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Johann Sigmund Wurffbain (1613-1661)


Johann Sigmund Wurffbain, auch 'Wurfbain' (geb. 20. August 1613 in Nürnberg, gest. 1661 ebenda;), war einer der frühesten deutschen Ostindien-Reisenden des 17. Jahrhunderts.

 Leben

Vor Ende des Dreissigjähriger Krieg|30jährigen Krieges wurden nur zwei deutsche Berichte aus Ostindien publiziert: der eine von Johann Albrecht von Mandelslo (1616-1644), einem reiselustigen Adeligen aus Schönberg, der andere von Johann Sigmund Wurffbain. Beide stammten aus gut situierten Familien. Johann Sigmunds Vater, der Rechtsgelehrte Wurf(f)bain (1581-1654), war Mitglied des Nürnberger Ratskollegiums. Er sorgte für eine gute Bildung seines Sohnes, der schon in jungen Jahren Französisch lernte.

Portrait Wurffbains im Frontispiz des Drucks von 1868
Wurffbain

Dass Johann Sigmund dennoch seine Heimat in jungen Jahren verließ, hat viel mit den Wirren und düsteren Lebensaussichten im Dreißigjährigen Krieges zu tun. 1628 ging er auf Anraten des Vaters nach Amsterdam, um sich die Feinheiten des Handels anzueignen. 1631 kehrte er nach Nürnberg zurück, zog aber schon bald wieder in die Niederlande und heuerte im Januar 1632 bei der Niederländische Ostindien-Kompanie an. Da er seit seiner Kindheit Französisch gelernt hatte und inzwischen auch gut Niederländisch sprach, hoffte er auf eine Karriere als Kaufmann. Doch wurde er nur als Adelborst“ eingestellt, das heißt im niedrigsten Rang für Soldaten. Seine Entscheidung bereute er bald - so sehr, dass er später seinen Landsleuten davon abriet, es ihm nachzutun: es würde niemand aus Fürwitz oder frembder Lust, sondern vielmehr aus Mangel der Nahrung, oder ungebürlichen Ursachen, sich unterstehen, für einen Soldaten bey den Engelländern, Portugiesen und Holländern, Dienst zu nehmen“.

Nach der Anlandung in Batavia wurde er zunächst auf Ambon in den Molukken stationiert. Danach verbrachte er viel Zeit im Fort Nassau auf der noch weiter abgelegenen Gewürzinsel Banda Neira . Wohl auch, um die Langeweile des Garnisonsdienstes zu überstehen, brachte er seine Erlebnisse und Beobachtungen zu Papier. Der Leser lernt die häufigsten Erkrankungen (''Morbos Endemios, Epidemicos und Sporadicos'') im tropischen Klima Südostasiens kennen: so die Wassersucht, diverse Fieber, Blattern, Pocken, Ruhr und Beriberi. Die an den Gerichtstagen verhandelten Delikte waren: Desertion, Konspiration, Mord, Totschlag, Sodomie, Ehebruch, Blutschande, Gotteslästerung. Die Strafen waren zeitgemäß brutal. Die Delinquenten wurden gerädert, gebrandmarkt, gewippt, gehängt, enthauptet, erschossen.

Wurffbain schreibt auch über Japan, macht jedoch erfreulicherweise deutlich, dass er selbst nie dort war und seine Ausführungen auf mündlichen und schriftlichen Quellen in Batavia aufbauen.


Frontispiz in: Joh. Sigmund Wurffbains vierzehen jährige Ost-Indianische Krieg- und Ober-Kauffmanns-Dienste, in einem richtig geführten Journal- und Tage-Buch. (private Sammlung)
Frontispiz Wurffbain

1634 wurde er endlich Handelsassistent. Als sein fünfjähriger Vertrag 1637 auslief, entschied er sich für eine Verlängerung, zum einen, weil die Lage in der Heimat nach wie vor wenig erfreulich war, zum anderen, weil ihm die Kompanie die Stelle eines Unterkaufmanns in der Handelsniederlassung von Surat antrug, einer wichtigen Hafenstadt des Reiches der Mogulen an der indischen Westküste. Hier handelte er vorwiegend mit Edelsteinen. Im Auftrag der Kompanie unternahm er auch Reisen nach Bengal, Mokka, Cambay und Goa. 1640 erwarb er in Mokka rund 84000 Pfund „Cauwa, so eine Art von Bohnen die allein in deme umb Mocha liegenden Gebürg zu wachsen pflegen‟, und machte sich so um die weitere Verbreitung des Kaffees in Europa verdient. Im Januar 1642 wurde er endlich zum Oberkaufmann befördert. Damit war ihm eigentlich der Zugang zur Leitung einer der Handelsstationen in Ostindien eröffnet. Doch dann stellte sich heraus, dass der Rat von Indien und der Generalgouverneur diese Positionen nur Niederländern gewährte, und Wurffbain entschloss sich zur Heimreise mit der Retourflotte“ Ende 1645. Im September des folgenden Jahres erreichte er seine Geburtsstadt.

Während der langen Jahre in Ostindien hatte er ein stattliches Vermögen akkumuliert, das ihm nun den Einstieg in den Edelsteinhandel ermöglichte. Die Wiedereingliederung in die bürgerliche Welt der Heimat fiel ihm nicht ganz leicht. Seine Seidenstrümpfe und der vergoldete Degen, die Armbänder, Halsketten und goldenen Haarbänder seiner Frau entsprachen nicht den Kleidungsgewohnheiten der Mitbürger. Eine solch protzige Zurschaustellung war seit 1618 gesetzlich untersagt, und Wurffbain musste 1649 ein Bußgeld von 120 Gulden entrichten. Dessen ungeachtet wurde er ein Jahr darauf Mitglied jenes Rats der Stadt, der ihn zuvor angemahnt hatte. 1655 wurde der Sohn Johann Paul (1655-1711) geboren, der Medizin studierte.

Der Vater Leonard griff gerne zur Feder und publizierte mehrere Bücher zu Karl dem Großen und zur Geschichte der Expansion der Habsburger. Wohl, um seinem Sohn eine Freude zu bereiten, hatte er just im Sommer 1646 anhand der ihm aus Ostindien zugeschickten Materialien eine Beschreibung der Reisen seines Sohnes drucken lassen. Das kleine Büchlein enthielt jedoch derart viele Fehler, dass Johann Sigmund alle erreichbaren Exemplare ankaufte und vernichtete. Es scheint, dass er die Publikation einer überarbeiteten Version im Sinn hatte, doch dazu kam es zu seinen Lebzeiten nicht mehr. Johann Paul machte sich 1683 als Verfasser der ersten umfassenden Arbeit zur Biologie des Salamanders (''Salamandrologia'') einen Namen. Drei Jahre später gab er dann die überarbeiteten Materialien seines Vater heraus.

In Nürnberg lebte seinerzeit der Gymnasialprofessor Christoph Arnold (1627-1685), der als ambitionierter Publizist ein Werk über die Verhältnisse in Ostasien vorbereitete und hierzu Materialien sammelte. In dem von ihm kompilierten und 1663 gedruckten Werk "Fr. Carons und Jod. Schouten Wahrhaftige Beschreibungen zweyer mächtigen Königreiche, Jappan und Siam" findet sich als Beitrag Wurffbains ein lesenswerter ''Kurzer Bericht, wie eine Reise, sowohl zu Wasser, als zu Land, nach Indien auszustellen''.

Wurffbains Buch zählt zu den wenigen frühen Beschreibungen der Lage in Niederländisch-Ostindien. Hinsichtlich des Inhalts, der Qualität und Genauigkeit der Darstellung übertrifft er die meisten Reisewerke jenes Jahrhunderts.


 Werke

  • Ioannis Sigismundi Wurffbains Bürgers in Nürnberg. ''Reiß-Beschreibung''. Welche Er in Namen und wegen der hochlöblichen in Niderland angeordneten Ost-Indianischen Compagniae de Anno Christi 1632. in dem Monat Aprill dahin mit Gott und Ehren fürgenommen/ und in dem Monat Juni deß 1646. vollendet hat/ gestelt durch seinen Vattern Leonhartum Wurffbain D. [...] und auff desselben Verlag und Unkosten [...] Nürnberg: Endter, 1646. ( [3], 65 pp. ; quarto)
  • Joh. Hieronymi Wurffbains [...] ''Tractatus De Differentiis Juris Civilis Et Reformationis Noricæ antehâc in Inclutâ Universit''. Altendorfina Inauguraliter propositus: Nunc Novis Additionibus auctior redditus [...] Noribergae / Cramer ; Felsekerus, 1665.
  • Joh. Sigmund Wurffbains vierzehen jährige Ost-Indianische Krieg- und Ober-Kauffmanns-Dienste, in einem richtig geführten Journal- und Tage-Buch. Auf vielfältig und offt wiederholtes Begehren mit unterschiedlichen Kupffern gezieret, endlich an den Tag gelegt von J. P. W. D. Sultzbach: ''Johann Georg Endters, 1686''. ([40] 264pp., Faltkarte; 18 cm)
  • Vierzehen jahrige Ost-Indianische Krieg- und Ober-Kauffmanns-Dienste, in einem richtig gefuhrten Journal- und Tage-Buch [...] / endlich an den Tag gelegt von J. P. W. D Sultzbach : Endters, 1686. 40] 264pp. : Faltkarte, 1 Abb.; 18 cm] Nachdruck: Reise nach den Molukken und Vorder-Indien 1632-1646. Haag, 1931. [2 Bde. XVI,179,XXIII,174 pp.]

  Literatur

  • Roelof van Gelder: ''Das ostindische Abenteuer - Deutsche in Diensten der Vereinigten Ostindischen Kompanie der Niederlande 1600-1800.'' Convent, Hamburg 2004
  • Roelof van Gelder: ''Het Oost-Indisch avontuur. Duitsers in dienst van de VOC (1600-1800).'' SUN, Nijmegen 1997
  • P.C. Molhuysen, P.J. Blok: ''Nieuw Nederlandsch Biografisch Woordenboek''. A.W. Sijthoff, Leiden
  • Wolfgang Michel: Japan in Caspar Schmalkaldens Reisebuch.In: Dokufutsu Bungaku Kenkyû, No. 35 (Fukoka, May 1985), pp. 41 - 84.
  • Ioannis Sigismundi Wurffbains ... Reiß-Beschreibung (1646). Digitale Ausgabe der ersten, raren Ausgabe ( Herzogin Anna Amalia Bibliothek Weimar).


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