Dohm, Christian Wilhelm (ed.) Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Meyer, Lemgo 1777-79.

Internet-Edition by Wolfgang Michel, © Fukuoka, Japan March1998

    

VI. Vom Ambra .

(section). 1.

Wenn ich in der vorhergehenden Abhandlung, durch die Reichhaltigkeit der Materie verleitet, fast die Gränzen eines kleinen Aufsatzes überschritten habe, so werde ich itzt einige Nachrichten von dem kostbarsten und gesuchtestem Harze, dem Ambra, desto kürzer fassen. Der Ocean giebt es dem menschlichen Geschlecht aus seinen innersten Tiefen mit sparsamer Hand. Denn es ist un einmal so die Weise der Natur, die alleredelsten Dinge am meisten zu verbergen, und am seltensten mitzutheilen.

Die Gelehrten streiten nicht wenig über die Entstehung und Materie des Ambra. Einige halten ihn für ein Harz, andre für eine Erdart; einige für einen Meerschwamm, andre für den Auswurf von gewissen Vögeln oder vom Wallfisch. Und so giebt es der Meinungen noch mehr. Nach meinen Erfahrungen ist unter allen keine weniger begrändet, als da man neuerlich aus der blossen Aehnlichkeit der Materie oder des Geruchs hat folgern wollen: “Der Ambra sey eine Vermischung von Honig und Wachs, die an den Meerufern von den Bienen angesezt, von der Sonne ausgekocht, vom Meere aufgenommen, und durch die Bewegung der Wellen und hinzugekommenen Satztheile zu dieser alleredelsten Substanz ausgearbeitet und bereitet werde”. Diese Meinung ist behauptet in dem Journal des Scanans de l’An. 1672. Conference seconde, presenté par lean. Bab. Denis. Einee in der That höchsteitle Vermuthung, die bloß ihrer Neuheit wegen gefallen und die von Kennern und genauern Untersuchern gebilligte Meinung verdrängen kann. Nach dieser ist der Ambra eine harzigte Erdart, oder eine / unter der Erde erzeugte fette Materie, die zum Harz ausgekocht, aus den unterirrdischen Gängen und Adern ins Meer gebracht, und nachher durch Salz und Sonnenwirkung verdikt ist. Ich will suchen diesen neuen Irrthum über den Ambra durch einige kurze Sätze zu widerlegen, die auf den Nachrichten der fleißigen Sammler dieser Materie, den merkwürdigsten Beobachtungen der Sineser, den Erzählungen japanischer Wallfischfänger, und endlich selbst auf meiner eignen Untersuchung der Provinzen und Ufer, an denen man Ambra findet, beruhen.

Diese Sätze sind folgende:

1) Man findet an vielen Orten Ambra, wo sich doch weder am Ufer, noch tief ins Land hinein Bienen aufhalten: und dagegen haben sehr viele Länder Bienen, an deren Ufer man doch nie Ambra erblikt hat.

2) Die Fischer, die auf den felsichten Ufern zwischen Sina und der Insel Java die eßbaren Vogelnester aufsuchen (es sind die Nester gewisser Meerschwalben, die sie aus dem Holothurium verfertigen) haben daselbst niemals Bienenstöcke gefunden, die, wie Denis meint, von den Wellen zerstöret würden. Die weise Natur hat die Bienen wohl gelehrt, die Meerufer und den Stürmen ausgesetzte Orte zu meiden.

3) Wenn Honig, Wachs, Bienenstöcke durch eine hinzukommende Feuchtigkeit in Bewegung gebracht werden, so fließen sie nie in eine Masse zusammen, sondern trennen sich und werden aufgelöst.

4) Wenn Bienenstöcke mit ihrem Honig zusammengebrannt werden und mit einander gerinnen; so werden sie in allen Theilen der Welt immer eine und eben dieselbe Materie geben. Vom Ambra aber findet man eine Menge ganz verschiedner Gattungen, nach der Verschiedenheit der unterirrdischen Adern, aus denen er kömmt. In jedem Lande hat daher dieses Produkt eine ganz eigenthümliche Beschaffenheit; so daß Kenner aus dem bloßen Anblik den Geburtsort eines vorgelegten Ambra angeben können; gerade wie gute Weinkenner das Vaterland von jeder vorgelegten Probe zu schmecken wissen. Einige Gattungen Ambra nemlich sind mehr dem groben Harz, dem Asphalt, oder schwarzen ausgetrokneten Naphta ähnlich, daher mehr oder weniger schwarz, dicht und schwer. Andre sind aus edlern Theilen zusammengesetzt, daher weißer, kostbarer, leichter, freilich auch mehr oder weniger nach den Gattungen. Einige sind oft sehr schwammicht, daher auch der scharfsinnige Scaliger die Meinung des Serapio angenommen und den Ambra für einen Meerschwamm gehalten hat.

5) Wenn der Ambra eben aus der Tiefe des Oceans heraufgebracht wird, ist er sehr weich und dem Ansehn nach dem Kuhdreck ähnlich. Auch hat er dann einen etwas verbrannten Geruch, ganz verschieden von dem des Honigs.

6) Ich habe nicht selten im Ambra glänzende schwarze Muscheln, Bruchstücke von andern Sachen, die sich unter dem Meer befinden, auch wohl solche Dinge, die sich in dem aus Ufer geworfnen noch weichen Ambra haben ansetzen können, gefunden; niemals aber Honig und Bienenstöcke. Es ist seltsam, daß der berühmte Denis hat glauben können, es haben sich Bienenstöcke, Honig und Wachs zusammen (warum nicht auch noch die Bienen oben drein?) im Ambra befunden; und eben so sonderbar ist es, daß neuere französische Schriftsteller dies wieder dem Herrn Denis nachgeschrieben haben.

7) Der Ambra wird oft in sehr großen Stücken gefunden, welche die gewöhnliche Grösse eines Bienenstocks weit übergehen. Ich will nichts von den Stücken erwähnen, welche Garzias A. H. L. 1. C. 1. anführt, und die von ganz ungeheurem Umfang gewesen seyn sollen. Mir ists genug von solchen zu reden, die zwar kleiner waren, aber die ich selbst gesehen habe.

Während meines Aufenthalts in Indien fand man am Ufer der Japanischen Provinz Kinokuni ein Stük grauen Ambra, das mehr als 100 Catti oder ohngefehr 130 holländische Pfund wog. Da man für diese ganze Masse keien Käufer fand, zertheilte man sie kreuzweise in vier Theile. Bey meiner Ankunft wurde auch mir ein solches Viertel zum Verkauf angeboten, woraus ich dann die Grösse des Ganzen abnehmen konnte. Dieses wurde aber noch von einem andern Stück Ambra übertroffen, welches im Jahr 1693 die edle holländische Ostindische Kompagnie von dem König von Tidor für 11000 Thaler kaufte, mit der Bedingung, daß dies Geld wider ausbezahlt werden muß, wenn irgend ein Fehler daran sollte gefunden werden. Das Gewicht dieses Stücks war, genau gewogen, 185 Pfund holländisch, die Farben graulich, die Güte nicht geringe, der Gestalt nach einer Schnecke ähnlich, welcher Kopf und Schwanz abgenommen sind. Es ist 1694 in das Amsterdammische Seltenheitenkabinet gebracht worden, und der vortrefliche Giessensche Professor Valentini hat eine Abbildung davon geliefert im Mus. Mus. L. 3. C. 28 .


(section). 2.

Von den Verfälschungen des Ambra, den Kennzeichen seiner Güte und seinen Kräften habe ich folgendes erfahren: Wenn der Ambra zuerst aus dem Meere ans Ufer geworfen wird, ist er so weich, wie eine Masse von Mehl, und daher sehr geschikt, jede Art von Verfälschung zu leiden. Leute, die sich mit dieser Kunst abgeben, haben mich selbst versichert, daß nichts besser mit dem Ambra vermischt werden könne, als fein zermalmte Reißhülsen, weil hiedurch sowol die Leichtigkeit, als auch die bläuliche Farbe am besten erhalten würde. Der Besitzer wird indes vom Betrug bald unterrichtet, wenn die Würmer diese zugesezte Materie wegnagen. Oft wird der ächte Ambra mit Benzoin oder Asand, Storax und andern wohlriechenden Sachen versezt; oft aber wird eine ganz falsche Komposition aus Pech, Wachs, Harz, Storax und ähnlichen Dingen verfertiget. Man hat mir beide Materien oft zum Verkauf angeboten. Die erste für verfälscht zu erkennen ist etwas schwer, die andre aber ungemein leicht durch die Berührung, den Anblik oder auch nur, wenn man damit räuchert. Diejenigen, welche den Ambra zum Handel aufsuchen, verstehen die Künste, wenn er noch frisch ist, mehrere kleine Stücke in eine grössere Masse zu vereinigen, den ungestalteten Stücken eine schönere Form zu geben, daher findet man, daß der Ambra meistens rund, allezeit aber von beträchtlichem Gewicht ist, aus welchem Grunde man aber nicht an seine Güte zweifeln darf. Die beßte und sicherste Probe von dieser Güte ist, einige Gran auf ein ganz glühend heißes Blech zu legen. Der Rauch entdekt alsdann jene Verfälschung, und je weniger Asche man findet, desto besser der Ambra. Die Asiater jenseits des Ganges pflegen diese Probe gemeiniglich mit einer sehr gangbaren dünnen goldnen Münze Kobang, die an Grösse und Gestalt einem Ey ähnlich ist, zu machen. Sie pflegen etwas Ambra auf dieselbe zu reiben und mit demselben auf Kohlen zu legen.

Unter den verschiednen Gattungen von gutem Ambra halten die Sineser diejenige für die allerbeste, deren abgeriebne Theile in warm Wasser geworfen und bedekt am leichtesten aufgelöset und ganz flüssig werden. Ich habe gesehn, daß man diese Probe auch in den porzellänen Gefäßen anstellte, aus denen man Thee trinkt, wobei man auch dieses Geschäft vornahm.

Für die allerschlechteste Gattung von Ambra wird diejenige gehalten, welche man in den Gedärmen des Wallfisches findet, weil sie hier sehr viel von ihrer Güte verliehrt. Man findet in dem japanischen Meere eine Gattung von Wallfischen, Mokos, die drey, höchstens vier Ellen lang ist, und in denen Gedäärmen sich sehr oft Ambra befindet; ein sicheres Anzeichen desselben ist, wenn man bei der Eröfnung eine erdichte und kalkichte Materie findet. Man sieht in Japan diese Art von Ambra sehr häufiig, die entweder in den Eingeweiden der Wallfische gefunden, oder mit ihren Exkrementen von ihnen ins Meer gegangen ist. Die Japaner pflegen aus diesem Grunde den Ambra, Kusura no fun d.i. Wallfischdrek zu nennen.

Das Südmeer wirft oft ganz sonderbare Stücke einer fettigen Substanz ans Ufer aus, die dem äußern Ansehn nach dem Ambra sehr gleichen. Mir selbst wurde einmahl eine solche Masse, die auf der philippinischen Insel Lakonien an Land geworfen war, als ganz frische Ambra aufgedrungen. Sie war weiß, schwammicht, zerbrechlich, wie ranziges Speck, räucherigt und talgicht, weßhalb ich dieselbe für Wallfischspeck hielt, die lange im salzigen Seewasser gelegen und sich so verändert hatte. Ich besitze auch noch eine solche Masse, die sehr unförmlich ist, und drei Pfund wiegen mag, die an der Küste von der Insel Banda gefunden ist. Mir scheint aber diese Masse Talg von der Art zu seyn, der Schröder den Nahmen weißliches Ambra (Ambra subalbida) giebt, und die gemeiniglich Wallrath (Sperma Ceti) heißt. Diese Materie kann leicht irgendwo an einem Felsen sich gesaammlet haben, und von der Sonne in eine Masse zusammengeschmolzen seyn. Ich kenne von dem so genannten Wallrath drey verschiedne Arten, oder Methoden ihn zu bekommen. Die erste Art ist diejenige, welche auf der Oberfläche der nördlichen Meere schwimmt, und mit geflochtenen Körben abgeschöpft wird, wie dieses längst durch Augenzeugen gemeldet ist. Die andre wird in Menge aus der Hirnschale eines gewissen Wallfisches, der lateinisch Orca, holländisch Potvis heißt, gepreßt, nach dem Zeugniß des Bartholinus Wormius und aller, die nach Grönland auf den Wallfischfang fahren. Die dritte Art wird auf den Fardischen Inseln von den Bewohnern derselben (die äußerst arme Fischer sind) aus der obern Haut eines gewissen Fisches heruasgebracht. Diese Fisch hat einen sehr langen Kopf, und heißt Buskoppe, welchen Nahmen auch die äußerste dieser Insel von der Menge der daselbst befindlicen Fische dieser Art bekommen hat.

Von dieser lezten Gattung sind mir keine Nachrichten eines Schriftstellers bekant, aber ich kenne sie durch den Bericht eines ausnehmend glaubwürdigen Mannes, der durch Schiffbruch an diese Inseln verchlagen war, und sechs Monathe sowol dem Sammeln dieser Art von Wallrath zugesehn, als auch selbst dabei Hand angelegt hatte. Er sagte mir, dieser Fisch sey grösser als ein Mensch, und sein monströses Haupt mit dieser schwammichten Fettigkeit angefüllt, besonders in der Gegend der Kinnbacken. Man sondre diese ab, und durch eine starke Lauge und Dörren in der Sonne reinige man sie, und verhindre, daß sie nicht ranzig werde. Auf dem indischen Meere pressen auch die Seeleute aus dem Kopfe des Hayfisches (des schädlichsten Raubfisches nach dem Krokodill) eine ausnehmend weiße Materie, die sie unter dem Nahmen Wallrath verkaufen. Das Hirn selbst pflegen sie wegzuwerfen, das ich mitten im Kopf und sehr klein gefunden habe. Diese Materie besizt ganz vollkommen die horntreibende Kraft des eigentlichen Wallraths; da sie aber ganz staubigt ist, und gar keine talgichte Fettigkeithat, so kann sie mit Recht nicht für Wallrath angesehn werden.

Meine vorher erwähnte Materie aber hat alle erforderliche Kennzeichen des Wallraths und scheint zu der ersten der angeführten Klassen zu gehören. Ich habe dieses am besten gesehn, wenn ich sie wieder in eine Substanz von Kleien verwandelt habe, welches die ursprüngliche des Wallraths ist. Ich habe sie auch zuweilen statt desselben in Kranheiten mit dem glüklichsten Erfolg gebraucht.

Den Bernstein haben die Naturkündiger mit mehr Grund zu dem Geschlecht des Ambra gezählet. Denn er ist, wie dieser, eine fettige aber reinere Erde, die durch die Luft in das Meer verhärtet worde. Ich habe in Pruessen gesehn, nicht nur wie man diese von den Wellen aus Ufer geworfne Materie sammelt, sondern auch, wie man sie aus den unterrirrdischen Gängen der Erde herausgräbt, und diese leztere Gattung, die oft sehr weich und gebrüchig ist, wieder ins Meer wirft, damit sie hart werde. Hätte der berühmte Denis dieses gewußt, so würde er sich (in der eben angeführten Schrift) nicht so viele Mühe gegeben haben, den Bernstein aus den schwedischen Wäldern an das Ufer der Ostsee zu bringen. Die entfernten Nationen ziehen den Bernstein dem ächten Ambra weit vor, so wie überhaupt auch allen kostbaren Steinen, die rothen Korallen allein ausgenommen. Andre edle Steine schäzen und gebrauchen sie nicht. Vorzüglich wird von diesen Völkern der gelbe durchsichtige Bernstein, den wir Europäer gerade am wenigsten achten, wege des Alters und der ausnehmenden Vollkommenheit, die sie ihm beilegen, am höchsten geachtet; die übrigen Arten aber weniger. Ich bemühte mich zuweilen ihnen das Gegentheil hierin zu beweisen, erregte aber dadurch nur das Gelächter meiner Zuhörer, und richtete ohngefehr eben so viel bei ihnen aus, als derjenige erwarten könnte, der uns überzeugen wollte, Silber sey kostbarer als Gold.

Die schwarzen asiatischen nationen, an deren Küste sich der Ambra findet, gebrauchen ihn gar nicht; die Europäer aber in der Medicin. Der stärkste Gebrauch davon wird im mogolischen Reich, in Persien und Arabien zu eingemachten süssen Sachen gemacht. Die Sineser, Japaner, Tunkineser bedienen sich desselben zu ihrem Räuchwerk, dessen lieblicher Duft dadurch sowol erhöhet als verlängert wird, da er ohne Ambra bald verfliegen und viel schwächer seyn würde. Es ist merkwürdig, daß diese Materie beide Kräfte in vorzüglichem Grade und doch vor sich allein nur einen ganz geringen Geruch hat. Seine Kräfte übergehe ich, da sie hinlänglich bekant sind. Doch will ich noch einen geheimen kräftigen Gebrauch des Ambra anführen, den mich ein sehr erfahrner Japanischer Arzt gelehrt hat. Sein Recept war folgendes: Nimm eine beliebige Dosis rohes Opium, wikle sie in Leinwand, und hänge sie in den Dampf von kochendem Wasser. Hat diese nach ein bis zwei Stunden etwa ein Nössel ausgeschwizt, so hast du ein ganz herrliches Opium. Thue alsdenn noch einmal so viel vom beßten Ambra hinzu, woraus dann eine Masse wird, die man in ganz kleine Pillen drehen kann, die alsdenn zu Beförderung des Beischlafs, vor der Nacht, da man sich dazu begiebt, aber in sehr kleiner Dosis, zu nehmen sind.


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