Wolfgang Michel: Johann Konrad Rätzel (1672- 1754) - Erste Spuren eines Ostindienfahrers und Raritätensammlers. In: Gengobunka Ronkyû - Studies in Languages and Literature, No. 4 (Fukoka, February 1993), pp. 1 - 14.

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Wolfgang Michel

Johann Konrad Rätzel (1672- 1754) - Erste Spuren eines Ostindienfahrers und Raritätensammlers


Sie waren recht beliebt zu jener Zeit, die Kunstkammern, Wunderkammern, Naturalien- oder Raritätenkabinette, in denen man Seltenes und Seltsames aus der weit gewordenen Welt zusammentrug und die Vielfalt, die Schönheit der Schöpfung Gottes wie die Geschicklichkeit und Phantasie des Menschen bewundern konnte. Uralte Sammelinstinkte kreuzten sich hier mit Exotizismus und Repräsentationssucht, in nicht wenigen Fällen aber auch dem Drang, den Kosmos zu erfassen, zu ordnen, zu katalogisieren. Selbst der geringste Bauer, schrieb 1714 der Professor Michael Bernhard Valentini in seinem “Unvorgreifflichen Bedencken von Kunst= und Naturalien=Kammern insgemein”, würde in Betrachtung der alltäglich erfahrenen Natur seinen Fleiß darauf anwenden, Regeln für die Prognose der künftigen Ernte, des Wetters aufzustellen.[1] Neben dem göttlichen Wort sei es die Vernunft, durch die der Mensch “zu mehr und mehrer Erkäntniß der Natur” gelange. Hierbei spiele die Erfahrung sowohl natürlicher als auch künstlicher Sachen eine wichtige Rolle. Leider vermöge auch der an Gemüte, Leib und Glück “begabteste” Mensch nicht zu seiner Curiosität die ganze Welt durchreisen. Von hunderten Schätzen der Natur bekomme er in Ost- und Westindien oft nur wenige vor Augen, was zur Begründung von Kunst- und Naturalienkammer geführt habe.[2]

Viele dieser Kammern wuchsen durch Ankauf bzw. Schenkung. Doch ab und zu gab es gesegnete Bürger, die beachtliche Schätze mit eigener Hand auf weiten Reisen auflasen. Im besagtem zweiten Band von Valentinis Museum Museorum findet man einen “Anhang Von verschiedenen Kunst= und Naturalien=Kammern”, welche “entweder rar zu bekommen oder noch gar nicht im Druck” waren.[3] Hier fiel mir das Kabinett Conrad Rätzels auf, für das Valentini eine neunseitige “Specifikation” ausbreitete, unter anderem mit Objekten aus Japan und China, die der Besitzer fleißig zusammengetragen habe.

Wie sich dann heraustellte, hatten die wohlwollende Aufmerksamkeit des berühmten Valentini und das dadurch ausgelöste Interesse des Publikums den Besitzer all dieser Schätze veranlaßt, sein Verzeichnis auf eigene Faust erneut herauszugeben. Die erste, in Halberstadt bei Schildbach erschienene Auflage umfaßte achtundvierzig Seiten im Oktavformat:

Catalogus Oder Eine in ordentlichen Classen abgetheilete Specification Vieler aus dem Regno Animali, Vegetabili und Minerali, raren Colligirten Natural- Auch einiger Artificial-Cabinet=Stücke[,] Alle Mit grosser Mühe und Kosten von Japonia, China, Ceram, Amboina, Banda, Timor, Macassar, Java majore & minore Und vielen andern alda herumliegenden Inseln in einer 12. Jährigen Zeit in Asien mit allen Fleiß colligiret [...] von Johann Conrad Rätzeln. Halberstadt.

Das mir leider nicht zugängliche Bändchen wird im Gesamtverzeichnis des deutschsprachigen Schrifttums (GV) auf etwa 1730 datiert,[4] wofür ich mir allerdings einen konkreten Beleg wünsche. Dank der regen Nachfrage erschien später eine zweite Auflage unter einem mit Ausnahme des Schlusses gleichlautenden Titel (s. Abb. 1):

Catalogus Oder Eine in ordentlichen Classen abgetheilete Specification [etc. etc.] mit allen Fleiß colligiret und nun zum andernmahl / wegen gäntzlichen Abgang der Exemplarien / auf Verlangen guter Gönner und Freunde aufgeleget Von Johann Conrad Rätzeln. Halberstadt / Gedruckt bey der verwittbeten Bergmännin / Königl. Preuß. Buchdr.

Auch hier bleibt die Grundlage für das im GV auf etwa 1735 angesetzte Erscheinungsjahr unklar. Da der Catalogus aus dem zweiten Band von Valentinis Werk zitiert, muß er jedoch nach 1714 gedruckt sein. Schließlich erschien anhand dieser zweiten Auflage eine leicht gekürzte lateinische Ausgabe in der von Franz Ernst Brückmann 1749 herausgegebenen Centuria secunda epistolarum itinerariarum als “Epistola intineraria LXIV”.[5]

 

fig 01
Abb. 1 Conrad Rätzels Catalogus, zweite Auflage

 

An den Anfang des Buches setzte Rätzel ein “Avertissement”,[6] aus dem seine Bereitschaft hervorgeht, die im Catalogus spezifizierten Raritäten dem “curieusen und geneigten Leser, nebst einer eingenhändigen, und ausführlichen Beschreibung eines jeden Stücks” in seiner Wohnung auf “dem breiten Wege zu Halberstadt” zur Betrachtung vorzulegen - Durchreisenden zu allen Zeiten, jenen, die in der Stadt oder der Nähe, wohnten, dienstag und freitag nachmittags von zwei bis vier Uhr. Bei entsprechendem Entschluß eines Buchhändlers oder anderer Herrschaften sei er überdies bereit, für eine durch Kupferstiche illustrierte Neuauflage die Objekte auszuleihen und überdies seine “Ostindische Reise=Beschreibung” zur Verfügung zu stellen, auf daß sich “Teutschland so wohl / wie die Niederländer / und andere Nationen / eines solchen curieusen Scripti in seiner Sprache rühmen könne.” Er selbst scheute zwar das finanzielle Risiko, doch schien ihm sein “Tractätlein” so gut gelungen, daß er es als Anleitung anpries, “wie alle die kostbahren Land= und See=Raritäten / so hin und wieder / in Königlichen / Fürstlichen / ja auch wohl geringers Standes / und Privat-Personen Kunst= und Räritäten=Kammern / in der grössesten Unordnung zerstreuet / und zwar ohne Nahmen herum liegen / ins künfftige in gehörige Ordnung gar leichte gebracht werden” könnten. Sah er sich selbst als Pionier der wissenschaftlichen Systematik?

Natürlich war da Platz für ein paar Verse, die sich Rätzel - wohl mangels eines lyrisch begabten Freundes - aus Valentinis Museum museorum entlieh. Sicher gefiel im der Titel des ersten Gedichts nicht schlecht: “Ein Rätzel. Welcher Creaturen Geburt und Todt ist am wunderlichste / die ihre natürliche Schönheit / so wohl im Tod / als im Leben beständig erhalten?”[7] Mit der hierauf folgenden, ebenfalls von Valentini übernommenen Lobpreisung “Der Indianischen Coquilien / oder See=Schnecken” wollte Rätzel auf die Schönheit der Schöpfungen Gottes hinweisen, welche Perlen und Edelsteinen in nichts nachstünden. Wer hier den Maßstab des ökonomischen Wertes anlege, der müsse “das Geld allein fürs edelste” schätzen.[8]

Der eigentliche Katalog seiner Objekte aus dem Reich der Tiere, Pflanzen und Mineralien sowie der ‘artificialen’ Stücke, ist in sechsundvierzig Klassen geteilt. Besonders die zahlreichen Muscheln und Schnecken arrangierte Rätzel unter dem Gesichtspunkt der Form (spitz, glatt, gewunden, gerundet, einschalig, zweischalig etc.), gelegentlich auch der Zeichnung und Farbe. Sobald aber die Strukturen komplexer werden, vernebelte sich der Blick, wie schon die Titel der Klassen erkennen lassen:

“Classis I. Begreiffet in sich zweyerley Arten Nautilorum, oder sogenannte Schiffs=Kittel.”
“Classis II. Specificìret einige grosse und kleine Buccina, oder in der Natur spitzig formirte curieus gewundene und auffgerollete Drometen Hörner / werden auch sonsten Turbinata genennet / wiewohl unter diesem Nahmen beynah alle folgende rare und kostbahre Cabinet-Stücke / biß zur 24. Classe mit begriffen werden.”
“Classis III. Verfasset noch allerhand kleine.”
“Classis IV. Enthält einige Cassides, oder Casquetten, Helme / Sturmhauben / und von einigen gar Hachmutter genandt.”
“Classis V. Noch dergleichen kleinere / welche aber über den gantzen Leib / mit niedrigen Hügelchens / wie mit Wartzen bewachsen seyn.”
“Classis VI. Darin befinden sich noch andere unterschiedliche curieuse glatte Arten / und werden ihrer Coleur halber ordinair Bezoar-Hörnerchens genennet.”
“Classis VII. Zeiget einige besondere rare Monstrose Cassides, Ramosas, & Spinosas, sonsten Murices genannt.”
“Classis VIII. Bezeichnet einige rundförmichte See=Hörnerchens / insgemein Cochleae Globosae benahmet.”
“Classis IX. Darin noch andere rundförmigte artige curiose Cabinet=Stücke unter den Nahmen Cochlearum Lunariarum.”
“Classis X. In welcher noch andere kleinere Arten rundförmigte Klocken oder Mond Hörnerchen benennet.”
“Classis XI. Bringet die Pyramid-förmigte curieuse Cabinet-Stücke / die man ihrer artigen facon halber Trochos, oder Küsel=Hörner nennet.”
“Classis XII. Bringet hervor einige grosse Monstrose krumhohl gezackte und breitförmigte Cabinet-Stücke die man ordinair Alatas nennet.”
“Classis XIII. Noch andere glatte / ohne Zacken breit geflügelte Cabinet Stücke.”
“Classis XIV. Noch eine dritte Art kleinere / werden auch wohl Epidromes genennet.”
“Classis XV. Exhibiret die Volutas, sind mancherley / gewundene / oder wie zusammengerollete Pyramid-förmigte curieuse Cabinet-Stücke.”
“Classis XVI. Noch gefleckte und gewolckte Volutae”
“Classis XVII. Noch Volutae Marmoratae, die von der Natur künstlich / mit schönen Marmor und andern Coleuren bemahlet.”
“Classis XVIII. Noch andere / Volutae Longae, darunter sich etzliche befinden / die man mit Rechte / die Pronck=Jubelen eines Raritäten Cabinets nennen kan.”
“Classis XIX. Specificiret einige länglich runde / Spiegelglatte / und curieus punctirte See=Raritäten / unter den Nahmen Porcellanae Majores.”
“Classis XX. Kleinere / von voriger Art.”
“Classis XXI. In dieser Classe sind viele kleine länglich=runde / Spiegelglatte / und von der Natur besonders curieus gezeichnete Wellen / oder Röllichens Cylindri genandt.
“Classis XXII. Darin befinden sich einige artige / auff der Mund=Seite plat oder flach / und also halb rundförmigte See=Hörnerchens / unter den Nahme Valvatae sive semi Lunares, weil deren Form sich wie ein halber Mond praesentiret.”
“Classis XXIII. Seynd mancherley Sorten / länalich schmale / spitz=förmigte / mit vielen Ribbichens und Hügelchens umgebene See=Schnecken / deswegen man selbe insgemein Strombos sive Turbinatas nennet.”
“Classis XXIV. Bis hieher seynd die curieus gewundene und in der Natur künstlich auffgerollete Cabinet-Stücke benahmet / numehro folgen die ein= und zwey=schäligen See=Raritäten / welche nicht wie die in den vorbeschriebenen 23. Classen gewunden und auffgerollet / sondern an einer Seite / (Es seynd runde oder ovale) flach und weit offen / dieserwegen man selbe ordinair Conchas univalvias & bivalvias nennet.”
“Classis XXV. In dieser Classe folgen nun die Monstrosen scharffstachlichten zweyschäligen See=Schulpen / unter den Nahmen Conchae Bivalviae Spinosae.”
“Classis XXVI. Praesentiret einige besonders curieuse Cabinet-Stücke / welche nicht so stachlicht wie die vorigen / sondern ihrer feinen spitzigen Hügel= und Ribbichens halber / nur etwas scharff und rauch anzugreiffen / weswegen sie Conchae Bivalviae Asperae genennet werden.”
“Classis XXVII. Conchae Bivalviae, Striatae.”
“Classis XXVIII. Conchae Bivalviae Leves.”
“Classis XXIX. Ostreae Bivalviae oder gedoppelte Auster Muscheln.”
“Classis XXX. Bivalviae sive Tellinae Leves.”
“Classis XXXI. Pinnae Bivalviae sive Plumosae, weil sie so dünne wie eine Floß=Feder.”
“Classis XXXII. Zeiget noch besondere Arten / die länglich hohlrund und gekrümmet / von den andern weit unterschieden / sie werden wegen ihrer hohlrunden facon insgemein solenes, oder Meer=Canäle / item: See=Pfeiffen genannt.”
“Classis XXXIII. Stellet dar die so genannte Echinos, oder Meer= und See=Igel.”
“Classis XXXIV. Zeiget nun mehro auch vielerley Arten / Verwunderungswürdiger curieuser, unterm Wasser an Klippen und Steinen wachsender See=Bäume ec.”
“Classis XXXV. Diese und einige folgende Classen, werden mancherley Asiatische Animalia, so wohl im Wasser / als in und auff der Erden wie auch im Häusern / und auffn Bäumen lebende / grosse und kleine vierfüßigte Thiere / nebst einigen raren Schlangen / alle mit ihren gehörigen Nahmen darstellen / deren jedes in einen hohen dazu beqvemen saubern Glase / in einem besondern Liquore oder Spiritu conservante, gantz reine und natürlich / mit seiner lebendigen coleur, wohl verwahret wird zu sehen seyn / weil selbige / wann nur ums vierte oder fünffte Jahr ein wenig von diesem Liquore, nach gegossen wird / also perpetuirlich können beybehalten werden.”
“Classis XXXVI. Stellet dar einige Ost=Indische rare bundgefleckte Schlangen / nemlich:”
“Classis XXXVII. Stellet dar einige vielfüßigte / unreine Vehement-stechende / oder gifftige Monstrose Thierlein.”
“Classis XXXVIII. Benennet einige Monstrose Krebse / Krabben / und Fische / besonders auch den fliegenden Fisch.”
“Classis XXXIX. In dieser Classe werden dargeleget mancherley balsamierte und auffgedrucknete Insecta so wohl kriechende als fliegende / hart und weich geflügelte”
“XL. Produciret diejenigen Insecta, die man sonst Papiliones, oder Raupen=Sommer=Vögelein nennet / weilen sie von Raupen generiret werden / welche dann einige besonders curieus bundt punctirt zu sehen sind / und zwar so grosser Art / daß man ihres gleichen in Europa niemahlen antreffen wird.”
“XLI. Specificiret einige Stücke die in ihrer Maaße ad Regnum Animale können mit gezogen werden.”
“XLII. In dieser sind befindlich einige rare Stücke ex Regno Vegetabili.”
“XLIII. In dieser befinden sich vielerley Arten grosser und kleiner Brocken / wie auch curieus geschliffener pretieuser Asiatischen Steine / ex Regno Minerali.”
“XLIV. Darinnen noch mancherley Artificialia, und rare Cabinet-Stücke / von allerhand Sorten.”
“XLV. Enthält einige Stücken Asiatischer güldener und silberner Müntzen.”
“XLVI. Specificiret eine und andere feine distilirte Oehle / die ich an statt der Zweige / und Gewächse vorzeigen kan.”

Es ist erstaunlich, was Rätzel aus Ostasien in die Heimat schleppte. Zum Botanisieren, daß eigentlich viel weniger Geld verschlungen hätte, fehlte ihm das Interesse oder die Gelegenheit. Hier sind nur kärgliche acht Spezimina verzeichnet:

“Rami Arboris Caryophyllorum Regii.
Rami Arboris Caryophyllorum Amboin:
Semen Caryophylli sive Antophylli.
Nux Moschata, mit ihrer Blüte in der Schale.
Nux Moschata, mit ihrer Blüte ohne Schale.
Maces in Corbe Amboinica, wie sie in ihren geflochtenen Körben in diese Länder pflegen überbracht zu werden / die Indianer nennen dergleichen Korb voll ein Sukkul Muscaten=Blumen.
Nux Palmæ sive Cocus Javanicus cum figuris.
Rosa Hierochuntina.”[9]

Merkwürdigerweise konnte er auch zu siebzehn destillierten Ölen nicht die Muster der betreffenden Pflanzen vorweisen.[10] Doch zählte er rund zweihundertfünfzig, nach ihren Formen gruppierte Muschel- und Schneckensorten auf, sechs Arten von Seeigeln, elf von Korallen, dazu diverse Insekten. Seine exotischen Schmetterlingen waren derart zahlreich, daß er “vor dießmahl” deren Namen, um sich “der Kürtze zu befleißigen, mit Willen” ausließ.[11] Erhebliche Transportprobleme dürften die in Spiritus konservierten Echsen, buntgefleckten Schlangen und Fische, einer über zwei Ellen lang, aufgeworfen haben. Einsiedlerkrebse samt ihrer “geraubeten bunten Häuserchens”, über die in seinem “Orientalischen Raritäten=Cabinett” einst ausführlicher zu lesen sein werde, könne er, ebenfalls mit Spiritus konserviert, in beinahe hundert verschiedenen Sorten vorzeigen. Ja er besaß sogar ein “Crocodilus oder Cayman, von ziemlicher Grösse”.[12] Dazu gesellten sich Hörner, Zähne, Eier, Bezoarsteine. Viele der Exponate der Sammlung waren, wie eine kurze Bemerkung im Catalogus andeutet, mit eingehenden Beschreibungen versehen.[13] Kein Wunder, daß solch exotische Schätze ihre Bewunderer anzogen.

Neben all den naturkundlichen Objekten gab es zudem “Artificialia, und rare Cabinet-Stücke”,[14] die ich nachfolgend genauer vorstellen möchte, darunter japanische Lackarbeiten wie viereckige und runde Dosen, Teeschalen, einen Metallspiegel, Fächer, Papier und Ried (möglicherweise Bambus):

“Navis Chinensis perfecta.
Navis Amboinens. ex Caryophyllis[15] facta.
Corona ex Caryophyllis facta.
Alea ex pretiosis lignis confecta, die Scheiben darin sind von schwartzen und gelben Eben=Holtze gemacht.
Armariolum Japoniense, ein lackirtes rares Japonisches Schatoul.
Ein artig länglichter lackirter Nehe=Pulten.[16]
Einige groß und kleine viereckigte Japanische curieus lackirte Dosen.
Einige runde.
Japanische lackierte Thee=Schälichen.
Ein länglich viereckigte Japanische Blätter=Dose.
Eine von Javanischen Rohr geflochtene Peitsche.
Kris sive Pugio Javanus, ein Javanischer Dolch.
Pugio Chinensis.
Pugio ex Macassar.
Fistulae Tabaci Chinenses.[17]
Fistulae Tabaci Persicae &c.
Speculum ex metallo Japoniense.
Flabellum Japoniense, ein lackirter Japonischer Fechel.
Flabellum Chinense, von vielerley Arten.
Flabellum pavonium Javaniens. ein Fliegen=Fechel / von Javanischen Pfauen=Schweisse.
Figurae variae, ex Lapide Chinensi, von Speckstein.
Effigies Chinensium variae pictae in papyro.
Effigies Holosericae foeminarum.
Effigies florum Chinensium Holosericae.
Calcei Chinenses, Schuh von Fisch=Häuten und Cattaun gemacht / item: von Cattaun und Seide.
Capsella longa ex arbore Bambus cum figuris.
Capsella longa ex arbore Bajae, roth und schwartz lackirt / und mit Perlen=Mutter gezieret.
Capsella ex cornu urui Javan.
Chineser, roth und schwartz lackirte viereckigte Thee-Backgens, noch runde Thee-Bennetges.
Situs Bataviae à Johanne Henrico Austermanno Sueco accurate pictus & delineatus, die Lage von Batavia.
Pfefferbaum de Capo de bonne Esperanze.
Eine rare und kostbahre Indianische weisse Spree / oder Bett=Decke / mit besonder curieusen Indianischen Figuren.
Eine blaue gleicher Art.
Eine rothe gleicher Art.
Ein kleiner Blumen=Garten / worum ein Chinesisch Glaß mit einem engen Halse geblasen.
Figura lignea hominis monstrosi.
Figura lignea Ciconiae.[18]
Ein Japonisches weisses Rieth mit Knoten.
Ein schwartz lackirt Rieth mit etwas Golde.
Ein lichte braunes Rieth lackiret.
Ein Tunquinischer mit Schildkröt überzogener Stock.
Einige Javanische / von allerley Sorten.
Arundo Javana colorata.
Cultelli Chinenses lignei, seynd am einem Ende viereckigte / und am andern Ende runde / etwa 12. Zoll lange Höltzer / so die Chineser beym Essen / an statt der Messer gebrauchen.
Libra Chinensis, eine Chineser=Waage.
Atramentum Chinense optimum, Tinte oder Tusche.
Ein Fell von schwartzen See=Hunde.
Ein bundgeflecktes Tieger=Fell.
Terra Catechu cum Moscho ex China, von allerley Formen.
Papyrus Japan: & Chinens. von vielerley Formen.
Papyrus Japan. & Chinens. von vielerley Coleuren.
Akarbahar oru, sive lignum auratum.”

In der folgenden Abteilung finden sich neben chinesischen, siamesischen, bengalischen, arabischen und malabarischen Münzen auch einige japanische. Die Beschreibung läßt auf eine der 1695 geprägten länglich-ovalen, zehn Gramm schweren koban (Genroku koban) schließen. Doch eigentlich war die Ausfuhr von Gold in jeglicher Form durch die japanischen Behördern strengstens verboten. Dazu kamen einige der, in der Mitte gelochten Kupfermünzen geringeren Wertes:

“Nummus Aureus oblongus Japoniensis. à 10. R[eichs]th[a]l[e]r.
Nummi Cuprei Rotundi Japonienses. 20. 1.Gr[oschen].”

Auf die letzte Classis mit den erwähnten Ölen folgt ohne gesonderte Überschrift und nur leicht abgesetzt eine Beschreibung von Möbel- und Geschirrstücken, wiederum mit japanischen Exemplaren:

“Ein von Nuß=Baum Holtze fournirtes Schatoul mit gläsern Fenster=Thürn / samt allen darin gehörigen curieusen und kostbaren porcellain Geschirren / als großen und kleinen Japanischen / blau / roth und mit Golde bemahlten Schüsseln / Candel, Butter= und Zucker=Näppe / nebst dazugehörige Decksell / Teller ec. wie auch vielerley Sorte / Dutzent und halbe Dutzent weise / großer und kleiner / mit und ohne Ribbichens seyende Coffe und Thee-Schälichen / item Tobacks=Pfeiffen ec. dazu noch an gleichen Sorten das Chineser-Porcellain, mit schönen blauen Chineser-Figuren / Landschafften / Blumen ec. gefüget / worunter einige besonders feine durchsichtige Thee-Schälichen / so albereit vor 80. und mehr Jahren verfertiget / und heutiges tages nicht mehr gemacht werden / item zwo porcellaine vergüldete Marien=Bilder / eine ziemliche Parthie porcellaine Pyramid-Fläschgens / so aller Orten im Schatoul zwischen den Schüsseln und Schälichens ec. in artiger Ordnung herum stehen / und dann vier Japanische aus Ertz gegossene / und glatt polierte runde Spiegel / samt einem noch auswendig oben aufn Schatoul stehenden kostbahren Japanischen großen Auffsatz mit Figuren und Coleuren künstlich bemahlet; und endlich ist noch ein großes Schatoul verhanden,welches mit schönen und raren Ost=Indianischen Bimeneser-Holtz fourniret / darinnen sich in ordentlichen Schub=Lädichens die meisten See=Raritäten befinden ec.

Rätzel beschließt sein Büchlein mit dem Hinweis, daß er angefangen habe, auch europäische Raritäten zu sammeln, die er, so Gott wolle, irgendwann einmal vorstellen werde.

Zur Person dieses Mannes habe ich trotz aller Anstrengungen bislang nicht viel herausgefunden. Immerhin brachte er es zu einem Artikel in Jöchers Gelehrtenlexikon, doch da steht nur das, was der Titel des Catalogus preisgibt.[19] Die von Rätzel erwähnte Reisebeschreibung wurde nie publiziert. Autographen aus seiner Feder ließen sich nicht nachweisen. Anfragen zur Person in Halberstadt erbrachten einige Aspekte,[20] doch bleibt vieles in seinem Leben leider noch verborgen.

Rätzel lebte von 1672 bis zum 10. November 1754.[21] Er erreichte trotz der Strapazen seiner Reise nach Fernost und des langen Aufenthalts in tropischen und subtropischen Breiten ein für seine Zeit exzeptionelles Alter, ein Punkt, in dem er dem Leipziger Ostindienfahrer Caspar Schamberger (1623 - 1706) glich.[22] Eine handschriftliche Gründliche Beschreibung des alten löblichen Fürstenthums Halberstadt aus der Feder des Königlich Preußischen Regierungsrates und Fiskaladvokaten Johann Henr. Lucanus (Halberstadt 1742 - 1744) vermerkt neben bereits Bekanntem, daß Rätzel die “Apotheker Kunst erlernet” habe, was sein im Catalogus erkennbares Interesse an Bezoarsteinen und destillierten Ölen verständlich macht. Der Schritt vom Apotheker und ‘Materialisten’ zum Besitzer einer Kunst- und Naturalienkammer war ja recht klein. Dinge wie die folgenden fand man ebensogut in der Apotheke:

“Cornu Rhinocerotis Javanum.
Dentes Crocodili.
Ová Casearii Amboinici.
Ova Struthionum African.
Chelonium sive tegumentum testudinis.
Bezoar hircinum.
Bezoar bovinum.
Bezoar Sinuanum.
Bezoar artificiale ex Goa.”
Pennas Histricini oblongas Africani Stachel=Schweins=Federn.[23]

Und ein paar Seiten weiter:

“Oleum destill. Cinnamomi ex radicibus.
Oleum destill. Cinnamomi ex corticibus.
Oleum destill. Cinnamomi ex fructibus.
Oleum Caryophyllorum.
Oleum Macis.
Oleum Nucis Moschat.
Oleum corticum aromaticum sive Culilawan.
Oleum ex Sassafras.
Oleum santalinum
Oleum cardamomi Malabaricum.
Oleum camphorae.
Oleum ex ligno ambrato sive Cajuputi.
Oleum squinanti sive siere.
Oleum chasmini Indici sive canange.
Oleum pomi majoris Indici, von der Pumpel=Muß.
Oleum pomi minoris Indici, von die Lymon prut.
Oleum pomi de Sina. &c.”[24]

Lucanus schrieb weiter, daß Rätzel “eine Menge vortrefflicher Naturalien” aus Ostindien mitgebracht habe, die er in Halberstadt “zum Theil bis dato” verwahre.[25] Die letzte Bemerkungen legt nahe, daß er manche Objekte anderen überlassen hatte. Da die lateinische Version erst 1647 in Wolfenbüttel angefertigt wurde,[26] dürfte die Kollektion zu diesem Zeitpunkt noch immer recht ansehnlich gewesen sein.

Wann fand nun die zwölfjährige Reise nach Ostasien statt? Jener zweite Band des Museum museorum von Valentini, aus dem Rätzel die Gedichte entnahm, erschien 1714. Andererseits schrieb von Uffenbach, der 1709 in Halberstadt weilte, in seinen Merkwürdigen Reisen, daß niemand dort bekannt sei, “der etwa eine Bibliothek oder Cabinett hätte”.[27] Wenn das stimmt, wäre die Rückkehr nach Halberstadt auf wenige Jahre eingegrenzt. Mithin hätte Rätzel um die Wende vom siebzehnten zum achtzehnten Jahrhundert Ostindiens Meere durchmessen.

Die bereisten Gegenden - Japan, China, Ceram, Amboina, Banda, Timor, Makassar, Java major et minor - zeigen uns, daß er im Dienste der niederländischen Verenigden Oostindischen Compagnie (VOC) stand - wahrscheinlich, wie andere Apotheker vor ihm, als Barbier auf einem Schiff. Da er die Sammlung über Jahre hinweg zusammentragen mußte, verfügte er in Batavia über eine Lagermöglichkeit. Daß er seine Leidenschaft vom Sold alleine finanzierte, ist schlecht vorstellbar. Wahrscheinlich hatte Rätzel eine geschickte Hand bei persönlichen Nebengeschäften. Die jedoch beeinträchtigten den Handel der Compagnie und nahmen wertvollen Schiffsraum weg, so daß die VOC immer wieder versuchte, den Privathandel einzudämmen. Verwunderlich bleibt deshalb auch, wie er solche Berge an Mitbringseln nach Europa bringen konnte. Seine Schiffskiste reichte da beileibe nicht, und Konfiskationen bei den Inspektionen nach der Ankunft in Holland waren keineswegs selten.

Wie immer er das auch angestellt haben mag, er kehrte als gemachter Mann in seinen mutmaßlichen Geburtsort Halberstadt zurück. Er scheint dann nicht mehr als Apotheker tätig gewesen zu sein. Eine Aufstellung der Halberstädter Brauberechtigten nennt Johann Conrad Rätzel, “Viermann”,[28] als “Erben=Zins=Träger der Commiß=Brauerei” für das Jahr 1696.[29] Dieses Datum würde die obige Argumentation bezüglich der Ostindienreise völlig über den Haufen werfen. Denn der preußische König Friedrich Wilhelm hatte den Brief tatsächlich am vierzehnten Oktober 1696 erteilt und festgelegt, daß jeweils zwei Personen aus der Brauergilde unter jährlicher Erlegung von fünfhundert Talern Erbzinsträger sein sollten. Bei “sich ereig[n]enden Fällen” habe man “binnen Jahresfrist” Nachfolger zu benennen, denen dann - gegen vier Taler - ein neuer Brief ausgestellt würde. So geschah es auch im Falle Rätzel, wie die Abschrift eines Erbenzinsbriefs im handschriftlichen Verzeichnis Der Documenten und Beylagen des Rahtheußlichen Lagerbuchs der Stadt Halberstadt de a[nn]o 1721 zeigt.[30] Rätzel wurde erst am 24. August 1719 nach dem Ausscheiden zweier Vorgänger infolge des Todes bzw. Amtsniederlegung zusammen mit Joachim Funcke zum neuen Erbzinsträger ernannt.

Ein Vollständiges Lager-Buch Aller und jeder bey der Stadt Halberstadt Anno 1719 befindlichen Rahthäußlichern Gühter und Pertinentien führt den “Schoß”, also die Steuerabgabe von Rätzels Haus in der “Breitenwegischen Nachbarschafft”, auf und weiter unten seine Besteuerung als Inquilin(us), d.h. als Einmieter eines weiteren (?) Hauses im Breitenweg.[31]

Für die geglückte Reintegration in die bürgerliche Gesellschaft Halberstadts zeugte auch eine Inschrift an der Kirche des 1945 zerstörten Heiligen Geisthospitals in der Spiegelstraße, wo unter einer Rosette zu lesen war: “Johann Conr. Raetzel: Camer. et Provis.”[32] Mithin hatte er es bis zum Stadtkämmerer (seit 1741)[33] und Provisor gebracht.

 

Abb. 2
Abb. 2 Ansicht von Halberstadt (Lucanus, 1744)

Zum weiteren Schicksal der von Rätzels Zeitgenossen vielbeachteten Sammlung fand ich bislang nur wenige Indizien. Sicher ist, daß sie Anfang des neunzehnten Jahrhunderts verschwunden war, denn sie fehlt in zwei Publikationen über die Stadt, welche auch Privatsammlungen aufführten.[34] Künftige Recherchen bringen hier vielleicht etwas Licht ins Dunkel.

 

 

Anmerkungen
[1] Michael Bernhard Valentini: Museum Museorum. Tomus II, Frankfurt am Main 1714. S. 1.
[2] l. c. S. 3f.
[3]l. c., Appendix XIX., S. 61- 69: “Herrn Johann Conrad Rätzels zu Halberstadt Specification vieler aus dem Regno Animali, vegetabili und Minerali, raren colligirten Natural- auch einiger Artificial-Cabinet=Stücke”
[4]Gesamtverzeichnis des deutschsprachigen Schrifttums (GV) 1700 - 1910. München [etc] 1979 - 87, Band 113, S. 260
[5]Francisci Ernesti Brückmanni [...] Centuria secunda epistolarum itinerariarum. Accedit mesueum Closterianum (Wolfenbüttel 1749). In meiner Ausgabe (British Museum) auf S. 705 - 723.
[6]Catalogus, S. 3 - 5.
[7]l. c. , S. 6f.
[8]l. c. , S. 7f.
[9] l. c. , S. 36f.
[10] l. c. , S. 43f.
[11] l. c. , S. 34f.
[12] l. c. , S. 30 - 33.
[13] l. c. , S. 33.
[14] l. c. , S. 38 - 46.
[15] Offenbar ein aus Gewürznelken angefertigtes Schiffsmodell
[16] Nähpult
[17] Die chinesischen und japanischen Pfeifen hatten nur einen sehr kleinen Kopf, so daß Rätzel die Bezeichnunge ‘Röhre’ wählte.
[18] ‘Storch’, wahrscheinlich ein Reiher
[19] Allgemeines Gelehrten=Lexicon [...] von Christian Gottlieb Jöcher. Leipzig 1750ff., Band VI.
[20] Für die Materialien danke ich Frau Braune, Leiterin des Stadtarchivs Halberstadt, und Dr. A. Siebrecht vom Städtischen Museum Halberstadt.
[21] Diese Daten verdanke ich Dr. Wolfgang Caesar (Stuttgart).
[22] Wolfgang Michel: Dejima rankan-i Caspar Schamberger no shôgai ni tsuite [On the Life of the Dejima Trading-Post Surgeon Caspar Schamberger]. Nihon Ishigaku Zasshi - Journal of the Japan Society of Medical History, Vol. 36, No. 3 (1990), S.201-210;
Wolfgang Michel: Caspar Schambergers "Lebens - Lauff". In: Studies in Languages and Cultures, No.1, Fukuoka 1990, S. 41 - 52.
[23] Catalogus, S. 36
[24] Catalogus, S. 43f.
[25] Notitia Principatys Halberstadiensis oder Gründliche Beschreibung des alten löblichen Fürstenthums Halberstadt, deßen sonderbaresten Merckwürdigkeiten und eigentlicher Beschaffenheit im Politischen, Kirchen und Civil=Wesen etc, sowohl in alten als auch denen neuen Zeiten. in IV Theilen verfaßet, Tom. I. Pars Generalis. mit besonderem Fleiß zusammengetragen von Joh. Henr. Lucanus Königl. Preuß. Regierungs Raht und Advocato fisci zu Halberstadt, und vermehret bis ann. 1742 . exel. nach dem autographo des autoris überschrieben und continuiret ab 1744. S. 866.
[26] Brückmann, S. 723.
[27] Teil 1, Ulm und Menningen 1753, S. 152.
[28] Mitglied eines Kollegiums von vieren; Zunftsvorsteher
[29] Wilhelm Bandau: Halberstädter Brauberechtigte 1547 - 1781. Leipzig 1932, S. 42
[30] Vol. II, S. 417 - 422 (Stadtmuseum Halberstadt, Nr. 3622)
[31] l.c., S. 212, 214
[32] G. Arndt: Zur Heimatkunde von Halberstadt.Halberstadt 1910, S. 119f.
[33] Für diese Information danke ich Dr. Wolfgang Caesar, Stuttgart.
[34] Friedrich Niemann: Die Stadt Halberstadt und die Umgebung derselben. Halberstadt 1824.
   Friedrich Lucanus: Wegweiser durch Halberstadt und die Umgegend. Halberstadt 1834.

 

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