Lage der Venen etc. aufzeichnete. Siehe Agathemeres, Anfang Kapitel 1.

(d) Schließen Venen und Arterien ein, was bei den Chinesen eine gemeine Redensart ist. In ähnlicher Weise bezeichnete Rufus von Ephesus die Venen als Nerven. Siehe Foesius, Oeconomia, Seite 428.[55]

(e) Und zwar meinen die chinesischen Ärzte, man könne aus dem Puls die Mischung und Temperatur eines einzelnen Organs bestimmten. Sie glauben, daß die Arterien aller (zumindest der wichtigen) Organe sich bis zur Handwurzel erstrecken, wo an jeder Hand drei Pulse existierten, die den Zustand der Organe anzeigen. Sie weisen jedem Puls zwei Organe zu, so daß man, wenn man mit sechs multipliziert auf zwölf kommt. Ich werde an anderer Stelle diese Sache abhandeln.

(f) Dies sind die pulsierenden Arterien.

(g) Ich werde die Namen und Temperamente in einer Abhandlung über den Puls mitteilen.

(h) Myaku [56] heißt der Puls auf japanisch.

(i) Der Dolmetscher sagte, die Farbe ähnele frischem Blattgrün.[57]

Es ziemt sich für die Ärzte und Chirurgen,(k) die Bewegungen dieser Dinge zu kennen; und deshalb hat er zum Zweck der Lehre die Gefäße in verschiedenen Farben markiert. Wer in diesen Dingen sich irrt,(l) ist ein schlechter Praktiker.

(k) Der Begriff Chirurg umfaßt Akupunkteure, Brenner und die Heiler von Augenkrankheiten, gewöhnlich 'Okulisten' genannt.

(l) Bei dem kleinsten Jota Abweichung. Deshalb wenden die chinesischen Ärzte ihren ganzen Eifer und ihre ganze Arbeit auf, um den Lauf der Arterien, deren Lage und Pulse mit Hilfe von Maschinen und Figuren wie auch durch Sektionen genau kennenzulernen. Um die übrigen anatomischen Teile kümmern sie sich kaum.

Eben dieser Kôtei hat sein Myôdôkyô später noch erweitert, es annotiert und Kupfer-Gravuren für den Druck verwandt. Wie einen heiligen Schatz machte er es nur seinen Freunden,(m) nicht der Allgemeinheit, zugänglich. Dieses Dokument half sehr vielen Kranken. Deshalb müssen beide, der Arzt wie der Chirurg, sie sorgfältig beachten, wenn ihre Medizin erfolgreich sein soll. Wer sie ignoriert, ist ein Stümper in der Medizin; so weit der Orient vom Okzident entfernt ist, so weit ist ein Unwissender von der wahren Medizin entfernt.

(m) Er wollte damit das Urteil unwissender Menschen vermeiden, das gewöhnlich ein Vorurteil ist.

 


Fig. 3: Chinesische Figur, auf der deutlich alle Stellen der hinteren und seitlichen Körperteile des Menschen eingezeichnet sind, welche in allen Affektionen moxibustiert und akupunktiert werden sollen. Die grünen Zeichen zeigen die Heilpunkte für die Akupunktur, die roten die für die Moxibustion

 

 

Erklärung der zweiten Figur

Die Maße der vierzehn Venen.(n)

Das Humidum radicale ist dreifach; das schwache(o) heißt Ketchin,[58] das schwächere wird Tai'in [59] genannt, und das schwächste ruft man Shôin.[60] Dreifach(p) residiert dieses Humidum radicale in den Arterien beider Arme. Diese beginnen an der Brust und erstrecken sich bis zu den Armen.

(n) Chinesen und Japaner vermischen den Begriff Venen und Arterien; hier beziehet man sich auf Arterien.

(o) Man sagt vom Humidum radicale, es sei relativ schwach in Bezug auf die angeborene Wärme, welche weitaus stärker ist. Mit schwach, kalt und feucht ist das Wesen des Humidum radicale gemeint im Gegensatz zur angeborenen Wärme. Wenn diese beiden durch Überschuß oder Mangel fehlerhaft werden, kämpfen und rebellieren sie gegeneinander und bringen so Krankheiten hervor. Denn alle Krankheiten des Temperaments hängen von der angeborenen Wärme und der ursprünglichen Feuchtigkeit ab, die durch Überschuß oder Mangel gefährlich werden. Das Humidum radicale (welches zur Nacht vorherrscht und von mondhafter Natur ist) und die angeborene Wärme (welche am Tage dominiert und sonnenhafter Natur ist) gleichen Mann und Frau, wenn sie kongruieren, so sagen die Chinesen und Japaner; andernfalls kämpfen sie wie Feinde gegeneinander. Siehe Hippokrates, Buch 1, De diaeta, ˜ 4 und zu seiner Zeit den Traktat über die Pulse.

(p) Dies ist die erste und wichtigste hypothetische Fundamentierung der Chinesen, auf die sich der dreifache Puls (für die verschiedene Zahl der Eingeweide, deren Natur und Charakter sie anzeigen) einer jeden Arterie in beiden Armen stützt.

Tai'in oder das schwächere Humidum radicale: Seine Arterien beider Arme beginnen an der Brust und enden am äußeren Teil des Daumens. Shôin oder das schwächste Humidum radicale: Seine Arterien beider Arme beginnen am Herzen und enden im äußeren Teil des kleinsten Fingers. Ketchin oder das schwache Humidum radicale:(q) Seine Arterien beider Arme beginnen in der Brust und enden im Mittelfinger. Die Länge jeder dieser drei Arterien beträgt von Anfang bis Ende dreieinhalb Fuß;(r) die Gesamtlänge aller Arterien des Humidum Radicale einundzwanzig Fuß.

(q) Dies ist die stärkste der drei aufgezählten Arten.

(r) Einem geometrischen Fuß entsprechen bei den Japanern zehn Daumenbreiten. Die Daumenbreite aber wird bei ihnen nach der Länge des mittleren Gliedes des Mittelfingers gemessen. Die Länge der Arterien muß daher nach dem Fuß und dem Mittelglied des Fingers der Person gemessen werden, zu der die Arterien gehören.

oder Yang (s) das sind die Arterien der angeborenen Wärme in jedem Arm,[61] die am Kopf beginnen und in den Fingerspitzen enden. Yô ist wiederum dreifach. Yômei oder die starke angeborene Wärme:[62] ihre Arterien in beiden Armen beginnen jeweils an der Spitze des Zeigefingers und enden an der Nasenspitze. Taiyô oder die weniger starke angeborene Wärme:[63] ihre Arterien beider Arme beginnen am kleinen Finger und enden an den inneren Augenwinkeln. Shôyô oder die schwächste angeborene Wärme:[64] ihre Arterien beider Arme beginnen jeweils an der Spitze des Ringfingers und enden in den äußeren Augenwinkeln. Die Länge jeder dieser Arterien(t) ist mit fünf Fuß angegeben; die Gesamtlänge der drei Arterien in beiden Armen beträgt dreißig Fuß.

(s) lesen die Japaner, Yang die Chinesen; die Schriftzeichen sind dieselben, die Aussprache ist verschieden.

(t) Die Unterschiede in der Länge der Arterien des Humidum radikale und der angeborenen Wärme geht auf die größeren und kleineren Drehungen und Windungen dieser Arterien zurück.

In den Arterien der Arme als auch der Füße dominiert die dreifache angeborene Wärmen und das Humidum radicale. In den Arterien der Füße 1. Yômei oder die starke angeborene Wärme; sie beginnt an der Nase und endet an der Außenseite der beiden kleinen Zehen. 2.Taiyô oder die weniger starke angeborene Wärme in den Arterien beider Füße; sie beginnt in den inneren Augenwinkeln und endet an der Außenseite beider kleiner Zehen. 3. Shôyô oder die schwächste angeborene Wärme in den Arterien beider Füße; sie beginnt in den inneren Augenwinkeln und endet zwischen dem vorvorletzten und vorletzten Zehen. Jede dieser Arterien ist acht Fuß lang; die Länge der sechs Arterien in beiden Kniekehlen beträgt daher achtundvierzig Fuß.

Dreifach ist auch der Humor radicalis in den Arterien beider Füße. 1. Tai'in oder der schwächere Humor radicalis beginnt an beiden großen Zehen, endet in der Milz und dann im Magen. 2. Shôin oder der schwächste Humor radicalis beginnt am Herzen und endet in den Nieren, dann in der Harnblase. 3. Ketchin oder der schwache Humor radicalis in den Arterien beider Füße beginnt an beiden großen Zehen und endet in der Leber, dann in der Gallenblase. Die Länge jeder dieser Arterien beträgt sechseinhalb Fuß, das macht neununddreißig Fuß auf beiden Seiten (es gibt drei Arterien auf jeder Seite).

Somit gibt es zwölf Venen,(u) in welchen ebenso viele angeborene Wärmen wie Humores radicalis sind.

Soviel über die Arten und Längen der inneren Arterien der angeborenen Wärme und des Humoris primigenius.

(u) Diese sind hier als Arterien zu verstehen; wie mehrfach gesagt, vermengen die Chinesen das.

 

Es gibt außerdem zwei externe Venen,(w) nämlich Inkyô [65] und Yôkyô.[66] Yôkyô oder die Arterie der angeborenen Wärme im äußeren Knie beginnt am äußeren Fußknöchel und endet in den Augen. Inkyô oder die Arterie des Humoris radicalis beginnt am inneren Fußknöchel und endet ebenso in den Augen. Die Länge jeder dieser Arterien beträgt siebeneinhalb Fuß; das sind für beide Seiten fünfzehn Fuß.

Außer diesen beiden existieren zwei weitere externe Arterien,(x) die Tokumyaku und Ninmyaku [67] genannt werden. Die erstere beginnt am Perineum,[68] geht über die Vorderseite des Körpers und endet schließlich in der Oberlippe unterhalb der Nasenlöcher. Die andere geht von derselben Stelle aus, zieht über die Rückseite des Körpers und endet an demselben Ort. Die Länge jeder Arterie beträgt viereinhalb Fuß, zusammen neun Fuß.

 


Fig. 4: Japanisches Schema, das auf der Rückseite des Körpers die gleichen Dinge wie das vorangegangene Schema zeigt.

 

Andere Blutgefäße,(y) die beständig untereinander verbunden, sind aufgezählt: Kimiaku [69] und Rakumyaku.[70] Ihre Anzahl beträgt je zwölf.

(w) Das sind Arterien.

(x) Ich nenne sie Arterien, weil sie ihren Namen von dem Puls ableiten. Im Japanischen bedeutet myaku Puls.

(y) Hier handelt es sich wiederum um innere Gefäße.

 

Die erste Art,(z) die eine Seele(a) hat, ist einhundertzweiundsechzig Fuß lang. Eine andere Art, welche einer Seele ermangelt,(b) mißt dreihundertfünfund-sechzig Fuß. Kimyaku (welches die erste Art ist) hat durch seine Natur(c) die angeborene Wärme und das Humidum radicale in seinem Blut gemischt und temperiert. Wird das eine stärker oder schwächer als das andere, so kommt es zu einem widernatürlichen Leiden. Wenn in ihnen ihre Gefäße und das Blut verbunden werden, dann sind sie stärker. Das arterielle Blut (Kimyaku) enthält durch seine natur die angeborene Wärme in sich und steigt nach oben. Rakumyaku hat das Humidum irradicatum[71] in sich und sinkt nach unten. Wenn diese Bewegung im Gleichgewicht ist, macht sie einen gesunden Körper

(z) Hier war mein Dolmetscher ziemlich dunkel, erfaßte den Sinn des Textes nicht richtig, konnte ihn auch nicht erklären. Ich denke jedoch, daß diese als arterielle Gefäße zu verstehen sind.

(a) Unter Seele[72] müssen wir die vitalen Geister[73] verstehen, die (vorausgesetzt, daß sie vorhanden sind) im arteriellen Blut zahlreicher und kräftiger sind.

(b) Ich vermute, daß man hier Venen meint, deren vitale Geister, wenn sie da sind, weniger zahlreich und zugleich auch schwächer sind. Unter Mangel müssen wir hier einen geringeren Überfluß verstehen.

(c) Das heißt, unter sich gemischt und temperiert sind sie nicht verdächtig noch schädigen sie den Menschen. Wenn Teile davon abgesondert werden, sind sie verdächtig und schaden dem Menschen. Siehe Hippokrates, De veter. Medic., ˜24[74] und folgende.

 


Fig. 5: Japanisches Schema, das die Punkte auf der Vorderseite des Körpers zeigt, welche bei Schmerzen oder verschiedenen Affektionen gebrannt werden sollen.

 

 

 

Einige Bemerkungen zum Textablauf und -hintergrund

Ohne genaue Kenntnisse der so komplexen Zirkulation des Blutes sei keine erfolgreiche Behandlung durch Akupunktur oder Moxibustion möglich, meint ten Rhijne eingangs seiner Abhandlung. Der hier im Vergleich zu den Chinesen noch wenig erfahrene Europäer - seit William Harveys Entdeckung des Blutkreislaufes waren erst fünf Jahrzehnte verstrichen[75] - müsse sich mit seiner Ratio und Experimenten einen Zugang zu diesen so fremdartigen Therapien verschaffen. Dies sei um so leichter, als die Chinesen ihre Kunst nicht mit 'honigsüßem Wortschwall oder vieldeutigen Gleichnissen' verdunkelten, sondern sich 'mechanischer Vorrichtungen', 'hydraulischer Maschinen' bedienten. Die Grundlage des Verstehens zwischen Ost und West wird für ihn mithin durch die beiderseits vorhandene Rationalität gesichert. Ten Rhijne erweist sich in solchen maschinellen Bildern des menschlichen Körpers als Anhänger Descartes. Auch im weiteren Verlauf des Textes empfiehlt er wiederholt, 'ohne Vorurteile' 'in der Praxis zu prüfen' und 'eigene Beobachtungen zu sammeln'. Die Kraft vorgefaßter Lehrmeinungen, die selbst führende Mediziner lange Zeit daran hinderten, die Richtigkeit der Harveyschen Beobachtungen und Schlüsse zu erkennen, war ihm nur allzu vertraut. Falls er Gelegenheit dazu habe, fährt Rhijne dann fort, wolle er die 'Vorschriften und Regeln' zur Erfassung der 'verschiedenen Bewegungen' des Blutes genauer vorstellen. Zweifellos hatte er Harveys streng gegliederte Schrift studiert und in Japan einige Materialien über die eindrucksvolle chinesische Pulsdiagnose erlangt.[76]

Die Lokalisierung eines Behandlungspunktes für die Akupunktur bzw. Moxibustion war nicht einfach angesichts der verschiedensten menschlichen Körpergrößen und -formen. Als Maßstab wählte man die Einheit Cun (jap. sun ¡), in der Medizin definiert als die Strecke zwischen den Falten des oberen und mittleren Gliedes des gekrümmten Mittelfingers. Zunächst wurde daher mit Hilfe eines Bambuslineals oder Wachspapiers Maß genommen - bei männlichen Patienten an der linken (Yang —z), bei weiblichen an der rechten Hand (Yin ‰A). Man ging dann von markanten Körperstellen wie Nabel, Knochen oder auch bereits hinlänglich bestimmten anderen Punkten aus und folgte der angegebenen Richtung über die entsprechende in Cun gemessene Strecke. Natürlich spielte hierbei die Körperhaltung eine wichtige Rolle. Aus Büchern alleine war diese Kunst gewiß nicht erlernbar, auch half der heimliche Blick über die Schulter eines Meisters allein nur wenig. Sicher bedurfte es langer Jahre der Anleitung, zu denen nicht jeder die nötige Geduld hatte - von den Gefühlen der gebrannten und gestochenen Patienten ganz zu schweigen. So wuchs denn schon im alten China über die Jahrhunderte das Durcheinander in der Festlegung der Punkte. Kein Wunder, daß die im kaiserlichen Auftrag Anfang des 11. Jahrhunderts von Wang Weiyi entwickelte lebensgroße Bronzefigur (Tongren) eine enthusiastische Aufnahme fand. Im Inneren enthielt sie Nachbildungen der Organe; auf ihrer Oberfläche hatte man die Trakte ('Meridiane') eingraviert, und jeder Punkt war hier im Sinne des chinesischen Terminus ein Loch. Nachdem man die gesamte Figur mit gelbem Wachs versiegelt hatte, wurde sie mit Wasser, anderen Quellen zufolge mit Quecksilber, gefüllt. Nur wenn der Kandidat das ihm aufgegebene Loch mit der Nadel richtig traf, quollen ein paar Tropfen hervor. Auch in Japan tauchten in der Folge solche Bronzefiguren bzw. Holzimitationen auf, einen der 'Bronzemenschen' hütet heute das Tôkyô National Museum.

Ten Rhijne sah jedoch nur Buchillustrationen, andernfalls wären seine Schilderungen wohl detaillierter ausgefallen. Ihm waren - dem vorherigen Besitzer nutzlose - Abbildungen samt Text überlassen worden, und er bemühte sich, einen des Chinesischen mächtigen Arzt zu finden. Nicht ohne Erfolg, wenngleich wegen der Sprachbarrieren manches unübersetzt blieb. Vier der Tafeln, je eine Vorder- und Rückansicht, stellte er vor, eine Reihe von Seitenansichten würde er bei entsprechendem Interesse des Publikums später veröffentlichen. Mithin besaß er eine, vielleicht sogar zwei Akunpunktur- bzw. Moxaschriften.

   Die beiden 'chinesischen' Ikonen stehen in der Tradition der Bronzefigur-Texte. Zur Verbreitung und sicheren Überlieferung hatte man in China Steintafeln mit Wang Weiyis Abhandlung (Tongren shuxue zhenjiu jing) aufgestellt, die aber im Zuge kriegerischer Auseinandersetzungen zerstört wurden. Von den 1443 erneut errichteten Tafeln dieses 'Illustrierten Handbuchs für das Nadeln und Brennen der Behandlungspunkte, gezeigt an der Bronzefigur' sind nach ihrer erneuten Zerstörung gegen Ende der Ming-Zeit heute nur je zwei Abriebe in China und Japan erhalten.[77] Die weitreichende Übereinstimmung mit den Abbildungen der Steinabreibungen fällt sofort ins Auge.[78] Stand- und Spielbein allerdings sind europäischer Natur, zudem wurden der Bart verwestlicht und Kopfbedeckung wie Hüfttuch zu Hautlappen umgedeutet. Die zwei 'japanischen' Abbildungen hingegen zeigen eine deutlich andere Darstellungstechnik, wenngleich das Holzpodest der obigen Steinabreibungen auch vorkommt.

 


Abb. 6 Ausschnitte aus dem Abrieb der Pekinger Steintafeln von 1443[79]

 

Die Kritik an der Qualität der Abbildungen sah ten Rhijne voraus. Daß die Chinesen 'in der Anatomie ungebildet' seien, räumte er selbst ein, doch hob er zugleich deren über viele Jahrhunderte zurückreichende Beschäftigung mit den Zirkulationen des Blutes hervor. Man solle nicht das Vertrauen in die ganze Sache verlieren, sondern im Zweifelsfalle eigene Erfahrungen sammeln. Im übrigen seien die kleineren Blutgefäße in der Praxis doch überaus komplex miteinander verwoben. Bekanntlich vermochte auch Harvey den Blutfluß von den Arterien in die Venen nur durch die theoretische Annahme von Anastomosen zu erklären. Erst 1661 konnte der Mikroskopierer Marcello Malpighi den Kapillarkreislauf nachweisen.[80] Es folgen nun Ausführungen, die Iwanaga Sôko und Motogi Shôdayu aus dem Chinesischen ins Japanische, dann ins Niederländische übersetzt hatten und die ten Rhijne nun auf lateinisch präsentiert.

Die Behandlung der beiden Heilmittel Rokkaku und Kyûkyû / Senkyû im Rahmen der Mantissa ist nicht sehr überzeugend, gab es doch wichtigere und weiter verbreitete Arzneien. Fast scheint es, als habe Rhijne nach einem Vorwand gesucht, seine diesbezüglichen Materialien unterzubringen. Daß diese Mittel eingangs eines chinesisch-japanischen Akupunkturtextes stünden, halte ich für ausgeschlossen. Nun denn, Rokkaku, auf chinesisch Luhuo gelesen, war eine Namensvariante der Radix Pueriae, die auch Kakkon (chin. Gegen) [81] heißt. Es handelt sich um die Wurzel der Pueraria pseudohirsuta aus der Familie der Hülsenfrüchtler - deshalb die Bezeichnung "Faba Sinensis", d.h. chinesische Bohne.[82] In der chinesischen Pharmakologie gilt sie als schweißtreibend, fiebersenkend, wirksam gegen Husten, Erkältung usw. Den aus ihr mit einigen anderen Mitteln gefertigte Absud verabreicht man unter anderem bei Kopfschmerzen, Fieber, Verkrampfungen der Muskulatur im Hals-, Schulter- und Rückenbereich.[83]

 


Abb.7 Gegen (China, Song-Zeit)[84]

 

Bei Senkyû (chin. Kyûkyû), auch Kyûkyû (chin. Qiong qiong), handelt es sich in China um die Rhizoma Ligusti, in Japan demgegenüber um den Wurzelstock von Cnidium officinale Makino (Umbelliferae). Die knollige, innen grauweiß bis graue Wurzel hat einen leicht bitteren Geschmack. In China verwendete man in erster Linie Ligusticum wallachii Franchet, manchmal auch den Ligusticum sinense Oliver, beide der Familie der Doldengewächse zugehörig. Ursprünglich nannte man das schon sehr alte Mittel Kyûkyu. Wegen der in der Provinz Sichuan (japan. Shisen) erzielten besonders guten Qualität entstand dann die Bezeichnung Senkyû. Sie gilt, wie Rhijne richtig beschreibt, als blutstärkendes und schmerzstillendes Mittel. Mit dem von ihm erwähnten Absud dürfte das Senki kôkai-yu [85] gemeint sein.

@Alsdann kommt das Neijing (jap. Daikyô) zur Sprache - so wie das am Anfang vieler medizinischer Schriften Chinas der Fall ist. Die Rolle dieses, dem legendären Gelben Kaiser (Huangdi) zugeschriebenen Buches vergleicht er zu recht mit dem hippokratischen Opum. Nach Exkursen, die zeigen, daß er u.a. Martinus Martinius' Sinicae historiae decas prima gelesen hat, streift ten Rhijne die Fachrichtungen der chinesisch-japanischen Medizin, um sich schließlich dem 'Illustrierten Handbuch des Nadelns und Brennens der Transportpunkte, gezeigt an der Bronze-Figur', wieder zu nähern. Autor, Titel und Entstehungszeit sind, wie viele andere Namen und Termini, in sinojapanischer Lautung einigermaßen erkennbar notiert.[86] Alsdann kommt er auf ein wiederum dem Gelben Kaiser untergeschobenes Mingtang-jing (jap. Myôdô-kyô), einem 'Kompendium der Klaren Halle', zu sprechen. Nimmt man den Titel beim Wort, dann müßte es sich um das Huangdi mingtang-jing in der von Yang xuang kommentierten Ausgabe handeln,[87] doch wird dieser Titel in einer stattlichen Reihe älterer und jüngerer Werke variiert, so daß eine endgültige Entscheidung sehr schwerfällt. Hier seien die zwölf 'Nerven und Extremitäten der Eingeweide' bzw. 'Gefäße' dargestellt. Dazu kämen die 'Arterie' der Vorderseite und die der Rückseite des Körpers. Das Buch sei später erweitert, annotiert und illustriert, aber nicht jedermann zugänglich gemacht worden. Mithin besaß Rhijne entweder Materialien aus zwei Quellentraditionen ('Bronzefigur' und 'Klare Halle'), oder seine japanischen Gewährsleute hatten versucht, ihm die Literatursituation bis zu den Zeiten Wang Weiyis zu erklären. Alsdann geht er zur Erklärung der zweiten Figur über, von der wiederum eine Vorder- und eine Rückansicht zu sehen ist. Leider erfahren wir nur, daß dies japanische Darstellungen seien. Es folgen die vierzehn 'Meridiane', in Rhijnes Interpretation Arterien.

 


Abb. 8 Qiong qiong (China, Song-Zeit)[88]

 

An dieser Stelle muß ich kurz auf den ostasiatischen Hintergrund eingehen. Die Grundlage des chinesischen 'Meridiansystems', ich ziehe um des besseren historischen Verständnisses willen den Terminus 'Trakte' vor, bilden zwölf Reguläre Trakte (Zhengjing ³Œo). Diese sind nach den Regionen Hand und Fuß, den Aspekten Yin und Yang sowie dem mit dem Trakt verbundenen Organ benannt. Die drei Yin-Trakte der Hand verlaufen von Speicherorganen zur Hand, die drei Yang-Trakte der Hand von der Hand zum Kopf. Die drei Yin-Trakte des Fußes ziehen sich vom Fuß zum Bauch, die drei Yang-Trakte vom Kopf zum Fuß (S. Abb.9).

 

Schriftzeichen chin. Lesung japan. Lesung Übertragung
1 Žè‘¾‰A”xŒo Shou TaiYin Feijing Te no Tai'in Hai-kei TaiYin-Lungentrakt der Hand
2 Žè—z–¾‘å’°Œo Shou Yangming Dachang-jing Te no Yômei Daichô-kei Yangming-Dickdarmtrakt der Hand
3 ‘«—z–¾ˆÝŒo Zu Yangming Wei-jing Ashi no Yômei I-kei Yangming-Magentrakt des Fußes
4 ‘«‘¾‰AäBŒo Zu TaiYin Pi-jing Ashi no Tai'in Hi-kei TaiYin-Milztrakt[89] des Fußes
5 Žè­‰ASŒo Shou ShaoYin Xin-jing Te no Shô'in Shin-kei ShaoYin-Herztrakt der Hand
6 Žè‘¾—z¬’°Œo Shou TaiYang Xiaochang-jing Te no Taiyô Shôchô-kei TaiYang-Dünndarmtrakt der Hand
7 ‘«‘¾—zäNã÷Œo Zu TaiYang Pangguang-jing Ashi no Taiyô Bôkô-kei TaiYang-Blasentrakt des Fußes
8 ‘«­‰AtŒo Zu ShaoYin Shen-jing Ashi no Shô'in Jin-kei ShaoYin-Nierentrakt des Fußes
9 Žè™Î‰AS•ïŒo Shou JueYin Xinbaoluo-jing Te no Ketsu'in Shinpô-kei JueYin-Herzbeuteltrakt der Hand
10 Žè­—zŽOÅŒo Shou ShaoYang Sanjiao-jing Te no Shôyô Sanshô-kei ShaoYang-Drei-Erwärmertrakt der Hand
11 ‘«­—z’_Œo Zu ShaoYang Dan-jing Ashi no Shôyô Tan-kei ShaoYang‑Gallenblasen-trakt des Fußes
12 ‘«™Î‰AŠÌŒo Zu JueYin Gan-jing Ashi no Ketsu'in Kan-kei JueYin-Lebertrakt des Fußes

Abb. 9 Die Zwölf Regulären Trakte

 

Diese Trakte verbinden die 'Speicherorgane' (zang ‘Ÿ) und Verwaltungsorgane' ( fu, äD) miteinander. Erste, zu denen Leber, Herz, Milz, Lunge und Nieren zählen, liegen tiefer im Körper, fallen dem Yin zu und sind als 'volle' Organe mit dem Herstellen und Speichern befaßt. Die Verwaltungsorgane, d.h. Galle, Dünndarm, Magen, Dickdarm und Blase, liegen demgegenüber in den äußeren Körperregionen. Sie gehören auf die Seite des Yang, sind 'hohl', nehmen auf, verwandeln und regulieren. Zu den Speicherorganen gesellte sich der Herzbeutel (Xinbao S•ï), der als eine Art Schutzschild das Herz verteidigt. Über den wahrscheinlich in der Han-Zeit zu den Verwaltungsorganen hinzugekommenen Drei Erwärmern (Sanjiao, ŽOÅ) sagen die chinesischen Quellen nichts Eindeutiges. Im 'Handbuch des Gelben Kaisers' heißt es, er sei der Bewässerungsbeamte, der Wasserstraßen baue.[90] An anderer Stelle schreibt man, der Obere Erwärmer (Shangjiao, ãÅ) sei wie Nebel, der Mittlere Erwärmer (Zhongjiao, ’†Å) wie Blasenschaum und der Untere Erwärmer (Xiajiao, ‰ºÅ) wie ein Entwässerungsgraben.[91] Anatomische Abbildungen deuten auf den Lungen-, Magen-Darm- und Urogenital-Raum, so daß die Drei Erwärmer mit der Verdauung, Absorbtion, Verteilung und Ausscheidung zu tun hatten und möglicherweise als eine Art Funktionszusammenhang verstanden wurden. Ein konkretes Substrat im Sinne der modernen Anatomie existiert nicht. Aber das wußte man schon früh; das 'Kompendium der Schwierigkeiten' (Nanjing) stellt explizit fest, daß die Drei Erwärmer zwar einen Namen haben, aber ohne Gestalt seien.[92] Der 'Kreislauf' konstituiert sich nun über über die oben aufgezählten Trakte und folgende Organe:

 


Abb. 10 Die Zirkulationswege

 

Während der Entstehung des Systems herrschten offenbar noch gewisse Unklarheiten über die Zahl der Trakte, deren Verlauf und Organbezug, vielleicht gab es zudem Differenzen zwischen einzelnen Schulrichtungen.[93] Auch blieb es nicht lange bei der Zahl zwölf. Schon im 'Handbuch der Schwierigkeiten'[94] findet man acht weitere, Unpaarige Trakte (Qijing ŠïŒo),[95] die im Gegensatz zu den Regulären Trakten keine Organverbindung mehr haben und sich im Namen deutlich abheben (S. Abb.11).[96]

Schriftzeichen chines. Name japanischer Name deutsche Übertragung
1 “–¬ Dumo Toku-myaku Herrscher-Gefäß
2 ”C–¬ Renmo Nin-myaku Diener-Gefäß[97]
3 ­–¬ Chongmo Shô-myaku Enthemmer-Gefäß
4 ‘¾–¬ Daimo Tai-myaku Gürtel-Gefäß
5 —z –¬ Yang Qiaomo Yôkyô-myaku Yang-Erreger-Gefäß
6 ‰A –¬ Yin Qiaomo Inkyô-myaku Yin-Erreger-Gefäß
7 —zˆÛ–¬ Yang Weimo Yô'i-myaku Yang-Bewahrer-Gefäß
8 ‰AˆÛ–¬ Yin Weimo In'i-myaku Yin-Bewahrer-Gefäß

Abb. 11 Die acht Unpaarigen Trakte

 

Durch sie wird die innere Verbindung des Systems erheblich gestärkt. Nur die beiden ersten Gefäße führen eigene Behandlungspunkte, die anderen teilen sich ihrer Punkte mit den Regulären Trakten. Im 14. Jahrhundert gliederte Hua Shou das Herrscher- und Empfängnis-Gefäß aus und faßte es mit den Regulären Trakten zu den Vierzehn Trakten zusammen.[98] Hierzu gesellten sich weitere Querverbindungen zwischen den Trakten, die zwölf Traktteilungen (Jingbie Œoï ). An bestimmten Punkten auszweigend (bie ï ), reichen sie tiefer ins Körperinnere und decken Regionen im Brustraum, Unterleib und Kopf ab, die das reguläre System nicht erreicht. Dazu kamen fünfzehn kürzere 'Kanäle' (Luomo —–¬), die über bestimmte Stellen als Querverbindungen fungieren und ebenfalls keine Behandlungspunkte aufweisen. Zwölf davon sind auf die Regulären Trakte bezogen, je ein Kanal ist mit dem Herrscher-Gefäß bzw. Empfängnis-Gefäß verbunden, bei dem fünfzehnten handelt es sich um den Großkanal der Milz. Nur vage umrissen ist die Lage der Enkel-Kanäle (Sunluo ‘·—), die als überaus fein gelten und an die Kapillargefäße der westlichen Anatomie erinnern. Daneben liest man gelegentlich von Treibenden Kanälen (Fuluo •‚—). Während die Fünfzehn Kanäle jeweils bestimmte Regionen abdecken, sind die Enkel-Kanäle wie die Treibenden Kanäle über den ganzen Körper verteilt. Das so im Laufe vieler Jahrhunderte ausgeweitete Trakt-Kanal-System (Jingluo Œo—Œ) ; stellte man sich ursprünglich als eine Art Gewebe vor, denn das Schriftzeichen für jing bezeichnet die senkrechten Fäden und das für luo die waagrechten Verbindungsfäden einer Webarbeit.

Ten Rhijne beschreibt als 'Venen' zunächst die zwölf Regulären Trakte, allerdings weder in Abfolge des Zirkulationsflusses noch in der von Wang Weiyi. Wahrscheinlich wurde er von einer, auch bei Wang Weiyi eingangs zitierten Stelle aus dem Neijing inspiriert:

'Das Kompendium de Gelben Kaisers sagt: Beim Menschen gibt es für beide Arme und Beine jeweils drei Yin-Trakte und drei Yang-Trakte. Das sind zusammengefaßt zwölf Trakte. Die drei Yin-Trakte der Hand laufen von den Speicherorganen bis zur Hand, die drei Yang-Trakte der Hand von der Hand bis zum Kopf. Die drei Yang-Trakte des Fußes laufen vom Kopf zu den Füßen, die drei Yin-Trakte des Fußes vom Fuß bis zum Bauch.'[99]

Ten Rhijnes Schilderung der einzelnen Trakte folgt dieser Ordnung, indem er unter den Aspekten Hand und Fuß jeweils die betreffenden Yin- und Yang-Trakte zusammenzieht. Im Vergleich zu der in Abb.9 vorgestellten gängigen Abfolge ergibt sich für Wang Weiyis und Rhijnes Darstellung folgendes Bild:

 

'Standard' Wang Weiyi ten Rhijne
1 Yin Hand 1 Yin 1
2 Yang Hand 2 Yang 5 Yin
3 Yang Fuß 5 Yin Hand 9 Hand
4 Yin Fuß 6 Yang 2
5 Yin Hand 9 Yin 6 Yang
6 Yang Hand 10 Yang 10
7 Yang Fuß 4 Yin 3
8 Yin Fuß 3 Yang 7 Yang
9 Yin Hand 12 Yin Fuß 11 Fuß
10 Yang Hand 11 Yang 4
11 Yang Fuß 8 Yin 8 Yin
12 Yin Fuß 7 Yang 12

Abb. 12 Vergleich der Traktanordnung

 

 

Unter Yin und Yang verstand man in China zwei polar aufeinander bezogen Aspekte, mit denen man den Kosmos teilte. Dem Pol des Yin schlug man Nördliches, Dunkles, Schattiges, Kaltes, Weibliches, Empfangendes, Ruhendes, die Rechte usw. zu, dem Pol des Yang wurde das Südliche, Helle, Sonnige, Warme, Männliche, Gebende, Bewegte, die Linke u.a.m. zugeschrieben. Es handelt sich nicht bloß um ein Dualitätsprinzip; den Polen sind gewisse, aus der Etymologie der Begriffe[100] rührende Qualitäten zu eigen, welche die Einordnung steuern. Yin und Yang stehen in einem dynamischen Abhängigkeits- und GegensatzverhältniS. Ihr Antagonismus, ihre Trennung sind jedoch nicht absolut, sie bergen jeweils den Keim ihres Widerparts in sich, stärken und schwächen einander. Seit etwa der Han-Zeit beobachtet man eine systematische Kombination mit den sogenannten Fünf Wandlungsphasen,[101] die in diese Prozesse fördernd bzw. hemmend eingreifen. Außerdem bezog man sie auf die zyklischen Tageszeiten und die Zyklen des MondkalenderS.

Ebenso wie die äußere Welt wurde der Körper in seinen Teilen einem der beiden Pole zugeordnet. Der Mensch habe eine physische Gestalt, diese könne man von Yin und Yang nicht trennen.[102] Die Oberfläche (Haut, Haar) sei Yang, das Innere Yin, der Rücken Yang, die Vorderseite Yin , die obere wie auch die linke Körperhälfte Yang, die untere bzw. rechte Yin , die Innenseite der Glieder und Finger Yin , die Außenseite Yang, die Verwaltungsorgane insgesamt Yang, die Speicherorgane Yi–n usw.[103] Die Zuweisungen schließen einander nicht aus, im Gegenteil, Yin wie Yang bergen einander im Keim. So bedeute das Herz innerhalb des Rückens Yang im Yang, die Lunge innerhalb des Rückens Yin im Yang, die Leber im Leib Yang im Yin bzw. die Milz Yin im Yin.[104] Ja sogar in den einzelnen Organen erkannte man beide Aspekte und sprach vom Herz-Yin und Herz-Yang usw.

Zumindest theoretisch hielt man die Möglichkeiten der Quantifizierung für unbegrenzt, ohne daß sich dadurch etwas am Wesen beider Aspekte ändern sollte. Die Zahl von Yin und Yang könne man verzehnfachen, auf das Hundertfache ausweiten, auf das tausend-, zehntausendfache, ja ins Unendliche, und doch seien Yin und Yang auf nur ein wichtiges Eines begründet.[105] Neben der genannten vierpaarigen Abstufung existiert eine weitere, sechsfache Teilung. Das Qi von Yin und Yang könne jeweils größer oder kleiner sein, deshalb spräche man von Drei Yin und Drei Yang, heißt es in den Einfachen Fragen.[106] Das .i.Große Yang (Tai Yang) ; sei 'Öffnung', die i.Yang-Brillianz (Yangming) [107] das 'Schließen' und das Knappe Yang ( ShaoYang) die 'Achse'. Parallel hierzu sei das Große Yin (TaiYin) 'Offenes', das Schwindende Yin (JueYin) 'Geschlossenes' und das Knappe Yin (ShaoYin) die 'Achse'.[108] Diese Gradierung der Yin- bzw. Yang-Polarität wurden gerne bei Fieberkrankheiten genutzt. Wir begegneten ihnen bereits in der Nomenklatur der Zwölf Trakten. Nachfolgend ein Vergleich mit Rhijnes Terminologie:

Jue Yin, jap. Ketchin

schwaches humidum radicale

Yin, jap. In

humidum radicale)

Tai Yin, jap. Tai'in

schwächeres humidum radicale

Shao Yin, jap. Shôin

schwächstes humidum radicale

Yangmei, jap.Yômei

starkes calidum innatum

Yang, jap.

calidum innatum

TaiYang, jap.Taiyô

weniger starkes calidum innatum

ShaoYang, jap. Shôyô

schwächstes calidum innatum

Abb. 13

 

Solange Yin und Yang im Gleichgewicht stehen, bleibe der Mensch gesund, andernfalls komme es zu Krankheiten. Als Yin-Krankheit faßt man alle durch Schwäche, Kälte, Langsamkeit, Unteraktivität, Mangel gekennzeichneten Leiden zusammen. Die sogenannten Yang-Krankheiten seien durch Stärke, Hitze, Schnelligkeit, Überaktivität, Überschuß charakterisiert. In der Pathogenese begegnet man einem Umschlag in den jeweiligen Gegenpol:

'Siegt das Yin , so erkrankt das Yang, siegt das Yang, so erkrankt das Yin. Siegt das Yin, so kommt es zur Hitze, siegt das Yang, so kommt es zur Kälte. Bei verdoppelter Kälte kommt es zur Hitze, bei verdoppelter Hitze zur Kälte. Kälte verletzt die körperliche Form, Hitze das Qi. Bei Verletzung des Qi kommt es zu Schmerzen, bei Verletzung der Form zu Geschwulsten.'[109]

Zu jedem der von Rhijne aufgezählten Trakte werden exakte Angaben über die Anfangs- und Endpunkte, den Verlauf sowie die Länge gemacht. Die Maßeinheit Chi, japanisch Shaku (ŽÚ), in der die Traktlängen eigentlich verzeichnet waren, hatte Rhijne einfach zu Fuß umfunktioniert und die Zahlenangaben unverändert beibehalten. Auf die solcherart aufgezählten "Zwölf Venen", die "hier als Arterien zu verstehen" seien, folgen überraschenderweise als "externe Venen" ("das sind Arterien") zwei der Unpaarigen Trakte, die man in diesem Kontext nicht erwartet und bei Wang Weiyi und vielen anderen Autoren gar nicht erscheinen. Verlauf, Maße und Namen lassen indes keinen Zweifel an der Identität von Inkyô (chin. YinQiao) und Yôkyô (chin. Yang Qiao). Hinsichtlich der von Rhijne eingangs angekündigten 'vierzehn Venen' wären vielmehr die erst nun aufgezählten beiden Trakte Ninmyaku (chin. Renmo) und Tokumyaku (chin. Dumo) zu erwarten gewesen, die man mit den Zwölf Regulären Trakten zu den Vierzehn Trakten zusammenzuziehen pflegt. Noch schwieriger wird die Rekonstruktion des Rhijneschen Vorgehens, wenn nun die Paarigen Trakte Kimyakyu (chin. Qimo) folgen, jedoch nicht als Oberbegriff, der eigentlich Inkyô, Yôkyô, Ninmyaku, Tokumyaku einschließt, sondern als separate Art 'innerer Blutgefäße' zusammen mit den verbindenden Kanälen Rakumyaku (chin. Luomo). Letztere weisen keinerlei Behandlungspunkte auf. Mit der ihnen mangelnden "Seele" ("anima") dürfte das Qi gemeint sein. Die Gespräche auf in der Faktorei von Dejima müssen hier ziemlich diffus verlaufen sein, nicht ohne Grund verweist ten Rhijne auf Übersetzungsprobleme. Nach einigen weiteren Sätzen zur Natur dieser beiden Gefäß(art)en endet die Mantissa - ziemlich abrupt im Vergleich zur langatmigen Einleitung. Offensichtlich gelang dem Autor zu kein abgerundeter Schluß mehr.

 

 

'So weit der Orient vom Okzident entfernt ist, so weit ist ein Unwissender von der wahren Medizin entfernt'[110]

Erstaunlich viele Informationen hatten den Transport durch drei Sprachen überstanden. Doch so manches, was wir, dank unseres heutigen Wissens um den chinesisch-japanischen Hintergrund identifizieren können, wurde von ten Rhijne unter dem Druck der europäischen Tradition verbogen. Werfen wir einen Blick auf zentrale Termini:[111]

 

Terminus
Übertragung
Beschreibung
Qi, ‹C

XieQi, Ž×‹C
flatus, spiritus
anima = spiritus vitales
aërem malignum
- bringen das Blut in Unordnung
- verusachen fast alle Krankheiten
Ying, ‰A humidum radicale - herrscht zur Nacht, ist mondhaft
- schwach in Bezug auf das Calidum innatum
Yang, —z calidum innatum - dominiert am Tag, ist sonnenhafter Natur.
- Wenn beide durch Überschuß oder Mangel fehlerhaft werden, kämpfen und rebellieren sie gegeneinander und bringen Krankheiten hervor.
- Wenn sie kongruieren, sind sie wie Mann und Frau
Mo (Puls), ãõ pulsus - korrespondiert mit den Gefäßen
- zeigt die Mischung u. Temperatur der Organe an
Jingluo, Œo— venae et arteriae
nervae (umfassen Venen u. Arterien)
Xue, ŒŠ foramina = signa - markieren die Stellen für Akupunktur und Moxibustion
- wo die Arterie stärker pulsiert
- wo die Winde durch Nadel und Artemisiakegel herausgezogen werden

Abb. 14

 

Den entscheidende Fehltritt, der in auf einen Holzweg führen sollte, tat er wohl indem, daß er das Trakt-Kanal-System als Blutkreislauf zu verstehen suchte. Infolge der schwach entwickelten Anatomiekenntnisse und einiger sprachstruktureller Vagheiten der chinesischen Sprache[112] waren die ostasiatischen Quellen nicht immer sehr eindeutig - leider auch in der Scheidung von Trakten und Adern. Zudem erklärte man ihm, es handele sich um Zirkulationen, zur Diagnose würde der Puls gefühlt; in den Namen Ninmyaku und Tokumyaku fand sich gar das Wort myaku, also Puls. Vielleicht sprach man weiter über das Blut-Qi (xueqi, jap. kekki). Einmal auf Blutbahnen festgelegt, sah er sich dann im weiteren Verlaufe der Mantissa mehrfach gezwungen, die unter dieser Annahme 'widersprüchlichen' bzw. 'sinnlos' gewordenen Angaben seiner japanischen Gewährsleute zu 'korrigieren'. Nicht nur, daß Venen zu Arterien werden, der Leser soll schließlich gar den Terminus 'Nerven' so weit fassen, daß Venen wie Arterien noch eingeschlossen seien. Die Behandlungsstellen, von den Dolmetschern korrekt als Öffnungen übersetzt, reduziert auf bloße 'Zeichen', obwohl man dort mittels der Moxakegel und Nadeln die besagten 'bösen Winde' herauszieht.

Über die Eigenschaften des Qi selbst, bei ten Rhijne meist zum "flatus", zuweilen auch zur "aër" transmutiert, schrieb er nicht viel. Hier stand der in der griechischen Antike wurzelnde Pneumatismus[113] Pate. Im hippokratischen Korpus gibt es eine (nicht-hippokratische) Abhandlung 'Über die Winde' (De Flatibus), womit Luft, der Wind außerhalb des Körpers, und Atem, der Wind innerhalb des Körpers, gemeint sind, die man in allen Dingen des Kosmos fände. Sind diese 'Winde' zu kalt, zu heiß, zu dicht, zu dünn, verunreinigt oder falsch zusammengesetzt, so erkranke der Mensch. Im Laufe der weiteren philosophischen Entfaltung dieses Begriffes, wandelte sich der Atem bzw. Wind zur Kraft, die den Atem, Wind regelt, bei den Pneumatikern der beiden Jahrhunderte um die Zeitwende zur Lebenskraft schlechthin.

Zu den Zeiten ten Rhijnes sind viele der pneumatischen Gedanken als integrierte Elemente der galenischen Humoralpathologie im Umlauf. In Anlehnung an die drei Seelen Platons hatte der griechisch-römische Arzt Claudius Galenos einst drei Pneumata postuliert, die jeweils einem bestimmten Organ zugeordnet wurden: der Leber das vegetative Pneuma, dem Herzen das animalische und dem Gehirn das psychische. Die Leber bildet bei ihm das Blut und ernährt damit den Körper. Das aus der Lunge ins linke Herz dringende Pneuma würde dort ins Lebenspneuma umgewandelt und dem gesamten Körper zugeführt. Das Hirn, Sitz der Seele, nähme das aus den Arterien kommende Pneuma auf und erzeuge daraus das Seelenpneuma, welches über die Nerven zu den Organen und Körperteilen gelange. Diese drei 'Hauptfunktionen' sichern so die Ganzheit des menschlichen Körpers. Weiter unterschied Galen 'gleichartige Teile' des Körpers, die in ihren kleinsten Bestandteilen gleichartig seinen (Fett, Knochen, Muskeln), und 'ungleichartige' Teile oder auch 'Organe'. Bestimmte Leiden wie Fieber und Entzündungen gingen auf Veränderungen im Pneuma zurück. Viele andere Krankheiten beruhten auf einer Veränderung der Organe, der gleichartigen Teil oder der Säfte.[114] Die Pathologie der Körpersäfte (humoris) ist ebenfalls schon ziemlich alt.[115] Man ging zunächst von vier Kardinalsäften im menschlichen Körper aus (dem Blut, der Gelben Galle, Schwarzen Galle und dem Schleim), die im Laufe der theoretischen Entfaltung dieses Konzeptes dem produzierenden Organ, den Jahreszeiten, den Elementen, den Primärqualitäten und schließlich gar den Temperamenten zugeordnet wurden:

 

Blut
(sanguis)
Gelbe Galle
(cholera)
Schwarze Galle
(melancholia)
Schleim
(phlegma)
Luft Feuer Erde Wasser
Frühling Sommer Herbst Winter
warm / feucht trocken / warm kalt / trocken feucht / kalt
Sanguiniker Choleriker Melancholiker Phlegmatiker

Abb. 15 Korellationsschema der Kardinalsäfte

 

Solche Substanzen alleine jedoch reichten zur Erklärung der dem Körper innewohnenden Dynamik nicht auS. Eine treibende Kraft war nötig, welche die Säfte produziert, bewegt, vermischt, ins Gleichgewicht (Eukrasie) bringt. Diese nannte man 'angeborene Wärme' (calidum innatum), später auch calor vitalis, flamma vitalis u.a.m. Ihr Sitz war die linke Kammer des Herzes, das so zur Sonne des Mikrokosmos wurde. Umweltfaktoren, Lebensfweise und individuelle Gegebenheiten wie Alter, Geschlecht führen nun bisweilen zur Dyskrasie, einer Abweichung von der rechten Mischung. Der Patient befindet sich zunächst im Stadium der ApepsiS. Während der folgenden Phase wird die 'rohe', krankmachende Substanz (materia peccans) durch die innate Wärme zur Kochung (Pepsis) gebracht:Blut wandelt sich beispielsweise zu Eiter, und der Kranke hat Fieber. Nach einiger Zeit tritt die Krisis ein, in der sich entscheidet, ob die materia peccans durch den Harn, Schwitzen etc. auf natürlichem Wege ausgeschieden wird. Findet dies sehr langsam statt, sprach man von LysiS. Falls aber auch diese ausbleibt und ärztliche Maßnahmen nichts bewirken, kommt es zu Ablagerungen in der unteren Körperhälfte, mithin zu chronischen Leiden.

Bei Galen prädisponieren Alter, Geschlecht, Lebensweise etc. bestimmte Krankheitsformen so, wie das auch ältere Texte bereits beschrieben. Unmittelbare Ursachen verursachen dann den Ausbruch, es kommt zu einer Störung der Funktionen. Die Krankheit verläuft über die vier Stadien 'Beginn', 'Zunahme', 'Höhepunkt' und 'Abnahme'. Reicht die Physis, d.h. die dem Körper zu eigene Heilkraft, nicht aus, muß der Arzt eingreifen. Nach Galen ist die Physis die Summe derjenigen Kräfte, die auch im Gesundheitszustand die Körperfunktionen in Gang halten. Im Krankheitsfall wirken einzelne wie z.B. die 'zurückhaltende Kraft', die 'leerende Kraft' oder die 'verändernde Kraft' besonders stark. Dies macht sich ein geschickter Arzt zunutze. Auch hinsichtl der Arzneien nahm Galen eine detaillierte Differenzierung vor. Zum einen spielen die Grundeigenschaften des betreffenden Mittels - z.B. warm, kalt, trocken, feucht - eine Rolle. Weiter finden wir Kombinationen dieser Grundeigenschaften, und schließlich berücksichtigt er noch spezifische Eigenschaften wie harntreibend, abführend, Brechreis auslösend. Wichtig war auch die Trennung der 'aktuellen' Hitze, z.B. des Feuers, von der 'potentiellen' Hitze beispielsweise des Pfeffers. Neben dem kaum wahrnehmbaren Einfluß der Arznei kannte er den eben merkbaren, den kräftig wirkenden und als vierte Stufe den schädlich wirkenden Einfluß. Man sieht, daß eine sehr feine Abstimmung der Medikamentation möglich und vonnöten war.[116]

Humoralpathologische Aspekte prägten ten Rhijnes Interpretation des Yin und Yang, deren Namen er in japanischer Lesung als In und Yô– wiedergibt. Wieder entfalteten Analogien ihre unwiderstehliche Wirkung. Die sonnenhafte natur, die Wärme des Yang glich zu sehr dem vertrauten 'calidum innatum'. Für dasYin fand sich das seinerzeit oft genannte humidum radicale, die 'grundlegende Feuchtigkeit', eine fettige, balsamartige Substanz, welche allen festen Teilen des Körpers Geschmeidigkeit verleiht, deren Austrocknung verhindert und auch die natürliche Wärme alimentiert. Falls diese Grundfeuchtigkeit jedoch zu sehr überwiege, wie z. B. bei starken Fiebern, tendiere sie dazu, die Materie aufzulösen.[117]

Man sollte sich angesichts solcher 'Fehlinterpretationen' jedoch davor hüten, ten Rhijne eines naiven Vorgehens zu beschuldigen. Sieht man einmal davon ab, daß Europa unter dem Einfluß der pythagoreischen Schule ein Vierer- und China ein Fünferschema entwickelt hatte, so fallen doch einige Ähnlichkeiten auf. In den östlichen wie westlichen Naturphilosophien gab es neben konkret faßbaren Körpersubstanzen substanzlose bzw. extrem feinstoffliche 'Energien' als Motor der (mikro)kosmischen Wandlungsprozesse. Störungen im Fluß oder in den Interaktionen mit bzw. unter diversen Substanzen lösten Verwerfungen, Ungleichgewichtigkeiten aus, die sich als Krankheiten manifestierten. Die natürliche Harmonie trat erst dann wieder ein, wenn der Überfluß abgeschöpft, Mängel ausgeglichen, Stockungen beseitigt waren. Hier wie dort griff der Arzt zu 'Gegenmaßnahmen': Trockenes gegen Nasses, Kaltes gegen Warmes, Abführungen gegen Überschuß, Zuführungen gegen Mangel, Erweichung gegen Verhärtung usw. Im Fall von Yin und Yang wären vielleicht auch andere Transponierungen denkbar gewesen, beim Qi blieb ihm jedoch fast keine Wahl. Nicht nur, daß er durch seine Dissertation "De Dolore Intestinorum à Flatu" (Lugduni Batavorum, 1668) außerordentlich stark auf 'Winde' fixiert war. Angesichts der unzulänglichen Ausdrucksmöglichkeiten des japanischen Dolmetschers kann ich mir nicht vorstellen, wie anders als durch 'Luft', 'Wind' bestenfalls 'Geist', 'Seele' man einem Fremden den noch heute schier unübersetzbaren Begriff des Qi hätte nahebringen können. Insofern waren die Mißverständnisse ten Rhijnes geradezu unvermeidlich und sein Vorgehen exemplarisch für die bruch- und reibunslose Einverleibung fremder Kategorien als Folge übermächtiger Ähnlichkeiten zum europäischen Gedankengut. Sicher wäre die Auseinandersetzung mit den fernöstlichen Konzepten intensiver und vorsichtiger verlaufen, wenn sie auf den Beobachter 'fremdartiger' gewirkt hätten.[118]

 

 

Literatur

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Meier-Steinegg, Th./ Sudhoff, K.:   Geschichte der Medizin im Überblick mit Abbildungen. Jena 1922.

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Porkert, Manfred:    Die theoretischen Grundlagen der chinesischen Medizin. Stuttgart, 1982.

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Siegerist, Henry, E.:   Anfänge der Medizin. Zürich, 1963.

Unschuld, Paul U.:   Medicine in China. A History of IdeaS. Berkeley, Los Angeles, London, 1985.

 

Anmerkungen
[1]   S. Rhijne-1
[2]   E.W. Stiefvaters "Die Akupunktur des ten Rhyne" (Ulm, 1955) ließ Rhijnes umfangreichen Erläuterungsapparat völlig aus und überging auch sonst viele, für ein korrektes Verständnis wichtige Teile. Zudem blieben Terminologie usw. ohne jede Erläuterung. Die englische Version von R.W. Carruba und J.Z. Bowers ist hier bei weitem besser, sie enthält sogar eine, wenn auch fehlerhafte und unvollständige Zeichenliste der sinojapanischen Vokabeln. Beide Arbeiten versuchten keinerlei inhaltliche Aufarbeitung, beide haben die Mantissa Schematica und den auf sie folgenden Text De Acupunctura als 'Akupunkturabhandlung' zusammengefaßt, was eindeutig der Struktur des Rhijneschen Buches zuwiderläuft.
[3]   "inustio & acupunctio"
[4]   "ab impuritatibus liberare et flatibus"
[5]   "mechanices opera"
[6]   "in hydraulicis machinis"
[7]   Gemeint ist die Fähigkeit, chinesische Texte ins Japanische zu transponieren, indem man die Reihenfolge der (sino-)japanisch gelesenen chinesischen Schriftzeichen umkehrt, Partikeln und Endungen hinzufügt etc. Die chinesische Lautung bleibt völlig außer Betracht, der Lesende verfügte bestenfalls über einige syntaktische Kenntnisse.
[8]   "flatus unquinatorus"
[9]   Auch die Farben haben im chinesischen System der Korrespondenzen ihren festen Platz. Blau/Grün entspricht dem Holz, Jupiter, Osten, Frühling, der Leber etc., rot dem Feuer, Mars, Süden, Sommer, Herz etc., gelb der Erde, dem Saturn, Zentrum, Spätsommer, der Milz etc., weiß dem Metall, der Venus, dem Westen, Herbst, der Lunge etc. und schwarz dem Wasser, Merkur, Norden, Winder, den Nieren usw.
[10]   Iwanaga Sôko ("Iwananga Zoko", Šâ‰i@ŒÃ) lebte von 1634 bis 1705. Er war ein Schüler des Nagasaki-Dolmetschers und Arztes Mukai Genshô (ŒüˆäŒ³¡) und wirkte ebenfalls als Dolmetscher auf Dejima.
[11]   Motogi Shôdayû Ryôi ("Mottongi Sodaio", –{–د‘¾•v) lebte von 1628-1697. Er war seit 1664 Unterdolmetscher, 1668 Oberdolmetscher, 1686 Cleyers Reisedolmetscher. Die japanische Medizin verdankt ihm die erste Übersetzung eines europäischen Fachwerkes, der "Anatomischen Tafeln" von Adam Kulmus
[12]   Dies bezieht sich auf jene von Katsuragawa Hochiku (Œjì•á’}) überlieferte Sammlung von Fragen, die ich im ersten Teil dieser Studie vorgelegt habe.
[13]   Wortspiel "versatior" vS. "versutior"
[14]   Rokkaku ("Rocquakph"), chin.Luhuo (Ž­ ), war ein alternativer Name für Kakkon, chin. Gegen (Š‹ª), d.i. Puerariæ radix.
[15]   "aërem malignum corrigit"
[16]   "flatus"
[17]   Der Vokal [ɯ] in der Endsilbe [kɯ] des Wortes Rokkaku wird im Japanischen stark abgeschwächt zu [kɯ]. Bei manchen Sprechern kann es, da die Lippen ungerundet sind und sich bei einem entsprechendem phonetischem Umfeld leicht schließen, u. U. zu bilabialen Luftreibungen kommen, die beim Hörer den Eindruck eines [f] hervorrufen. Auch Engelbert Kaempfer, der von 1690-92 in Nagasaki weilte, verwandte in einigen Fällen eine ähnliche Notation: "Sakf" (shaku ).
[18]   "Faba Sinensis"
[19]   wahrscheinlich ein Geschwür im Mesenterium (= Gekröse)
[20]   "Kuikiu" (‹‡芎), "Xinkieu" (ì芎). Auf S. 108 fügte Rhijne eine Abbildung dieser Wurzel bei.
[21]   Ninjin, ("Ninzin"), die japan. Lesung von chines. Renshen, d.i. Ginseng-Wurzel (lŽQ).
[22]   Daikyô ("Daikio", “àŒo), die sinojapan. Lesung von Neijing. Ten Rhijne meint das 'Kompendium des Gelben Kaisers' (Huangdi Neijing, ‰©’é“àŒo), einem Klassiker aus dem 2./1. Jahrhundert v.u.Z., der 762 n.u.Z. von Wang Bing (‰¤™u) in der heute noch vorliegenden Form editiert wurde und auch nach Japan gelangte. Es besteht aus den beiden, ursprünglich getrennten Teilen Suwen (‘f–â), etwa 'Einfache Fragen' und Lingshu (—ì•), soviel wie 'Wundersame Achse'.
[23]   Vermutlich die sinojapan. Lesung von chinesisch Heguan, was aber nicht mit den historischen Fakten übereinkommt.
[24]   Shû no chô ("Siunojo", Žü‚Ì’©), die japan. Lesung für den Namen der Zhou-Dynastie (11.-3. Jh. v.u.Z.).
[25]   "senex"
[26]   griechischer Historiker des 5. Jahrhunderts v.u.Z., gilt als Vater der Geschichtsschreibung
[27]   Aurelius Cornelius Celsius lebte um die Zeitwende hatte ein enzyklopädisches Werk De re medicina verfaßt, daß in der Renaissance wiederentdeckt wurde.
[28]   chinesische Provinz Fujian (•ŸŒš) in der japanischen Lesung Fukken.
[29]   nicht identifizierbar
[30]   Hondô ("Phondo", –{“¹)
[31]   Isha hondô ("Isiaphondo", ˆãŽÒ–{“¹), wörtlich 'Hauptweg des Arztes'
[32]   Shinkyû ("Xinkieu") ist allerdings nicht die ursprüngliche chinesische, sondern eine sinojapan. Lesung.
[33]   Hariuchi tensashi ("Farriwyts tensas", j‘ÅA“_Žh), soviel wie 'Nadeleinschläger' und 'Punktstecher'
[34]   Me'isha ("Metsja",–ÚˆãŽÒ),wörtlich 'Augenarzt'
[35]   Gek(w)a ("Gecqua", ŠO‰È), wörtlich 'äußeres Fach'
[36]   Wahrscheinlich die Ausgabe von 1657: A. Corn. Celsi De medicina libri octo, ex recognitione Joh. Antonidæ vander Linden. J. Elsevirium: Lugduni Batavorum, 1657.
[37]   Ô i ichi ("Oyt"), die sinojapan. Lesung von Wang Weiyi (‰¤ˆÒˆê)
[38]   Fohio, Deklinationsform von Fohius, dem latinisierten Namen des legendären Ochsenzähmers Fuxi (•šãº).
[39]   Sô no chô ("Sionojo", ‘v‚Ì’©), der japan. name der (Nördlichen) Song-Dynastie in China, die von 960-1126 herrschte.
[40]   "Pençieu", japan. Lesung von Bianshou (™ÄB), heute in der Provinz Henan, seinerzeit mit der Stadt Kaifeng das politische Zentrum der Nördlichen Sung.
[41]   Martinus Martinius: Atlas SinensiS. Amsterdam 1655.
[42]   "Focquien", "Quantung","Quangsi" (•ŸŒšAL“ŒAL¼)
[43]   "Donyn, Jukits, Xinkiu, Soukio"“ºl腧ŒŠèI‹„š¤ãS, die japan. Lesung von Tongren shuxue zhenjiu tujing ('Illustriertes Handbuch des Nadelns und Brennens der Transportpunkte, gezeigt an der Bronzefigur'). Dieser von Wang Weiyi um 1026/27 publizierte Text erlebte auch in Japan viele Nachdrucke.
[44]   unklar
[45]   Der Terminus yuketsu ('Transportpunkte') wird hier in allgemeiner Bedeutung für alle Punkte des Körpers verwandt.
[46]   wörtlich 'illustrierte Schrift', 'illustriertes Kompendium'
[47]   "foramina"
[48]   Myôdô kyô ("Miondokio"), die japan. Lesung von chines. Mingtang jing (–¾“°Œo)
[49]   Ninmyaku ("Nimiakph"), japan. Lesung von Renmo (”Cãõ), dem zweiten der acht 'Unpaarigen Trakte'
[50]   Tokumyaku ("Tokmiakph"), japan. Lesung von Dumo (“Âãõ), dem ersten der acht 'Unpaarigen Trakte'
[51]    tei ("Quoteey"), die japan. Lesung von Huangdi (‰©’é), d.i. der Gelbe Kaiser
[52]   "Dayro", damalige Bezeichnung für den Tennô , der Dairi (“à— ) genannt wurde. Die o-Endung hier ist eine Folge der 'lateinischen' Flexion.
[53]   Shennong Huangdi (_”_‰©’é "Sin non Hongteè"), der zweite Kulturheroe und Erfinder des Ackerbaus der chinesischen Mythologie Shennong ('Göttlicher Landmann') sowie der Gelbe Kaiser Huangdi. Beide Namen sind von Rhijne, wahrscheinlich in Anlehnung an M. Martinius in chinesischer Lautung notiert.
[54]   Anaximander von Miletus (etwa 610-540 v.u.Z.) hatte u.a. die erste Weltkarte entworfen. Artemidorus von Ephesus (Ende des 2. Jh. v.u.Z.) schrieb nach langen Reisen eine Reihe geographischer Werke, von denen Agathemeres eine Epitome verfaßte, die wiederum von Samuel Tennulius ins Latein übersetzt wurde. S. Agathemeres:Compendiariae geographiae expositionum libri duo. Amsterdam 1671.
[55]   Rufus (98-117 n.u.Z.) war Arzt in EphesuS. Bei dem Buch von Foesius handelt es sich um die Oeconomia Hippocratis, alphabeti serie distincta. In qua dictionum apud Hippocratem omnium [...] usus explicatur [...] ita ut Lexicon Hippocrateum merito dici poßit. Anutio Foesio authore. Francofurt: Wechel 1588.
[56]   Myaku ("Miakph"), japan. . Lesung von mò (–¬)
[57]   (Blatt-)grün, japanisch ao (Â)
[58]   Ketchin ("Kits yn"), japan. Lesung von chines. JueYin (™Î‰A)
[59]   Tai'in ("Tay yn)", japan. Lesung von chines. Tai Yin (‘¾‰A)
[60]   Shô'in ("Zo yn"), japan. Lesung von chines. ShaoYin (­‰A)
[61]    ("Jo", —z), Yang ( "yam", —z)
[62]   Yô mei ("Jomè"), japan. Lesung von chines. Yang ming (—z–¾)
[63]   Taiyô ("Tay jo"), japan. Lesung von chines. TaiYang (‘¾—z).
[64]   Shôzô ("Zo jo"), japan. Lesung von chines. ShaoYang (­—z).
[65]   Inkyô ("Yin Kio"), japan. Lesung von chines. Yin Qiao (‰A).
[66]   Yôkyô ("Jo Kio"), japan. Lesung von chines. Yang Qiao (—z).
[67]   Ninmyaku ("Nim miak"), japan. Lesung von chines. Renmo (”C–¬).
[68]   Damm, Mittelfleisch
[69]   Kimyaku ("Kee miak"), japan. Lesung von chinesisch Qimo (Šï–¬).
[70]   Rakumyaku ("Rak miak"), japan. Lesung von chinesisch Luomo (—–¬).
[71]   Wohl identisch mit dem humidum radicale.
[72]   "anima"
[73]   "spiritus vitales"
[74]   unklare Quelle
[75]   Exercitatio Anatomica de Motu Cordis et Sanguinis in AnimalibuS. Fitzer, Frankfurt, 1628.
[76]   Rhijne-1, S. 147-149
[77]    Siehe Maruyama, S. 159 ff.
[78]   1974 gab die Tokyoter 'Keiraku chiryô kenkyûkai' (Gesellschaft zur Erforschung der Meridian-Behandlung) einen verkleinerten Faksimile-Druck der in der Nationalbibliothek Tôkyô bewahrten Abriebe heraus: Seitô ishizuri dô jin zukyô ('Orthodoxer Abrieb des illustrierten Handbuches des Bronzemenschen').
[79]   Seitô ishizuri dôjin zukyô , S. 6-9. Der Hintergrund wurde nachgeschwärzt.
[80]   Ackerknecht, S. 105
[81]   Š‹ª
[82]   nomame, tsurumame, tankirimame, kitsukomam, tankirimame, yabumame, shiramimame
[83]   Nihon yakkyokuhô , S. 137 ff.
[84]   Jingshi zhenlei daguan bencao
[85]   ❾‹AäP‰î“’
[86]   Rhijne-1, S. 157-160
[87]   —kŒºuc’é–¾“°Œov.Der Name Mingtang, d.h. Klare Halle, findet sich besonders in der Sui- und Tang-Zeit im Titel zahlreicher Akupunktur- und Moxa-Bücher. Die Klare Halle war eigentlich der Ort, wo der Kaiser seine Regierungsgewalt ausübte. Die Verwendung dieses Namens in der Medizin geht auf die Verehrung des legendären Gelben Kaisers zurück, in dessen Tradition man sich stellen wollte. Zur Mingtang-Literatur siehe Maruyama, S. 147 ff.
[88]   Jingshi zhenlei daguan bencao
[89]   heute allgemein 'Milz-Pankreas-Meridian'
[90]   Huangdi Neijing, Suwen, Kap.8   
[91]   Huangdi Neijing, Lingshu, Kap. 18
[92]   Nanjing, 'Schwierigkeit' 25
[93]   Zu den Fragen in diesem Zusammenhang siehe Unschuld, S. 73f.
[94]   Nanjing, 'Schwierigkeit' 28, 29
[95]   Ich mache mir hier die Übersetzung Porkerts zu eigen (Porkert, S. 161).
[96]   mo (–¬) statt jing (ãS)
[97]   Meist als Konzeptionsgefäß übersetzt, doch ren bedeutet eigentlich 'dienen' oder 'ein Amt innehaben'. Während das Herrscher-Gefäß dem Yang zugeordnet ist, gehört das Dienergefäß zum Yin.
[98]   Hua Shou: Shisi-jing fahui\ŽlãSᢊö@(Entfaltung der Vierzehn Trakte). 1341
[99]   Seitô tokuhon dôjin zukyô, Kap. 1
[100]   Yin war die nördliche Seite eines Berges, Yang die südliche.
[101]   Wu xing (ŒÜs), oft fälschlich als Fünf Elemente übersetzt. Es gibt alte Texte wie Laozi oder Zhuangzi, die sich zwar mit dem Yin und Yang befassen, auf die Fünf Phasen jedoch nicht eingehen und umgekehrt.
[102]   Huangdi Neijing, Suwen, Kap. 25
[103]   Huangdi Neijing, Suwen, Kap. 4
[104]   Huangdi Neijing, Suwen, Kap. 4
[105]   Huangdi Neijing, Suwen, Kap. 6
[106]   Huangdi Neijing, Suwen, Kap. 66
[107]   Porkert übersetzte mit "Überstrahlung des Yang" (Porkert, S. 32).
[108]   Huangdi Neijing, Suwen, Kap. 6, bzw. Lingshu, Kap. 5. Zu den Interpretationsmöglichkeiten siehe Porkert, S. 32ff.
[109]   Huangdi Neijing, Suwen, Kap. 5
[110]   Rhijne-1, S. 167
[111]   S. W. Michel: Willem ten Rhijne (1647-1700) und die japanische Medizin (I). Dokufutsu bungaku kenkyû. Nr. 39, Kyushu University, Fukuoka, 1989, S. 75-126.
[112]   So werden die Zeichen –¬ und ãõbeide mo gelesen, mal in der Bedeutung von 'Puls', mal in der von 'Trakt' verwendet. Auch sind Nominalkomposita wegen des Fehlens jeglicher Flexion zuweilen schwer von angereihten Nomen zu unterscheiden (Blut-Qi im Gegensatz zu Blut und Qi) usw.
[113]   Siehe hierzu den Beitrag von F. Kudilien in Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft. 1897ff. (Suppl. 11, 1968)
[114]   Siehe Meyer-Steineg, S. 132 ff.
[115]   Siehe Siegerist, S. 734 ff.
[116]   Siehe Meyer-Steineg, S. 134 ff.
[117]   Siehe Encyclopédie ou Dictionnaire raisonné. Paris 1765, Tome 8.
[118]   Zu der Problematik interkulturellen Verstehens siehe Eberhard Scheiffele: Affinität und Abhebung - Zum Problem der Voraussetzungen interkulturellen VerstehenS. In: Das Fremde und das Eigene (Hrg. Alois Wierlacher). München 1985, S. 29-46.

 

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